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Kontraktmanagement in der Neuen Steuerung
Diplomarbeit
angefertigt an der Fachhochschule Köln
Fachbereich Sozialpädagogik
vorgelegt von
Andreas Pollak
Bahnhofsstr. 39
53123 Bonn
Matrikel-Nr. 11024617
im WS 2003/2004
1. Gutachter: Herr Prof. Dr. K. Hofemann
2. Gutachter: Herr Prof. Dr. Dr. H. Schubert
2
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Signifikante Unterschiede von wirtschaftlichen Gütern
und (personenbezogenen) sozialen Dienstleistungen 8
Abbildung 2. Der Nonprofit-Sektor als intermediärer Bereich 13
Abbildung 3. Verbreitung des NSM 23
Abbildung 4. Kernelemente des Neuen Steuerungsmodells 25
Abbildung 5. Entstehung und Zuordnung von Produkten 26
Abbildung 6. Neue Bezugsgrößen der Steuerung 28
Abbildung 7. Leitgedanke zur Steuerung 40
Abbildung 8. Kernelemente des Kontraktmanagements 42
Abbildung 9. Kontraktkaskade 45
Abbildung 10. Unterscheidung zwischen externen- und internen
Kontrakten 48
Abbildung 11. Kontraktmanagement 52
Abbildung 12. Ziele eines zu führenden Dialogs der Kontraktpartner 55
Abbildung 13. Ziele von Kontraktmanagement 56
Abbildung 14. Voraussetzungen für Kontraktmanagement 59
Abbildung 15. Kreislauf der Budgetierung 62
Abbildung 16. Ebenen eines Sozialraum-Konzepts 64
Abbildung 17. Formen der Privatisierung 69
Abbildung 18. Kontraktmanagement zwischen senatorischem
Bereich und zugeordneter Dienststelle 82
3
Abkürzungsverzeichnis
Art. Artikel
Abs. Absatz
BAT Bundesangestelltentarifvertrag
BSHG Bundessozialhilfegesetz
bzw. beziehungsweise
d.h. das heißt
DIN Deutsche Industrie Norm
f. und folgende Seite
ff. und mehrere folgende Seiten
GG Grundgesetz
GO NW Gemeindeordnung NRW
KGSt Kommunale Gemeinschaftsstelle
für Verwaltungsvereinfachung
KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz
KLR Kosten- und Leistungsrechnung
NSM Neues Steuerungsmodell
o. g. oben genannt
u. a. unter anderem
usw. und so weiter
S. Seite
vgl. vergleiche
z. B. zum Beispiel
4
Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere hiermit, dass ich die vorstehende Diplomarbeit selbständig angefertigt,
keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt und wörtlich entlehnte Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
_______________________ _______________________
Ort/Datum Unterschrift
5
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Ökonomische Grundlagen für soziale Dienstleistungen sowie
deren Abgrenzung zu wirtschaftlichen Gütern bzw. Dienst-
leistungen 4
2.1 Güter und Dienstleistungen 4
2.2 Besonderheit sozialer Dienstleistungen 6
2.3 Allokations- und Distributionssystem von Gütern und Dienst-
Leistungen 9
2.4 Profit- und Non-Profit-Unternehmen 11
2.5 Beschreibung ökonomischer Begrifflichkeiten aus dem NSM 14
2.5.1 Effektivität und Effizienz 14
2.5.2 Input, Output und Outcome 14
3 Einführung des Neuen Steuerungsmodells in der öffentlichen
Verwaltung und dessen Auswirkung auf die Sozialverwaltung 15
3.1 Kritikpunkte an der herkömmlichen Organisation der Verwaltung 15
3.1.1 Das Tilburger Modell und dessen Übertragung auf deutsche
Verhältnisse 19
3.2 Das Neue Steuerungsmodell im Überblick 22
3.2.1 Produktdefinition 25
3.2.2 Outputorientierte Steuerung 28
3.2.3 Dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung 29
3.2.4 Controlling 29
3.2.5 Kontraktmanagement 31
3.2.6 Qualitätsmanagement 31
6
3.3 Entwicklungen, aus denen die Notwendigkeit einer Modernisierung
der Sozialverwaltung hervorgehen 34
3.3.1 Positive Auswirkungen des NSM´s auf die Sozialverwaltung 36
3.3.2 Kritikpunkte, die das NSM in der Sozialverwaltung hervorruft 37
4 Kontraktmanagement als Kernelement des NSM´s 40
4.1 Einleitung und Implementierungsgrund 40
4.2 Die Grundkonzeption des Kontraktmanagements 41
4.2.1 Die Kernelemente des Kontraktmanagements 42
4.3 Die verschiedenen Beziehungsebenen im Kontraktmanagement 45
4.3.1 Die Rolle des Bürgers 49
4.3.2 Verantwortungsdezentralisation als Leitmotiv des Kontrakt-
managements 50
4.4 Verbindlichkeit von Kontrakten 53
4.5 Ziele von Kontraktmanagement 54
4.6 Sanktionen und Anreize 57
4.7 Voraussetzungen für ein funktionierendes Kontraktmanagement 58
4.8 Das Kontraktmanagement im Zusammenhang mit Budgetierung
und Sozialraumbezug 60
4.8.1 Budgetierung und Kontraktmanagement 60
4.8.2 Sozialraumbezug und Kontraktmanagement 63 4.9 Förderung des Wettbewerbsgedanken durch Kontraktmanagement 66
4.9.1 Bedeutung von Benchmarking 71
4.10 Neue Anforderungen im Berufsbild 73
4.10.1 Motivation und Kooperation 73
4.11 Betrachtung der Problemfelder im Kontraktmanagement 77
5 Die praktische Umsetzung von Kontraktmanagement 81
5.1 Inhalte und Gestaltung von Kontrakten 81
5.1.1 Beispiel eines Hauptkontrakts aus Bremen 82
5.1.2 Beispiel eines Fachbereichkontrakts aus St. Augustin 85
7
5.2 Die Erfahrungen der Stadt Tilburg mit Kontraktmanagement 86 5.3 Interview zum Thema Kontraktmanagement 88
6 Resümee 93
7 Literaturverzeichnis 96
8 Anhang 102
8
Einleitende Fragestellungen: ! Welche Probleme entstehen bei der Übertragung von ökonomischen Instrumenten in die soziale Arbeit
und ist eine solche Übertragung überhaupt empfehlenswert?
! Gestaltet sich die Leistungsherstellung in der sozialen Arbeit durch Kontraktmanagement effizienter?
! Welche Chancen und Gefahren birgt das Kontraktmanagement für die soziale Arbeit?
Ökonomische Grundlagen für soziale Dienstleistungen sowie deren Abgrenzung zu wirtschaftlichen Gütern bzw. Dienstleistungen
Einführung des Neuen Steuerungsmodells in der öffentlichen Verwaltung und dessen
Auswirkung auf die Sozialverwaltung
Kritikpunkte an der herkömmlichen Organisation der Verwaltung
Das Neue Steuerungsmodell im Überblick
Entwicklungen, aus denen die Not-wendigkeit einer Modernisierung der Sozialverwaltung hervorgehen
Kontraktmanagement als Kernelement des NSM´s
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Die praktische Umsetzung von Kontraktmanagement zur Abrundung der theoretischen Betrachtung
Resümee
1
1 Einleitung
Die aktuellen Diskussionen über den Reformbedarf der kommunalen Verwaltung
verdeutlichen, dass die Einführung eines modernen Managements im öffentlichen
Dienst notwendig ist. Das Neue Steuerungsmodell bildet die Grundlage der aktuellen
Reformmaßnahmen. Es beinhaltet für die Kommunalverwaltung eine neu definierte
Kundenorientierung sowie eine Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungs-
instrumente. Öffentliche Dienstleistungen, hierunter fällt auch die Herstellung von
Sozialleistungen, sollen effizienter und effektiver werden. Folglich spielen in der
sozialen Arbeit ökonomische Zusammenhänge eine zunehmend bedeutende Rolle.
In vielen Sozialverwaltungen wird ein regelrechter Strukturwandel vollzogen.
Neben den fachlichen Standards sind zunehmend auch ökonomische Rationalitäts-
kriterien, die in der privaten Wirtschaft beheimatet sind und sich dort bewährt haben,
von Bedeutung. Aus diesem Grund ist es für die Berufsgruppe der Sozialarbeiter/
Sozialpädagogen1 mittlerweile unausweichlich, sich mit diesem Thema zu befassen.
Durch das Neue Steuerungsmodell sollen die wesentlichen Steuerungslücken auf
kommunaler Ebene beseitigt werden, die als hemmende Faktoren für effiziente
Aufgabenerledigung angesehen werden.
Kontraktmanagement als neues Steuerungsinstrument soll helfen, den Weg zu mehr
Effizienz und Effektivität in der Kommunalverwaltung zu ebnen. Die Grund-
prinzipien von Kontraktmanagement gehen auf Managementkonzepte privater
Unternehmen zurück. Die Einführung von Kontraktmanagement im öffentlichen
Bereich hat nicht nur eine umfassende und tiefgreifende Neuorganisation der
Beziehungen innerhalb der Verwaltung zum Ziel, auch die Beziehungen der
Verwaltung zu außenstehenden sind davon betroffen. Die vorliegende Arbeit
unternimmt den Versuch einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Kontrakt-
management. 1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit nur die männliche Schreibweise verwendet. Leserinnen fühlen sich bei der Lektüre dieser Arbeit bitte dennoch angesprochen.
2
Folgende Leitfragen stehen hierbei im Mittelpunkt:
! Welche Probleme entstehen bei der Übertragung von ökonomischen
Instrumenten in die soziale Arbeit und ist eine solche Übertragung überhaupt
empfehlenswert?
! Gestaltet sich die Leistungsherstellung in der sozialen Arbeit durch
Kontraktmanagement effizienter?
! Welche Chancen und Gefahren birgt das Kontraktmanagement für die soziale
Arbeit?
Zur Untersuchung der Leitfragen ist diese Arbeit, abgesehen von der Einleitung und
dem Resümee, in vier Teile gegliedert. Deren Zweck und Inhalt wird im Folgenden
kurz dargestellt:
Teil 1: Der erste Teil widmet sich den ökonomischen Grundlagen für soziale
Dienstleistungen sowie deren Abgrenzung zu wirtschaftlichen Gütern bzw.
Dienstleistungen. Die Instrumente des Neuen Steuerungsmodells kommen
ursprünglich aus dem Bereich der Profit-Unternehmen. Es ist sinnvoll, zu Beginn
dieser Arbeit die Besonderheiten für soziale Dienstleistungserstellung heraus-
zuarbeiten, da die signifikanten Unterschiede der produzierten Güter/Dienst-
leistungen von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung ihre Berücksichtigung
finden müssen. Es reicht nicht aus, die Anwendbarkeit von Kontraktmanagement in
der Sozialverwaltung zu untersuchen, ohne einen Bezug zu dessen Herkunft
aufzuzeigen.
Teil 2: Hier wird zunächst die Notwendigkeit der Verwaltungsmodernisierung
erörtert. Es folgt ein kurzer Überblick über die Herkunft, die Kernelemente und die
Funktionsweise des Neuen Steuerungsmodells, um das Instrument Kontrakt-
management in diesen Kontext einordnen zu können. Teil zwei endet mit einer
kritischen Betrachtung der Anwendbarkeit des Neuen Steuerungsmodells.
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Teil 3: Der dritte Teil beschäftigt sich im speziellen mit dem Kontraktmanagement.
Es wird als Kernelement des Neuen Steuerungsmodells vorgestellt. Seine zugrunde
liegende Steuerungsphilosophie wird dargelegt. In diesem Abschnitt werden zudem
weitere Ziele, die mit der Einführung von Kontraktmanagement einhergehen,
präzisiert. Mit Hilfe dieses Gliederungspunkts soll verdeutlicht werden, welche Vor-
und Nachteile mit der Einführung von Kontraktmanagement in der Sozialverwaltung
verbunden sind und welche Auswirkungen dies auf die einzelnen Mitarbeiter hat.
Teil 4: Dieser Teil befasst sich mit der praktischen Umsetzung von
Kontraktmanagement. Es werden verschiedene Anwendungsbeispiele aufgezeigt und
erörtert. Um die Betrachtungen zum Thema Kontraktmanagement abzurunden,
wurde abschließend ein Interview geführt.
4
2 Ökonomische Grundlagen für soziale Dienstleistungen
sowie deren Abgrenzung zu wirtschaftlichen Gütern bzw.
Dienstleistungen
2.1 Güter und Dienstleistungen
Bedürfnisse lassen sich als Mangelerscheinungen charakterisieren, die aufgrund
unterschiedlicher Begebenheiten entstehen können. In unserer Gesellschaft werden
Güter und Dienstleistungen ge- und verbraucht, um vorhandene Bedürfnisse zu
befriedigen. Das setzt eine Transformation eines Bedürfnisses in Bedarf bzw.
Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen voraus (vgl. Finis Siegler 1997, S. 21).
Die Nachfrage bzw. der Bedarf wird vor allem durch Käufe an anonymen Märkten
realisiert. Zudem besteht in Ausnahmefällen die Möglichkeit der eigenen
Herstellung. Die Anbieter orientieren sich bei der Herstellung der Güter und Dienst-
leistungen an den Wünschen der Nachfrager. Güter und Dienstleistungen weisen
signifikante Unterscheidungsmerkmale auf:
Grob lassen sich Freie- und Wirtschaftsgüter voneinander unterscheiden. Freie
Güter sind in nahezu unbegrenzter Menge vorhanden und ihr Konsum ist
unentgeltlich. Sie werden von Natur aus bereitgestellt. Luft ist ein Beispiel für ein
freies Gut, das jedem zur Verfügung steht. Da sie nichts kosten und man mit ihnen
keinen Gewinn erzielen kann, sind sie nicht Gegenstand wirtschaftlicher
Überlegungen. Wirtschaftliche Güter hingegen sind nicht frei verfügbar, sie werden
hergestellt und zu einem bestimmten Preis angeboten. Von ursächlicher Bedeutung
ist dabei der zu erwartende Gewinn. Wirtschaftliche Güter sind von materieller/
sächlicher Natur. Daraus kann man ableiten, dass sie sichtbar, transportierbar und
lagerfähig sind. Sie werden meist in Massen hergestellt, wobei ihre Produktion nicht
an einen bestimmten Standort gebunden ist. Aus diesem Grund fallen die Herstellung
der Güter und ihr entsprechender Verkauf zeitlich und örtlich auseinander (vgl. Finis
Siegler 1997, S. 24).
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Der Produktionsprozess, welcher durch eine Kombination von Anlagen, Maschinen,
menschlicher Arbeitsleistung und Werkstoffe gekennzeichnet ist, gestaltet sich
transparent. Somit können die Kosten, die durch die Herstellung verursacht werden,
sehr genau einem erstellten Gut zugerechnet werden. Das ist für den Hersteller von
großer Wichtigkeit, weil erkannt werden kann, ob sich der Verkauf des Guts zu
einem bestimmten Preis rentiert. Um Güter preiswert herzustellen, werden in den
Produktionsprozess Mechanisierungsmöglichkeiten einbezogen.
Eine eindeutige begriffliche Definition von Dienstleistungen ist aufgrund einer
ausgeprägten Heterogenität in diesem Bereich sehr schwierig. Häufig werden diese
in Negation zu wirtschaftlichen Gütern beschrieben. So werden Dienstleistungen
u. a. als nicht materiell und nicht lagerfähig beschrieben. Arnold systematisiert
Dienstleistungen folgendermaßen:
Zunächst grenzt er persönliche und automatisierte Dienstleistungen voneinander ab.
Eine Dominanz der menschlichen Leistung im Erstellungsprozess ist charakteristisch
für persönliche Dienstleistungen. Im Unterschied dazu werden bei automatisierten
Dienstleistungen wesentliche Bestandteile der Leistung von Automaten bzw.
Maschinensystemen erbracht (z. B. Datenbanksysteme, Selbstbedienungsautomaten).
Für die vorliegende Arbeit sind die persönlichen Dienstleistungen von Interesse, die
sich sowohl sach- als auch personenbezogen gestalten können (vgl. Arnold 2003a, S.
219). Die sachbezogene Dienstleistung wird am Sachgut eines Nachfragers
durchgeführt (Reifenwechsel beim Auto), während sie bei der personenbezogenen
Dienstleistung direkt an der Person des Nachfragers (Soziale Arbeit, Beratungs-
gespräch) erbracht wird (vgl. Arnold 2003a, S. 216). Der Prozess der Herstellung
wird durch die menschliche Arbeitskraft geprägt, er ist sehr personalintensiv. Andere
Faktoren sind nachrangig auch von Bedeutung, wie z. B. die räumliche Ausstattung.
Es wird behauptet, die Produktivität dieser personalintensiven Art der Leistungs-
erstellung sei weder mess- noch kontrollierbar (vgl. Finis Siegler 1997, S. 24).
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2.2 Besonderheiten sozialer Dienstleistungen
Ökonomisch betrachtet gehört die soziale Arbeit in den Bereich der Dienstleistungen,
in die Kategorie der personenbezogenen Dienstleistungen (vgl. Punkt 2.1).
Personenbezogene Dienstleistungen umfassen jedoch sehr unterschiedliche Bereiche.
Für die Dienstleistungserstellung in der sozialen Arbeit muss eine Begrenzung
vorgenommen werden, die in der Vokabel „personenbezogene soziale Dienst-
leistungen“ zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Merchel 2001, S. 33). Das Adjektiv
„personenbezogen“ kann jedoch weggelassen werden, da es bereits im Adjektiv
„sozial“ enthalten ist. Die sozialen Dienstleistungen werden nur in Anspruch
genommen, wenn besondere Umstände, deren Anlass ist ein soziales Problem ist,
eine vorher nicht vorhandene Nachfrage erfordern. Z. B. dann, wenn das Verhalten
eines Kindes Hilfen zur Erziehung erforderlich macht. Dieser Anlass grenzt sich
zunächst von anderen Dienstleistungen ab. Durch diesen Umstand ist der Bedarf
dieser Leistungen nicht genau vorherseh- und bestimmbar. Die sozialen
Dienstleistungen weisen weitere Besonderheiten/Charakteristika im Vergleich zu
anderen Dienstleistungen sowie zur Güterproduktion auf (vgl. u. a. Arnold 2003a S.
215 ff. – und Merchel 2001 S. 33 f.):
Es existiert keine Leistung im herkömmlichen Sinn, womit gemeint ist, dass z. B. ein
fertiges Produkt als Ergebnis eines Herstellungsprozesses entsteht. Es spielen auch
Sachleistungen (z. B. Räumlichkeiten) innerhalb der Leistungserstellung eine Rolle,
doch die Kernleistung ist der Prozess innerhalb der Dienstleistung. Sie zeichnet sich
also durch eine Immaterialität bzw. eine Intangibitlität aus, da sie weder sichtbar
noch greifbar ist. Der Dienstleistungsempfänger ist dadurch nur bedingt in der Lage,
die angebotene Dienstleistung und deren Nutzen einzuschätzen (vgl. Merchel 2001,
S. 33).
Soziale Dienstleistungen sind durch eine Unteilbarkeit und Nicht-Speicherbarkeit
gekennzeichnet. Die Produktion und Konsumtion erfolgen zeitgleich in einem
Vorgang, der unter dem Uno-actu-Prinzip bekannt ist. Aufgrund dieser Tatsache, ist
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eine soziale Dienstleistungserstellung auf Vorrat nicht möglich. Da der Bedarf dieser
Leistungen ist nicht genau vorherseh- und bestimmbar ist, ergeben sich dadurch
Probleme in der Kapazitätsplanung.
Es ist unabdingbar, dass ein externer Faktor (Klient/Kunde) in den Erstellungs-
prozess einbezogen wird. Dies geschieht in einer solchen hohen Intensität, dass der
externe Faktor die Rolle des Koproduzenten einnimmt. Es ist notwendig, dass er für
die Dauer der Erbringung der Dienstleistung zur Verfügung steht. Von Seiten des
Klienten setzt dies ein Mindestmaß an Kooperationsfähigkeit und -willigkeit voraus
(vgl. Finis Siegler 1997, S. 30). Aufgrund dieser Konstellation kann man die
Schlussfolgerung ziehen, dass der Erfolg bzw. Misserfolg einer Leistung nicht
eindeutig zurechenbar ist. Die Effizienz des Produktionsprozesses kann nicht exakt
vorhergesagt werden und liegt nicht allein in der Verantwortung des Anbieters.
„Der Konsument wird zum „Prosument“ und der Produzent zum „Koduzent““
(Trube 2001, S. 192). Das Zurechnungsproblem für die Ergebnisverantwortung ist
aufgrund dieser Intransparenz nur schwer bzw. nicht zu lösen, zudem stellen sich die
erhofften Ergebnisse manchmal nicht sofort, sondern erst zeitverzögert ein.
Soziale Dienstleistungen werden an einer Person erbracht, somit ist die
Leistungserstellung an einen Standort gebunden. Die räumliche Distanz zwischen
Anbieter und Nachfrager sollte nicht zu groß sein, deshalb können soziale
Dienstleister ihren Standort nicht beliebig wechseln. Sie müssen Maßnahmen
ergreifen, um eine räumliche Distanz zwischen dem Nachfrager und dem Anbieter zu
überwinden (vgl. Merchel 2001, S. 34).
Durch die hohe Individualität im Prozess der Leistungserstellung lassen sich soziale
Dienstleistungen nur begrenzt standardisieren. Sie müssen variabel auf unter-
schiedliche Bedürfnisse der Nachfrager reagieren können. Im Gegensatz zu den
meisten Konsumgütern kann die Qualität von sozialen Dienstleistungen nicht vor
ihrer Erbringung beurteilt werden. Somit ist als weiteres Wesensmerkmal zu nennen,
dass sie Erfahrungsgüter sind (vgl. Bäcker/Bispinck/Hofemann/Naegele 2000, S.
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334). Der Nachfrager begibt sich in die „Obhut“ des Dienstleisters. Erst nach
Beendigung der sozialen Dienstleistung „erfährt“ er deren Qualität. Der Nachfrager
muss darauf vertrauen können, dass er die richtige Leistung erhält. Diese
Konstellation macht soziale Dienstleistungen im hohem Maße zu Vertrauensgütern.
Dieses Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis tritt besonders dann auf, wenn der
Klient wegen „fehlender Sachkenntnis und/oder wegen eingeschränkter Handlungs-
und Entscheidungsfähigkeit den Profi [den Dienstleister] als „Agenten“ zur
Spezifizierung der erforderlichen Einzelleistungen einsetzt“ (Bäcker/Bispinck/Hofe-
mann/Naegele 2000, S. 334). Der Dienstleister bestimmt nach Vorgabe durch den
Staat zugleich über das Angebot und die Nachfrage (vgl. Punkt 2.3). Er muss
hinreichende Maßnahmen ergreifen, die vertrauensschaffende Wirkung haben.
Abbildung 1 veranschaulicht zusammenfassend die signifikanten Unterschiede von
wirtschaftlichen Gütern und (personenbezogenen) sozialen Dienstleistungen:
Abbildung 1. Signifikante Unterschiede von wirtschaftlichen Gütern und (personenbezogenen)
sozialen Dienstleistungen (eigene Darstellung)
Merkmale von wirtschaftlichen Gütern:
Merkmale von (personenbezogenen) sozialen Dienstleistungen:
Stofflichkeit/Sachlichkeit
Transportierbarkeit/Lagerfähigkeit
Transparente Herstellbarkeit
Standortungebundenheit
Massenfertigung Erfahrungs- und Vertrauensgüter
Standortgebundenheit
Integration des externen Faktors
Speicherbarkeit nicht gegeben
Immaterialität/Intangibilität
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2.3 Allokations- und Distributionssystem von Gütern und Dienst-
leistungen
Vergleicht man die Allokation und Distribution von Sachgütern und Dienstleistungen
im wirtschaftlichen Bereich mit den Dienstleistungen im sozialen Bereich, so lassen
sich diverse Unterschiede erkennen. Güter und Dienstleistungen können auf
verschiedene Weise angeboten werden, und zwar in Form von privaten, öffentlichen
oder meritorischen Gütern und Dienstleistungen (vgl. Finis Siegler 1997, S. 31).
Güter und Dienstleistungen werden zu privaten Gütern, wenn sie auf anonymen
Märkten angeboten und nachgefragt werden. Sie werden vom Konsumenten als
autonome Wirtschaftssubjekte erworben, um vorhandene Bedürfnisse zu befriedigen.
Dies geschieht aufgrund ihrer individuellen Präferenzen und in Abhängigkeit vom
zur Verfügung stehenden Einkommen (vgl. Finis Siegler 1997, S. 31). Zentrale
Bezugsgröße zur Koordination zwischen Angebot und Nachfrage ist der Preis.
Die Aneignung der privaten Güter vollzieht sich meist in Form von schlüssigen
Tauschbeziehungen. Leistung und Gegenleistung sind direkt miteinander verbunden.
Dass heißt, der Kunde (gleichzeitig Konsument und Zahler) bekommt nach einer
Gegenleistung (do-ut-des-Prinzip), in Form der Bezahlung, vom Anbieter im Tausch
das private Gut. Das schließt Dritte von der Bedürfnisbefriedigung aus, da auch die
Eigentumsrechte am Gut/der Dienstleistung erworben werden (Finis Siegler 1997, S.
31). Private Güter werden individuell konsumiert, es gilt das Ausschlussprinzip.
Ein Beispiel für öffentliche Güter ist die innere Sicherheit und die damit
verbundene Terrorismusbekämpfung. Öffentlich vom Staat bereitgestellt, wird
diesen Gütern ein kollektiver Nutzen unterstellt. Finanziert werden sie durch
Steuerzahlungen, und somit durch die Allgemeinheit. Öffentliche Güter werden am
Markt weder angeboten noch nachgefragt, jeder kommt in den Genuss dieser Güter,
die auch Kollektivgüter genannt werden. Daher gilt bei ihnen auch nicht das
Ausschlussprinzip. Sie produzieren externe Effekte, „d. h. sie stiften nicht nur einen
individuellen, sondern auch einen sozialen Nutzen“ (Finis Siegler 1997, S. 32).
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Als meritorische (lateinisch = verdienstlichte) Güter/Dienstleistungen werden die-
jenigen Leistungen bezeichnet, die zwar auf anonymen Märkten angeboten werden
könnten, bei denen jedoch das Ergebnis der marktmäßigen Steuerung politisch
beeinflusst wird. Der Staat will hierdurch ein bestimmtes Versorgungsniveau
sicherstellen und nicht ausschließlich vom Markt bestimmen lassen. Meritorische
Güter/Dienstleistungen sind zwischen privaten- und öffentlichen Gütern/Dienst-
leistungen angesiedelt. Für sie gilt auch das Ausschlussprinzip, jedoch werden sie im
Wege politischer Entscheidungen zu quasi-öffentlichen Gütern gemacht (vgl. Finis
Siegler 1997, S. 32). Als Beispiel kann man u. a. die Bereiche der medizinischen
Versorgung und der Bildung anbringen. Konsumtätigkeiten bringen hier einen
direkten individuellen Nutzen, zugleich aber auch einen indirekten Nutzen für die
Allgemeinheit (Volksgesundheit, guter Bildungsstand einer Gesellschaft).
Auch soziale Dienstleistungen sind aufgrund ihrer Zwitterstellung (sie sind
gleichzeitig Individual- und Kollektivgut) meritorische Güter bzw. Dienstleistungen
(vgl. Finis Siegler 1997, S. 32). Durch die Bereitstellung der sozialen
Dienstleistungen greift der Staat in die Präferenzen der Klienten ein, da er letztlich
festlegt, was angeboten wird. Der plausible Grund der Nutzung dieser Dienst-
leistungen liegt in der Unabhängigkeit von Geld, um einkommensschwache
Bevölkerungsgruppen nicht zu benachteiligen. Soziale Arbeit z. B. richtet ihr
Angebot häufig an benachteiligte Bevölkerungsgruppen (z. B. an hilfebedürftige
Kinder und Jugendliche, Behinderte und ältere Menschen). Der Staat ist gesetzlich
dazu verpflichtet, ihnen entsprechende Dienstleistungen (durch eine Meritorisierung)
zur Verfügung zu stellen. Deutschland hat ein historisch gewachsenes System der
sozialen Sicherung. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung hat die
kommunale Politik die Aufgabe, die konkrete Erbringung der sozialen Leistung zu
gewährleisten. „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle
Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener
Verantwortung zu regeln“ (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG).
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Die Aneignung von sozialen Dienstleistungen vollzieht sich in Form von nicht
schlüssigen Tauschbeziehungen. An diesen sind ein Leistungsempfänger, ein
Leistungserbringer und die Kostenträger (hiermit ist der Staat, aber auch einzelne
Spender, Vereine usw. gemeint) beteiligt. Der Leistungserbringer produziert die
Dienstleistung in Zusammenspiel mit dem Leistungsempfänger, der hierauf einen
Rechtsanspruch hat. Der Kostenträger fungiert als Finanzgeber für den Leistungs-
erbringer. Somit steht der erbrachten Leistung keine unmittelbare Gegenleistung des
Empfängers gegenüber (vgl. Arnold 2003c, S. 278). Durch diese Konstellation ist die
Tauschbeziehung nicht schlüssig. Soziale Dienstleistungen werden entweder vom
Staat in eigener Regie hergestellt, oder durch Organisationen ohne Erwerbscharakter
(vgl. Punkt 2.4, Non-Profit-Unternehmen), die im Auftrag des Staats handeln.
2.4 Profit- und Non-Profit-Unternehmen
Wie der Name erkennen lässt, ist bei Profit-Unternehmen ein zu erwartender
Gewinn der ausschlaggebende Grund für die Herstellung von Gütern bzw.
Dienstleistungen. Sie arbeiten nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip.
Profit-Unternehmen konkurrieren untereinander um die Gunst der Nachfrager auf
Märkten. Es muss ihnen gelingen, ihre Güter bzw. Dienstleistungen so zu gestalten,
dass sie von den Konsumenten für deren Bedürfnisbefriedigung ausgewählt werden
(vgl. Finis Siegler 1997, S. 39). Zu den Gestaltungsmöglichkeiten gehören der Preis,
die Qualität oder ein angebotener Service. Je mehr die Güter bzw. Dienstleistungen
den Kundenwünschen entsprechen, desto größer sind die Absatzchancen für ein
Unternehmen. Damit Unternehmen Gewinne erzielen können, müssen sie ihre
Produkte zu einem Preis absetzen, der über den Herstellkosten liegt (vgl. Finis
Siegler 1997, S. 39). Profit-Unternehmen sind in unzähligen Branchen (z. B. in der
Automobilindustrie, im Pharmazie- und Gesundheitsbereich) angesiedelt. Die
Hoffnung, dass sich ein entsprechendes Wirken rentabel gestaltet, ist in fast allen
Fällen der ausschlaggebende Tätigkeitsgrund.
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Bei Non-Profit-Unternehmen ist ein zu erwartender Gewinn nicht der ausschlag-
gebende Grund für die Leistungserstellung. Es handelt sich hierbei nicht um
gewinnorientierte Unternehmen. In diese Kategorie gehören z. B. Vereine, Wohl-
fahrtsverbände, Gewerkschaften oder Stiftungen. Sie finanzieren sich durch
öffentliche Mittel, Spenden, Beiträge oder Gebühren.
Die freien Wohlfahrtsverbände übernehmen beispielsweise staatliche Aufgaben und
sorgen „einerseits für eine Entlastung staatlicher Institutionen, andererseits bewahren
sie den Bürger vor allzu intensiver staatlicher Einflussnahme auf seinen privaten
Lebensbereich“ (Arnold 2003b, S. 197). Ihr Ziel ist das Erbringen von spezifischen
Leistungen für Personen mit einem Bedarf an Hilfe. Daher ist eine Bedarfs-
orientierung bei der Leistungserbringung vordergründig. Die Wohlfahrtsverbände
haben durch jahrelange Erfahrung eine hohe Fachkompetenz in bestimmten sozialen
Arbeitsfeldern entwickelt. Sie werden als Ratgeber bei entsprechenden politischen
Entscheidungen herangezogen. Gleichzeitig versuchen sie durch Lobbytätigkeiten
ebenfalls Einfluss auf die Politik zu nehmen.
Non-Profit-Unternehmen sind von vielfältiger Natur. Auf den Großteil von ihnen
trifft zu, dass sie zwischen Staat und Markt im sogenannten intermediären Sektor
angesiedelt sind, da sie weder zum öffentlichen noch zum privatwirtschaftlichen
Sektor gehören (vgl. Arnold 2003b, S. 193).
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Wie Abbildung 2 verdeutlicht, erfolgt die Regulation der Nachfrage weder
ausschließlich durch den Markt noch durch den Staat. Es geschieht durch eine
Kombination von Bürokratie, Solidarität und Markt:
Abbildung 2. Der Nonprofit-Sektor als intermediärer Bereich (Quelle: Arnold 2003b, S. 196)
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2.5 Beschreibung ökonomischer Begrifflichkeiten aus dem Neuen
Steuerungsmodell
Zum Abschluss dieses Gliederungspunkts werden ökonomische Begrifflichkeiten
definiert, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit von großer Bedeutung sind.
2.5.1 Effektivität und Effizienz
! Effektivität
Unter Effektivität (Wirksamkeit) versteht man den Grad der Zielerreichung.
Je effektiver man arbeitet, desto wirksamer ist eine Arbeit. Ziel ist es, das
Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen zu optimieren.
! Effizienz
Unter Effizienz (Wirtschaftlichkeit) versteht man die Relation zwischen den
eingesetzten Mitteln und dem Ergebnis der Arbeit. Es gilt mit minimalen
Mitteln einen vorgegebenen Erfolg zu erzielen (Minimalprinzip), bzw. einen
maximalen Erfolg mit vorgegebenen Mitteln (Maximalprinzip) zu erzielen.
2.5.2 Input, Output und Outcome
! Input
Unter Input wird der geld- oder mengenmäßige Einsatz von Mitteln
(Ressourceneinsatz) verstanden, um Güter und Dienstleistungen zu
produzieren.
! Output
Unter Output versteht man ein (messbares) Ergebnis, das aus einer
Produktion von Gütern und Dienstleistungen entsteht.
! Outcome
Unter Outcome versteht man die Wirkung von Gütern oder Dienstleistungen.
Es handelt sich folglich um ein Leistungsergebnis.
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3 Einführung des Neuen Steuerungsmodells in der
öffentlichen Verwaltung und dessen Auswirkung auf die
Sozialverwaltung
3.1 Kritikpunkte an der herkömmlichen Organisation der Verwaltung
Richtet man seinen Blick auf die Institution „öffentliche Verwaltung“ erfährt man
sehr schnell, wie es um ihr Ansehen in der Öffentlichkeit bestellt ist. Die öffentliche
Verwaltung ist kein gewinnorientiertes Unternehmen, sie ist jedoch per Gesetz
verpflichtet, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu handeln. Die Bürger möchten
„value for money“, denn letztlich sind sie es, die die Verwaltung finanzieren. Mit
knappen Mitteln soll ein bestimmter Erfolg erzielt werden.
Es werden mit dieser Institution Begrifflichkeiten in Verbindung gebracht, die kein
gutes Licht auf die Beschäftigten werfen. Haben wir nicht selbst schon einmal über
die öffentliche Verwaltung gesagt, dass sie zu teuer, zu bürokratisch oder zu
unmodern ist? Das Attribut der Bürgerfreundlichkeit wird ihr gänzlich aberkannt.
Auch Experten gehen von der Notwendigkeit einer Modernisierung aus. Der
deutschen Verwaltungsorganisation wird in wissenschaftlichen Erhebungen ein
signifikanter Modernitätsrückstand im internationalen Vergleich diagnostiziert (vgl.
Merchel/ Schrapper 1996, S. 8). Nachfolgend werden die Ursachen für die Kritik an
der öffentlichen Verwaltung dargestellt.
Die Kritik an der bürokratischen Verwaltungsorganisation im deutschen Wohl-
fahrtsstaat ist durch eine lange Tradition und Kontinuität gekennzeichnet. Im
Rahmen des kooperativen Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland ist es das
Recht und die Pflicht der kommunalen Politik und Verwaltung, die örtlichen
Angelegenheiten eigenverantwortlich zu organisieren und auszuführen (vgl. Grunow/
Grunow-Lutter 2000, S. 26). Aufgrund dieses weit gefassten Auftrags der Gestaltung
von Lebensverhältnissen und der Daseinsvorsorge übernimmt die kommunale Ebene
eine große Verantwortung für die Bürger. Kommunale Leistungen stehen in sehr
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direktem Maße auf dem Prüfstand der sie beurteilenden Öffentlichkeit. Die
Effektivität und Bürgernähe der konkret erbrachten Leistungen ist ein wesentlicher
Legitimationsbestandteil für den Leistungshersteller (vgl. Grunow/Grunow-Lutter
2000, S. 26). Defizite in Form und Inhalt der erbrachten Leistung und der dafür
eingesetzten Ressourcen werden sehr kritisch wahrgenommen. Im Laufe der Zeit
nahm die Kritik an der Verwaltungsorganisation zu und somit erhöhte sich auch ein
Modernisierungsdruck, wobei folgende Umstände von Bedeutung waren:
Der vom Grundgesetz postulierte Rechtsstaat und der von ihm postulierte Sozialstaat
führte zu einer Zunahme der potentiellen und faktischen Betroffenheit der Bürger
durch die Verwaltung (vgl. Grunow 1988, S. 10). Die Planungs- und Steuerungs-
funktionen des Staates haben zugenommen, bei denen es ständig kompliziertere
Zusammenhänge, wie z. B. neuartige Typen von Problemlagen, verringerte finanz-
ielle Handlungsspielräume und veränderte Erwartungshaltungen der Bürger, zu
berücksichtigen gilt. Dadurch, dass immer mehr Bürger mit Verwaltungstätigkeiten
in Berührung kamen, rückte das bürokratische Verwaltungshandeln in den Fokus
einer breiten und zumeist kritischen Öffentlichkeit. Es gibt zwei unterschiedliche
Bezugspunkte für die Bürokratiekritik. Die Verwaltung ist einerseits als gesellschaft-
licher Problemlöser anerkannt, andererseits nimmt man ihr Dasein als Herrschafts-
instrument und Machtfaktor wahr. Die Leistungsfähigkeit der Verwaltung war mit
dem Aufbau einer Herrschaftsstruktur verknüpft. Die kontinuierliche Bürokratie-
kritik, „die letztlich eine Staatskritik darstellt“, begründet sich insbesondere durch
den Herrschaftscharakter der Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft (Grunow
1988, S. 12). Um diese Machtposition zu legitimieren, muss in demokratischen
Staaten ein Einverständnis der davon Betroffenen vorliegen. Die Legitimations-
grundlagen können sich in verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungsphasen
ändern. Insbesondere der Kontext der deutschen Vereinigung mit der Gegen-
läufigkeit von weitreichenden gesellschaftlichen Umwälzungen bei geringen
Ressourcen und die zunehmende Globalisierung erforderte eine Neubestimmung der
Rolle des Staates und seiner Verwaltung (vgl. Naschold/Bogumil 1998, S.71).
17
Es war der Verdienst von Max Weber (1864-1920), eine Herrschaftssoziologie als
Grundmuster bürokratischer Organisationen zu entwickeln. Bis vor einiger Zeit war
die Verwaltung nach den Grundsätzen einer rationalen Bürokratie nach dem Max
Weber Prinzip organisiert, die als effektivste Form der Erledigung von Verwaltungs-
aufgaben galt. Die Merkmale dieser bürokratischen Organisation lassen sich folgen-
dermaßen charakterisieren (vgl. Hill 1997, S. 65 ff.):
! Hauptamtliches, qualifiziertes, alimentiertes Personal
! Trennung von Amt und Person
! Hierarchische Über- und Unterordnung von Dienstposten mit entsprechenden
Weisungs- und Kontrollbefugnissen
! Formal festgelegte Arbeitsteilung und Spezialisierung
! Eindeutige Kompetenzregelung
! Strenge Regelgebundenheit (Recht und Gesetz) bei der Aufgabenerledigung
! Aktenmäßigkeit und Schriftlichkeit des Verwaltungshandelns
Die Steuerung der Verwaltung gestaltete sich „input-orientiert“, d. h. das Handeln
der Verwaltung wurde durch Vorgabe von Stellen und Sachmitteln gesteuert. Dieses
Organisationsmodell hatte sich über Jahre für die Bewältigung von voraussagbaren
und gleichgelagerten Sachverhalten bewährt. Doch dieses klassische Verwaltungs-
modell hatte die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit überschritten. Immer
umfangreichere Leistungsmängel des herkömmlichen Organisationsmodells offen-
barten sich. Die Aufgabenerfüllung durch die Verwaltung erwies sich mehr und mehr
als ineffizient. Die Hauptmängel der klassischen Konzeption wurden in der
Steuerung der Verfahren (Regelsteuerung), in der funktionalen Arbeitsteilung nach
dem Verrichtungsprinzip bei starker Hierarchisierung, im Mangel prozess-
kettenbezogener Kooperation und im Fehlen eines strategischen Managements
gesehen (vgl. Naschold/Bogumil 1998, S. 79).
Beispielhaft sei erwähnt, dass für die Erreichung der Sachziele die ausführenden
Stellen verantwortlich waren. Hierfür benötigten sie Ressourcen in Form eines
18
Budgets. Die zentralen Instanzen trugen hierfür die Verantwortung. Durch eine
getrennte Fach- und Ressourcenverantwortung waren die Inhalte und Ergebnisse des
Verwaltungshandelns häufig nicht transparent, zudem war ein Bewusstsein für die
Kosten von konkreten Leistungen kaum vorhanden. In der Gestaltung des Budgets
lag eine Ursache für die Unterstellung einer ineffizienten Aufgabenerfüllung durch
die Verwaltung. Der Basiswert für ein Budget war der Referenzwert des Vorjahres.
In erster Linie war es also nicht an Leistungen oder Wirkungen gekoppelt. In diesem
Zusammenhang spricht Banner von einem System der „organisierten
Unverantwortlichkeit“, welches nicht die optimale Leistung, sondern den maximalen
Ressourcenverbrauch belohnt (vgl. Banner 1991, S. 7). Die Mittel durften auch nicht
auf andere Haushaltsstellen übertragen werden, was eine flexible Handhabung nicht
zuließ. Je nach Haushaltslage wurde das Budget um einen bestimmten Prozentsatz
angehoben oder gekürzt (Rasenmähermethode). Regelmäßig überkam die Ver-
waltung zum Jahresende das „Novemberfieber“. So wurden noch zahllose Ausgaben
mit der Absicht getätigt, Haushaltsreste nicht verfallen zu lassen bzw. zurückführen
zu müssen (vgl. Trube 2001, S. 196). Zudem wollte man eine Anpassung der Mittel
im Folgejahr umgehen, welche sich dann auf niedrigere Ausgaben gründete.
Speziell der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung
(KGSt) ist es mit den Begriffen “Tilburg“ und “Neues Steuerungsmodell“ gelungen,
richtungsweisende Veränderungsprozesse in der Kommunalverwaltung einzuleiten.
Die KGSt stellt sich auf ihrer Website folgendermaßen dar:
„Die KGSt ist der Verband für kommunales Management. Sie wurde am 01. Juni 1949 in Köln als Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung gegründet und ist
eine dienstleistungsorientierte Fachorganisation der Städte, Gemeinden und Kreise, die unabhängig vom Staat und den politischen Parteien arbeitet. Die KGSt hat rund 1600
Mitglieder - vor allem Kommunen aus Deutschland und Österreich" (http://www.kgst.de/inha0003.htm, eingesehen am 18.11.03).
3.1.1 Das Tilburger Modell und dessen Übertragung auf deutsche
Verhältnisse
19
Das Neue Steuerungsmodell ist eine Modernisierungsstrategie für Kommunal-
verwaltungen. Durch seine Einführung sollen die o. g. Problemlagen beseitigt
werden. Den deutschen Kommunen wurde das Modell vor allem von der
Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) angeboten.
Das Neue Steuerungsmodell hat seinen Ursprung in den Niederlanden, und zwar in
der Stadt Tilburg. Dort unternahm man 1985 den Schritt, die Stadtverwaltung zu
reorganisieren. In ihrem Bericht 12/1992 schildert die KGSt das niederländische
Reformprojekt aus deutscher Sichtweise und so erreichte das „Tilburger Modell“ bei
den deutschen Kommunalreformern große Bekanntheit. Die Stadt wurde ausgewählt,
da das dort entwickelte Finanzsteuerungssystem „den höchsten vorfindbaren Grad an
instrumenteller Geschlossenheit und Unternehmensähnlichkeit aufweist“. (KGSt-
Bericht 5/1993, S. 24).
In Tilburg war lange Zeit ein zentralistisches Verwaltungsmodell vorherrschend.
Es besagte, dass die Politik die Verwaltungstätigkeiten festsetzt und diese sowohl im
Großen als auch in den Details selbst steuert. Dies geschah über Einzelanweisungen,
die ein strikt hierarchisch organisierter Verwaltungsapparat auszuführen hatte. Im
Laufe der Zeit wurde die Verwaltung mit immer umfangreicheren und veränderten
Aufgabenfeldern konfrontiert. Durch ein Größenwachstum der Verwaltung wurde
versucht, den geänderten Anforderungen zu begegnen. Das Verwaltungshandeln
wurde hierdurch jedoch immer teurer und langsamer. Die Stadt Tilburg war
insgesamt in einer angespannten finanziellen Lage, die defizitäre Verwaltung
verschlimmerte diese Situation. Rückblickend kann dieser Umstand als ausschlag-
gebender Faktor für die Reorganisierung der Verwaltung betrachtet werden. In dem
Maße, wie die kommunalen Einkünfte geringer wurden, wuchs in Tilburg die
Nachfrage nach wirtschaftlich verantwortlichen Handeln durch die Verwaltung ( vgl.
Kosten 1996, S. 21).
In der Verwaltungsreform von Tilburg findet seit 1985 eine deutliche Akzentuierung
der Verwaltungsstruktur hin zur Implementierung betriebswirtschaftlicher Elemente
statt. Die öffentliche Verwaltung sollte stärker betriebswirtschaftliche Größen
berücksichtigen. Im Mittelpunkt der Überlegungen standen Begrifflichkeiten wie
20
Kontraktmanagement, Kompetenz-Dezentralisierung, Management-Berichte und
Controlling. Kontraktmanagement avancierte in Tilburg zum Schlüsselbegriff, der
alle Neuerungen symbolisiert (vgl. Kosten 1996, S. 23).
Dies erforderte eine Kulturveränderung in der gesamten Organisation. Im Mittel-
punkt der Reform stand ein neues Leitbild. Die Stadtverwaltung verstand sich als
Dienstleistungsunternehmen mit einer entsprechenden Organisationsstruktur,
welches seine Leistungen kundenorientiert zu erbringen hat (vgl. Mix 1996, S. 13).
Das Tilburger Modell beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Binnen-
organisation der Verwaltung. Auch der Politik wurde eine neue Rolle zugewiesen.
Die Abkehr von der ursprünglichen Verwaltungsorganisation sah zusätzlich eine
deutliche Trennung von Politik und Verwaltung vor. Dadurch wurde der Abschied
vom verwaltungszentrierten Denken eingeleitet (vgl. Kosten 1996, S. 22).
Neue Fachbereiche wurden gegründet. Jeder Bereich war nunmehr für eine
bestimmte Aufgabe (für ein Produkt) zuständig. Von Seiten der Politik und der
Verwaltungsspitze erhielten diese Bereiche eine größere Handlungsfreiheit mit der
Auflage, stärker ergebnisorientiert zu arbeiten. Den Direktoren der Fachbereiche
wurde die Verantwortung für den Input, den Prozess der Leistungserstellung und den
Output übertragen (vgl. Mix 1996, S. 14). In den Mittelpunkt des Verwaltungs-
handelns rückten Effizienz- und Effektivitätsgesichtspunkte.
In Kontrakten wurden Absprachen zwischen der Politik und den verantwortlichen
Leitungen der Fachbereiche über Aufgabenstellung und angestrebte Resultate
vereinbart. Hierfür wurde den Fachbereichen ein entsprechendes Budget zur
Verfügung gestellt. Die größere Handlungsfreiheit wurde den Fachbereichen unter
der Prämisse gewährt, dass sie regelmäßig Bericht erstatten sollten.
Die Verwaltungsreform in Tilburg war kein Selbstläufer, sondern ein langan-dauernder und stetiger Prozess. Auf Modellversuche wurde in Tilburg verzichtet. Von Anfang an wurden
alle Bereiche der Tilburger Verwaltung in diesen Reorganisationsprozess einbezogen. Politiker, Verwaltungsspitze und Mitarbeiter mussten gleichermaßen mitarbeiten.
Das Modell wurde flexibel gehandhabt, Erfahrungen wurden analysiert und
verarbeitet, so dass das Modell ein regelrechtes Eigenleben entwickelte.
21
Die ökonomische Vernunft des Verwaltungshandelns wurde erhöht, das Image der
Stadt hatte sich nachhaltig verbessert. Das belegt die Tatsache, dass die kommunale
Finanzpolitik ab dem Jahr 1988 einen Überschuss vorweisen konnte, was allerdings
losgelöst von den Zielen des Verwaltungshandelns zu betrachten ist (vgl. Mix 1996,
S. 17 f.). Das Tilburger Modell bietet keine Garantie dafür, dass die richtigen Ziele
für das Verwaltungshandeln von der politischen Führung ausgewählt werden.
Aufgrund des wirtschaftlichen Denkens besteht die Gefahr, bestimmte
kostenintensive Zielfelder zu vernachlässigen. Um dies zu verhindern, wird in
jüngster Zeit in Tilburg den Bürgerwünschen bei der Festlegung der Leistungs-
erstellung viel Bedeutung eingeräumt (vgl. Mix 1996, S. 36).
Das Tilburger Modell wird in der neueren Literatur gelegentlich als das Mekka der
Verwaltungswelt bezeichnet. Bis heute gibt es noch zahlreiche Versuche, dieses
erfolgreiche Modell zu imitieren. Wer dieses Modell jedoch in möglichst kurzer Frist
übernehmen will, wer nur einige Teilbereiche kopiert oder sich davon kurzfristige
Wunder erhofft, verkennt den dahinter steckenden langwierigen Prozess und stößt
somit auf Probleme (vgl. Kosten 1996, S. 33).
Die Erfahrungen der niederländischen Stadt wurden auch zum Vorbild für deutsche
Überlegungen, wie eine Verwaltung zu reorganisieren ist.
22
3.2 Das Neue Steuerungsmodell im Überblick
Ausgehend vom Tilburger Modell wird die Idee übernommen, die organisatorischen
Schwierigkeiten der öffentlichen Verwaltung mit betriebswirtschaftlichen Steuer-
ungselementen in den Griff zu bekommen. Die Verwaltung muss in die Lage versetzt
werden, sich den komplexen und dynamischen Umweltsituationen (vgl. Punkt 3.1)
anzupassen.
Durch das Neue Steuerungsmodell ist regelrecht ein neues Leitbild für das
Verwaltungshandeln entstanden (vgl. Pippke 2000, S. 284). Es unterstreicht das neue
Selbstverständnis der Organisation und ihrer Mitarbeiter und bildet die Grundlage für
ihr abgestimmtes Handeln. Ein bürokratisches Behördenhandeln mit alther-
gebrachten Strukturen und Tugenden ist nicht mehr gefragt. Im Mittelpunkt des
neuen Leitbildes steht die „ziel- und kostenbewusste Steuerung der Verwaltung als
ein kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen“ (Merchel/Schrapper 1996, S. 7).
Die Verwaltungsleistungen werden somit als Dienstleistungen verstanden, der
Adressat ist der Bürger als Kunde. Somit soll sich die Verwaltung an den
Bedürfnissen der Bürger orientieren und ihre Leistungen dementsprechend laufend
anpassen. Das Neue Steuerungsmodell beinhaltet den Aufbau einer unternehmens-
ähnlichen, dezentralen Führungs- und Organisationsstruktur mit den Instrumenten
Kontraktmanagement, Qualitätsmanagement, Produktbildung und Controlling.
Der Prozess der Leistungsherstellung soll durch eine Zusammenführung der Fach-
und Ressourcenverantwortung optimiert werden. Begleitet wird die neue Struktur
durch die Aktivierung des Wettbewerbsgedanken (vgl. Punkt 4.9).
23
Hervorzuheben ist dabei die Breite, mit der dieses Modell inzwischen in den
Kommunalverwaltungen umgesetzt wird. Die beiden Pie Charts der Abbildung 3
veranschaulichen dies anhand von Daten, welche 1997 von Bogumil und Kißler
veröffentlicht wurden (vgl. Bogumil/Kißler 1997, S. 19):
Verbreitung des NSM
2%
98%
Großstädte, die nicht mitdem NSM experimentierthaben.
Größstädte, die mit demNSM experimentierthaben.
Verbreitung des NSM
17%
83%
Mitgliedsstädte desDeutschen Städtetags,die Ansätze des NSM´snicht ausprobiert haben.
Mitgliedsstädte desDeutschen Städtetags,die Ansätze des NSM´sausprobiert haben.
Abbildung 3. Verbreitung des NSM (eigene Darstellung)
Die Tatsache, dass 98% der Großstädte und 83% (von insgesamt 267) der Mitglieds-
städte des Deutschen Städtetags Ansätze des Neuen Steuerungsmodells ausprobiert
haben, verdeutlicht dessen besondere Bedeutung. Der große Finanzdruck, dem alle
Kommunen unterliegen, war sicherlich ein Antriebsfaktor. Es sollte jedoch nicht der
Fehler gemacht werden, das Neue Steuerungsmodell lediglich als ein Sparmodell zu
betrachten. Bei seiner Umsetzung lassen sich mittelfristig durchaus auch
Einsparerfolge erzielen. Vornehmlich ist es als eine Modernisierungsstrategie für das
Verwaltungshandeln zu verstehen, welche von einer anderen Qualität als die
vorherigen Strategien ist, die in einer regelrechten Verwaltungsreform-Welle der
60er und 70er Jahre hervorgebracht wurden (vgl. Ast, 2000, S. 291 und Lüder 1996,
S. 94).
24
Durch das Neue Steuerungsmodell sollen die wesentlichen Steuerungslücken auf
kommunaler Ebene beseitigt werden. Nach Auffassung der KGSt (vgl. KGSt-Bericht
5/1993, S. 9 ff.) handelt es sich hierbei um:
! Die Strategielücke, d. h., dass sich die kommunale Politik meist nur an
kurzfristigen Zielen (z. B. beeinflusst durch aktuelle Bürgerwünsche und
bevorstehende Wahlen) orientiert. Dies behindert eine Entwicklung von
längerfristigen, strategischen Zielen.
! Die Managementlücke, d. h., das Management der Verwaltung neigt dazu,
für die Bewältigung von Problemen eher mit einem Größenwachstum (anstatt
mit einer Leistungssteigerung) zu reagieren. Durch eine Trennung der Fach-
und Ressourcenverantwortung erfolgt die Zuteilung der Ressourcen durch
zentrale Instanzen (z. B. von der Kämmerei). Den fachlich verantwortlichen
Stellen fehlen Anreize, den Mitteleinsatz möglichst gering zu halten.
! Die Attraktivitätslücke, d. h., Mitarbeiter werden kaum dazu motiviert,
Engagement und Kreativität am Arbeitsplatz zu entwickeln. Dies ist auf eine
starke Hierarchiebildung und einer damit verbundenen mangelnden Ent-
scheidungskompetenz zurückzuführen. Zudem hat man keinen Einfluss auf
die Ressourcen.
! Die Legitimitätslücke, d. h., bürokratische Inflexibilität und Selbst-
bezogenheit werden nicht mehr vom Bürger toleriert. Die Verwaltung muss
den Beweis, dass sie ihre Handlungsfähigkeit nicht verloren hat, durch eine
transparente Leistungserstellung antreten,.
Die Beseitigung der soeben benannten Steuerungslücken bildet den Ausgangspunkt
für das Neue Steuerungsmodell. Hierdurch soll das neue Leitbild, welches die
Verwaltung als ein kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen betrachtet, in die
Realität umgesetzt werden.
25
Die Abbildung 4 veranschaulicht die Kernelemente und die Funktionsweise des
Neuen Steuerungsmodells:
Abbildung 4. Kernelemente des Neuen Steuerungsmodells (Quelle: Niklas/Szlapka 1998 S. 84)
3.2.1 Produktdefinition
Die Verwaltungsleistungen werden zu quantifizierbaren Produkten zusammen-
gefasst, da das Neue Steuerungsmodell den Output in den Mittelpunkt der Be-
trachtung stellt.
Ausgehend von den Zielvereinbarungen im Kontraktmanagement werden
gewünschte Outputs nach Menge, Qualität und Preis definiert, die dann die Grund-
lage der Mittelzuweisung bilden. Über die Produktdefinition wird der bedeutsame
Schritt von der Input- zur Outputsteuerung vollzogen (vgl. Winter 2000, S. 103).
Der Output soll nach Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten gemessen und
bewertet werden, die Ergebnisse fließen von Neuem in den Steuerungskreislauf.
„Produkte spielen bei der outputorientierten Steuerung als Ergebnis der
Geschäftstätigkeit und der Gestaltung von Leistungskontrakten die zentrale Rolle“
(Knorr/Scheppach 1999, S. 37). Sie werden nach vorher festgelegten Standards
26
definiert, um so in den jeweiligen Arbeitsfeldern Leistungs- und Kostenvergleiche zu
ermöglichen.
Demnach ordnen die unterschiedlichen Kommunen nach ihren Vorstellungen auch
die Produkte immer bestimmten Produktgruppen und diese wiederum Produkt-
bereichen zu – „wie etwa die gemeinnützige Arbeit (Produkt) der Hilfe zur Arbeit
(Produktgruppe) und diese dann der Hilfe zum Lebensunterhalt (Produktbereich)“
(Trube 2001, S. 188). Hierdurch wird ein zu hoher Detaillierungsgrad der
Steuerungsobjekte durch die übergeordneten Stellen vermieden.
Es soll eine Zusammenführung der fachlichen und politischen Steuerungserforder-
nisse vorgenommen werden, welche im Rahmen eines Gegenstromverfahrens
ermittelt werden (vgl. Winter 2000, S. 103). Die jeweils höhere Ebene diskutiert mit
der jeweils nachgeordneten Ebene ihre Steuerungserfordernisse und dement-
sprechend werden Produktanpassungen vorgenommen. Die Grundidee der Produkt-
anpassung im Gegenstromverfahren ist eine Produktbereichsbildung, die dann die
Arbeitsgrundlage für Verwaltungseinheiten ergeben. Die Leistungen sollen laufend
der veränderten Nachfrage und natürlich den vorhandenen Mitteln angepasst werden.
Abbildung 5 soll die Produktentstehung und -einordnung veranschaulichen:
Anpassung im Gegenstromverfahren
Zuordnung durch die
Kommunen
Leistungserstellung durch die
einzelnen Einheiten
Abbildung 5. Entstehung und Zuordnung von Produkten (eigene Darstellung)
Produktbereich = Zusammenfassung von Produktgruppen
Produktgruppe = Zusammenfassung
von Produkten
Produkt
27
Das Produkt ist das kleinste, in seiner Qualität und Quantität gemessene, Ergebnis
des Verwaltungshandelns. Die Kosten, die seine Erstellung verursacht hat, können
dem Produkt als Kostenträger zugeordnet werden (vgl. Winter 2000, S. 103).
Durch Festlegung der Qualität und der Quantität von Produkten sollen u.a. folgende
Ziele erreicht werden (vgl. Knorr/Scheppach 1999, S. 37):
Betrachtet man die outputorientierte Steuerung ist es durchaus naheliegend, dass die
Arbeitsergebnisse die entscheidenden Kriterien dafür sein sollen, nach der die
Verwaltung und die Kommune ihr Handeln auszurichten haben.
Laut Trube fußt dies auf vier zentralen Annahmen/Unterstellungen der Verwaltung:
1. Von Amts wegen weiß man, was das richtige/gute Ergebnis einer Leistung ist
2. Die Operationalisierbarkeit und Messbarkeit der Leistung muss gegeben sein
3. Die gemessene Leistung muss dem Handeln tatsächlich zurechenbar sein
4. Die erfolgsorientierte Steuerung müsste einen angemessenen Vergleich der
jeweiligen Leistungen erlauben (vgl. Trube 2001, S. 190)
Diese Annahmen/Unterstellungen offenbaren jedoch speziell für die Sozialver-
waltung ein Problem, welches sich aus der Besonderheit sozialer Dienstleistungen
(vgl. Punkt 2.2) ergibt.
! Transparenz in der Verwaltung und dem Verband für Politik, Bürger und
Klient
! Erfassung der Kosten- und Leistungsströme
! Leistungsgerechte Vertragsgestaltung
! Beurteilung der eigenen Wettbewerbsposition
! Kosten- und Qualitätsvergleiche mit anderen Anbietern sozialer
Dienstleistungen
! Vermeidung von unnötigen Mehrkosten und effiziente Kostenkontrolle
durch entsprechende Produktbudgets
28
Neue Bezugsgrößen der Steuerung sowie neuer Ausgangspunkt für die Vergabe von Mitteln
Eine Bewertung der Qualität und auch der Quantität bei personenbezogenen sozialen
Leistungen, wie z.B. bei einer Beratung, lässt sich nur schwer am Produkt/Output
messen (vgl. Punkt 3.3.2).
3.2.2 Outputorientierte Steuerung
Bisher wurde das Verwaltungshandeln über die Zuteilung von Ressourcen gesteuert,
also über den Input (vgl. 3.1). Der Verwaltung wurde vorgeschrieben, wie viel Geld
sie ausgeben darf. Dieses Verfahren wurde jedoch nicht daran gekoppelt, welche
Leistungen mit diesem Geld erzeugt werden sollten.
Die outputorientierte Steuerung sieht vor, dass die Politik (Rat/Kreistag) in
Absprache mit der Verwaltungsspitze Ziele formuliert. Die Verwaltung hat ihr
Handeln dementsprechend auszurichten. Der Ressourcenverbrauch ist nunmehr nicht
mehr ausgabenbezogen, sondern er gestaltet sich aufwandsbezogen. Es muss deutlich
zum Ausdruck kommen, mit welchen Leistungen man ein Ziel umsetzen will.
Deshalb muss die Verwaltung ihr Leistungsangebot und die erbrachten Leistungen
(Output) genau kennen, um sie bürgernah, wirksam und wirtschaftlich zu gestalten
(vgl. Hofemann 2001, S. 31).
Voraussetzung für eine outputorientierte Steuerung ist die Bildung von Produkten.
Die Planung, die Durchführung und die Kontrolle des Verwaltungshandelns ist auf
das Produkt ausgerichtet.
Die Abbildung 6 verdeutlicht die Rolle der Produkte und deren Wirkung:
Abbildung 6. Neue Bezugsgrößen der Steuerung (eigene Darstellung)
Input (Mittel)
Prozess der Herstellung
Output (Produkte)
Outcome (Wirkung)
29
Für den Bürger und die Verwaltung sollen die Ziele durch die Bildung von
Produkten im Rahmen der outputorientierten Steuerung nachvollziehbarer werden
und es soll zusätzlich eine Kostentransparenz entstehen.
In der Orientierung an Leistungen (Output) und Wirkungen (Outcome) wird der
grundlegende Unterschied zwischen der alten und der neuen Budgetierungsweise
deutlich.
3.2.3 Dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung
Im Verwaltungsapparat selbst soll die strenge hierarchische Struktur aufgelöst und
durch neu zu errichtende, dezentrale Dienstleistungseinheiten/Einrichtungen ersetzt
werden. In diesen Einheiten arbeiten diejenigen Mitarbeiter, die auch bisher die Ver-
antwortung für die Leistungsherstellung hatten (Fachverantwortung). Im Neuen
Steuerungsmodell erhalten sie neben dieser Fach- auch die Ressourcenver-
antwortung.
Die KGSt verspricht sich durch diese Übertragung von Verantwortung eine größere
Flexibilität für die Mitarbeiter, ein verstärktes Kostenbewusstsein für einen ratio-
nalen Ressourceneinsatz sowie eine konsequente Ergebnisorientierung.
Die Steuerung dieser Dienstleistungseinheiten/Einrichtungen erfolgt im Rahmen des
Kontraktmanagements. Hier werden für einen festgelegten Zeitraum sachliche,
personelle und finanzielle Ressourcen für die zu erbringenden Leistungsergebnisse
(Produkte) vereinbart (vgl. Lüder 1996, S. 95).
3.2.4 Controlling
Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich beim Controlling um einen Soll-
Ist- Vergleich der angestrebten Ziele. Die daraus erlangten Informationen sollen die
Steuerungsebene unterstützen. Kommend aus dem englischen Sprachraum - in
Verbindung mit dem New Puplic Management - hat der Begriff seit den 80er Jahren
im deutschen Sprachgebrauch Konjunktur.
30
Controlling wird als eine Komponente des Führungssystems einer Unternehmung
genutzt und stellt mehr als lediglich ein Planungs- und Kontrollinstrument dar.
Gleichsam ist es ein Steuerungs- und Analyseinstrument, indem es sowohl dem feed-
back als auch dem feed-forward zur realistischen Einschätzung der Zukunft dient
(vgl. Knorr/Scheppach 1999, S. 72 und Lüder 1993, S. 266).
Controlling wird auch in der öffentlichen Verwaltung verwendet. Vom Verwaltungs-
controlling wird sich insbesondere eine verbesserte Informationsversorgung der
Verwaltungsführung „und ein wirtschaftlicheres, effektiveres und transparenteres
Verwaltungshandeln“ versprochen (Lüder 1993, S. 265). Organisatorische Rahmen-
bedingungen müssen vorhanden sein, die auch ein wirtschaftliches Handeln fördern,
wie es im Neuen Steuerungsmodell der Fall ist.
Voraussetzung für ein funktionsfähiges Controlling im Zusammenspiel mit Kontrakt-
management ist die strategische und operative Planung (vgl. Knorr/Scheppach 1999,
S. 74). Unter operativer Planung ist das Ansteuern von Zielgrößen, durch ein
Berichtswesen im Soll- Ist- Vergleich, zu verstehen. Da sich die Steuerung der
dezentralen Verwaltungseinheiten gerade über Ziele vollziehen soll, ist es sinnvoll
diese nachzuhalten, um eine Kontrollfunktion zu erhalten. Eine regelmäßige Bericht-
erstattung ist deshalb Bestandteil des Controllings.
So ist eine klare Zielartikulation und eine entsprechende Messbarkeit dieser Ziele
notwendig. Zudem sollte Klarheit über Ziele und Standards (Quantität und Qualität)
bei der Aufgabenerfüllung herrschen, vor allem sollte die Operationalisierbarkeit der
Ziele gegeben sein (vgl. Trube 2001. S. 177), um eine verlässliche Arbeitsgrundlage
zu schaffen. Der Zielfindungsprozess selbst soll durch Controlling und dessen
Erfahrungswerte aktiv unterstützt werden (vgl. KGSt-Bericht 3/2001, S. 35).
Im Rahmen der strategischen Planung werden langfristige Organisationsziele
entwickelt.
Beim Controlling geht es also um die Unterstützung eines fortwährenden
Steuerungskreislaufs mit Zielentwicklung, Strategie, Aktion und Evaluation (vgl.
Trube 2001, S. 199).
31
3.2.5 Kontraktmanagement
Im Neuen Steuerungsmodell hat das Instrument Kontraktmanagement eine zentrale
Bedeutung. Es ist ein Steuerungsinstrument und durch den Abschluss einer Ziel-
vereinbarung oder eines Kontrakts gekennzeichnet, in dem für eine Periode definiert
wird, wer welche Ziele in nachprüfbarer Weise umsetzt. Das Kontraktmanagement
kann sowohl interorganisatorisch als auch intra-organisatorisch angewendet werden.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit steht dieses Instrument im Mittelpunkt detaillierter
Betrachtungen (vgl. Punkte 4-6).
3.2.6 Qualitätsmanagement
Neben den o. g. Elementen gewinnt zunehmend auch das Qualitätsmanagement an
Bedeutung. Das Wort „Qualität“ kommt ursprünglich aus dem Lateinischen („qualis“
= wie beschaffen). In der Deutschen Industrie Norm wird sie wie folgt beschrieben:
„Qualität ist die Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte
und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“ (DIN 55350-11, Begriffe zu Qualitäts-
management und Statistik – Teil 11: Begriffe des Qualitätsmanagements). Unter
einer Einheit wird ein Produkt bzw. eine Dienstleistung verstanden. Festgelegte
Erfordernisse können beispielsweise vertraglich vereinbart oder gesetzlich vor-
geschrieben sein. Die vorausgesetzten Erfordernisse sind in erster Linie nicht
ausgesprochene, aber vermutete Kundenwünsche. Der Definition zufolge wird die
Qualität einer Einheit durch das Verhältnis zwischen realisierter und geforderter
Beschaffenheit bestimmt. Sie ist keine rein objektiv zu bewertende Eigenschaft,
sondern hängt entscheidend von den Anforderungen der Kunden ab (vgl.
www.dbb.de/position/pdf/Qualitätsmanagement..., eingesehen am 10.01.04). Je nach
subjektiven und individuellen Erwartungen sowie Bedürfnissen variieren die
Anforderungen.
Um zu strukturieren, nach welchen Merkmalen sich Qualität während der
Herstellung von Gütern bzw. Dienstleistungen richten kann, lassen sich unter-
schiedliche Kriterien heranziehen.
32
Donabidian unterscheidet drei Dimensionen (Donabidian 1980, S. 80):
! Potential- oder Strukturdimension: Sie meint die stabilen
Voraussetzungen, unter denen eine Leistung erbracht wird (hiermit sind
Rahmenbedingungen wie z. B. räumliche, sachliche und personelle
Ausstattung gemeint).
! Prozessdimension: Sie meint alle Aktivitäten, die während der
Leistungsherstellung anfallen (im Jugendamt z. B. Anamnese, Hilfeplanung,
Ausführung und Dokumentation des Hilfeprozesses).
! Ergebnisdimension: Sie bezieht sich auf den Grad der Erreichung der
angestrebten Leistungsziele (Output/Outcome) unter der Berücksichtigung
der Zufriedenheit des Kunden.
Qualitätsmanagement wird als Gesamtheit der qualitätsbezogenen Tätigkeiten und
Zielsetzungen verstanden, es beinhaltet also Qualitätsplanung, -lenkung, -sicherung,
und -verbesserung (vgl. Bruhn 1997, S. 28 und Eversheim 1997 S. 14). Es gibt
zahlreiche Konzepte mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und Vorgehens-
weisen zum Qualitätsmanagement. Die Frage, welches Konzept in der öffentlichen
Verwaltung zum tragen kommt, um eine Verbesserung der Qualität des Verwaltungs-
handelns zu erreichen, muss jede Verwaltung für sich selber klären.
Ein Qualitätsmanagementansatz für die öffentliche Verwaltung sollte folgende Ziele
in den Mittelpunkt stellen (vgl. www.dbb.de/position/pdf/Qualitätsmanagement...,
eingesehen am 10.01.04):
! Die Kundenzufriedenheit. Sie setzt die Kenntnis der Erwartungen der
Kunden voraus.
! Eine Orientierung an den Bedürfnissen der Mitarbeiter. Zu erreichen ist
dies durch Förderung einer adäquaten Information und Kommunikation
innerhalb der Verwaltung sowie durch ausreichende Entscheidungsspiel-
räume für die Mitarbeiter.
33
! Ein effektives und effizientes Verwaltungshandeln. Die Arbeit soll
effektiver und effizienter gestaltet werden.
! Ein auf Kontinuität angelegter Verbesserungsprozess. Die Arbeit soll in
einen Kreislauf der ständigen Verbesserung geführt werden.
Die Bürger als Kunden der öffentlichen Verwaltung haben oft keine Wahl, ob sie
eine Leistung in Anspruch nehmen oder nicht. In der Regel muss sich die
Verwaltung als Anbieter öffentlicher Dienstleistungen ihre Kunden nicht suchen.
Hinsichtlich ihres Angebots kann sie nicht frei entscheiden, vielmehr resultieren
öffentliche Dienstleistungen aus gesetzlichen Vorgaben und politischen
Entscheidungen. Trotzdem spielt das Qualitätsdenken für die öffentliche Verwaltung
eine immer bedeutendere Rolle (vgl. www.dbb.de/position/pdf/Qualitätsmanage-
ment..., eingesehen am 10.01.04). Dies ist vor dem Hintergrund zunehmender
Produktivitätsanforderungen, infolge knapper werdender Mittel und gestiegener
Ansprüche der Bürger, zu sehen.
34
3.3 Entwicklungen, aus denen die Notwendigkeit einer Modernisierung
der Sozialverwaltung hervorgehen
Die Aufgaben, die eine Sozialverwaltung zu erledigen hat, haben sich geändert.
Die Geschichte des deutschen Wohlfahrtsstaates ist von einer kontinuierlichen Aus-
weitung des Aufgabenspektrums geprägt. Die Anforderungen an eine soziale
Dienstleistungsproduktion sind eingebettet in längerfristig wirkende gesellschaftliche
und sozialstrukturelle Trends (vgl. Hofemann 2001, S. 26). Die Trends haben sich
dahingehend geändert, dass sich Problemlagen verschoben haben. Unübersichtliche
persönliche Konflikte und Notlagen treten in den Vordergrund, wie z. B. psychische
Krankheiten. Leistungsressourcen der individuellen Selbst- und Familienhilfe durch
netzwerkartige Verflechtungen entwickeln sich erkennbar zurück. Das bedeutet, dass
hilfebedürftige Menschen mehr und mehr auf professionelle Hilfen angewiesen sind.
Parallel hierzu haben die öffentlichen Dienstleistungshersteller mit einer zu-
nehmenden Mittelverknappung und freie Wohlfahrtsverbände mit sinkenden
Einnahmen zu kämpfen. Hier sind u. a. folgende Gründe anzuführen:
! Massenarbeitslosigkeit
! Demographischer Wandel
! Finanzielle Wirtschaftskrisen
! Andauernde Flüchtlingsintegration
Betrachtet man die Entwicklung der Organisationsaufgaben, so kann man erkennen,
dass o. g. Faktoren eine wachsende Inanspruchnahme von gesetzlichen Leistungen
bewirken. Staatlich verantwortete soziale Sicherung gerät in die Defensive. Dieser
Umstand beschränkt sich nicht nur auf die gesetzlichen Sozialversicherungen,
sondern auch zunehmend auf die Erbringung sozialer Dienstleistungen durch
Kommunen oder Wohlfahrtsverbände (vgl. Hofemann 2001, S. 25).
35
Das herkömmliche Organisationsmodell offenbarte Schwächen bei der Lösung der
veränderten Problemlagen (vgl. Punkt 3.1).
Beim Bestreben der Politik in diesem zentralistischen Modell „alles möglichst
detailliert und umfassend zu regeln, blieben die Kosten (und natürlich auch die
Bürgernähe) des Verwaltungshandelns auf der Strecke“ (Hofemann 2002, S. 31).
Aufgrund dieser starren Struktur der Verwaltungsorganisation konnten die
veränderten Problemlagen nicht adäquat aufgefangen werden. Eine effektive und
effiziente Aufgabenerfüllung war nicht mehr gewährleistet. Diese Diagnose trifft in
erster Linie die lokale Politik und erst in zweiter Linie die Verwaltungsorganisation,
da das Detailinteresse der einzelnen Kommunen und die daraus resultierenden
Einzeleingriffe in den Verwaltungsablauf mit den neuen Anforderungen nicht
vereinbar sind (vgl. Wohlfahrt 1996, S. 91).
Die zentralen Instanzen (in erster Linie die Politik sowie Verwaltungsführung) waren
regelrecht überfordert. Relevante Entscheidungen rechtzeitig, sachkundig sowie
wirtschaftlich zu treffen, war oft nicht möglich. Dezentrale Stellen, welche über das
operative Fachwissen verfügten, wurden nur unzureichend einbezogen. Eine Orga-
nisation, deren erfolgreiches Arbeiten nur von der Schnelligkeit und der Intelligenz
des steuernden Zentrums abhängig ist, wird der Vielfalt und dem Wechsel der
Problemlagen nicht mehr gerecht (vgl. Hill 1997, S. 65).
Die bis dato vorherrschende Auffassung, dass die verfassungsmäßig garantierte
Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) ein Markenzeichen des „Modells
Deutschland“ sei, „schlug Ende der 80er Jahre und Anfang der 90er Jahre [...]
weitgehend um, indem man der Kommunalverwaltung strukturelle Innovations-
schwächen attestierte“ (Trube/Wohlfart 2000a, S. 19).
Die Erbringung sozialstaatlicher Leistungen wird zum größten Teil von den
Kommunen verantwortet. Insbesondere die oftmals untransparente Leistungs-
erstellung durch die Sozialverwaltung wurde hinterfragt. Der Legitimationsdruck auf
die Sozialverwaltung erhöhte sich, da sich die steigenden Kosten der Sozialhilfe zu
einem hohen Risiko für die kommunale Selbstverwaltung insgesamt entwickelten
(vgl. Trube/Wohlfart 2000a, S. 20).
36
Durch steigende Kosten bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen entstand eine
Zwickmühle. Der Modernisierungsdruck zu mehr Wirtschaftlichkeit hin wurde so
groß, dass sich auch die Sozialverwaltung diesem nicht mehr entziehen konnte.
Ansonsten drohte ihr ein Verlust ihrer Handlungsfähigkeit. Das lange Zeit vor-
herrschende Selbstverständnis einer Förderung sozialer Leistungserbringung gehört
der Vergangenheit an.
Finanzielle Mittel, Personal und sachliche Ressourcen sind für die Bewältigung der
anstehenden Aufgaben begrenzt. Daher gewinnen die beiden Rationalitätskriterien
Effektivität (Zielbezogenheit und Qualität) und Effizienz (wirtschaftlicher Re-
ssourceneinsatz) an Bedeutung (Merchel/Schrapper 1996, S. 8 f.).
Der Veränderungsdruck auf die öffentlichen Träger sozialer Leistungen soll durch
eine organisatorische Neuorientierung, wie sie die Einführung des Neuen Steuer-
ungsmodells vorsieht, bewältigt werden.
Innerhalb der Sozialverwaltung ist eine kontroverse Debatte um das Neue Steuer-
ungsmodell mit seinen betriebswirtschaftlichen Elementen entbrannt. Die ver-
schiedenen Sichtweisen schwanken zwischen großer Zustimmung einerseits, und
pessimistischem Misstrauen andererseits.
Im Folgenden werden positive und negative Auswirkungen für die Sozialverwaltung
dargestellt, die durch die Einführung des Neuen Steuerungsmodells gesehen werden.
3.3.1 Positive Auswirkungen des Neuen Steuerungsmodells auf die
Sozialverwaltung
In Deutschland gibt es eine mehr als einhundertjährige Tradition der staatlichen
Bürokratie. Damals wurde der Bürger als Untertan begriffen und auch so behandelt.
„Wo die Bürokratisierung der Verwaltung einmal restlos durchgeführt ist, da ist eine
praktisch so gut wie unzerbrechliche Form der Herrschaftsbeziehung geschaffen
worden“ (Weber 1972, S. 570). Formalismus stand im Mittelpunkt dieses büro-
kratischen Handelns. Der Bürger tauchte als Person mit eigenen Ansprüchen, als
Klient oder gar als Kunde überhaupt nicht auf.
37
Die Kundenorientierung im Neuen Steuerungsmodell verschafft der sozialen Arbeit
eine ganz andere (freundlichere) Grundlage, wovon der Bürger profitieren soll.
In der Öffentlichkeit steigt das Ansehen der Sozialverwaltung, denn durch die neue
ökonomische Sichtweise wird ein adäquater Umgang mit knappen Ressourcen
propagiert. Die Aufgaben in der Sozialverwaltung sind umfassender geworden.
Die operative Einheit besitzt neben der Fach- nun auch die Ressourcenver-
antwortung. Dieser Umstand stärkt ebenfalls den einzelnen Mitarbeiter.
Die positiven Auswirkungen für die soziale Arbeit durch eine Ökonomisierung teilt
Effinger in drei Ebenen ein:
! Die zwischenmenschliche Ebene: Die ehemals hierarchischen Beziehungen
verändern sich. Beziehungen mit Austauschcharakter stehen im Zentrum, in
denen die Beteiligten als Subjekte mit eigenen Interessen gesehen werden.
! Die professionelle Ebene: Kundenorientiertes Handeln erlaubt eine
Erneuerung einer deutlich professionelleren Distanz.
! Die institutionelle Ebene: Durch die betriebswirtschaftlichen Steuerungs-
aspekte erhalten die Organisationen einen Entwicklungsimpuls zur
Herausbildung von Betriebsstrukturen. Dies soll effektives und effizientes
Arbeiten ermöglichen (vgl. Effinger 1994).
3.3.2 Kritikpunkte, die das Neue Steuerungsmodell in der Sozialver-
waltung hervorruft
Es gibt zahlreiche Praktiker in der sozialen Arbeit, die dem Neuen Steuerungsmodell
kritisch gegenüberstehen. Es beinhaltet Orientierungen, die in diesem Arbeitsfeld
eine lange Zeit nicht die geringste Rolle gespielt haben. Diese Praktiker fragen sich,
ob eine Adaption betriebswirtschaftlicher Instrumente zu einer fachlichen Ent-
eignung und damit zur Degradierung von sozialer Arbeit führt. Es wird angezweifelt,
38
ob die Arbeitsfelder der sozialen Arbeit überhaupt anhand von Rationalitätskriterien
(Effektivität und Effizienz) zu gestalten sind (vgl. auch Grunow 1996a). Begründet
werden diese Zweifel durch die Besonderheiten, die eine soziale Dienstleistungs-
produktion mit sich bringt. Durch das Uno-actu-Prinzip und der Koproduktion des
Klienten, ist der Beitrag des Produzenten einer Dienstleistung zu „seinem“ Produkt
nicht auszumachen (vgl. Hofemann 2001, S. 41).
Zudem ist die soziale Arbeit meist im Rahmen von Non-Profit Organisationen
angesiedelt, die vollkommen andere Zielsetzungen als güterproduzierende Profit-
Unternehmen haben (vgl. Punkt 2.4). Was in einer Sparte zu einer bewährten
Struktur geführt hat, muss aufgrund gravierender Unterschiede nicht zwangsläufig in
einer anderen Sparte zu Erfolg führen.
Neben der grundsätzlichen Kritik an einer Übertragung betriebswirtschaftlicher
Instrumente in die soziale Arbeit werden auch konkret Instrumente des Neuen
Steuerungsmodells hinterfragt. Besonders das Definieren und Beschreiben von
Produkten, wie es die output-orientierte Steuerung vorsieht, gerät in das Fadenkreuz
der Kritik. Im Neuen Steuerungsmodell ist eine starke Ergebnisorientierung
vorgesehen, das heißt im Mittelpunkt stehen zu definierende Produkte und deren
Wirkungen. Es ist jedoch sehr problematisch, soziale Dienstleistungen regelrecht
dahingehend festzulegen, indem man sie in ein festes Korsett zwängt. Zu sehr sind
sie von Rahmenbedingungen (z. B. Uno-actu-Prinzip; Koproduzentenschaft) ihrer
Erstellung abhängig. Vieles hängt vom Prozess der Erstellung ab. So ist es sehr
gewagt, bereits im Voraus Produkte und deren Wirkungen festzulegen. Man kann
zynisch feststellen, dass die Beurteilung einer sozialen Dienstleistung nach dem
Ergebnis manchmal ähnlich sinnvoll sein kann, wie die Beurteilung eines Films am
„Happy End“ (vgl. Arnold 1998, S. 261).
Entscheidende Strukturbedingungen für den Leistungsbedarf sind nicht zu
beeinflussen. Man kann nicht immer Wirkungen von Leistungen voraussagen.
Manchmal ist eine Arbeit in Gebieten sinnvoll und notwendig, obwohl vorher schon
abzusehen ist, dass keine Wirkung erzielt wird. Soziale Dienste arbeiten nicht selten
in Problemfeldern, die so konzipiert sind, dass sie durch die soziale Dienstleistung
39
selbst gar nicht zu verändern sind, d. h. der Wirkungsfaktor erweist sich als irrelevant
(vgl. Trube 2001, S. 193). Zusammengefasst gibt es bei der Erbringung von sozialen
Dienstleistungen durch die Sozialverwaltung einige Faktoren, aufgrund derer eine
Produktbildung wenig Sinn macht.
Weitere Kritikpunkte, die speziell mit dem Instrument Kontraktmanagement im
Zusammenhang stehen, werden in Punkt 4.11 betrachtet.
40
4 Kontraktmanagement als Kernelement des NSM
4.1 Einleitung und Implementierungsgrund
Die niederländische Stadt Tilburg begann 1985 mit der Implementierung von
Kontraktmanagement. Hier erhielt der Begriff des Kontraktmanagements seine
eigentliche Prägung. In Deutschland ist das Instrument Kontraktmanagement als
Bestandteil des Neuen Steuerungsmodells bekannt. Seit 1992 hält es Einzug in
deutschsprachige Kommunalverwaltungen (vgl. Plamper 2000, S. 234). Inzwischen
haben zahlreiche deutsche Kreise, Städte und Gemeinden verschiedene Formen einer
Kontraktgestaltung eingeführt.
Kontraktmanagement spielt beim Aufbau einer unternehmensähnlichen, dezentralen
Führungs- und Organisationsstruktur in öffentlichen Verwaltungen (vgl. Punkt 3.2)
eine entscheidende Rolle. Die bisher vornehmlich hierarchisch und auf
Einzelanweisungen beruhenden Beziehungsmuster sollen durch eine ergebnis-
orientierte Steuerung „auf Abstand“ abgelöst werden. Von großer Bedeutung ist die
Beziehung zwischen den Kontraktpartnern. (vgl. KGSt-Bericht 4/1998, S. 10 und
Plamper 2000, S. 234).
Abbildung 7 soll die Leitgedanken zur Steuerung verdeutlichen:
Abbildung 7. Leitgedanken zur Steuerung (nach: KGSt-Bericht 4/1998, S. 10)
Leitgedanken zur Steuerung:
Statt:
Einzelanweisungen, Verfahrenskontrollen und hierarchische Eingriffe nachträgliche, punktuelle Kontrollen
Besser:
Ziel- und Ergebnissteuerung
durch Vereinbarung von Leistungs- und Finanzzielen kontraktbezogene(s) Controlling
und Berichterstattung
41
Das Kontraktmanagement ist als „Kernelement“ des Neuen Steuerungsmodells zu
betrachten (vgl. u. a. Trube/Wohlfahrt 2000a, S. 18 und Knorr/Scheppach 1999, S.
11) und beruht auf der Vorstellung einer Steuerung über Zielvereinbarungen.
Kontraktmanagement ist ein ökonomischer Lösungsansatz zur Optimierung
ineffizienter Steuerungsformen. Es bezieht sich auf unterschiedliche Ebenen,
verschiedene Parteien sowie auf differenzierte Gegenstände. Hierauf wird im
weiteren Verlauf dieser Arbeit detailliert eingegangen (vgl. Punkt 4.2 ff.).
4.2 Die Grundkonzeption des Kontraktmanagements
Es ist sinnvoll, sich der Grundkonzeption des Kontraktmanagements über die beiden
Wortbestandteile zu nähern:
Die erste Worthälfte - „Kontrakt“ - verdeutlicht, dass ein zustande gekommener
Vertrag/Vereinbarung zentraler Bestandteil des Instruments sein muss. Die zweite
Worthälfte - „Management“ - verweist auf seine Herkunft aus der Privatwirtschaft.
Gesteuert wird über Vereinbarungen, in denen Ziele und die zur Zielerreichung
erforderlichen Leistungen und Mittel gleichermaßen festgeschrieben werden.
„Die Idee des Kontraktmanagements kann als die grundlegende „Führungs-
philosophie“ der Neuen Steuerung bezeichnet werden“ (Trube 2001, S. 177).
Mit der „Steuerung auf Abstand“, wie es durch Kontraktmanagement vorgesehen ist,
wird eine stärkere Dezentralisierung der Organisationsstrukturen angestrebt.
Verantwortung wird dadurch in der Organisationshierarchie „von oben nach unten“
übertragen. Man kann davon ausgehen, dass gerade die Ausführungsorgane (Fach-
bereiche/Ämter) aufgrund ihrer Nähe zum Geschäft sowie ihrer diesbezüglich
genauen Kenntnisse in der Lage sind, die angebotenen Leistungen effizienter und
bürgernäher zu gestalten.
Die sonst übliche zeitaufwendige Detailsteuerung von Politik und Verwaltungsspitze
entfällt, eine erhöhte Transparenz über die von der Verwaltung zu erbringenden bzw.
42
erbrachten Leistungen und die damit verbundenen Kosten entsteht (vgl. KGSt-
Bericht 4/1998, S. 11).
Der Stellenwert von Kontraktmanagement ist hoch einzuschätzen, da es vom
Anspruch her ein neuer Führungsstil ist, d. h. „vereinbaren statt anordnen“, und es
den Wettbewerbsgedanken über Auftragsvergabe mit Leistung und Gegenleistung in
die Steuerung einbringt (vgl. Trube, 2001, S. 177).
4.2.1 Die Kernelemente des Kontraktmanagements
Natürlich hat es auch früher in der Verwaltung Ziele gegeben. Gesteuert wurde die
Verwaltung jedoch überwiegend durch Einzelanweisungen, Verfahrenskontrollen
und punktuelle und hierarchische Eingriffe und Kontrollen (vgl. Punkt 3.1). Für die
Steuerung der Kommunalverwaltung durch Kontraktmanagement sind folgende drei
Elemente grundlegend:
Zielelement
Kontraktmanagement
Vereinbarungselement Steuerungselement
Abbildung 8. Kernelemente des Kontraktmanagements (eigene Darstellung)
43
Das Zielelement:
„Kontraktmanagement bedeutet, über Zielvereinbarungen zu steuern. Das heißt,
Kontrakte enthalten Ziele“ (KGSt-Bericht 4/1998, S. 12).
Anhand der Ziele soll die Verwaltung in die Lage versetzt werden, flexibler und
wirtschaftlicher zu arbeiten. Sie sind zu verstehen als in Zukunft liegende Soll –
Größen, welche in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen sind. Sie geben eine
Handlungsorientierung, ohne den Weg der Zielverfolgung vorzuschreiben.
Die Ziele orientieren sich an den übergeordneten politischen und ressortinternen
Zielsetzungen. Bei der Festlegung der Formulierung detaillierter Ziele - insbesondere
bei der Festlegung von Menge und Qualität - ist die richtige Balance entscheidend.
Eine zu exakte Festlegung verhindert Gestaltungsspielräume vor Ort und provoziert
Eingriffe in das operative Geschäft. Zu grob formulierte Zielsetzungen erzeugen ein
Steuerungsdefizit bei der zuständigen zentralen Einheit. Fehlentwicklungen können
nur schwer frühzeitig erkannt und umsteuernde Maßnahmen dadurch nicht recht-
zeitig eingeleitet werden.
Es ist vordringlich die Aufgabe von Politik und Verwaltungsführung in Verbindung
mit den jeweils nachgeordneten Einheiten, Ziele zu setzen bzw. zu vereinbaren (vgl.
Wallerath 1997, S. 59 und KGSt-Bericht 3/2001, S. 13).
Das Vereinbarungselement:
„Kontraktmanagement bedeutet, über Zielvereinbarungen zu steuern. Das heißt,
Ziele werden vereinbart“ (KGSt-Bericht 4/1998, S. 13). Am Ende dieser Verein-
barung steht der konkrete Leistungsauftrag mit einem daran gekoppelten Budget.
Der Kontrakt soll durch die verschiedenen Parteien partnerschaftlich geschlossen
werden. Im Vordergrund steht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit zugleich
hohem Verbindlichkeitsgrad und hoher Transparenz. Da dieses Verfahren nicht von
hierarchischer Auferlegung bestimmt ist, werden die entwickelten Ziele „realistischer
festgelegt und stoßen bei den Partnern auf höhere Akzeptanz. Das erhöht die
Motivation und den Grad der Zielerreichung“ (KGSt-Bericht 4/1998, S. 13).
44
Das Steuerungselement:
„Kontraktmanagement bedeutet, über Zielvereinbarungen zu steuern. Dafür
benötigen die zentralen bzw. übergeordneten Einheiten steuerungsrelevante
Informationen“ (KGSt-Bericht 4/1998, S. 13).
Verwaltungsführung oder Politik erhalten die erforderlichen Informationen zur
Steuerung und Kontrolle durch Berichte, die von der operativen Ebene zu
tonungsgemäß vereinbarten Zeitpunkten erstellt werden.
Um die Zielerreichung messen zu können, werden Kennzahlen festgelegt. Für diese
Kennzahlen werden Soll-Größen (Planwerte) im Kontrakt vereinbart. Im Rahmen
des Controllings wird die tatsächliche Entwicklung erfasst und analysiert.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit (Punkt 4.7) wird der Stellenwert von Controlling
für das Kontraktmanagement erörtert.
45
4.3 Die verschiedenen Beziehungsebenen im Kontraktmanagement
Durch Kontraktmanagement sollen sowohl die Beziehungen von Politik und
Verwaltung als auch die Beziehungen innerhalb der Verwaltung (Binnenbereich) neu
definiert werden. Es werden unterschiedliche Kontrakte geschlossen, beteiligt sind
jeweils verschiedene Hierarchieebenen (vgl. KGSt-Bericht 4/1998, S. 10).
Die Abbildung 9 veranschaulicht die unterschiedlichen Hierarchieebenen:
Abbildung 9. Kontraktkaskade (Quelle: KGSt-Bericht 4/1998, S. 8)
Das Hauptaugenmerk wird auf folgende drei Kontraktebenen gerichtet:
! Politische Kontrakte
! Verwaltungskontrakte
! Externe Kontrakte
46
Die politischen Kontrakte beziehen sich auf das Verhältnis zwischen Politik und
Verwaltung, wohingegen die Verwaltungskontrakte die verwaltungsinternen
Beziehungen gestalten. Hierdurch werden die strategischen- und operativen Ent-
scheidungsebenen getrennt. Zuletzt spielen Kontrakte mit außenstehenden (externen)
nicht-öffentlichen Einrichtungen eine zunehmend große Rolle.
Auf diese drei Aspekte soll nun spezieller eingegangen werden.
Basis für alle nachgeorderten Kontrakte ist der produktorientierte Haushalt, aus dem
der Hauptkontrakt resultiert. In diesem Zusammenhang ist in der Literatur oft von
Zielvereinbarungen die Rede.
Im produktorientierten Haushalt werden Leistungs- und Finanzziele verbindlich vom
Rat/Kreistag unter der Beteiligung von Fachausschüssen und der Verwaltungs-
führung beschlossen. Dieser Beschluss ist das Ergebnis eines Diskussionsprozesses
zwischen Politik und Verwaltung über Leistungs- und Finanzziele der kommenden
Haushaltsperiode (vgl. KGSt-Bericht 4/1998, S. 17). Der Begriff des Kontrakts setzt
im Grunde zwei gleichberechtigte Partner voraus, wobei dies im realen Verhältnis
von Politik und Verwaltung nicht gegeben ist. Solange der Beschluss am Ende eines
kooperativen Beratungsprozesses zwischen Rat und Verwaltung steht, darf folglich
ein gemeinsam getragener Kontrakt unterstellt werden (vgl. Schwarting, www.hfv-
speyer.de/lba/schwachting/aufsatz5.pdf, eingesehen am 20.11.03).
Der Politik bleibt die Vergabe von Leitlinien und Grundsatzentscheidungen
vorbehalten und im Gegenzug hat sie zu respektieren, dass die Verwaltung den
Einzelfall regelt und die Art der Aufgabenerledigung bestimmt (vgl. KGSt-Bericht
10/1996, S. 10). Die Politik hat dann zu entscheiden, welche Menge der jeweiligen
Leistung von der Verwaltung einzukaufen ist, um die gewünschte Wirkung
(Outcome) zu erzielen.
Durch das Separieren der Zuständigkeiten der Aufgabenbereiche von Politik und
Verwaltung findet eine „Rückbesinnung“ statt. Als Konsequenz hieraus ergibt sich
eine stärkere Trennung der Sphären von Politik und Verwaltung.
47
Abgeleitet von dem produktorientierten Haushaltsplan als Hauptkontrakt werden in
Fachbereichs- bzw. Amtskontrakten Leistungs- und Finanzziele weiter
konkretisiert. Kontraktpartner für Fachbereichs- und Amtskontrakte sind auf der
einen Seite Verwaltungsführung, auf der anderen Seite Fachbereichs- bzw.
Amtsleitung (vgl. Wallerath 1997, S. 61 und KGSt-Bericht 4/1998, S. 19). Durch
das Kontraktmanagement werden die Ziel- und Budgetaspekte einer Dienststelle
zusammengeführt.
Im Rahmen der vereinbarten Ziele soll den jeweils ausführenden Ebenen ein
„möglichst großer Freiraum in der Bewirtschaftung der bereitgestellten Ressourcen“
ermöglicht werden, so dass sie möglichst flexibel agieren können (Wallerath 1997, S.
60). Durch längerfristige Vereinbarungen sollen Ad-hoc Steuerung und permanente
Nachsteuerung entfallen. So ist eine selbständige Prioritätensetzung der einzelnen
Fachbereiche/Ämter möglich, wobei das Erreichen der vereinbarten Ziele immer in
deren Fokus liegt.
Beide o.g. Kontrakttypen haben gemein, dass die Mittelzuweisung leistungs- und
ergebnisorientiert erfolgen soll, was eine Abkehr von der bisherigen Budgetierungs-
praxis darstellt. Für Kontraktmanagement ist es hilfreich, zwischen Auftraggeber und
Auftragnehmer zu unterscheiden. Einige Kommunen ziehen dabei eine formale
Separierung vor, die alle operativen Tätigkeiten der Verwaltung (die Auftragnehmer)
von den bestellenden Einheiten (die Auftraggeber) organisatorisch und hierarchisch
trennen (vgl. www.kommunaler-wettbewerb.de, eingesehen am 10.10.03).
Es können aber auch Kontrakte mit externen Stellen geschlossen werden, wie z. B.
mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege. In diesem Fall wird dann ein Kontrakt von
Seiten der Steuerungszentrale mit einem nicht-öffentlichen Produzenten geschlossen
(vgl. Trube 2001, S. 174). Somit kann ein „Markt sozialer Dienstleistungen“ ent-
stehen. Knorr und Scheppach sehen hier auch eine Möglichkeit einer effizienteren
Herstellung von Dienstleistungen, indem sie feststellen, „dass sich eine Monopol-
stellung mit der effizienten Herstellung von Gütern und Dienstleistungen,
48
insbesondere Kundenorientierung und Innovationsbereitschaft einer Kommunal-
verwaltung prinzipiell nicht vereinbaren lässt“ (Knorr/Scheppach 1999, S. 10).
Die Mitarbeiterzielvereinbarungen bilden eine weitere Möglichkeit, Kontrakte
abzuschließen (vgl. Abbildung 6, Kontraktkaskade). Diese finden entweder bei
Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchieebenen oder auf der selben Hierarchieebene
statt.
Differenziert man die dargestellten Kontrakte nach ihrem Wirkungsbereich, kann so
zwischen „externen“ und „internen“ Kontrakten unterschieden werden.
Die Abbildung 10 zeigt dies:
Kontrakte
Externe: Interne:
Abbildung 10. Unterscheidung zwischen externen- und internen Kontrakten (eigene Darstellung)
Politik -
Verwaltungsspitz
e
Verwaltungsspitz
e -
Fachabteilung/
Amt
49
4.3.1 Die Rolle des Bürgers
Mit der Einführung des Neuen Steuerungsmodells soll den Verwaltungsmitarbeitern
eine neue Sichtweise vermittelt werden. Mit dem Leitmotiv „Kundenorientierung“
soll die herkömmliche Vorstellung ersetzt werden, in welcher der Bürger nicht
unbedingt im Mittelpunkt der Verwaltungstätigkeit stand.
Dem Bürger kommt im Konzept des Neuen Steuerungsmodells eine Dreifachrolle zu
(vgl. Trube 2001, S. 174 f.):
a) Der Bürger als (politischer) Auftraggeber:
Die Auftraggeberposition nimmt der Bürger über den Stimmzettel wahr, indem er
eine Partei seiner persönlichen Präferenz wählt.
b) Der Bürger als Koproduzent:
Der Bürger tritt als Koproduzent dann in Erscheinung, wenn er am Produktions-
prozess der öffentlichen Leistung beteiligt ist.
c) Der Bürger als Kunde:
Der Bürger ist als Endverbraucher - der bereitgestellten öffentlichen Güter - Kunde
der Verwaltung oder der von ihr beauftragten externen Stellen.
Bei der Ausgestaltung des Vorhabens der Kundenorientierung haben einige
Kommunen sichtbare und gute Ergebnisse erzielt. In einigen Kommunen ist z. B. die
Internetpräsenz bemerkenswert sowie die Geschwindigkeit, mit der an der
Weiterentwicklung von aus dem Internet abrufbaren Formularen, Anträgen etc.
gearbeitet wird. Maßnahmen zur Verbesserung der Bürger- oder Kundenorientierung
können jedoch völlig losgelöst von den Prinzipien und Instrumenten der Neuen
Steuerung eingeführt werden. Kundenorientierung muss sich nicht erst durch äußere
Vorgaben einstellen, es ist insbesondere auch eine Frage der Innovationsbereitschaft
der Mitarbeiter.
50
4.3.2 Verantwortungsdezentralisation als Leitmotiv des Kontrakt-
managements
Die Dezentralisation und damit die Ablösung großer, oft überörtlicher
Organisationseinheiten zugunsten kleinerer problemnaher Stellen, ist ein Leitmotiv
des Kontraktmanagements. „Je mehr Ermessensspielraum und Verantwortung
weitergegeben und eingefordert werden sollen, umso eher bietet sich Kontrakt-
management an“ (Plamper 2000, S. 236).
Wie bereits erwähnt, drohen Risiken aus einer starken Zentralisation durch die
dadurch entstehende Überlastung der Spitze und deren Entfernung von den
Entscheidungssachverhalten (vgl. Punkt 3.1). Der Abschluss von Vereinbarungen im
Kontraktmanagement hat steuerungstechnisch keinen Sinn, wenn die Zentrale nicht
dazu bereit ist, Verantwortung in der Hierarchieebene weiter nach unten zu
delegieren (vgl. Trube 2001, S. 180). Durch den Dezentralisierungsansatz und die
Delegation wird einerseits angestrebt, dass immer diejenige organisatorische Ebene
die Entscheidungsgewalt über einen Sachverhalt erhält, die hierfür die höchste
Kompetenz aufweist. Andererseits sollen die einzelnen Mitarbeiter eine erhöhte
Motivation, Verantwortungsbereitschaft und Ergebnisidentifikation erhalten.
Gerade die ineffiziente Trennung der Fach- und Ressourcenverantwortung der
herkömmlichen Verwaltungsstruktur war ein entscheidender Anlass, die Diskussion
zum Neuen Steuerungsmodell in Gang zu setzen. Die Fachbereiche können erst mit
eigener Ressourcenverantwortung Kunden- und Marktverantwortung übernehmen
(vgl. KGSt-Bericht 12/1991 und 5/1993).
Trube sieht die Bedeutung der Dezentralisation und Delegation von Aufgaben sowie
von Verantwortung von zwei Seiten aus:
Sie dient der Kunden- bzw. Bürgernähe, wobei damit vornehmlich die Marktnähe zu
verstehen ist.
51
Zudem soll sie der Binnensteuerung der Verwaltung dienlich sein, nämlich als:
a) ein Instrument zur Steigerung von Leistung und Qualität sowie als
b) ein Instrument der Haushaltssteuerung und
c) soll der Delegation der Personalentwicklung dienen.
(vgl. Trube 2001, S. 182 ff.).
Die Abgabe von Verantwortung und der Abbau von Hierarchieebenen ist somit eine
unbedingte Voraussetzung, um über vereinbarte Ziele und entsprechende Kontrollen
zu steuern.
52
Zum Abschluss soll die folgende Grafik den sehr komplexen Aufbau der
unterschiedlichen Beziehungen und Rollen der jeweiligen Parteien im Kontrakt-
management verdeutlichen:
Abbildung 11. Kontraktmanagement (Quelle: Trube 2001, S. 176)
53
In der vorhergehenden Abbildung 11 ist die Verwaltung als „Konzern Stadt“
dargestellt. Diese Darstellung ist nachzuvollziehen, wenn man sich die Leitidee des
Neuen Steuerungsmodells vor Augen hält, in der die Verwaltung als modernes
Dienstleistungsunternehmen gesehen wird. Durch Kontraktmanagement kann der
„Aufsichtsrat“ (Politik/Verwaltungsführung) die Erledigung der jeweiligen Aufgaben
steuern. Gesucht werden die Leistungserbringer für die Aufgaben sowohl innerhalb
des „Konzerns“ (innerhalb der Verwaltung) als auch außerhalb, in Form von
externen Anbietern (vgl. Trube/Wohlfahrt 2000a, S. 21 ff.).
Auf die Vergabe von Aufgaben an externe Anbieter wird in Punkt 4.9 eingegangen.
4. 4 Verbindlichkeit von Kontrakten
Im Brockhaus - Lexikon wird der Begriff Vertrag bzw. Kontrakt als Rechtsgeschäft
bezeichnet, das durch Angebot und Annahme zustande kommt. Die Vertragsparteien
verpflichten sich zur Erbringung von Leistung und Gegenleistung, wobei diese
Verpflichtung einklagbar ist. Primär legt der Begriff also nahe, dass es sich in der Tat
um einen verbindlichen Vertrag für beide Seiten handelt, der Leistung und
Gegenleistung für einen bestimmten Zeitraum festschreibt. Im Rahmen des
Kontraktmanagements wird eindeutig präferiert, Kontrakte mit der Verbindlichkeit
von Weisungen aufgrund einer Vertrauensbasis zu schließen. „Im öffentlichen
Bereich ist Kontraktmanagement eher im nichteinklagbaren, das heißt in einem auf
Vertrauen beruhenden Bereich angesiedelt“ (Plamper 2000, S. 234).
Ein Initiator des Tilburger Modells, Schrijvers, erklärt ebenfalls ausdrücklich, dass
man von einem Kontrakt spricht, aber davon im juristischen Sinne keine Rede sein
kann. Auch er betont das Wesen der Absprache zwischen zwei Parteien. Angesichts
der Komplexität des Instruments verwundert es jedoch, „dass die Frage nach dem
Rechtscharakter der Kontrakte oder Zielvereinbarungen bislang weiterhin verdrängt
wurde“ (Wallerath 1997, S. 60). Verwaltungsintern haben Kontrakte somit keine
Rechtsverbindlichkeit im Sinne von Einklagbarkeit. Der Kontrakt entwickelt seinen
Wert bei der Klärung von Rahmenbedingungen, bei der Schlichtung und bei der
54
Anpassung an eine veränderte Sachlage. „Kontrakte binden die Kontraktpartner an
die ausgehandelten Ziele (Selbstbindung) und bieten beiden eine zuverlässige
Vertrauensgrundlage. Sind Zielanpassungen notwendig, muss jeweils neu verhandelt
werden“ (KGSt-Bericht 4/1998, S. 9).
Externe Kontrakte zwischen öffentlichen Einrichtungen und privaten bzw. nicht
öffentlichen Produzenten sind rechtsverbindliche Verträge, die sich aber ansonsten
nicht von Kontrakten unterscheiden.
4.5 Ziele von Kontraktmanagement
Durch eine Zusammenführung der Fach- und Ressourcenverantwortung in den
dezentralen Organisationseinheiten „soll eine Erhöhung der Effizienz (wirtschaft-
licher Aspekt), aber auch eine Erhöhung der Effektivität (Grad der Zielerreichung,
fachlicher Aspekt) bewirkt werden. Gleichzeitig soll die Kostentransparenz erhöht
werden“ (Knorr/Scheppach 1999, S. 33).
Vereinfacht ausgedrückt soll Kontraktmanagement dazu führen, dass die Politik
festlegt, “Was“ die richtigen Dinge sind, wohingegen die Verwaltung bestimmt,
“Wie“ die Dinge richtig erledigt werden. Durch Kontraktmanagement wird die
Verantwortung dezentraler Einheiten (Ämter oder Fachbereiche), bei Sicherstellung
einer zentralen Steuerung, gestärkt. Eine Balance zwischen dezentraler
Verantwortung und zentraler Steuerung herzustellen, ist ein Ziel. Ein sich selbst
regelndes System mit dem Instrument Kontraktmanagement als Reintegrationsmittel
soll geschaffen werden, das durch das ökonomische Interesse der handelnden
Akteure zu leistungsfähigeren Strukturen führen soll und die Desintegration
hierarchisch organisierter Verwaltungen (zugunsten dezentraler, ergebnisver-
antwortlicher und autonomer Geschäftssegmente) nach sich zieht (vgl. Wallerath
1997, S. 59 und Dahme 2002, S. 65).
55
Mit Kontrakten werden länger andauernde und offene Austauschbeziehungen auf
Vereinbarungsbasis eingegangen. Das hat somit zur Folge, dass ein Dialog zwischen
den Partnern ausgelöst wird (vgl. Plamper 2000, S. 234 f.).
Aufgrund der Tatsache, dass sich die Kontraktpartner sehr spezifisch auf die zu
erreichenden Ziele konzentrieren, werden diese klar und realistisch ausgewählt.
Das Fortwähren des Dialogs über einen langfristigen Zeitraum bietet eine Grundlage
für das Erkennen von Verbesserungsmöglichkeiten bei der Zielumsetzung.
Die Abbildung 12 verdeutlicht, was durch einen Dialog der Kontraktpartner erreicht
werden soll:
Abbildung 12. Ziele eines zu führenden Dialogs der Kontraktpartner (eigene Darstellung)
Das Vereinbarungselement ist in diesen Austauschbeziehungen „der Wert des
Kontrakts als Management-Werkzeug zum Erzielen von Einsparungen, [und] zum
Erhöhen der Effektivität“ (Plamper 2000, S. 235).
Als Nebeneffekt ist darüber hinaus eine Imageverbesserung für den öffentlichen
Dienst, durch Modernisierung und Angleichung der Strukturen an private Unter-
Klare und Konzentration realistische auf die Leistungsmessung Ergebnisse Größeres Ein Fortwähren Vermögen von des Dialogs im Lernen und Bezug auf die Verbesserung zu erreichende Leistung
56
nehmen, zu erwarten. Oft wurde im Zusammenhang mit der Verwaltung assoziiert,
dass sie zu teuer, zu bürokratisch, zu unmodern sei, usw.
Die Folgende Grafik fasst die genannten Ziele zusammen:
Abbildung 13. Ziele von Kontraktmanagement (eigene Darstellung)
Durch
Kontraktmanagement
folgendes erreichen:
! Klare Rollenverteilung zwischen Politik und Verwaltung
! Stärkung der Verantwortung
dezentraler Einheiten bei Sicherstellung einer zentralen Steuerung
! Erhöhung der Effektivität ! Transparenz der Leistungserstellung
erhöhen ! Auslösung eines Dialoges zwischen den
Kontraktpartnern
! Imageverbesserung als Nebeneffekt
57
4.6 Sanktionen und Anreize
Eine Erfüllung oder gegebenenfalls eine Nichterfüllung eines Kontrakts kann mit
Anreizen respektive Sanktionen verbunden werden. Diese sind zwar nicht unbedingt
notwendig, aber sie können ergänzend vereinbart werden (vgl. KGSt-Bericht 4/1998,
S. 14). Um die Möglichkeiten von Sanktionen und Anreizen zu untersuchen, wird
zunächst eine Trennung vorgenommen. Zunächst rücken die Amts- bzw. Fach-
bereiche in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Der Mitarbeiteraspekt wird nicht an dieser Stelle, sondern im weiteren Verlauf der
Arbeit (Punkt 4.10.1) aufgegriffen.
Bezogen auf die Amts- bzw. Fachbereiche ist zu attestieren, dass Anreize oder
Sanktionen sich in der Praxis noch nicht durchgesetzt haben. Es gibt keinen
erwarteten Gewinn als Anreiz für das Gelingen eines Kontrakts, zudem ist ein
Aufkündigen der Geschäftsbeziehungen verwaltungsintern als klarste Sanktion selten
möglich (vgl. Plamper 2000, S. 238).
Angesichts der dürren Finanzlage und dem damit verbundenen Sparzwang der
Kommunen und angesichts der Tatsache, dass es sich um öffentliche Gelder handelt,
sind geforderte materielle Anreize nur schwer zu verwirklichen.
Die Politik oder übergeordnete Stellen haben die Macht, eine Einrichtung
aufzulösen, zu reorganisieren oder die Führung abzulösen, wenn diese Einrichtung
die vereinbarten Ergebnisse nicht erbringt (vgl. Plamper 2000, S. 238).
Auf die Rolle des Wettbewerbs im Kontext von Anreizen und Sanktionen wird im
Kapitel 4.9 eingegangen.
58
4.7 Voraussetzungen für ein funktionierendes Kontraktmanagement
Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung ist Kontraktmanagement nicht isoliert
zu sehen, sonst würden sich die möglichen Vorteile nicht, oder nur zum Teil
einstellen. Die Einführung des Kontraktmanagements sollte Teil einer Gesamtreform
sein, welche eine neue Steuerungsphilosophie für die öffentliche Verwaltung
beinhaltet (vgl. Plamper 2000, S. 237).
Kontraktmanagement ist nur sinnvoll, wenn Fach- und Ressourcenverantwortung
dezentralisiert sind, und die Bereitschaft und Fähigkeit (Abgabe von Macht) seitens
der Verwaltungsführung besteht, im Rahmen von Vereinbarungen die dezentralen
Einheiten auf Abstand zu führen (vgl. www.kommunaler-wettbewerb.de, eingesehen
am 10.10.03). Ein Mitarbeiter einer untergeordneten Ebene wird sich kaum
kooperativ oder gestalterisch verhalten, wenn er weiß, dass der Verhandlungsprozess
durch die höhere Ebene determiniert ist. Vielmehr wird dann der Versuch angeregt,
durch Täuschung (punktgenaue Ausgabe des Budgets - Budgetmaximierung) für sich
Vorteile zu erringen. Von den Fachbereichs- bzw. Amtsleitern muss zudem die
Bereitschaft vorhanden sein, Gestaltungsspielräume zu nutzen und über die
Ergebnisse zu berichten.
Das „Kontraktmanagement erfolgt „Bottom Up“ und „Top Down“ in einem
Gegenstromverfahren, das heißt, von unten werden „Angebote“ zu Leistungen,
Maßnahmen und Produkten für eine spezifische Zielgruppe definiert, die von oben
wiederum mit „Nachfrage“ und der Definition von Leistungs- und Finanzrahmen
(Kennzahlen) versehen werden“ (Knorr/Scheppach 1999, S. 40). Um die Einhaltung
des Leistungs- und Finanzrahmens zu gewährleisten, sollte Kontraktmanagement
durch Controlling begleitet werden. Ein reibungsloses Funktionieren von
Kontraktmanagement wird durch Controlling unterstützt und somit stellt es ein
notwendiges Element für das Kontraktmanagement dar (vgl. KGSt-Bericht 4/1998,
S. 28 und Knorr/Scheppach 1999, S. 72). Die Kontraktpartner sollen willens sein, bei
Bedarf Korrekturen an der Vereinbarung vorzunehmen.
59
Kontraktmanagement darf nicht zu mehr Bürokratie führen (vgl. KGSt- Bericht
4/1998, S. 16). So ist es nicht sinnvoll, flächendeckend für alle Produkte der
Verwaltung in gleichem Detaillierungsgrad Ziele festzulegen. Dies würde in einer
nicht mehr vertretbaren Mehrarbeit enden.
Zusammenfassend soll folgende Grafik die Voraussetzungen wiedergeben:
Abbildung 14. Voraussetzungen für Kontraktmanagement (eigene Darstellung)
Dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung
Bereitschaft, Gestaltungsspielräume zu nutzen
Controlling als bedeutendes Element im Kontraktmanagement
Klarheit über Ziele und Standards (Quantität und Qualität)
Kontraktmanagement darf nicht zu mehr Bürokratie führen
60
4.8 Das Kontraktmanagement im Zusammenhang mit Budgetierung und
Sozialraumbezug
4.8.1 Budgetierung und Kontraktmanagement
Ein sehr bedeutendes Element im Kontrakt ist das Budget, welches eng mit der
outputorientierten Steuerung im Zusammenhang steht.
Im Neuen Steuerungsmodell und im Kontraktmanagement stellt das Budget einen
Finanzplan dar, der die Allokation von Ressourcen steuert; des Weiteren hat das
Budget, wie im privatwirtschaftlichen Bereich, auch eine Dokumentationsfunktion
(vgl. Knorr/Scheppach 1999, S. 90 und Budäus 2000, S. 69).
Die Dokumentation soll Kosten und ebenso Leistungen erfassen und nicht nur
Informationen für die Politik und Verwaltung liefern, sondern auch für den Bürger.
Durch das Verhandlungsverfahren soll nicht nur allein die Möglichkeit eingeräumt
werden, den finanziellen Rahmen festzulegen. Gleichzeitig soll die Leistungsmenge
angepasst werden, da ein direkt darstellbarer Zusammenhang zwischen Budget und
Leistungsmenge besteht. Wesentliches Element der outputorientierten Budgetierung
ist es, dass dem Beschluss zur Finanzierung einer Leistung eine Verhandlungsphase
vorausgeht, in welcher wesentliche Größen wie Qualität, Quantität, Preis usw.
festgelegt werden. Das Budget wird also nicht einseitig verkündet. Im Gegensatz
hierzu erfolgte vor der Implementierung des Neuen Steuerungsmodells die
Festlegung des Budgets relativ losgelöst von den zu Grunde liegenden Leistungen
(vgl. Punkt 3.1). Die neue Art der Budgetierung stärkt die dezentrale Verantwortung
einer Organisationseinheit für ihren Finanzrahmen bei vereinbartem Leistungs-
umfang. Über den Mitteleinsatz darf selbst bestimmt werden, somit steckt das
Budget einen Handlungsrahmen für den Leistungserstellungsprozess ab.
Mit dem Instrument des Kontraktmanagements gilt es, das Budget so zu handhaben,
„dass einerseits eine Dezentralisierung von Fach- und Ressourcenkompetenz weit-
reichende Effizienz generierende Automatismen freisetzen kann und andererseits die
Verwaltung“ steuerbar im Sinne des politisch Gewollten bleibt (Winter 2000, S.
103).
61
Den Organisationseinheiten wird eine Erhöhung der budgetären Flexibilität als
Arbeitsgrundlage ermöglicht, um den Leistungserstellungsprozess zu vollziehen.
Somit kann das Budget als ein im Haushaltsplan festgelegtes Geldvolumen definiert
werden, das einer Organisationseinheit für eine jeweilige Periode von den
Entscheidungsträgern (Rat/Verwaltungsführung) zugeteilt und durch Ziel-
vereinbarungen abgesichert wird (vgl. Kühn 1999, S. 29).
„Die Budgetierung ist insofern konstitutiver Teil des Kontraktmanagements, indem
sie für die inhaltlichen Ziele jeweils die Finanzziele definiert“ (Trube 2001, S. 194).
Hinter dem Konzept dieser Art von Budgetierung liegt die Absicht, das Effektivitäts-
und Effizienzbewusstsein der dezentralen Einheiten zu stärken sowie eine
Kostenrechnung für einzelne Leistungen bzw. Produkte oder für den Sozialraum zu
ermöglichen. Die dezentralen Einheiten erlangen eine Position, in der sie selbst die
Verantwortung für das Budget tragen, und dies schafft ein ganz anderes Bewusstsein
- „eigenes Geld“ gibt man sparsamer aus als „fremdes Geld“.
Über die bloße Aufstellung eines Budgets hinaus wird somit die Finanzierung als
Dringlichkeitswertung, Kontrolle und Abweichungsanalyse (Controlling) verstanden
(vgl. Knorr/Scheppach 1999, S. 90 und Wallerath 1997, S. 62).
Das von der Verwaltung Bewirkte wird unter Berücksichtigung des dazu
eingesetzten Budgetvolumens kontrolliert. Das Ergebnis der Kontrolle wird die
Ausstattung des politisch Gewollten in der nächsten Budgetperiode. „Dies zielt
darauf ab, den tatsächlichen Ressourcenverbrauch und nicht nur den Geldverbrauch
zu erfassen, zu dokumentieren und unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten zu
steuern“ (Budäus 2000, S. 69).
62
Bezogen auf das Budget entsteht somit ein Kreislauf, den die Abbildung 15
verdeutlichen soll:
Abbildung 15. Kreislauf der Budgetierung (nach: Winter 2000, S. 102)
Als weiterer Effekt ist ein Grundstein für Kosten- und Leistungsvergleiche, auch
bezogen auf einen möglichen Wettbewerb, gelegt (vgl. Trube 2001, S. 195).
Produktbezogene Daten – und zwar sowohl Ist- als auch Plandaten - kann die
Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) liefern.
Die Budgetierung von Verwaltungsleistungen kann als ein System der dezentralen
Verantwortung einer Organisationseinheit für ihren Finanzrahmen, bei festgelegtem
Leistungsumfang, bezeichnet werden.
Politische Willensbildung
Leistungs-erstellung der Verwaltung
Wirkung des Verwaltungs-handelns
Das politisch Gewollte
Leistungs-vereinbarung mit der Verwaltung
Kreislauf der Budgetierung
63
4.8.2 Sozialraumbezug und Kontraktmanagement
Jenseits von Produktbeschreibungen kam es zu konzeptionell alternativen Ansätzen,
in deren Zusammenhang der Sozialraum als Ausgangspunkt der Steuerungsversuche
genannt wird (vgl. Trube 2001, S. 190). Im Folgenden soll eine erweiterte
Perspektive im Bezug auf das Kontraktmanagement, unter dem Aspekt der
Budgetierung und einer konzeptionellen Alternative zur Produktdefinition, am
konkreten Beispiel des sozialpädagogischen Arbeitsfeldes der Jugendhilfe dargestellt
werden.
Durch die Verwaltungsreform und durch leere Kassen steht auch die Jugendhilfe
unter einem wachsenden Effizienzdruck. „Binnenorganisatorisch dominiert derzeit in
vielen kommunalen Jugendämtern eine enge bürokratische Logik: Jugendämter sind
sortiert nach Produkten, Abteilungen oder Hilfearten“ (Hinte 2003, S. 10).
Dieses starre Gerüst ist schwer zu durchbrechen und lässt somit wenig Raum für
Innovation. Die produktartig angelegten Hilfen zur Erziehung in den §§ 27ff. KJHG
untermauern dies. Das Hilfeangebot determiniert schubladenartig im Voraus die
jeweils zu gewährende Hilfe für die einzelne Person.
Aus dem vorhandenen Hilfekatalog wird für Kinder/Jugendliche ein Angebot vom
Jugendamt ausgewählt, welches nur in den seltensten Fällen genau auf eine Person
zugeschnitten ist. Dies kann man als Diktatur des Angebots bezeichnen und
dementsprechend „ist auch das Marktgebaren der Erbringer der Hilfen zur
Erziehung. Wer ein Produkt hat, will es auch verkaufen“ (Hinte 2003, S. 12).
Selbstverständlich ist das Vorhandensein eines Leistungsanspruchs durch das KJHG
sehr positiv zu werten.
Bei einer entsprechenden Leistungsberechtigung übernehmen in diesem Arbeits-
umfeld meist freie Träger den Vollzug der Leistungserbringung und zwar im Auftrag
und durch Bezahlung (Fallfinanzierung) des Jugendamts. Dieser Umstand hat dazu
beigetragen, dass die Praxiskräfte vor Ort der Versuchung ausgesetzt sind, „Fälle
zu produzieren, um Geldströme zu sichern – mit der Folge, dass anschließend alle
Beteiligten über zu viele Ausgaben, zu viele Fälle und zu viel Bürokratie klagen“
64
(Hinte 2003, S. 12). Hinzu kommt, dass das Jugendamt gleichzeitig als Auftraggeber
und Nachfrager den Bedarf für die Klientel als Leistungsberechtigte definiert.
Wenn jedoch die Jugendhilfe den Anspruch ernst nimmt, sich an der Lebenswelt
ihrer Adressaten auszurichten, benötigt sie eine Binnenorganisation, die zumindest
einen Kompromiss zwischen bürokratischer Logik und der Dynamik der Lebenswelt
der Betroffenen darstellt (vgl. Hinte, http://www.uni-essen.de/issab…, eingesehen
am 18.12.03).
Hier gewinnt die Sozialraumorientierung mit dem Instrument des Sozialraumbudgets
als Verrechnungsform im Binnenverhältnis zwischen Kostenträger und Leistungs-
erbringer an Bedeutung.
Die folgende Grafik veranschaulicht die relevanten Ebenen eines Sozialraum-
Konzepts (vgl. Hinte 2003, S. 32):
Abbildung 16. Ebenen eines Sozialraum-Konzepts (eigene Darstellung)
Die räumliche Ebene: Der abgesteckte Sozialraum wird als Bezugspunkt für die professionellen Aktivitäten gesehen.
Die Steuerungsebene: Hier dient der Sozialraum als geografische Bezugsgröße für die Konzentration von Personal und anderen Jugendhilferessourcen. Im Sozialraum legen Fachkräfte Wirkungsschwerpunkte für kleinere räumliche Einheiten fest, die variabel sind.
Die Finanzierungsebene: Regionale Budgets werden installiert. Diese ermöglichen zum einen den Fachkräften eine Einzelfallarbeit unter Berücksichtigung der Ressourcen des Sozialraums und zum anderen sollen Strukturen für quartiernahe Unterstützung von Hilfesuchenden mit Schnittstellen zu anderen Tätigkeitsfeldern geschaffen werden.
Die methodische Ebene: Der Wille der Betroffenen/Klienten muss erkundet werden. In einer Aushandlungssituation „auf Augenhöhe“ müssen, unter Nutzung sozialräumlicher Ressourcen gemeinsam mit dem hilfebedürftigen Menschen, Perspektiven und Handlungsschritte zur Unterstützung entwickelt werden.
65
Die Erfüllung dieser Ebenen bedeutet im Bereich der Hilfen zur Erziehung (§ 27 ff.
KJHG) den Einstieg in eine sozialräumlich agierende kooperative und integrative
Jugendhilfe durch ein systematisches Kontraktmanagement, in dem der soziale Raum
die zentrale Bezugsgröße für die Steuerung von Geld und Fachlichkeit darstellt (vgl.
Hinte, http://www.uni-essen.de/issab…, eingesehen am 18.12.03).
Die Kontrakte werden zwischen den freien- und öffentlichen Trägern geschlossen.
Das Sozialraumbudget ist als nicht detailliert zugeordnete Geldzuwendung für in
Sozialräumen agierende Institutionen zu verstehen, die mit einem präzisen
Leistungsauftrag, inklusive Standards und Indikatoren, verbunden sind. Das
Sozialraumbudget ist ein im Kontrakt verankertes Instrument, das dem
Leistungsempfänger eine Erbringung genau passender Hilfen zur Erziehung
ermöglichen soll. Die neu gestalteten §§ 77 und 78 KJHG bieten hier (mit
Inkrafttreten zum 1.1.99) die notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten. Der ebenfalls
neu gestaltete § 93 BSHG unterstreicht die Notwendigkeit der Kooperation zwischen
Jugendhilfe und Sozialhilfe, die bis dato durch eine strikte Trennung nicht möglich
war.
Des Weiteren soll das Sozialraumbudget eine bessere Nutzung sozialräumlicher
Ressourcen und einen rechtzeitigen Einsatz von Jugendhilfe-Maßnahmen und damit
eine Verkürzung von Hilfeverläufen unterstützen (vgl. Hinte 2003, S. 29).
Da die nicht-öffentlichen Träger über ein festes Budget verfügen, sind sie nicht mehr
der Versuchung (durch Fallfinanzierung) ausgesetzt, Fälle zu produzieren. Es wird
im Gegenteil darauf geachtet, Prävention unterhalb der §§ 27 ff. KJHG zu betreiben,
um möglichst wenig Fälle zu erhalten oder sie zumindest möglichst zügig,
entsprechend den im Kontraktmanagement vereinbarten Standards, zu bearbeiten.
Durch diese Maßnahmen soll der Arbeitsablauf hinsichtlich der Wirkung der
Leistungserbringung verbessert werden und das übliche „Feilschen“ um Geld und
Stunden im Hilfeplangespräch (§ 36 KJHG) entfällt.
Als zentraler Punkt dieses Ansatzes werden der Wille und die Rechte der
Betroffenen in den Vordergrund gestellt und gleichzeitig wird gefordert, mit den
jeweiligen Menschen eines Quartiers die dortigen Lebensbedingungen für alle zu
verbessern und räumlich gestaltend zu wirken (vgl. Hinte 2003, S. 31).
66
Der soziale Raum als zentrales Steuerungselement wird die Diskussion auf
kommunaler Ebene und speziell die Verfahren des Kontraktmanagements in den
nächsten Jahren wesentlich prägen (vgl. Hinte, http://www.uni-essen.de/issab…,
eingesehen am 18.12.03).
Er bietet sozialen Dienstleistungsherstellern zumindest eine sehr ernst zu nehmende
Alternative zur Produktdefinition. Bezogen auf das vorab genannte Arbeitsfeld ist
der soziale Raum als zentrales Steuerungsinstrument zu empfehlen.
4.9 Förderung des Wettbewerbsgedanken durch Kontraktmanagement
Durch die Einführung des Neuen Steuerungsmodells soll es zu einer Effizienz- und
Effektivitätssteigerung von Verwaltungsleistungen kommen, insbesondere das
Element Kontraktmanagement soll dies ermöglichen.
Die These, dass Wettbewerb Ansporn zu mehr Leistung bietet, ist weit verbreitet.
Man kann folgende drei verschiedene Formen des Wettbewerbs unterscheiden (vgl.
www.kommunaler-wettbewerb.de, eingesehen am 10.10.03):
1) marktlicher Wettbewerb
2) marktähnlicher Wettbewerb
3) nicht-marktlicher Wettbewerb
Diese verschiedenen Wettbewerbsformen eignen sich für verschiedene
Aufgabenbereiche der Verwaltungen. Marktlicher Wettbewerb findet vor allem in
den technischen und infrastrukturellen Tätigkeitsbereichen statt, während
marktähnlicher Wettbewerb in sozialen Dienstleistungsbereichen anzutreffen ist.
Nicht-marktliche Wettbewerbsformen hingegen nehmen eine untergeordnete Rolle
ein, sofern sie nicht mit externen Impulsen - wie beispielsweise der Kunden-
orientierung - verbunden werden.
67
Folgt man dem Kontraktmanagementansatz ist dabei zunächst unerheblich, ob
Leistungen über einen frei zugänglichen Markt bezogen werden oder ihre
Verrichtung in der Organisation verbleibt, da ebenfalls die Möglichkeit besteht, auch
externe Kontrakte mit z. B. privaten Anbietern zu schließen. „Der Schritt vom
Kontraktmanagement zum Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Dienst-
leistungsanbietern ist für die bestellende Einheit, den Auftraggeber, relativ klein - für
kommunale Anbieter bzw. verselbständigte Organisationseinheiten ist Wettbewerb
eine der größten Herausforderungen“ (www.kommunaler-wettbewerb.de, eingesehen
am 10.10.03).
Wettbewerb ist kein Ziel der Verwaltungsmodernisierung, sondern als Instrument zu
betrachten, indem externer Druck auf Arbeitsprozesse ausgeübt wird. Durch die
transparent zu gestaltende Leistungserstellung (z. B. durch die Produktdefinition)
können Formen von Wettbewerb in die bislang als ineffizient und bürokratisch
geltenden Strukturen Einzug nehmen. Zum einem soll die Möglichkeit bestehen,
Leistungen zu vergleichen, und zum anderen sollen diese im Bedarfsfall ausgetauscht
werden können.
Im Kontraktmanagement ist ein outputorientierter Zielvereinbarungsprozess
grundlegend für die Budgetierung. Dahinter steckt die Leitidee, dass im Inneren der
Verwaltung die gleichen Nachfrage- und Leistungsbeziehungen entstehen, wie zu
einem beliebigen anderen privaten Anbieter; das „günstigste Angebot entscheidet, ob
der Auftrag innerhalb der Verwaltung erledigt oder extern vergeben“ wird (Wallerath
1997, S. 60).
Zu beachten ist jedoch, ob die Transaktionskosten (das sind die Kosten der
Anbahnung, des Abschlusses und der Abwicklung von Kontrakten) die
Kostenvorteile der Fremdproduktion nicht wieder aufheben (vgl. Lüder 1996, S. 96).
Die Effizienzsteigerung im Kontraktmanagement soll also auch aus der Nutzung
eines innerorganisatorischen Wettbewerbs erfolgen sowie aus einem Wettbewerb mit
externen Anbietern.
Knorr und Scheppach gehen sogar von der Möglichkeit aus, dass Sozialverwaltungen
in einem längerfristigen Prozess immer mehr lenkende und steuernde Funktionen
68
übernehmen werden und dass das operative Geschäft der Durchführung sozialer
Dienstleistungen auf Verbände, Initiativen und privatwirtschaftliche Organisationen
übertragen wird. Diese Vorgehensweise „entspricht dem Grundgedanken der
schlanken Verwaltung“ (Knorr/Scheppach 1999, S. 120).
Im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung wird diese Übertragung der
Leistungserstellung auch schon praktiziert, und zwar dort, wo Güter und
Dienstleistungen für die Kommune an einem funktionierenden Markt zu kaufen sind.
Von den geeigneten Anbietern erhält der, der das beste Angebot abgibt, den Auftrag.
Diese Form ist jedoch nur sinnvoll, wenn ausreichend Wettbewerb vorhanden ist,
wie es z. B. in technischen Bereichen der Fall ist.
Im Bereich der Sozialverwaltung werden einige Leistungen in beschränkt
öffentlichen Ausschreibungen nachgefragt, und zwar dort, wo die Sozialverwaltung
bereits mit privaten/öffentlichen Anbietern zusammenarbeitet. Die Beschränkung der
Ausschreibung ergibt sich daraus, dass z. B. für eine Leistung die Anerkennung als
Jugendhilfeträger erforderlich ist, oder sich nur örtliche Jugendhilfeträger beteiligen
sollen (vgl. Knorr/Scheppach 1999, S. 120).
Für die Sozialverwaltung ist die Ausgliederung bzw. eine Privatisierung von
Aufgaben an sich nichts Neues. Bislang waren kommunale Einrichtungen,
Wohlfahrtsverbände und kirchliche Einrichtungen gemeinsam für die Erbringung
sozialer Dienste zuständig. Im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips wird die
Sozialverwaltung dazu angehalten, einen Vorrang der freien Träger bei der
Erbringung sozialer Dienste zu beachten. Dies gilt sowohl für die Kinder- und
Jugendhilfe (vgl. § 4 KJHG), als auch für die Sozialhilfe. Bei ihr wird jedoch
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Subsidiaritätsprinzip die wirtschaftlichen
Hilfen nicht mit einschließt (vgl. § 10 Abs. 4 BSHG). Es gibt unterschiedliche
Formen der Privatisierung.
69
In der Abbildung 17 wird zwischen formaler, materieller und funktioneller
Privatisierung unterschieden:
Abbildung 17. Formen der Privatisierung (Quelle: Trube/Wohlfahrt 2000b, S. 44)
Die §§ 77, 78a-f KJHG bzw. die §§ 93, 93a-d BSHG beinhalten Rechtsvorschriften,
die bei der Gestaltung von Leistungsverträgen zu beachten sind. Diese Verein-
barungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung sind exem-
plarische Beispiele für die Anwendung des „Neuen Steuerungs – Denkens“ in der
sozialen Arbeit.
„Gegenüber dem traditionellen Weg der Finanzierung sozialer Dienste durch
Zuwendungen und Subventionen werden Leistungs- und Kostenvereinbarungen
zunehmend zu einem Strukturelement der Finanzierung sozialer Dienste (Kontrakt-
management)“ (Trube/Wohlfahrt, 2000b S. 44). Somit ist ein Grundstein dafür
gelegt, dass die Sozialverwaltungen ihre Aufgabenerfüllung mittels Kontrakt-
management ausgliedern (siehe Abbildung 11, funktionelle Privatisierung) und
steuern können. Kommunale Anbieter, Wohlfahrtsverbände und privat – gewerbliche
Anbieter stehen dadurch nebeneinander in einem Konkurrenzverhältnis, in dessen
Mittelpunkt die Zuteilung eines Budgets steht.
70
Nachdem sich das Kontraktmanagement im Bereich der sozialen Dienstleistungs-
erstellung in der öffentlichen Verwaltung etabliert hat, wird deutlich, dass hierdurch
die Leistungserbringung der externen Anbieter durch den Aufbau einer Art
Netzwerkorganisation rationalisiert werden soll (vgl. Dahme 2002, S. 63). Zwar gibt
es im sozialen Sektor schon länger Formen von Kooperation und Vernetzung, diese
sollen jedoch systematisch ausgebaut werden. Diese Vernetzungen nicht-öffentlicher
Anbieter werden nicht nur von der kommunalen Sozialverwaltung gewünscht,
sondern auch von der Sozialgesetzgebung akzentuiert. Hintergrund ist eine
gemeinsam zu führende Qualitätsdiskussion. Zudem sollen sich Synergieeffekte
einstellen und Überangebote abgebaut werden, letztlich sollen auch Kosten
eingespart werden.
Der Wechsel von der Input- zur Outputorientierung über das Kontraktmanagement
stellt jedoch keine Zwangsläufigkeit für einen Wettbewerb dar, dies trifft speziell auf
den Bereich der sozialen Dienstleistungen zu. Deutschland steht diesbezüglich noch
vor einem weiten Weg (vgl. Plamper 2000, S. 238).
Zwar stehen die Produkte insofern in Konkurrenz zueinander, als dass ein begrenztes
Budget auf die Einzelmaßnahmen verteilt werden muss, wodurch zwangsläufig
Prioritäten gesetzt werden und gegebenenfalls Produkte nicht oder nur vermindert
von der Politik nachgefragt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich ein Produkt
gegen ein anderes aufgrund einer besseren Preiswürdigkeit durchgesetzt hat.
Vielmehr ist die Nachfrage nach den Einzelleistungen ein Bezugspunkt der Politik
für die Verwaltung. Hierauf kann die Verwaltung keinen Einfluss nehmen und sie
darf es auch nicht. Die Politik entscheidet bekanntermaßen nach der Autorisation
durch den Bürger (durch Wahl), welche Leistungen angeboten werden sollen.
Ein Dienstleistungsanspruch der Kunden an die Sozialverwaltung, in dem alle
Leistungen realisiert werden, kann es nicht geben, da dem Kunden der
Sozialverwaltung ein wesentliches Merkmal der Bedürfnisdurchsetzung fehlt:
Gegenleistung in Form von Bezahlung (vgl. Grunow 1996b, S. 42).
71
Des Weiteren kann man nicht davon ausgehen, dass sich für jede Nachfrage – und
dies gerade bei der Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen - ein nicht-öffentlicher
Produzent findet. Die nachgefragten Leistungen sind in diesem Bereich oft sehr
spezifisch und müssen somit hohen Anforderungen genügen.
4.9.1 Bedeutung von Benchmarking
Durch die Besonderheit sozialer Dienstleistungen (vgl. Punkt 2.2) gewinnt das
Benchmarking an Bedeutung. So sollen insbesondere diejenigen Bereiche, die keinen
oder nur eingeschränkten Zugang zu externen Anbietern haben, durch den
Benchmarkingprozess erfasst werden.
Unter „Benchmarking ist eine kontinuierliche Suche nach und die Anwendung von
effizienten Praktiken“ zu verstehen (Watson 1993, S. 20). Benchmarking ist ein
Begriff aus dem Management. Es kommt dort zum Einsatz, wo Mitanbieter einer
Leistung existieren, an deren Handeln, an deren Vorgehen man die Güte des eigenen
Vorgehens ermessen und optimieren kann. Das Wort „Benchmark“ kann man mit
„Maßstab“ oder „Bezugspunkt“ für eine auszuführende Arbeit übersetzen. Der
Begriff „Benchmarking“ beinhaltet eine prozesshafte Komponente, man kann ihn mit
dem Wort „Leistungsvergleich“ übersetzen.
Im kommunalen Raum ist dieses Instrument seit Jahren als interkommunaler
Vergleich mit anderen derselben Branche bekannt; Ziel ist das „Lernen vom Besten“.
Die Bertelsmann-Stiftung hat 1990 mit dem weltweiten Wettbewerb "Demokratie
und Effizienz in der Kommunalverwaltung" in diesem Feld für Aufsehen gesorgt
(vgl. www.dhv-speyer....de, eingesehen am14.10.03).
Benchmarking hat zusätzlich den Anreiz, „dass es gewissermaßen als Marktersatz
dienen kann“, denn im öffentlichen Bereich gibt es den Markt - somit den
Wettbewerb um die Gunst des Kunden - nur in wenigen Bereichen (Rothgängel,
www.bay-gemeindetag.de..., eingesehen am 08.12.03).
72
Der Vergleich mit anderen erfolgt anhand normierter Bewertungskriterien. Die
Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein einer standardisierten Datenbasis,
um die Vergleichbarkeit der Institutionen zu ermöglichen.
Anhand des § 34 KJHG -Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform - kann man
beispielhaft verdeutlichen, wie Benchmarking angewendet werden kann. Kommunen
mit einer vergleichbaren Einwohnerzahl und Sozialstruktur können vergleichen, wie
viele Heimkinder sie jeweils in Familien vermitteln konnten. Von großer Bedeutung
ist hier die Dauerhaftigkeit der Vermittlung, d. h. der Umstand, wie viele Kinder
auch in der Familie bleiben. Gäbe es hier große Unterschiede, sollte sich die
Kommune mit der geringeren Dauerhaftigkeit bei Vermittlungen hinterfragen.
Vielleicht kann sie von der anderen Kommune geeignetere Methoden der Betreuung
von bereits vermittelten Kindern lernen. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings
beim Vergleich verschiedener Kommunen, da ihre Ausgangslagen selten
übereinstimmen.
Der Nutzen von Benchmarking erschließt sich nicht nur allein durch den
Datenvergleich:
Ein besonders wichtiger Aspekt ist der regelmäßig und kontinuierlich zu führende
Diskussions- und Austauschprozess zwischen den Teilnehmern, wo oft neue
Lösungsansätze aus anderen Kommunen in den Mittelpunkt treten.
Eine Plattform hierfür bietet das Internet. Auf der Webseite www.kommunaler-
wettbewerb.de findet man z. B. das Ergebnis eines Projekts innerhalb des deutschen
Netzwerks „Kommunen der Zukunft“. Dieses Netzwerk wurde 1998 von der Hans –
Böckler - Stiftung, der Bertelsmann – Stiftung und der KGSt ins Leben gerufen. Es
ermöglicht den Gemeinden, Städten und Kreisen Erfahrungsaustausch und
gegenseitige Unterstützung.
73
4.10 Neue Anforderungen im Berufsbild
Durch die Einführung des Neuen Steuerungsmodells mit dem Kernelement
Kontraktmanagement werden die Mitarbeiter einer Verwaltung, speziell in dem
Bereich der Sozialverwaltung, mit neuen Anforderungen konfrontiert. Sie müssen die
Bereitschaft aufbringen, den langandauernden und tiefgreifenden Wandel in der
Verwaltungsorganisation mitzutragen.
Die Übertragung von betriebswirtschaftlichen Kennziffern auf die Verwaltung, wie
es das Neue Steuerungsmodell vorsieht, erfordert zumindest ein Vorhandensein
ökonomischer Grundkenntnisse seitens der Mitarbeiter.
Durch die Dezentralisation der Fach- und Ressourcenkompetenz hat sich der Ver-
antwortungsgrad der einzelnen Mitarbeiter erhöht, was die flexibel zu gestaltende
Leistungserbringung anbelangt. Wirkungsvolles Handeln „im Sinne von Kunden-
orientierung, Effektivität und Effizienz ist nur dann herstellbar, wenn auf der Ebene
der Mitarbeiter Motivation, Mitwirkungsbereitschaft und Bewusstsein von
Verantwortung“ entwickelt werden kann (Merchel/Schrapper 1996, S. 9). Die
Mitarbeiter müssen also dazu in der Lage sein und die Motivation aufbringen, mit
dieser Verantwortung auch richtig umgehen zu können.
In diesem Sachverhalt können Kontrakte als ein Instrument der Mitarbeiterführung
dann steuernde und motivierende Wirkung entfalten, wenn über zu erreichende Ziele
in einem kooperativen Stil Vereinbarungen getroffen werden (vgl. Merchel/
Schrapper 1996, S. 9). Auf die Aspekte der Kooperation und Motivation wird im
Folgenden detaillierter eingegangen.
4.10.1 Motivation und Kooperation
Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Mitarbeiter das eigentliche
Potenzial eines (Dienstleistungs-) Unternehmens darstellen.
Voraussetzung für das Bewältigen der neuen Anforderungen - hin zu einem
modernen Dienstleistungsunternehmen - ist, dass die einzelnen Mitarbeiter zur
74
Kooperation und Innovation motiviert sind. Motivation ist der ausschlaggebende
Grund, weshalb eine Person bereit ist, eine Tätigkeit auszuüben.
Die Annahme, dass Kontrakte steuernde Funktionen übernehmen, wurde in den
vorangegangenen Kapiteln verdeutlicht. Auf die Frage, ob sie zudem auch
motivierende Auswirkungen auf die einzelnen Mitarbeiter haben, wird im Folgenden
eingegangen (siehe auch Punkt 4.6).
Von Bedeutung hierfür ist die Unterscheidung zwischen intrinsischer Motivation,
deren zugrundeliegendes Motiv in der Person selbst liegt, und extrinsischer
Motivation, deren zugrundeliegendes Motiv außerhalb der Person liegt, oder durch
fremde Personen bestimmt wird (z. B. durch Belohnung oder Bestrafung) (vgl.
Heckenhausen 1989, S. 455).
Intrinsische Motivation ist dadurch definiert, dass das Lernen oder Arbeiten aus
eigenem, innerem Antrieb und zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse geschieht.
Intrinsische Motivation ist dann vorhanden, wenn eine Aktivität für unmittelbare
Bedürfnisbefriedigung unternommen wird und die Belohnung dafür in der
Ausführung dieser Aktivität gesehen wird. Geld oder Bewunderung spielen bei einer
intrinsisch motivierten Person keine auslösende Rolle.
Bezogen auf die Mitarbeiter einer Verwaltung lässt sich festhalten, dass sich
intrinsische Motivation entwickelt, wenn der Beruf als Berufung gesehen wird, und
wenn der Mitarbeiter voll und ganz in seinem Wirken aufgeht. Anreize von außen
zur Motivationssteigerung spielen hier eine untergeordnete Rolle.
Anders verhält es sich bei extrinsischer Motivation. Hier wird ein Arbeits- oder
Lernanreiz durch die Erwartung einer nachfolgenden Belohnung ausgelöst. Dieser
von außen wirkende Anreiz kann entweder in materieller Form (z. B. Geld, Bonus)
oder immaterieller Form (z. B. Anerkennung durch Kollegen/Vorgesetzte, Zugewinn
an Verantwortung) gegeben sein.
75
Das Instrument Kontraktmanagement bietet eine Basis für Anreize in materieller
Form, jedoch lassen sich diese aus dreierlei Gründen schwer in die Tat umsetzen.
Zum einen ist der chronische Geldmangel in der öffentlichen Verwaltung
anzuführen. Hinzu kommt die Tatsache, dass bei der Mitarbeiterentlohnung in der
Verwaltung zur Zeit noch andere Faktoren (Alter, Kinderzahl) als die erbrachte
Leistung von Bedeutung für die Entlohnung sind – Beschäftigte wünschen sich zu
Recht, dass sich ihre (Mehr-) Leistungen auszahlen (vgl. KGSt-Bericht 2/2002, S.
17). Die Dienstverhältnisse der Angestellten bei öffentlichen Verwaltungen richten
sich nach dem BAT (Bundesangestelltentarifvertrag). Dieser enthält Bedingungen
zum Abschluss eines Arbeitsvertrags. Im öffentlichen Dienst achtet man auf einen
weitgehenden Gleichklang der Arbeitsbedingungen, womit ein Personalwettbewerb
zwischen den verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Dienstes vermieden
werden soll. Individuell vereinbart braucht in der Regel lediglich nur noch die
Tätigkeit zu werden, der dann in der Regel eine festgelegte Lohnebene zugeordnet ist
(vgl. Barth 1994, S. 2). Kritisiert wird das unflexible Bezahlungssystem des BAT´s.
Dem Wunsch der Mitarbeiter nach leistungsgerechter Bezahlung kann nicht
entsprochen werden. Dieser Umstand entpuppt sich auch bei der Anwerbung von
neuen Mitarbeitern (insbesondere bei Führungskräften) zum Hindernis.
Außerdem ist auf die Besonderheit sozialer Dienstleistungen zu verweisen, da der
Output nur schwer zu beobachten und/ oder zu bewerten ist (vgl. Punkt 2.2).
Deshalb ist es nicht ratsam, z. B. für eine Outputsteigerung einen Anreiz zu
versprechen.
In einem tayloristischen Modell einer Güterproduktion ist dies einfacher. Ein
erhöhter Output, z. B. durch eine erhöhte Schlagzahl, wird meist besser entlohnt (z.
B. durch einen Bonus).
Immaterielle Anreize lassen sich in der Verwaltung, speziell auch in der
Sozialverwaltung, geeigneter einsetzen. Hier gewinnt das Mitarbeitergespräch an
Bedeutung. Das Mitarbeitergespräch ist ein Instrument, dass die Kooperation der
unterschiedlichen Hierarchieebenen fördert. Es soll dazu dienen, die strategischen
und operativen Ziele einer Organisation gemeinsam mit den Beschäftigten durch
76
regelmäßigen und intensiven Austausch über wichtige Themen, zu erreichen (KGSt-
Bericht 2/2002, S. 10 ff.).
Die einzelnen Wirkungsfelder des Mitarbeitergesprächs lassen sich folgendermaßen
ordnen (vgl. KGSt-Bericht 2/2002, S. 14 ff.):
a) Ergebnissicherung
Im Rahmen von Kontrakten gibt die Verwaltung Zusagen für zu erbringende
Leistungen. Alle beteiligten Hierarchieebenen, von den Fachbereichen bis hin
zu Einzelpersonen, sollten hierbei eingebunden werden. Dies ist eine wichtige
Grundlage für gegenseitige Verlässlichkeit und Vertrauen und es wird
deutlich, wozu sich jeder Einzelne verpflichtet hat.
b) Personalführung
Durch die Vereinbarungen über die zu erbringenden Leistungen ist die
inhaltliche Seite der Führung abgedeckt. Die personenbezogene Seite
beschäftigt sich mit der Befähigung der Mitarbeiter und ihrer Motivation.
Damit Ziele erreicht werden, sollte zusammen mit gegenseitiger
Unterstützung gearbeitet werden.
c) Kulturveränderung
Bisher war die öffentliche Verwaltung von einer bürokratischen Kultur
geprägt. Das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern war durch
Hierarchie, Gehorsam und Delegation geprägt. Durch Kontraktmanagement
sollen sich die Mitarbeiter trotz hierarchischer Unterschiede auf gleicher
Augenhöhe treffen. Mitarbeiter sollen ihre Ideen und Wünsche einbringen.
Somit ist das Mitarbeitergespräch als Ausdruck und Instrument einer gewollten
Kulturveränderung hin zu einem kooperativen Stil zu betrachten, womit auf der
personenbezogenen Seite Motivation zu Verlässlichkeit, Vertrauen und Kooperation
entwickelt werden soll.
77
4.11 Betrachtung der Problemfelder im Kontraktmanagement
Die Implementierung betriebswirtschaftlicher Instrumente im Zuge der Einführung
des Neuen Steuerungsmodells wird natürlich nicht vorbehaltlos und ohne Skepsis
angenommen (vgl. Punkt 3.3.2). Dies gilt auch für das Instrument Kontrakt-
management. Es ist heute auch im Bereich sozialer Dienste nicht mehr wegzu-
denken, gleichwohl löst dieses Instrument kontroverse Auseinandersetzungen um die
Gestaltung einer effektiveren und effizienteren Leistungserstellung aus (vgl.
Boeßenecker/Trube/Wohlfahrt 2000, S. 11). An dieser Stelle werden die problem-
atischen Aspekte von Kontraktmanagement erläutert.
Eines dieser Probleme ist von rechtspolitischer Natur. Die im Kontraktmanagement
neu gewonnene Vorstellung der Steuerung ist mit der Grundidee der kommunalen
Selbstverwaltung schwer zu vereinbaren (vgl. Trube 2001, S. 179).
Die Gemeindeordnung in NRW sieht nach § 40 Abs. 1 vor, dass die Verwaltung der
Gemeinde ausschließlich durch den Willen der Bürgerschaft bestimmt wird und
somit ist auch der Rat für die Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig
(vgl. www.gkd-rsa.de…, eingesehen am 16.01.04). Zudem können die laufenden
Geschäfte auch nur dann auf den Bürgermeister oder auf die Verwaltung übertragen
werden, wenn sich der Rat eine Entscheidung von bestimmten Geschäften oder für
einen Einzelfall nicht vorbehält (vgl. § 40 Abs. 3 GO NW). Dies entspricht kaum der
Vorstellung der Nicht-Einmischung der gewählten Körperschaften - wie im
Kontraktmanagement vorgesehen ist - in den Verwaltungsvollzug (vgl. Trube 2001,
S. 179).
Durch die Einführung des Kontraktmanagements in die Sozialverwaltung wurde ein
Grundstein für Privatisierung und Ausgliederung sozialer Dienste gelegt (vgl. Punkt
4.9). In Deutschland müssen Privatisierung und Ausgliederung sozialer Dienste vor
dem Hintergrund der besonderen Bedeutung des Non-Profit-Sektors beurteilt werden
(vgl. Trube/Wohlfahrt 2000b, S. 43).
78
Das Subsidiaritätsprinzip ist für nicht–öffentliche Organisationen (z. B. Ein-
richtungen der freien Wohlfahrtspflege) eine Art Bestandsgarantie für deren
gemeinnützigen Tätigkeiten. Eine gleichzeitige Förderverpflichtung durch die
öffentliche Hand ist sozialrechtlich festgeschrieben. Eine lange Zeit spielten Über-
legungen zur Privatisierung und Ausgliederung keine wesentliche Rolle. Den sozial-
rechtlichen Änderungen der letzten Jahre ist allerdings zu entnehmen, dass ihre
Zielsetzung auf eine konsequente Deregulierung hin angelegt ist, welche den
besonderen privilegierten Status der Wohlfahrtsverbände Schritt für Schritt
einschränkt (vgl. Trube/Wohlfahrt 2000b, S. 43). Ein besonders anschauliches
Beispiel liefert der Pflegebereich, in dem nach einer Studie aus NRW, bereits die
Hälfte der Pflegebedürftigen durch privat-konzeptionelle Anbieter betreut werden.
Ein wichtiger Faktor der Privatisierung im Sozialbereich ist sicherlich der
Gesichtspunkt der Kostenersparnis. Zugleich kann man die Privatisierungsdebatte
„als Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Umdenkens in Richtung >>mehr
Eigenverantwortlichkeit – weniger Staat<< und Reduzierung der Aufgaben der
Sozialgemeinschaft hin zu Kernaufgaben begreifen“ (Trube/Wohlfahrt 2000b, S. 43).
Die Reduzierung der öffentlichen sozialen Aufgaben hin zu wenigen Kernaufgaben
hat sowohl für den Wohlfahrtssektor als auch für jeden Einzelnen in der Gesellschaft
Auswirkungen:
Die Konkurrenz um ein Budget wird zum Kennzeichen für den Wohlfahrtssektor
als Anbieter operierender Träger und Einrichtungen, die ihre Leistungen auf dem
Markt auszurichten (Kundenorientierung) und betriebswirtschaftlich zu bestimmen
haben (Produktbildung) (vgl. Trube/Wohlfahrt 2000b, S. 45). Die Vergabe von
öffentlichen Aufgaben durch das Kontraktmanagement kann dazu führen, dass
wichtige Partizipationsmöglichkeiten von nicht-öffentlichen Organisationen im Non-
Profit-Sektor in dem Bereich der sozialen Dienste gemindert werden. Organisationen
dieses Sektors „mutieren“ dann zu nachgeordneten Behörden öffentlicher
Institutionen (vgl. Trube/Wohlfahrt 2000b, S. 48).
Für den Einzelnen lassen sich die Auswirkungen beispielhaft an der zum 01.01.04
inkraftgetretenen Gesundheitsreform erkennen (Zunahme der individuellen Ver-
antwortlichkeit in vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung).
79
Bei sozialen Dienstleistungen handelt es sich um Güter mit einem mertiorischen
Charakter, die vom Staat als quasi-öffentliche Güter bereitgestellt werden (vgl. Punkt
2.3). Die Vorgehensweise, bei der sich die Allokation dieser Güter an einer
marktlichen Steuerung orientieren soll, ist sehr unvorteilhaft, „da hierdurch die
soziale Selektion verschärft wird“ und auch die Allokation dieser Güter eine
Verzerrung erfährt, die durch das Nachfragepotenzial (sprich über das Geld) bedingt
wird (Trube/Wohlfahrt 2000b, S. 46). Eine effiziente Allokation unter dem Blick-
winkel der sozialen Gerechtigkeit ist gefährdet.
Seitens der Sozialverwaltung ist es erwünscht, dass sich die Leistungserbringung der
externen Anbieter netzwerkartig gestalten soll (vgl. Punkt 4.9). Diese Vernetzungs-
variante, nicht selten als verordnet erlebt, bereitet den Fach- und Leistungskräften
nicht ganz unbegründet Unbehagen (vgl. Dahme 2002, S. 64 ff.):
Wurde doch Anfang der 80er Jahre im Wirtschaftssektor ein ähnlicher Umbau
vollzogen. Als Folge hat sich die Arbeit in diesem Bereich radikal verändert, was
sich u. a. in einem Wandel des Arbeitsethos zeigt. Es wird die Gefahr gesehen, dass
soziale Dienstleistungshersteller wie ein Zulieferernetzwerk in der Automobil-
industrie organisiert werden, in der die Verwaltung die strategische Führung des
Netzwerks übernimmt. „In den neu entstehenden sozialen Dienstleistungs-
netzwerken könnte ein bislang dominierender Ordnungsfaktor an Bedeutung
verlieren, die Profession“ (Dahme 2002, S. 67).
Durch Zielvereinbarungen und durch die Festlegung von Kennzahlen im
Kontraktmanagement wird ein zu erreichendes Ziel angestrebt, die Leistungs-
erstellung wird kontrolliert. Zielvereinbarungen bergen Gefährdungspotentiale für
eine effektive Steuerung (vgl. Wallerath 1997, S. 59). Es besteht die Gefahr einer
Vernachlässigung längerfristiger oder nur schwer messbarer Ziele zugunsten von
eher leicht zu erfüllenden Zielen. So kann schlussgefolgert werden, dass die
Leistungshersteller durch die Erreichung der erwünschten Erfolge Effizienz
nachweisen wollen, weshalb sie ihre Arbeitsschwerpunkte auf leichter zu
operationalisierbare Arbeitsfelder richten.
80
Ein weiteres Problemfeld ist in einer eventuellen Interessensverflechtung von
öffentlichen Mandatsträgern und Vertretern von nicht-öffentlichen Dienstleistungs-
herstellern zu finden. Die Arbeiterwohlfahrt steht bekanntlich einer großen
Volkspartei nahe, während die Caritas einer anderen Partei nahe steht.
Diese Verflechtung könnte einen Einfluss auf die Mittelvergabe und die Kontrolle
der entsprechenden Verwendung nehmen (vgl. Knorr/Scheppach 1999, S. 123).
Es besteht die Möglichkeit, dass sich der Mandatsträger bei der Kontraktvergabe
nicht objektiv verhält und sich aufgrund von subjektiven Gesichtspunkten für den
ihm nahestehenden Dienstleistungshersteller entscheidet.
81
5 Die praktische Umsetzung von Kontraktmanagement
5.1 Inhalte und Gestaltung von Kontrakten
Wie bereits erwähnt wurde, spricht man nicht von einer einzigen Kontraktart,
Kontrakte betreffen verschiedene Ebenen (vgl. Punkt 4.3). Übergreifend kann als
Richtlinie gelten, dass ein Vorschreiben durch eine Partei nicht erwünscht wird.
Aktuelle Gegebenheiten, aber auch zukünftige Erwartungen (Mindereinnahmen;
Veränderungen der Klientel) sollen Beachtung finden.
Der Detaillierungsgrad ist z. B. von dem Gesichtspunkt abhängig, wie groß das
Vertrauen zwischen den Kontraktpartnern ist (je mehr Vertrauen, desto geringer der
Detaillierungsgrad) und kann sich somit von Kontrakt zu Kontrakt unterscheiden.
„Das in vielen Fällen mögliche Auftraggeber-/Auftragnehmer-Verhältnis verlangt
stets eine Auseinandersetzung mit der richtigen Mischung zwischen vorheriger
Detaillierung und nachträglicher Überprüfung“ (Plamper 2000, S. 238).
Leistungsbeschreibungen/Aufgabenbeschreibungen sollten klar formuliert werden
und es sollte Klarheit über den Instrumenteneinsatz herrschen. Ziele werden nach
qualitativen (z.B. Ausbildung des Personals) und quantitativen Größen definiert (vgl.
Knorr/Scheppach 1999, S. 116 f.).
Mit der Vereinbarung von Zielen beginnt ein gestalterischer Prozess. Folgende
Fragen sind hierbei behilflich (vgl. KGSt-Bericht 3/2001, S. 19):
! Was soll für wen/für welche Zielgruppe wann erreicht werden?
! Was soll der jeweiligen Zielgruppe angeboten (oder auferlegt) werden, womit
soll die jeweilige Zielgruppe unterstützt (oder belastet) werden, um die
angestrebte Wirkung zu erreichen?
! Welche Prozessschritte sind in welcher Reihenfolge erforderlich, um die
beabsichtigte Leistung (die beabsichtigte Wirkung) zu erreichen?
82
! Wie viele Finanzmittel sind verfügbar? Und wie viele Finanzmittel sind für
die von der Politik gewünschten Leistungen erforderlich?
! Wie viel Personal mit welcher Qualifikation, welcher Einsatz von Vermögen,
welche Informationen sind erforderlich, um die Leistung zu erstellen?
Diese Leitfragen verdeutlichen, dass nicht willkürlich etwas angeboten werden soll.
Es gilt eine Wirkung (Outcome) zu erzielen. Dies soll durch die jeweiligen Produkte
(Output) ermöglicht werden, für deren Erstellung ein Budget vereinbart wird.
5.1.1 Beispiel eines Hauptkontrakts aus Bremen
Nachfolgend wird das Kontraktmanagement in der Freien Hansestadt Bremen
zwischen der Schnittstelle von Politik und Verwaltungsführung als Beispiel für einen
Hauptkontrakt dargestellt (vgl. Senator für Finanzen, Freie Hansestadt Bremen 2002
Kontraktmanagement – Arbeitshilfe).
Die folgende Grafik veranschaulicht dies:
Zwischen dem senatorischen Bereich
und der zugeordneten Dienststelle
- Kontrakt -
----------------------------------------------------------------------------------------------
Innerhalb von Organisationseinheiten
- interne Kontrakte -
Abbildung 18. Kontraktmanagement zwischen senatorischem Bereich und zugeordneter Dienststelle
(nach: Senator für Finanzen, Freie Hansestadt Bremen 2002, S. 2)
Senatorische Behörde
Zugeordnete Dienststelle
Schnittstelle Politik / Verwaltung
83
In der Freien Hansestadt Bremen wurde 1998 damit begonnen, das Verwaltungs-
management der Politik grundlegend zu verändern. Die Steuerung durch Ressourcen
wurde abgelöst. Stattdessen soll sich die Steuerung auf einzelne Leistungen/Produkte
und Wirkungen beziehen.
Die bis dato vorherrschende, zeitaufwändige Detailsteuerung der Verwaltung ist
somit durch eine ergebnisorientierte Steuerung auf Abstand ersetzt worden.
Zielvereinbarungen über Kontraktmanagement werden somit zu einem zentralen
Steuerungselement in der Freien Hansestadt Bremen. Grundlage hierfür ist ein
kooperativer Ansatz. Der Kontrakt ist eine Zielvereinbarung zwischen zwei nicht
rechtsfähigen Instanzen - und damit nicht gerichtlich einklagbar (vgl. Punkt 4.4).
Das Kontraktmanagement wird in Bremen als eine Alternative zur hierarchisch
einseitigen Weisung der senatorischen Behörde gegenüber den zugeordneten
Dienststellen gesehen. Im Jahr 2000 wurde erstmals in Bremen ein
Produktgruppenhaushalt verabschiedet, der dem Budget verbindliche Finanz-,
Personal- und Leistungsziele nach Art und Umfang zuordnet. Die Struktur des
Produktgruppenhaushalts sieht dabei vor, dass entweder ein Amt einer Produkt-
gruppe entspricht oder einem Amt mehrere Produktgruppen eindeutig zuzuordnen
sind.
Die Inhalte des Produktgruppenblatts, welches kontinuierlich weiterzuentwickelnde
Leistungsdaten enthält, sind Vorgaben für den Kontrakt. Kontraktpartner sind
Vertreter des senatorischen Bereichs und Vertreter der zu-geordneten Dienststelle.
Kontraktmanagement setzt zwischen diesen Partnern eine Verbindlichkeit und
Verlässlichkeit voraus. Gleichzeitig ist Flexibilität zur Umsteuerung und ggf. auch
zur Zielanpassung während des Kontraktzeitraums erforderlich.
Beide Kontraktpartner sind für die Einhaltung ihres Teils der Vereinbarung
verantwortlich. Trotzdem behält sich die senatorische Seite vor, bei völlig ver-
änderten Rahmenbedingungen eine Kontraktanpassung vorzunehmen. Zeichnet sich
eine Nichteinhaltung der vereinbarten Ziele seitens der Dienststellen ab (ersichtlich
im Controlling), sollten die Ursachen analysiert und Lösungswege entwickelt
werden.
84
Haben Dienststellen Minderausgaben gegenüber den Budgetvorgaben zu ver-
zeichnen, kann für den nächsten Kontraktzeitraum eine Rücklage gebildet werden.
In der Freien Hansestadt Bremen hat man sich darauf verständigt, dass Kontrakte
einen Teil “Allgemeine Regularien“ und eine Vereinbarung von Finanz-, Personal-
und Leistungszielen umfasst.2 Dieser enthält zum einen die Rahmenbedingungen,
innerhalb derer sich die Dienststelle eigenverantwortlich bewegen kann. Zum
anderen sind hier die gemeinsamen Spielregeln für das Miteinander der Kontrakt-
partner aufgeführt. Die Vereinbarung von Leistungs-, Personal- und Finanzzielen
stellt das Kernstück des Kontrakts in der Freien Hansestadt Bremen dar und wird pro
Produktgruppe abgeschlossen. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Dienststellen
und Ressorts gibt es keine einheitliche Darstellungsform. Es wird in Bremen jedoch
empfohlen, innerhalb eines Ressorts einheitliche Standards für die Kontrakt-
gestaltung vorzugeben.3
Durch die verbindliche Absprache von Leistungs- und Ressourcenzielen soll dazu
beigetragen werden, die Wirksamkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit der öffen-
tlichen Leistungen zu verbessern. Es sollen Prioritäten gesetzt werden, indem man
gemeinsam Projekte festlegt. Die im Kontrakt festgehaltenen Ziele sind das Ergebnis
eines Diskussionsprozesses. Von der Amtsleitung werden sie im Rahmen der
festgelegten Spielregeln in eigener Regie umgesetzt. Es liegt dementsprechend in der
Verantwortung des Amts, die geeigneten Maßnahmen/Leistungen zu ergreifen.
Diese sind wirtschaftlich, im Rahmen des Budgets und in der notwendigen Menge
und Qualität, zu erbringen. Die senatorische Dienststelle hat im Wesentlichen dafür
zu sorgen, dass der vereinbarte Rahmen über die Kontraktlaufzeit sichergestellt ist.
2 Der Teil “Allgemeine Regularien“ ist in der Anlage Nr.1 zu finden. 3 Als Beispiel hierfür befindet sich in der Anlage Nr.2 das ressortinterne Regelwerk zum Kontrakt-
management vom Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales.
85
5.1.2 Beispiel eines Fachbereichskontrakts aus St. Augustin
Im Folgenden wird ein Kontrakt aus der Stadt St. Augustin über die Gewährung von
Sozialhilfe als Beispiel für einen Fachbereichskontrakt vorgestellt (vgl. KGSt-
Bericht 3/2001, S. 59 ff.)
Zentraler Ansatz der Verwaltungsreform in der Stadt St. Augustin war die Bildung
von Organisationseinheiten (Fachbereichen). Diese sind mit dezentraler
! Fach-
! Personal-
! Organisations-
! und Finanzverantwortung
für die Erledigung ihrer Aufgaben ausgestattet.
Unter dem Dach der für den gesamten Neuorganisationsprozess definierten
Grundsatzziele (Verbesserung der Bürgerfreundlichkeit; Steigerung der Qualität der
Verwaltungsleistung; Verbesserung des Verhältnisses zwischen Rat und Verwaltung)
sollte durch die Einführung des Kontraktmanagements die Steuerung der
Fachbereiche durch den Verwaltungsvorstand (hier Dezernent) erfolgen.
An dieser Stelle wird auf die Anlage4 verwiesen, in welcher der Kontrakt “Ge-
währung von Sozialhilfe“, der zwischen dem Mitglied der Verwaltungsführung und
dem Leiter des Fachbereichs “Soziales und Wohnen“ vereinbart wird, einzusehen ist.
Die Inhalte des Kontrakts sollen nachfolgend erörtert werden:
Die allgemeinen Ziele im Kontrakt spiegeln die strategische Leitidee zum Umgang
mit der Sozialhilfe in St. Augustin wieder. Für den Fachbereich „Soziales und
Wohnen“ werden diese Ziele weiter konkretisiert.
4 Anlage Nr. 3
86
Bezogen auf den Kontraktzeitraum werden u. a. zu erreichende Sollgrößen benannt.
Zudem werden im Kontrakt Gegebenheiten geregelt, welche nicht unmittelbar mit
der Sozialhilfe verbunden sind:
! Anpassung der Informationsmaterialien für Leistungssuchende
! Fortführung der begonnenen Konzeptentwicklung für koordinierte
Hilfeplanung
! Ausbau der Informationsstellen
In diesem Kontraktbeispiel wird verdeutlicht, dass der Fachbereich über das “Wie“
der Leistungserstellung entscheidet, weil diesbezüglich im Kontrakt keine expliziten
Richtlinien angegeben sind. Das “Was“ der Leistungserstellung ist hingegen genau
ersichtlich. Hierdurch vollzieht sich auch die Steuerung des Fachbereichs.
Durch vierteljährliche zu erstellende Berichte wird die Zielerreichung kontrolliert
und analysiert. Über das gewährte Budget kann der Fachbereich in Finanz- und
Personalverantwortung bestimmen. Eine Öffnungsklausel sichert beide Kontrakt-
partner gegen die im Kontrakt aufgeführten Eventualitäten ab.
Bei Differenzen zwischen den Kontraktpartnern tritt eine im Kontrakt verankerte
Konfliktregulierung in Kraft.
5.2 Die Erfahrungen der Stadt Tilburg mit Kontraktmanagement
Einmal über den eigenen Tellerrand zu blicken kann in vielen Situationen dazu
beitragen, eine umfangreichere und fundiertere Sichtweise zu erlangen.
Das Neue Steuerungsmodell hat seinen Ursprung in der Stadt Tilburg (vgl. Punkt
3.1.1). Deshalb werden an dieser Stelle die Erfahrungen unserer niederländischen
Nachbarn mit Kontraktmanagement dargestellt.
87
Verglichen mit Deutschland erstrecken sich ihre Erfahrungen mit diesem Instrument
auf einen längeren Zeitraum. Dieser Umstand ermöglicht eine fundiertere
Beurteilung.
Einige Zyniker stellen die Behauptung auf, dass Kontraktmanagement in Verbindung
mit einer selbständigen Betriebsführung nichts anderes ist, als eine angemessene
Form der Haushaltsplanung innerhalb der Verwaltung (vgl. ter Bogt/van Helden
1996, S. 39). Andere sehen darin eine grundlegende Veränderung des Führungsstils.
In den Niederlanden, parallel zur deutschen Entwicklung, sind einige Probleme mit
der Messbarkeit von Leistungen (dem Output) aufgetreten, welche bekanntlich im
Kontrakt enthalten sind. Das Maß der Messbarkeit der Outputs (Grundlage für die
Bestimmung der Effizienz) kann in der Praxis variieren, und zwar abhängig von der
Art der erzeugten Produkte (vgl. ter Bogt/van Helden 1996, S. 47). Wie in Punkt
3.3.2 dargestellt wurde, trifft dies besonders auf die soziale Dienstleistungserstellung
zu.
Unabhängig hiervon haben die bisherigen Tilburger Erfahrungen viele positive
Wirkungen mit Kontraktmanagement in Zusammenhang gebracht. So werden z. B.
eine verstärkte Ergebnisorientierung innerhalb der Verwaltung, eine verstärkte
Kosten-Nutzen-Abwägung oder eine Mobilisierung des Engagements und der
individuellen Fähigkeiten von Mitarbeitern hier angeführt, weshalb gefolgert werden
kann, dass ein in angemessener Form gehandhabtes Kontraktmanagement ein
wertvolles Instrument zur Steuerung der Verwaltungsorganisation sein kann (vgl. ter
Bogt/van Helden 1996, S. 52).
Es wird davon ausgegangen, dass Kontraktmanagement eine höhere Effektivität und
Effizienz im Verwaltungshandeln bewirken kann, auch wenn das nicht eindeutig
bewiesen ist.
88
5.3 Interview zum Thema Kontraktmanagement
Um die Betrachtungen zum Thema Kontraktmanagement abzurunden, wurde
abschließend ein Interview geführt. Es soll veranschaulichen, wie die Mitarbeiter
einer Sozialverwaltung mit dem Instrument Kontraktmanagement in der Praxis
umgehen. Die wichtigsten Aspekte werden an dieser Stelle dargestellt.5
Herr Ertmer hat sich freundlicherweise zur Teilnahme an diesem Interview
bereiterklärt. Er ist Bereichsleiter der Hilfen zur Erziehung in der Stadt Herten.
Die dortige Verwaltung wurde im Jahr 1993 nach den Vorstellungen des Neuen
Steuerungsmodells reformiert. Die Verwaltung teilt sich grob in vier Ebenen ein.
An oberster Stelle steht der Verwaltungsvorstand, dem vier Fachbereichsleiter
folgen. Ihnen sind die jeweiligen Bereichsleiter und zuletzt die Sachbearbeiter
nachgeordnet. Die jeweiligen Bereiche arbeiten mit eigener Fach- und Ressourcen-
verantwortung.
Die Hilfen zur Erziehung gehören in Herten zum Fachbereich 4.20. Die Einteilung
wurde vorgenommen, weil man der Meinung war, zu viele Ämter gehabt zu haben.
Die Dienstwege innerhalb der Verwaltung sind kürzer geworden. Man wollte sich
vom typischen Hierarchiedenken lösen, in welchem überspitzt formuliert „zehn
Leute gearbeitet haben, die von 100 Leuten geleitet wurden“ (Ertmer). Diese starre
Aufteilung in wenige Ebenen (Abflachung der Hierarchie) wird in Herten von den
Mitarbeitern überwiegend positiv bewertet.
Der Fachbereich 4.20 hat bereits einige Erfahrungen mit dem Neuen Steuerungs-
modell gesammelt, so auch mit dem Instrument Kontraktmanagement. Kontrakte
werden zwischen unterschiedlichen Ebenen innerhalb der Verwaltung geschlossen.
Es gibt sie zwischen dem Verwaltungsvorstand auf der einen Seite und der
Bereichsleitung sowie Fachbereichsleitung auf der anderen Seite sowie zwischen
Fachbereichsleitung und Bereichsleitung. Zudem wurde in Herten ein externer 5 Das komplette Interview ist in der Anlage Nr. 4 zu finden.
89
Kontrakt (Vertrag) mit einer festen Verbindlichkeit geschlossen. Beteiligt waren
Verwaltungsvorstand, Fachbereichsleitung und Bereichsleitung. Sie haben mit den
ansässigen freien Trägern (Wohlfahrtsverbände) einen Rahmenvertrag geschlossen.
Aus dem Kontrakt kann man entnehmen, dass die freien Träger in einem bestimmten
Bereich tätig werden können. Des Weiteren beinhaltet der Kontrakt eine
Absichtserklärung, welche besagt, dass in Zukunft alle Leistungen des KJHG´s durch
freie Träger übernommen werden sollen. Die Sozialverwaltung übernimmt eine
steuernde Funktion.
Wie aufwändig die Erstellung eines Kontrakts ist, hängt von dem jeweiligen
Gegenstand des Kontrakts ab. In jedem Fall ist mit dem Kontraktmanagement ein
Lernprozess verbunden, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt.
Herr Ertmer erhofft sich durch die Einführung von Kontraktmanagement für seinen
Bereich mehr Sicherheit, weil er an eine Verbindlichkeit der geschlossenen
Kontrakte glaubt. Verbindlichkeiten sind nach seiner Meinung auch in der sozialen
Arbeit vorteilhaft. In seinem Bereich wird besonders Wert darauf gelegt, das
Vereinbarte zu erreichen. Herr Ertmer kann sich nicht vorstellen, dass die
übergeordnete Ebene ihrerseits nicht auch alles versucht, um ihre Verpflichtungen zu
erfüllen. Innerhalb der Verwaltung wird mit dem Kontraktmanagement ein auf
Gegenseitigkeit beruhendes Vertrauenselement betont.
Ein Bereich kann mit einem im Kontrakt festgelegtem Etat, für den dieser selbst
verantwortlich ist, kalkulieren. In Herten arbeitet man nicht mit Produktdefinitionen.
Folglich sind Produkte nicht grundlegend für eine Etatvergabe, dieser wird
sozialräumlich zur Verfügung gestellt (vgl. Punkt 3.3.1 und 4.8).
Kontrakte enthalten als Anreize aber auch Sanktionen, um effektives und effizientes
Arbeiten zu ermöglichen. Wenn ein Etat in einer Periode nicht vollkommen
verbraucht wird, darf der Bereich 4.20 als Anreiz vom verbliebenen Geld eine Quasi-
Rücklage bilden. Etwaige Verluste müssen als Sanktion durch die zukünftigen Etats
oder durch vorherige Gewinne ausgeglichen werden.
Mit der Einführung von Kontraktmanagement ist das Weisungsrecht der
übergeordneten Hierarchieebene oder des fachlichen Vorgesetzten in Herten nicht
90
außer Kraft gesetzt. Aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen stellt Herr Ertmer fest,
dass sich innerhalb der Verwaltung ein partnerschaftlicher Umgang eingestellt hat.
Einzelanweisungen gehören der Vergangenheit an. Im Kontrakt sind Zeitpunkt und
Umfang einer Berichterstattung festgelegt. Den Vorgesetzten wird damit die
Möglichkeit genommen, jederzeit Berichte anzufordern. Somit verhindern Kontrakte
eine gewisse Willkür, die in einer Verwaltung oft anzutreffen ist. Dies ermöglicht
dem Mitarbeiter eine zielgenaue Auseinandersetzung mit seinem Arbeitsfeld und
zudem erleichtert es die Arbeit.
Nach Auffassung von Herrn Ertmer sind die Risiken von Kontraktmanagement darin
zu sehen, dass gerade im sozialen Bereich nicht alles kalkuliert werden kann. Durch
Kontraktausstiegsklauseln versucht man diesen Eventualitäten entgegenzuwirken.
Soziale Notlagen sind schwer steuerbar, wobei es wichtig ist, die sozialen Notlagen
nicht nur zu verwalten. Bei der Umsetzung dieses Vorhabens ist es hilfreich, sich auf
Kontrakte einzulassen.
Die vielfältigen Möglichkeiten einer intelligenten Handhabung des Instruments
Kontraktmanagement verdeutlicht der Bereichsleiter der Hilfen zur Erziehung an
einem konkreten Projekt mit den Namen „Kindertransfair“, auf das im Folgenden
näher eingegangen werden soll:
Dieses Projekt erhielt seine Legitimität durch einen Kontrakt. Kontraktpartner waren
der Pflegekinderdienst und der Bereich 4.20 einerseits, und der Kämmerer und der
Stadtrat der Stadt Herten andererseits. Ziel des Projekts war die Vermittlung von
sieben Heimkindern. Sie stammten aus Herten und wurden im Vorfeld bestimmt und
namentlich aufgeführt. Die Kinder waren mindestens acht Jahre alt und sowohl
rechtlich als auch sozial vom Elternhaus losgelöst. Für die Vermittlung hat man eine
Zeitspanne von zwei Jahren veranschlagt, für die Operationalisierung wurde ein
Sozialarbeiter befristet eingestellt. Im ersten Jahr wurden vier Kinder vermittelt.
Bei der Entwicklung des Projekts stand sowohl das Erreichen betriebswirtschaft-
licher Ergebnisse als auch eine am Kindeswohl orientierte Projektarbeit im Vorder-
grund.
91
Man hat vorgerechnet, dass sich das Projekt finanziell selber trägt und man sogar
einen Gewinn erzielen kann. Dies soll anhand fiktiver Zahlen an dieser Stelle
verdeutlicht werden. Es wird angenommen das eine Heimunterbringung für ein Kind
100€ pro Tag kostet, wohingegen eine Unterbringung in einer Pflegefamilie nur 20€
pro Tag kostet. Wenn nach fünf Monaten dann das erste Kind vermittelt werden
sollte, spart man durch die Unterbringung jeden weiteren Tag 80€, immer gemessen
an dem Geld, dass man gezahlt hätte, wenn das Kind im Heim geblieben wäre.
Das Projekt war ein voller Erfolg. Man hat bewiesen, dass man kostengünstig
gearbeitet und sich auch noch selbst finanziert hat.
In den zwei Jahren konnten sogar neun Kinder vermittelt werden. Der neu
eingestellte Sozialarbeiter hat sich quasi selbst finanziert und zudem hat man einen
Gewinn von 50.000€ erzielen können.
Ein Inhalt des Kontrakts war, dass der Bereich Hilfen zur Erziehung 25% des
Gewinns bekommt. Hiervon wurde für alle Bezirkssozialarbeiter und alle Pflege-
dienstmitarbeiter eine Fortbildung über sozialraumbudgetiertes Arbeiten finanziert.
Die Erstellung dieses Kontrakts war sehr zeitintensiv. Während der Kontrakt-
anbahnung gab es eine lang andauernde Diskussion, in welcher kontroverse
Standpunkte aufeinander trafen. Das Projekt „Kindertransfair“ beinhaltete eine
Vorgehensweise, die man als ungewöhnlich für soziale Arbeit bezeichnen kann.
Man hat Kinder in Geld aufgerechnet und diese Tatsache bewerteten einige
Mitglieder der Sozialverwaltung als unmoralisch, sogar von Menschenhandel war die
Rede. Selbst die lokale Politik war anfangs sehr skeptisch und zurückhaltend. Von
Seiten der Projektbefürworter war Überzeugungsarbeit notwendig, in der klar
hervorzuheben war, dass es nicht um Moral oder Nicht-Moral geht. Viele der
Projektplaner können jahrelange erfolgreiche Arbeit im sozialen Bereich nachweisen.
Man wollte sich nicht vorwerfen lassen, plötzlich gegen Kinder zu sein, nur weil die
finanzielle Seite eine stärkere Gewichtung als zuvor einnimmt. Die Erstellung dieses
Kontrakts dauerte etwa 4 Monate, in denen diese Vorurteile abgebaut werden
mussten.
92
Durch das Instrument Kontraktmanagement wird die soziale Arbeit mit einem für sie
vollkommen neuen Bereich konfrontiert. Für Herrn Ertmer ist es nachvollziehbar,
dass dieses Instrument nicht sofort und vorbehaltlos angenommen wird. Schließlich
werden Selbstverständnis und Berufsethos eines Sozialarbeiters tangiert.
Herr Ertmer ist der Überzeugung, dass es sich gelohnt hat, für diesen Kontrakt zu
kämpfen. Es gab einen Folgekontrakt und inzwischen ist der Sozialarbeiter fest
eingestellt. Zudem unterstreicht Herr Ertmer, dass nie das Wohl des Kindes außer
Acht gelassen wurde. Bis auf ein Kind sind alle Kinder noch heute in ihren
Pflegefamilien bundesweit untergebracht. Der Sozialarbeiter vermittelt zwar weiter-
hin Kinder, jedoch nicht mehr in einem solch hohen Tempo. Inzwischen wird das
Hauptaugenmerk auf die Betreuung der vermittelten Kinder gerichtet.
93
6 Resümee
Der größte Teil sozialstaatlicher Leistungen wird auf kommunaler Ebene erbracht.
Die Sozialverwaltung muss mit dem Dilemma umgehen, dass sie den gestiegenen
sozialen Leistungsanforderungen mit eingegrenzten finanziellen Handlungsmöglich-
keiten begegnen muss. Durch die herkömmliche Organisation der Sozialverwaltung
konnte dieses Problem nicht adäquat aufgefangen werden. Das lange Zeit vor-
herrschende Selbstverständnis einer Förderung sozialer Leistungserbringung gehört
der Vergangenheit an. Die Effektivität und Bürgernähe der konkret erbrachten
Leistungen sind zu einem wesentlichen Legitimationsbestandteil für die Sozial-
verwaltung geworden. Defizite in Form und Inhalt der erbrachten Leistung und der
dafür eingesetzten Ressourcen werden in der Öffentlichkeit sehr kritisch
wahrgenommen. Für die Sozialverwaltung ist die Notwendigkeit der Modernisierung
unumgänglich (vgl. Punkt 3.1 und 3.3).
Das Neue Steuerungsmodell, mit seinen aus der Betriebswirtschaft kommenden
Gestaltungselementen, soll eine effiziente und bürgernahe Leistungsherstellung
unterstützen (vgl. Punkt 3.1.1 und 3.2). Soziale Arbeit kann sich einer intensiven
Auseinandersetzung mit den im Zuge des Neuen Steuerungsmodells hervor-
gebrachten Themen nicht entziehen. Um eine erweiterte Legitimitätsgrundlage zu
erlangen, darf eine Wirtschaftlichkeitsorientierung nicht gescheut werden.
Eine Adaption betriebswirtschaftlicher Instrumente darf jedoch nicht willkürlich
stattfinden, da die signifikanten Unterschiede der produzierten Güter/Dienst-
leistungen von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung ihre Berücksichtigung
finden müssen (vgl. Punkt 2.1–2.5). Probleme, die bei der Übertragung von
ökonomischen Instrumenten in die soziale Arbeit entstehen, konnten in dieser Arbeit
aufgezeigt werden (vgl. 3.3.2). Es muss unter allen Umständen der Fehler vermieden
werden, dass ein ökonomisches Denken die Inhalte sozialer Arbeit definiert.
Vielmehr muss die Chance genutzt werden, soziale Arbeit als eine produktive
Leistung darzustellen, die zur Stabilisierung des gesellschaftlichen Systems beiträgt.
Die Orientierung an Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten kann ihre
Ausgangslage im Kampf um knappe Ressourcen verbessern. Aufgrund dessen ist es
94
im Bereich der sozialen Arbeit zu begrüßen, sich ausgewählter ökonomischer
Instrumente zu bedienen. Die zu Beginn gestellte Frage, ob eine solche Übertragung
empfehlenswert ist, wird somit bejaht.
Hauptziel dieser Arbeit ist es gewesen, die Leistungsfähigkeit von Kontrakt-
management als Instrument einer effizienzorientierten Herstellung sozialer
Dienstleistungen herauszustellen. Die damit verbundenen Chancen und Ge-
fährdungspotentiale wurden aufgezeigt. Zunächst war es erforderlich den
Schwerpunkt dieser Arbeit auf die Bedeutung, den Gegenstand und die Ziele von
Kontraktmanagement als neues Steuerungsinstrument (vgl. Punkt 4.1 ff.) in den
Zusammenhang mit der Funktionsweise des Neuen Steuerungsmodells zu setzen.
Es wurde gezeigt, dass eine Bündelung von Entscheidungskompetenzen und
Verantwortung (gemeinsame Fach- und Ressourcenverantwortung) mittels Kontrakt-
management wünschenswert ist und zu einer höheren Rationalität in der
Mittelverwertung führt. Den Fachbereichen wird durch Kontraktmanagement die
Chance gegeben, Handlungsspielräume ihrer Arbeit selbstbestimmt zu gestalten und
zwar bei gleichzeitiger Sicherstellung einer zentralen Steuerung. Ein sich einzu-
stellender partnerschaftlicher Umgang zwischen den Kontraktpartnern ist hierfür die
Voraussetzung (vgl. Punkt 4.3).
Durch eine Induktion des Wettbewerbsgedanken durch Kontraktmanagement soll es
ebenfalls zu Effizienzsteigerungen kommen. Wie gezeigt werden konnte, bestehen
erhebliche Zweifel daran, ob dies auf die Sozialverwaltung zutrifft (vgl. Punkt 4.9).
Es besteht die Gefahr, dass die Konkurrenz um ein Budget zum Kennzeichen für die
im Wohlfahrtssektor operierenden Träger und Einrichtungen wird, und dass wichtige
Partizipationsmöglichkeiten der Non-Profit-Organisationen im Bereich der sozialen
Dienste gemindert werden (vgl. Punkt 4.11). Eine effiziente Aufgabenerfüllung im
sozialen Bereich ist jedoch im hohen Maße von einem kooperativen Miteinander der
öffentlichen- und nicht-öffentlichen Träger abhängig.
Kontraktmanagement fördert eine intensive Auseinandersetzung mit den zu
erbringenden Leistungen (Output), um sie bürgernah, effektiv und effizient zu ge-
95
stalten. Aufgrund der Besonderheiten der sozialen Leistungsherstellung kann jedoch
nicht alles im Voraus kalkuliert werden. Als eine konzeptionelle Alternative für die
im sozialen Bereich sehr kritisch zu betrachtende Produktdefinition wird der
Sozialraumbezug vorgestellt, in welchem der Sozialraum der Ausgangspunkt der
Steuerungsversuche im Kontraktmanagement ist (vgl. Punkt 4.8).
Vor dem Hintergrund der in der vorliegenden Arbeit aufgezeigten Zusammenhänge
ist die Einführung von Kontraktmanagement in der Sozialverwaltung zu be-
fürworten. Einerseits um eine effiziente Aufgabenerfüllung zu fördern und nach-
zuweisen, wodurch andererseits die Profession der sozialen Arbeit gestärkt wird.
Diese Erkenntnis unterstreicht auch das abschließend geführte Interview (vgl. Punkt
5.3). Es ist wichtig, dass die Praktiker der sozialen Arbeit die Einstellung erlangen,
dass es durchaus plausibel ist, sich bewährter Instrumente anderer Berufszweige zu
bedienen. Von essentieller Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Mit-
arbeiter im Bereich der sozialen Arbeit (vgl. Punkt 4.10) das Instrument Kontrakt-
management für ihre Arbeitsbedingungen passend gestalten, um somit den gezeigten
Problemlagen zu begegnen. Der Effizienzgedanke darf unter keinen Umständen eine
effektive Aufgabenerfüllung beeinträchtigen.
Die Einführung von Kontraktmanagement ist mit einem Lern- und Entwicklungs-
prozess verbunden. Dieses Instrument kann nicht bereits zu Beginn optimal
umgesetzt werden, vieles muss sich nach und nach entwickeln. Wichtig ist, dass die
Erfahrungen mit dem Instrument kritisch reflektiert werden und frühzeitig in die
Weiterentwicklung des Kontraktmanagements einfließen.
96
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103
8 Anhang Anhang 1. Muster für Allgemeine Regularien. Senator für Finanzen, Freie
Hansestadt Bremen 2002.
Anhang 2. Ressortinternes Regelwerk zum Kontraktmanagement. Senator für
Finanzen, Freie Hansestadt Bremen 2002.
Anhang 3. Kontraktbeispiel Stadt St. Augustin (KGSt- Bericht 3/2001).
Anhang 4. Interview.
104
Anhang 1. Muster für Allgemeine Regularien. (Senator für Finanzen, Freie Hansestadt Bremen, 2002 S. 40 ff.).
105
106
Anhang 2. Ressortinternes Regelwerk zum Kontraktmanagement. (Senator für Finanzen, Freie Hansestadt Bremen, 2002 S. 69 ff.).
107
108
109
110
Anhang 3. Kontraktbeispiel Stadt St. Augustin (KGSt- Bericht 3/2001, S 60 ff.).
111
112
113
114
Anlage 4. Interview
Guten Tag Herr Ertmer. Zuerst einmal möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass ich mit Ihnen dieses Interview führen darf. Würden Sie bitte kurz ihren Arbeitsbereich
vorstellen?
Ich bin der Bereichsleiter des Bereichs Hilfe zur Erziehung. Dieser Bereich ist im
KJHG ursächlich nicht vorgesehen. Das KJHG spricht immer noch vom Jugendamt.
Sie arbeiten anhand der im KJHG stehenden Paragraphen 27 ff.?
Das sind die Hilfen, die wir verordnen. Das KJHG sieht aber das Jugendamt als
Erfüller der Hilfen. Wie früher das alte Jugendwohlfahrtsgesetz in Verbindung mit
dem Jugendhilfeausschuss ist das Jugendamt gemeinsam der Erfüller des KJHG`s.
Wir haben in Herten seid 1993 eine sogenannte Verwaltungsreform. Wir haben die
Neue Steuerung eingeführt. Wir haben uns also an den Holländern orientiert
(Tilburg). Wir haben Fachbereiche gegründet. Zunächst sehr viele, dann haben wir
gemerkt, dass das nicht gut ist, dann haben wir die Fachbereiche reduziert. Jetzt
haben wir nur noch vier. Einer der Fachbereiche ist der Fachbereich 4. Das ist der
Fachbereich für Schule und Jugend. Da ist zusammengeführt, was woanders das
Schulverwaltungsamt ist. Weil wir eine kreisangehörige Stadt sind, haben wir nur
das Schulverwaltungsamt und das Schulamt, d.h. wir sind für die sächlichen Dinge
der Schule zuständig und dazu kommt das Jugendamt. Wir haben das wiederum in 3
Bereiche unterteilt. Der Bereich 4.30 ist Schule und Kindergarten, der Bereich 4.10
ist Schule und Kindergarten, 4.20 ist Jugendförderung. In diesen Bereich gehört das,
was man woanders als Jugendpflege kennt, als pädagogischer Jugendschutz, als
Jugendberufshilfe, Jugendarbeit. Also alles, was nicht Paragraph 27 ff ist. Dann
haben wir uns den Bereich Hilfe zur Erziehung mit der Bezirkssozialarbeit, die die
Hilfe nach 27 ff macht, mit dem Pflegekinderdienst (vermittelt Pflegekinder), mit der
gesetzlichen Vertretung, mit der Jugendgerichtshilfe und mit der Betreuungsstelle,
geteilt. Es gibt auch Städte, da ist die Betreuungsstelle beim Gesundheitsamt. Es gibt
115
Städte, da ist sie beim Sozialamt. Das ist denkbar. Es geht da nicht um Kinder und
Jugendliche, sondern nur um die Betreuung von Erwachsenen.
Und warum haben Sie in Herten die Fachbereiche gegründet?
Weil wir damals der Meinung waren, zu viele Ämter gehabt zu haben. Wir haben
also eine typische Verwaltung gehabt. Diese Aufteilung in Fachbereiche beinhaltet
das Neue Steuerungsmodell.
Wir wollten von der typischen Hierarchie wegkommen. An oberster Stelle steht der
Bürgermeister, darunter der Verwaltungsvorstand, darunter die Dezernenten, dann
die Amtsleiter. Darunter hatten wir dann noch die stellvertretenden Amtsleiter, die
Abteilungsleiter und auch noch Gruppenkoordinatoren gehabt. Letztendlich haben
dann unten 10 Leute gearbeitet, die von 100 Leuten geleitet wurden. Der
Bürgermeister würde das etwas anders ausdrücken.
Wir haben gesagt, dass wir stolz darauf sind, dass wir die wenigsten Ebenen haben.
Sachbearbeiter, Bereichsleiter, Fachbereichsleiter, Verwaltungsvorstand. Da sind der
Verwaltungsvorstand, weitere 4 Fachbereichsleiter (1,2,3,4) und ich glaube so
ungefähr 15 Bereichsleiter.
Einer dieser Bereichsleiter sind also Sie!?
Ich bin einer von denen. Der Rest ist arbeitende Bevölkerung. Aber wir sind ja in der
Verwaltung. Jetzt schaffen sich einige schon wieder Zwischenebenen und nennen
sich Koordinatoren. Aber ursprünglich ist es so, dass auf dieser Bereichsleiterebene
die Dienst- und Fachaufsicht angesiedelt ist, die früher der Amtsleiter hatte. Die
Außenvertretung für das Jugendamt gegenüber dem Landesjugendamt, gegenüber
dem Ministerium, die hat allerdings die Fachbereichsleitung. Ich bin ja nur ein Teil
des Jugendamts. Und der Verwaltungsvorstand hat sich diese Fachbereiche auch
aufgeteilt. Ein Mitglied im Verwaltungsvorstand ist für einen Fachbereich zuständig.
116
Man wollte damit kürzere Dienstwege innerhalb der Verwaltung erreichen?
Ja, sie sind kürzer. Ich halte sie für sinnvoll und richtig, aber es gibt auch andere
Meinungen.
Ich würde den Namen Jugendamt nicht mehr wegnehmen, weil wir immer erklären
müssen, dass wir das Jugendamt sind. Ich glaube, das ist einfach ein Name, der in
allen Köpfen drin ist. Wenn irgendwo in Bayern einem Kind was passiert, dann
schreien doch alle nach dem Jugendamt. Alle sagen, das Jugendamt muss her, auch
wenn das in Bayern nie so geheißen hat. Das ist so. So stellt sich die Situation dar.
Wir, der Fachbereich 4, halten sehr sklavisch an der eben beschriebenen Einteilung
fest. Das gefällt den Mitarbeitern nicht, die gerne auf diese Koordinatorenebene
möchten. Ich kann das verstehen. Also, wir haben 11 Bezirkssozialarbeiter, 4 im
Pflegekinderdienst. Wir haben 5 in der gesetzlichen Vertretung und da sind so große
Einheiten, das ich schon wieder Distanz dazu kriege. Da sind dann jeweils Leute, die
sagen: „Ich bin doch sowieso immer wieder Dein Ansprechpartner, dann gib mir
doch auch ne Mütze mit einem roten Schirm - Gib mir die Chance eine Stufe höher
zu kommen, gib mir die Chance auch Verantwortung mit zu übernehmen und auch
etwas sagen zu können.“ Das ist verständlich, aber es würde wieder dieses Prinzip
aushebeln. Ich denke, ich werde da irgendwann auch nachgeben und versuchen das
durchzusetzen, weil ich das verstehen kann und das auch immer die Aktivsten sind,
die das fordern. Das sind keine, die nur Karriere machen wollen, sondern das sind
die, die aktiv sind. Die, die Verantwortung übernehmen.
Auf welchen Ebenen findet bei Ihnen Kontraktmanagement statt?
Einmal zwischen Bereichsleitung und Fachbereichsleiter als eine Einheit und dem
Verwaltungsvorstand als die andere Einheit.
Zudem werden Kontrakte zwischen der Bereichsleitung und der Fachbereichsleitung
geschlossen, oder aber, das ist die unterste Ebene, zwischen Sozialarbeiter und
Bereichsleiter. Das habe ich noch nicht gemacht, aber es wäre ja auch möglich.
117
Ich habe Ihnen als Muster zwei Kontrakte mitgebracht.
Der eine wurde zwischen der Bereichsleitung (in diesem Fall bin ich das) und der
Fachbereichsleitung geschlossen. Der ist für mich am wichtigsten.
Dann habe ich noch einen weiteren Kontrakt mitgebracht, den ich aber eher Vertrag
nennen würde. Der betraf uns alle, den Bereichsleiter, den Fachbereichsleiter und
den VV (Verwaltungsvorstand). Wir haben mit den freien Träger auf der anderen
Seite einen Vertrag gemacht, und zwar darüber, dass die freien Träger eine
bestimmte Arbeit generell übernehmen.
Also eine Art Rahmenvertrag?
Ja, genau.
Also wird noch nicht speziell festgelegt, wer was machen darf. Es wird allgemein vereinbart, dass die freien Träger in einem Bereich tätig werden können?
JA.
Was war das Motiv (erhoffte Vorteile) für die Stadt Herten, Kontraktmanagement einzuführen?
Das ist natürlich unterschiedlich, aber es handelt sich immer darum, dass ich, der
Bereichsleiter Herr Ertmer, durch Kontrakte Sicherheit haben will. Würde ich das
locker sagen, hieße das, dass ich denen allen nicht trauen würde und ich alles
schriftlich haben will. So meine ich das aber nicht. Ich erkläre Ihnen das an einem
Beispiel.
Gerne!
Der Kontrakt zwischen dem Verwaltungsvorstand und der Fachbereichsleitung
/Bereichsleitung geht über sozialraumbudgetiertes Arbeiten. Man lernt immer dazu
und somit entwickelt sich dieser Kontrakt weiter.
Dieser Kontrakt besagt, dass ich sozialraumbudgetiertes Arbeiten mache, ich führe
das durch, ich beteilige die Träger mittels Kontrakt und wir bekommen dafür Geld.
118
Dieser Kontrakt beinhaltet, was ich zu leisten habe. 5 Jahre habe ich das zu tun
(Vertrag und Kontrakt 2002-2006). Dieser Kontrakt sagt mir: Du machst den Job, Du
kriegst dafür folgendes Geld, Du kriegst dafür folgende Lohnsteigerungs-
ersatzsummen pro Jahr dazu und um soviel Prozent steigt Dein Etat. Dann kommt
aber hinzu: Wenn entsprechendes passiert, zwei Punkte in dieser Stadt, dann kriegst
Du mehr Geld. Wenn das Gegenteil passiert, rückst Du Geld raus. Wenn Du
Gewinne machst, kriegst Du sie ein Jahr später ausgezahlt.
Sozusagen als Rücklage?
Ja! Wenn man Verluste macht, braucht man sie auch erst ein Jahr später zu bezahlen.
Verluste müssen durch ihren Bereich selber getragen werden?
Jetzt fragen Sie mich nicht, ob ich die persönlich tragen muss. So weit sind wir noch
nicht. Ich habe in diesem Jahr 180tausend minus gemacht und im vorigen Jahr
150tausend plus. D.h. eigentlich habe ich 30tausend minus Defizit.
Ihr ganzer Bereich hat also in zwei Jahren 30tausend minus gehabt?
Ja.
Ja, die 150tausend vom vorigen Jahr hätten sie mir eigentlich geben müssen. Die
hatten sie nicht. Da haben sie vorgeschlagen, den Kontrakt so zu machen, dass das
ein Jahr später ausgezahlt wird. Am 1.1.2004 kriege ich den Gewinn vom 31.12.2002
und am 1.1.2005 kriege ich eine Lastschrift über den Verlust am 31.12.2003.
Immer ein Jahr Zeitverzögerung. Wenn ich jetzt clever wäre, würde ich die
150tausend plus nehmen und auf die Bank legen, aber das Geld bekommen wir ja
nicht. Diese Stadt ist doch pleite.
119
Wir müssen versuchen, in diesem Jahr weitere 30tausend zu sparen, habe aber die
150tausend Mark mehr als Quasiguthaben, damit ich im nächsten Jahr ausgleichen
kann.
Aber Kontrakte geben eine Sicherheit. Sie nehmen die Willkür, über die die
Verwaltung oft verfügt.
Sie arbeiten in einer Fachverantwortung. Jetzt haben sie zusätzlich auch noch die Ressourcenverantwortung bekommen?
Die habe ich ja sowieso gehabt.
Auch schon vor dem Neuen Steuerungsmodell?
Nein, davor nicht. Erst seit dem Neuen Steuerungsmodell. Jetzt geht es mir eigentlich
besser. Ich kann immer sagen: „Her mit dem Geld.“ Der Kämmerer wird sagen: „Die
150tausend können Sie jetzt nicht kriegen. Die Stadt ist pleite. Was bilden Sie sich
ein.“ Dann werde ich sagen: „Wenn ich die nicht kriege, dann zerreißen Sie das
Ganze! Dann habe ich kein Budget mehr, dann habe ich auch keine Verantwortung
mehr.“
An dieser Stelle sprechen Sie die Verbindlichkeit von Kontrakten an?
Ja, ich glaube an diese Verbindlichkeit. Es gibt hier Leute, die glauben nicht daran,
aber ich traue dem Kämmerer, aber vor allem dem Stadtrat und dem Bürgermeister,
den ich ganz gut kenne. Außerdem tue ich viel dafür, dass mein Teil geleistet wird.
Dann erwartet man das von der anderen Seite auch? Als Vertrauensbasis?
Ja. Ich renne 1 Jahr hinter den Sozialarbeitern her, ich gucke kritisch auf jede teure
Heimunterkunft. Ich versuche, Heimunterbringungen zu reduzieren. Wir versuchen,
uns Alternativen auszudenken. Wir machen die beklopptesten Geschichten. Da
halten wir manchmal die Luft an, weil wir denken, dass es makaber ist, was wir
120
machen. Aber wir versuchen alles, da wir sehen, dass es dieser Stadt nicht gut geht.
Wir versuchen nicht mehr so zu arbeiten, was uns früher den Vorwurf einbrachte:
“Ein Sozialarbeiter guckt nicht aufs Geld.“ Das nicht zuletzt auch auf Grund des
Kontrakts, da wir uns gebunden haben.
Das ist doch auch eine große Vertrauensbasis der übergeordneten Ebene, sie mit Ressourcenverantwortung auszustatten?
Ja. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die übergeordnete Ebene nicht auch alles
unternimmt, um den Kontrakt zu erfüllen.
Es gibt bei uns auch Leute, die sagen, dass ist alles nur Papier. Das sehe ich eben
anders. Natürlich ist das nur Papier, aber ich sehe das auch so, dass es einen
verbindlichen Charakter hat, zumindest für die, die mit unterschrieben haben. Wir
haben Politik einbezogen. Ich denke, das macht auch immer eine höhere
Verbindlichkeit aus, wenn Politiker mit einbezogen sind.
Wären die Kontrakte im Ernstfall einklagbar?
Nein.
Ich versuche die Kontrakte so zu händeln, dass sie für den Bereich Hilfe zur
Erziehung vorteilhaft sind. Ich halte sie für etwas, das verhindert, dass der eine den
anderen übers Ohr haut. Ich glaube, dass es gut ist, wenn man in sozialen Bereichen
Verbindlichkeiten einsetzt.
Also, ich habe Ihnen ja einen Kontrakt mitgebracht. Kontraktpartner sind der
Pflegekinderdienst und ich einerseits, und der Kämmerer und der Stadtrat
andererseits. Das war der beste Kontrakt, den ich je gemacht habe. Wir haben uns
darauf geeinigt ein Transfair Kinderprojekt zu machen. Transfair Kinderprojekt hieß
das.
Was kann ich mir darunter vorstellen?
121
Wir haben gesagt (Pflegekinderdienst und ich), wir vermitteln 7 Kinder.
Kinder, die 8 bzw. älter sind, und die alle eine rechtliche und soziale Loslösung vom
Elternhaus haben. Das sind Fälle, wo die Eltern gesagt haben, dass sie das Kind nicht
mehr wollen, oder wo das Gericht gesagt hat, das Kind darf nicht mehr nach Hause
aufgrund von Misshandlung oder Missbrauch.
Das geschieht dann durch den §1666 BGB?
Ja, oder 1666a, der uns die Herausnahmen genehmigt (BGB). Entweder das BGB
oder Eltern, die gesagt haben, dass sie nicht mehr wollen. Das ist immer so die eine
Hälfte, und die andere Hälfte sind die sozialen Loslösungen. D. h. die Kinder leben
in Heimen. Das ist der andere Punkt. Wir haben gesagt, diese sieben Kinder über 8
Jahre vermitteln wir in zwei Jahren. Dafür wollen wir einen Sozialarbeiter haben.
Wir haben gesagt: Nach 5 Monaten vermittelt er das erste Kind, dann nach 7
Monaten, 9 Monaten, 12 Monaten usw.; 3 Kinder bis zum ersten Jahr und die
weiteren 4 im zweiten Jahr.
Und die Kinder wurden willkürlich ausgesucht?
Die waren aus Herten. Die waren namentlich aufgeführt. Wir haben uns auf
bestimmte Kinder festgelegt.
Ich denke mal, das Kinder im Alter von 8 Jahren und älter schwieriger zu vermitteln
sind?
Ja, es ist schwieriger als zum Beispiel mit 3jährigen. Aber die saßen im Heim und
wir konnten sie nicht vermitteln, weil wir nur 1 1/2 Kräfte hatten. Es waren nur 1 ½
Kräfte, die gesagt haben, sie seien hilflos, sie könnten das nicht. So, und dann haben
wir jemanden eingestellt. Wir haben angefangen Tabellen zu machen. Verdeutlichen
wir das anhand von ausgedachten Zahlen.
122
Wir haben vorgerechnet, dass ein Kind 100 Euro im Heim pro Tag kostet. Ungefähr
20 Euro kostete zu dem Zeitpunkt ein Kind in der Pflegefamilie. Nehmen wir mal an,
wir vermitteln nach 5 Monaten das erste Kind, dann kostet das 5 Monate lang 500
Euro und die restlichen Monate in diesem Jahr kostet es nur 20 Euro pro Tag. D.h.
ich spare 80 Euro pro Tag für jedes vermittelte Kind. Immer gemessen an dem Geld,
was ich gezahlt hätte, wenn das Kind im Heim geblieben wäre. Dort wären sie
geblieben, wenn man uns keinen Sozialarbeiter gegeben hätte. Sie haben uns den
Sozialarbeiter gegeben, der hat sich finanziert, wir haben 50000 Euro plus gemacht.
Durch diese eine Stelle?
Ja, durch diese Stelle. Wir haben das nachgewiesen. Wir haben 9 Kinder vermittelt in
diesen zwei Jahren und alle Kinder blieben bis zum Ende der zwei Jahre, nur ein
Kind scheiterte. Aber wenigstens haben sie zwei Jahre erreicht; um das eine tat es
uns sehr leid. Aber was wir erreicht haben, haben wir vorgerechnet: man kann mit
dieser Arbeit Geld machen. Ein Inhalt des Kontrakts war, dass wir 25 Prozent der
Gewinne bekommen. Wir, der Pflegekinderdienst und ich haben davon allen
Bezirkssozialarbeitern und allen Pflegekinderdienstmitarbeitern eine Fortbildung
über sozialraumbudgetiertes Arbeiten für 15000 Euro finanziert. Und das war der
beste Kontrakt den ich je gemacht habe.
Wann war das?
Das ist 4 Jahre her.
Gab es einen Folgekontrakt?
Ja, haben wir bekommen. Die Mitarbeiterin ist fest eingestellt. Wir haben zwei
Kontrakte gemacht. Erst für 2 Jahre und dann noch für ein weiteres Jahr. Nach den 3
Jahren haben wir gesagt, dass sie jetzt mittlerweile 11 Kinder vermittelt und damit
bewiesen hat, dass sie kostengünstig gearbeitet und sich selber auch noch finanziert
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hat. Aber jetzt muss sie dafür sorgen, dass diese 11 Kinder und ein paar andere
Kinder, die sie übernimmt, auch weiter ordentlich betreut werden. Das kann nicht
mehr in dem gleichen Tempo so weiter gehen. Sie wird weiter Kinder vermitteln,
aber sie wird auch diese betreuen müssen. Sie hat ja mit null Betreuung angefangen.
Sie hat sich nur um Vermittlung kümmern können.
Und die11 Kinder sind bis jetzt auch noch in den Pflegefamilien?
Bis auf dieses eine Kind, sind alle Kinder noch in Pflegefamilien. Sie sind
bundesweit untergebracht mit einer gigantischen Pressekampagne. Der Kontrakt hat
gesagt, wir bekommen Geld, und die Stadt hat auch noch Geld gespart. Und jetzt
geben wir unser Projekt weiter. Wir haben das verschriftlicht, und da steht drin wie
das Projekt läuft.
Ja, ist wirklich interessant.
Wie aufwendig ist die Erstellung eines Kontrakts, wie lange dauert das?
Also, das ist sehr unterschiedlich. Der Kontrakt zwischen dem Verwaltungsvorstand
und mir, also der Fachbereichsleitung und mir, der war sehr einfach. Den habe ich
aus dem Internet rausgeholt. Da habe ich Kontraktmanagement gesucht und da habe
ich mir einen rausgesucht. Ich habe da dann unsere Formen reingeschrieben. Und
dann hat einer vom Verwaltungsvorstand noch mal Änderung reingesetzt, und die
habe ich dann auch gerne akzeptiert. Also, das war relativ einfach. Der Kontrakt zum
Transfair Kinderprojekt beinhaltete viel mehr. Das ist das besondere an Kontrakten.
Also, wenn es in einem Kontrakt darum geht, dass man Geld gegen Leistung setzt,
und wo die Leistung sowieso schon vorhanden ist und das Geld vorhanden ist, dann
ist das, glaube ich, einfach. Aber bei dem Transfair Kinderprojekt, da haben wir für
Sozialarbeiter etwas ungewöhnliches getan. Wir haben Kinder in Geld ausgerechnet.
Wir mussten aber erst mal damit umgehen, dass man uns das moralisch vorwirft.
Selbst die Politik verteufelte zum Teil, was wir taten. Es ist ja unmoralisch.
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Aber es hatte ja einen großen Erfolg.
Aber erst mal war es unmoralisch. Dann musste man eine zeitlang daran arbeiten,
dass die Leute sagen, dass es nicht um Moral oder Nicht-Moral ging, sondern dass
wir die Arbeit tun wollten, dass wir gesagt haben: „glaubt uns wir machen diesen Job
seit 20 Jahren und wir machen ihn gut. Aber wir können ihn nur tun, wenn wir die
Kraft kriegen. Und wenn wir, um die Kraft zu kriegen, einen Kontrakt mit dem
Verwaltungsvorstand machen, dann machen wir den Kontrakt, weil wir überzeugt
sind, dass wir es können.“ Dann haben wir gesagt, dass sie dieses schwarz-weiß
Denken lassen sollen. Wir sind nicht plötzlich gegen Kinder, nur weil wir für Geld
sind. Dieser Kontrakt hat etwas länger gedauert. Die Erstellung des Kontrakts
dauerte ca. 3-4 Monate. Während der andere mit dem Verwaltungsvorstand eher
einfach war. Da musste man keine Vorurteile abbauen. Wissen Sie, wenn man
Vorurteile abbauen muss, dann ist das schwieriger so einen Kontrakt durchzusetzen,
vor allem wenn von Menschenhandel gesprochen wird.
Das ist ja gerade auch im sozialen Bereich so, dass irgendwelche Kennziffern festgemacht werden. Es geht dann nicht mehr um Menschen sondern um Kennziffern,
um Zielerreichungsgrade.
Ich würde sagen, dass so etwas einfach länger dauert, wenn soziale Arbeit mit einem
für sie vollkommen neuen Bereich konfrontiert wird.
Also, wenn jemand Trennungs- und Scheidungsberatung macht, dann kann der
Sozialarbeiter diese 5 Jahre machen, weil er meint es ist wichtig für diese Familie. Es
gibt Städte, die sagen, dass man für eine Trennungs- und Scheidungsberatung vier
Gespräche Zeit hat. Danach ist Schluss. Dann sind sie entweder versöhnt oder sie
gehen zu einem Anwalt oder sie kaufen sich einen Mediator ein. Aber nicht die
Stadt mit ihrer unentgeltlichen Leistung für Beratung muss dafür herhalten. Dann
haben wir gesagt: „lasst uns in diesem Bereich auch mal einen Kontrakt machen.“ Da
denken wir mal drüber nach. So etwas wird dauern, weil man an das
Selbstverständnis jedes einzelnen Sozialarbeiters geht. Ich bin der, der beurteilen
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darf, ob die Trennungs- und Scheidungsberatung noch 5 Monate braucht. Plötzlich
kommt jemand und will das in einem Kontrakt regeln, Zeitanteile für Trennungs- und
Scheidungsberatung für Menschen! Ich denke, dass man über so etwas nachdenken
kann, und dass auch manchmal in so ein Kontraktmanagement reinbringen muss,
dass es auch eine unserer Verpflichtungen ist als Jugendamt, uns möglichst schnell
von den Bürgern zu trennen. Wenn wir sie schnell wieder loslassen würden, würden
sie so vielleicht auch wieder alleine laufen lernen. Wenn wir sie so lange festhalten,
dass sie gar nicht mehr alleine laufen können, dann müssen wir ihnen wieder
Gehhilfen besorgen, dass sie wieder alleine laufen lernen.
Das klingt nachvollziehbar.
Boshaft könnte man sagen, dass ich sie bis nach unten bringe, um sie dann in aller
Ruhe wieder aufzubauen.
Ich finde es schwierig, wenn ich in solche Bereiche gehen muss, wo ich auf das
Selbstverständnis des Sozialarbeiters, Berufsethos, Berufsehre stoße. Besonders
schwer wird es, wenn es um die komplette Leistung dieses Bereichs geht.
Ist mit dem Kontraktmanagement, welches ein Verhandlungselement der unterschiedlichen Hierarchieebenen innerhalb der Verwaltung anstrebt, das
Weisungsrecht der obergeordneten Hierarchieebene oder des fachlichen Vorgesetzten, außer Kraft gesetzt?
Nein, die wird nicht aufgehoben. Was man sagen kann ist, dass man in dieser
Verwaltung, was ich bisher erlebt habe, Partner wird.
Also partnerschaftlich?
Ja, aber der Boss bleibt der Boss. Das bleibt so, und das ist auch wichtig.
Es gibt keine Einzelanweisungen mehr?
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Nein, sondern es richtet sich nach dem Kontrakt, der auch nur in dem Rahmen
controlled wird, in dem man das vereinbart hat. Wie im Kontrakt festgehalten ist, hat
alle viertel Jahre ein Bericht zu erfolgen. Auf der hierarchischen Ebene kann es doch
auch so sein, dass ein Vorgesetzter willkürlich sagt: „Morgen brauche ich meinen
Bericht wie viele Heimkinder wir haben. Übermorgen wie viel Geld im
Kinderpflegedienst ausgegeben wurde. Beim Transfairprojekt musste man nur alle 6
Monate einen Bericht abgeben. Das war unsere Pflicht, da das vereinbart war.
Das war auch im Kontrakt festgehalten?
Genau, daran wurde sich gehalten. Das reduziert auch eine Willkür von oben.
Und erleichtert auch die Arbeit?
Es ist verbindlicher. Ihre nächste Frage bezieht sich ebenfalls darauf .
Welche Verbindlichkeit haben bei Ihnen Kontrakte innerhalb der Verwaltung und Kontrakte mit nicht öffentlichen Trägern?
Der öffentliche Träger und der Trägerverbund haben zusammen natürlich bei mir
noch einen Kooperationsvertrag gemacht.
Ihre Frage war, wie verbindlich die Kontrakte sind. Wir haben sie mit Juristen der
Caritas und der Diakonie und einem Juristen von uns gemacht. Es war uns schon
wichtig, da wir alle Sozialarbeiter sind, die da arbeiten und es sich hierbei um ein
Vertragswerk handelt. Ich glaube, wir hätten diesen Vertrag wesentlich lockerer
gestaltet, nach dem Motto: wir mögen uns, wir verstehen uns seit 10 Jahren, warum
sollen wir einen richtigen Vertrag machen? Lasst uns eine Seite schreiben. Die
Juristen haben aber gesagt, wenn morgen der Herr Ertmer vom Baum Feld, die C.
Müller gegen einen Baum fährt und der dritte einen Herzinfarkt kriegt, dann werden
drei andere Menschen an diese Stelle gesetzt. Vielleicht stellen die Träger drei neue
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Leute ein, die sich gar nicht kennen. Dann geht es nicht mehr darum, dass diese sich
kennen, schätzen und mögen, sondern dann braucht man ein Werk, welches alle
Eventualitäten ausschließt oder einschließt und alles regelt. Dieses Werk ist zu 100%
verbindlich.
Sind dafür feste Finanzrahmen bestimmt?
Alles. Da steht gegen den Willen des Kämmerers das Geld drin. Er wollte das nicht.
Er wollte das lockerer haben. Da steht, welche Gruppen über welche Entscheidungen
verfügen, dass es eine Steuergruppe, eine Projektlenkungsgruppe, eine
Koordinationsplanungs- und Lenkungsgruppe gibt, und dass es einen Stadtteil- und
einen Megastadtteildienst gibt. Da steht drin, dass wir uns aufgrund des KJHG und
unserer Satzungen bewegen, dass wir einen Kooperationsvertrag haben, dass wir
einen Kontrakt haben, dass sie, die nicht öffentlichen Träger, die Hilfe von 27- 32
machen, und dass wir die stationären Hilfen weiter machen. Es steht ebenfalls drin,
dass wir beabsichtigen, dass sie irgendwann die 33-41f auch noch bekommen, aber
dass dies eine beidseitige Absichtserklärung ist, und dass wir uns jetzt auf die
ambulanten Hilfen beschränken, dass davon ausgenommen folgende Hilfen der
17,18, 19,20, 21 sind, und dass wir die rausnehmen und selber finanzieren.
In Zukunft ist geplant, dass alle Leistungen durch freie Träger übernommen werden.
Hat das Jugendamt dann eine steuernde Funktion?
Ja, Case-Management. Jeder Fall, der kommt, landet bei uns.
Wir sind diejenigen, die sich den Fall ansehen, um ihn dann relativ zügig an den
Trägerverbund weiter zu geben.
Der sich dann netzwerkartig zu gestalten hat?
Ja, der aber mit uns zusammen stadtteilmäßig organisiert ist. In dem Stadtteilteam
sitzen der Trägerverbund und wir zu gleichen Anteilen und dann versucht man in
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seinem Stadtteil, das ist ja das besondere daran, Hilfen zu finden, die
lebensumfeldorientiert, stadtteilorientiert, niederschwellig, nachhaltig sind. Das ist
das, was wir versuchen. Das alles ist im Kontrakt dezidiert festgehalten. Es gab
Leute, die gesagt haben, dass er weggeschmissen werden soll, weil er viel zu
dezidiert ist. Wir haben das von vielen anderen Städten, die das auch machen,
übernommen und ihn auf unsere Verhältnisse zugeschnitten. Wir finden ihn
mittlerweile ganz gut. Er holpert zwar noch immer, und wir müssen lernen, dass wir
immer Dinge umbauen werden. Aber das ist ja üblich.
Das ist also ein Prozess?
Letztlich sind das Bedingungen, wie ein Kontrakt aufgebaut werden soll.
Ich mache diese Verhandlungen über Entgelder mit den öffentlichen Trägern (§§ 78).
Wir haben drei örtliche Träger. Ich ziehe das Landesjugendamt als Berater heran. 2
Jahre, vom 31.12.01 bis zum 30.06.03, hatten wir eine rahmenvertragslose Zeit in
NRW.
Kontraktmanagement heißt, dass man sich umhört, was die anderen Städte machen.
Welche Anreizstrukturen und Sanktionierungsmöglichkeiten sind im Kontrakt
eingebaut?
Das beste Beispiel dafür ist das Transfair Kinderprojekt. Also,
Sanktionierungsmöglichkeiten bei diesem Projekt wären z. B. gewesen, dass wir die
Stelle nicht weiter bewilligt bekommen hätten, wenn wir die Vorgaben nicht
eingehalten, die Kinder nicht vermittelt hätten. Wir haben natürlich versucht, sie
möglichst schnell und nachhaltig zu vermitteln. Über die Nachhaltigkeit der
Vermittlung haben wir auch Bericht erstattet, da uns das selber sehr wichtig war.
Was meinen Sie genau mit Nachhaltigkeit?
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Mit Nachhaltigkeit meine ich, dass die Kinder immer noch in ihren Familien sind
und noch nicht gescheitert sind. Zielvorgabe war bei uns die Vermittlung der Kinder
und ihr Verbleib in der Pflegefamilie. Sonst könnte man ja soviel wie möglich
vermitteln und sich für den Verbleib danach nicht interessieren. Dauerhaftigkeit wäre
hier vielleicht das bessere Wort.
Als Anreiz haben wir Geld bekommen und als Sanktionierung keine weitere
Beschäftigung der Mitarbeiter.
Als Anreiz haben Sie Geld bekommen?
Wir haben Geld bekommen, wenn wir gut gearbeitet haben. Geld für die Fortbildung
und Geld für die Mitarbeiter. Geld gegen Leistung!
Aber ist das nicht auch ungewöhnlich in Zeiten knapper Kassen?
Nein, die Stadt hat ja gespart. Eigentlich ist das typisch für knappe Kassen. Nur bei
knappen Kassen spart man. Als wir vor 20 Jahren noch Geld hatten, hätten wir so
lange geschrieen, dass wir noch zusätzlich einen Sozialarbeiter brauchen, bis die ihn
uns bestimmt irgendwann gegeben hätten. Vor 20 Jahren hätte ich nicht die
Unterstützung gehabt, für so ein Projekt. Ich wäre auch “zurückgetreten worden“. Es
war schon immer makaber, wenn ich gesagt habe, lasst uns die Idee ausbauen, wir
sparen Geld. Deshalb ist es wichtig, das Wohl des Kindes immer zu unterstreichen.
Hier ein Beispiel: Wir versuchen zu sparen, aber nicht nach dem Motto “Koste es,
was es wolle“.
Wenn ein Sozialarbeiter 100 Euro ausgibt, um durch eine weite Fahrt zu verhindern,
dass ein Kind dort in ein Kinderheim kommt, dann lass ich den für 100 Euro fahren
und dann lass ich den auch übernachten. Das ist mir völlig egal. Wenn das Kind in
ein Heim kommt, dann verliere ich pro Tag 80Euro, ausgehend von unseren fiktiven
Zahlen. Wenn ich ihn unterstütze, dass er die Familie stabilisiert, dass sie ihr Kind
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tragen können, wenn das alles gut geht, dann habe ich als Stadt etwas gewonnen.
Also lass ich denen doch die fachliche Freiheit, vernünftig damit umzugehen und
vertraue darauf, dass sie kein Schindluder mit dem Geld treiben, und das tut in diesen
Zeiten keiner mehr.
Was sind die Risiken von Kontraktmanagement?
Die Risiken von Kontraktmanagement werden hier so gesehen, dass es nicht
kalkulierbar ist, auf was ich mich einlasse, dass man sich im sozialen Bereich nicht
festlegen kann, dass soziale Notlagen nicht steuerbar sind. Zum Glück gibt es aber
auch Kontraktausstiegsklauseln oder Öffnungsklauseln. Die machen es einem also
nicht ganz so schwer. Ich glaube, dass die Risiken für mich im Bereich
Hilfesetzungen kalkulierbar sind, und dass man lernen muss damit umzugehen, dass
man uns nur begrenzte Mittel zur Verfügung stellt. Ich glaube nicht, dass solange ich
noch arbeite (ca. 7 Jahre) wir die Möglichkeit haben zu sagen, jetzt machen wir mal
ein richtig tolles Projekt, powern da Geld rein. Ich glaube, dass wir aufpassen
müssen, dass wir soziale Notlagen nicht nur verwalten, sondern dass wir sie auch
versuchen mit geringen Mitteln zu verhindern. Das geht aber nur, wenn wir uns
selber Ressourcen schaffen. Ich glaube aber, wir können uns Ressourcen nur selber
schaffen, wenn wir uns auf Kontrakte und Budgets einlassen. Wenn wir das nicht
tun, dann wird man uns nicht trauen, uns kein zusätzliches Geld zur Verfügung
stellen. Aber wenn wir ein Budget haben, und wenn wir versuchen über dem Budget
uns Freiheiten zu erarbeiten, in dem wir bei der einen Familie etwas länger aushalten
und bei der anderen ein wenig schneller sind, aber auch frühzeitiger kostengünstiger
arbeiten, dann können wir uns Ressourcen schaffen, die man uns auch lässt. Ich habe
es in der Stadt noch nicht erlebt, dass man uns Ressourcen, die wir uns zu recht
besorgt haben, genommen hat. Es gibt Tendenzen zur Kameralistik in anderen
Fachbereichen, aber nicht im Bereich Hilfe zur Erziehung.
Weicht Ihr Kontraktmanagement von der KGSt-Empfehlung ab?
131
Ich weiß nicht ob wir abweichen, aber wir weichen ja eigentlich immer von der
Norm ab. KGSt ist ein schwieriges Thema. Es geht ihr irgendwo um
Idealvorstellungen. Ich sehe Unterschiede bei den Kennzahlen. Kennzahlen sind im
sozialen Raum mit Vorsicht zu genießen.
Ist es Ihnen bekannt, ob Kontraktmanagement in anderen Kommunen flächen-deckend verbreitet ist?
Ich weiß, dass es in Recklinghausen existiert, bei der Stadt Gladbeck bin ich mir
nicht sicher. Da haben wir uns noch nicht ausgetauscht.
Ist Kontraktmanagement auf einige (ausgewählte) Dezernate verbreitet?
Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob andere Kontraktmanagement... Ich habe keine
Ahnung. Ich weiß nur, dass es 2-3 Kontrakt im Fachbereich 1, der Kultur gibt. Er hat
Kontrakte im Bereich Hausmanagement, d.h. wenn die Häuser vermietet werden
oder an Vereine abgegeben werden müssen.
Kontraktmanagement ist ein Element des Neuen Steuerungsmodells für Kommunal-
verwaltung. Welche Elemente haben Sie des weiteren in Herten? Controlling haben
Sie ja auch schon angesprochen.
Ja, bei Controlling ist es immer nur so schwierig, weil es mit Kontrolle verwechselt
wird und manchmal auch nichts anderes ist. Bei Controlling wäre es für meinen
Bereich wichtig, dass es ein Mensch machen würde, der nicht wie auch ich Leiter ist,
der also nicht die Vorgesetztenfunktion hätte, sondern auf der kollegialen Ebene
angesiedelt wäre. Ich hätte gerne einen Jugendhilfeplaner. Also einen Menschen, der
für Jugendhilfe zuständig wäre. Ich muss Hilfeplancontrolling nachhalten, das ist ein
Manko. Alle Hilfepläne werden bei uns in einem bestimmten Rhythmus
fortgeschrieben. Die Fortschreibung ist in einem Richtlinienpapier festgehalten,
schriftlich fixiert. Die wirtschaftliche Jugendhilfe und ich controllen, ob das wirklich
so ist.
132
Wir haben zudem eine Art Finanzcontrolling. Wir schreiben alle 2-3 Monate
Finanzberichte, die dem Verwaltungsvorstand vorgelegt werden. Ich habe für
Heimerziehung 1,5 Millionen Euro und ich erkläre alle 2-3 Monate schriftlich, wie
viel davon abfließt, wie viel davon überbleibt, oder ob ich noch mehr brauche als ich
bis jetzt gedacht habe. Im Sommer diesen Jahres habe ich Hilfe geschrieen. Da hatte
ich eine Perspektive von 300000 Euro minus. Da habe ich innerhalb von 2 Monaten
22 Kinder in Heime überwiesen. Wir haben nur 45 Kinder, d.h. ich habe die Hälfte
dazu bekommen. Das war eine extreme Situation für die Stadt. Das hat sich dann
entspannt. Wir haben alternative Modelle gefunden. “Netter Weise“ sind 2 Eltern
mit 6 Kindern weggezogen, so dass dadurch Entspannung kam.
Durch Controlling weiß ich schon im März wie viele Schulden ich am Jahresende
haben werde. Wenn die ersten Monate schon schwer waren und viele Kinder
vermittelt werden mussten, weiß ich, dass mir die Mittel davon laufen.
Ich rufe nicht zum Ende des Jahres Hilfe, so wie es andere Sozialarbeiter machen.
Ich kann schon im März die Situation überblicken. Letztes Jahr wusste ich im
September, dass ich finanziell keine Probleme bekomme. Natürlich nur, wenn keine
Extremsituationen wie eben beschrieben auftreten.
Sagt Ihnen die Produktdefinition etwas?
Das Produktinformationssystem wird hier nicht ernst genommen.
Sie vollziehen ja hier eine Budgetierung im Sozialraum. Kann man den sozialen Raum als Alternative nehmen zur Produktdefinition?
Letztlich ist mir beides aufgezwungen worden, sowohl die sozialraumbudgetierte
Arbeit vom Bürgermeister als auch die Produktinformation vom Innenministerium.
Wir haben das mitgemacht, weil es ja auch immer ganz sinnvoll ist, da man da gut
beteiligt ist, es einen nicht überrollt, und weil es spannend ist. Ich stelle aber fest,
dass wir auch ohne sozialraumbudgetiertes Arbeiten und ohne Produkte viele Jahre
hier eine vernünftige Arbeit gemacht haben. Wir haben in sehr intensivem Maße mit
den Trägern zusammengearbeitet. Wir haben skurile Geschichten gemacht. Wir
133
haben das KJHG so gewendet, gedreht und ausgequetscht, wie es uns gepasst hat.
Wir haben den Etat, als das in NRW noch verboten war, so flüssig gemacht, um eine
gegenseitige Deckungsfähigkeit zu erhalten. Wenn ich für das Heim noch Geld zur
Verfügung hatte, aber in der Pflege nicht mehr, haben wir die Finanzen ausgeglichen.
Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir das Budget jetzt erst mal sozialräumlich
bekommen. Es ist besser, als wenn es sich an Produkten ableitet. Geld an Produkten
abzuleiten, könnte den Vorwurf von Professor Hinte berechtigen, dass man je mehr
Hilfe man hat um so mehr Geld bekommt. Das wäre echt makaber.
Es gibt noch drei Städte, die ebenfalls sozialraumbudgetiertes Arbeiten begonnen
haben.
Ich gehe in 3- 4 Städte, und versuche mich mit denen auszutauschen. Sie sagen, dass
sie sozialraumbudgetiert arbeiten. Ich frage nach der Zusammenarbeit mit den
Schulen und möchte wissen, ob sie diese auch regelmäßig besuchen. Darauf wird
einem gesagt, dass man mit den Lehrern nicht zurecht kommt. Ich führe ihnen vor
Augen, dass sie sozialraumbudgetiert arbeiten, aber ihr Sozialraumsozialarbeiter für
den Sozialraum Grafenwalde nicht mal an seiner Grundschule ist.
Da fängt doch dann auch die Prävention an?
Seid 2 Jahren ist jeder Sozialarbeiter, der hier im ASD arbeitet sowie jeder
Jugendgerichtshelfer, mit mir eingeschlossen. Die sind alle an einer Schule. 1-2 mal
wöchentlich sind sie dort, um Sprechstunden anzubieten. Der Sozialraum beginnt
doch mit Schule. Grundschulen sind sozialräumlich angelegt, gehen vom Leben-
sumfeld ihrer Kinder aus. Wenn ich das ignoriere, weil ich es mit Lehrern nicht gut
kann, dann habe ich den Job nicht richtig gemacht.
Noch etwas: man muss auch lernen, sich auf Vereine einzulassen, abends bei den
Vereinen vorbeizugehen, wenn die ein Straßenfest machen.
Vielen Dank für das Interview