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Kriminologie Kriminalprävention
(4. Veranstaltung, HS 1.3.2)
Prof. Dr. Michael Jasch
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Übersicht / Inhalt
1. Was ist Kriminalprävention? - Stufen, Zielebenen, rechtlicher Rahmen, Aufgabe der Polizei -
2. Verhältnis zur Sozial- und Jugendarbeit
3. Kommunale Kriminalprävention
4. Evaluation von Prävention: Notwendig, aber schwierig!
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1. Was ist Kriminalprävention ?
• = Gesamtheit der vorbeugenden Maßnahmen,um die Begehung zukünftiger Straftaten zu verhindern.
• Umstritten: Auch Minderung der Kriminalitätsfurcht ?
Vgl.: 2. Periodischer Sicherheitsbericht, S. 665:
„Kriminalprävention muss sich auch den Bedingungen widmen, die
Kriminalitätsfurcht erzeugen, auch wenn direkte Zusammenhänge
mit der objektiven Kriminalitätslage eher selten gegeben sind.“
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Kritik an der allgemeinen „Präventions-Euphorie“
• „Prävention“ ist völlig grenzenlos!
Folge: Grenzenlose Kontrolle und Intervention.
• Alles kann irgendwie „Prävention“ sein! Mittel, Ziele und Grenzen sind unbestimmt, von „Moden“ und „moral panic“ abhängig.
• Lesetipps dazu:
- P.A. Albrecht, P.-A.: Kriminologie, 4.Aufl., § 6 B.
- Huster; S.; Rudolph, K: Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, Frankfurt a.M. 2008.
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Rechtlicher Rahmen
1. § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW – Aufgaben der Polizei
„Sie hat im Rahmen dieser Aufgabe Straftaten zu verhüten
sowie vorbeugend zu bekämpfen (...)“
Straftaten zu verhüten = Kernaufgabe der Polizei.
2. PDV 100, Ziff. 2.1.1.16
Der Polizei obliegen im Rahmen der Prävention
insbesondere die polizeiliche Kriminalprävention
und die Verkehrsunfallprävention.
Sie sind Aufgabe jedes Polizeibeamten.
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Das Problem der Polizei mit Prävention
Aus: Schwind, H.-D.: Kriminologie, § 18 - 2.:
„Daß die Prävention bei der Polizei in geringem Ansehen
steht, hat nach Steffen damit zu tun, daß sie sich `für die
Dienststelle im Hinblick auf Personalzuweisung nicht lohnt.`
Denn `Prävention hat keine Tagebuch-Nummer`; präventive
Tätigkeiten werden in der Regel nicht erfasst und gezählt“.
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Stufen der KriminalpräventionNov-18
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Ergänzung der Stufen um das Mittel: Situative und technische Prävention
„Situational Crime Prevention“ = Vermeidung von Tatgelegenheiten,meist mit technischen Mitteln
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Primär Sekundär Tertiär
Täter Allgemeinheit
(Generalprävention = Abschreckung der Allgemeinheit)
DefinierteRisikogruppen
Verurteilte Straftäter (Resozialisierung)
Situativ + Technisch
(„Situational Crime Prevention“)
Öffentlicher Raum
(Vermeidung von Tatgelegenheiten)
Spezielle Risikogelegen-heiten /-räume
(z.B.: Beratung Einbruchsschutz)
„Hot Spots“ von Kriminalität (undFurcht)
(z.B.: Gezielte
Polizeipräsenz)
Opfer Allgemeines Opfer-Risiko
Spezielle Risikogruppen (z.B.: Senioren, Jugend+Drogen)
Betreuung tatsächlicher Opfer
Stufen und Zielebenen der KriminalpräventionNov-18
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Aufgabe:
Arbeiten Sie anhand des Runderlasses (IM) „Polizeiliche
Kriminalprävention“ NRW heraus:
1) Wo sollen laut Erlass die thematisch-inhaltlichen Schwerpunkte der
Präventionsarbeit in NRW liegen ?
2) Bewerten Sie für die einzelnen Schwerpunkte: Sieht der Erlass für diese
Präventions-Themen eher
- täter- oder opferbezogene Prävention oder
- situative/technische Prävention
als polizeiliche Mittel vor?
- Runderlass „Polizeiliche Kriminalprävention“:
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=2&ugl_nr=2051
&bes_id=9724&val=9724&ver=7&sg=&aufgehoben=J&menu=1
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2. Verhältnis zur Sozial- und Jugendarbeit„Eine gute Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik“ Franz von Liszt (1851-1919)
• Spannungsverhältnis:
Polizei Sozialarbeit
Legalitätsprinzip Vertrauen
Ziel: Legalbewährung Ziel: Stabilisierung & Förderung der Person
Ausbildung: Strafverfolgung
Ausbildung: Soziale & psychol. Unterstützung
Lesetipp: - Pütter: Im Souterrain der Polizei? : Wandlungen im Verhältnis Polizei –Sozialarbeit: http://www.cilip.de/2015/06/12/108-juni-2015-sozialarbeit-und-polizei/ .- Jasch: Austausch statt Kooperation!, Deutsches Polizeiblatt (DPolBl) 2018, Heft 3, S. 1-2.
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Aus: Runderlaß des Innenministeriums NRW v. 28. 9. 2006: „Polizeiliche Kriminalprävention“
6.1.6 Maßnahmen und Projekte mit pädagogischer Zielrichtung, die normangepasstes Verhalten als Teil des Sozialisationsprozesses unterstützen, erfordern primär pädagogische Kompetenz. Die Polizei führt daher zu kriminalpräventiven Zwecken eigenständig keine erlebnispädagogisch orientierten Projekte, Rollenspiele, Theateraufführungen oder Selbstbehauptungs- und Anti-Aggressions-Trainings mit praktischen Übungsanteilen durch. (..)
Soweit im Rahmen der Verkehrssicherheitsarbeit die Puppenbühne eingesetzt wird, können kriminalpräventive Inhalte kindgerecht in die Handlung integriert werden.
Verhältnis Polizei / SozialarbeitNov-18
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Aus: Runderlaß des Innenministeriums NRW v. 28. 9. 2006: „Polizeiliche Kriminalprävention“
6.1.7Polizeibeamte treten den Zielgruppen gegenüber immer in ihrer polizeilichen Funktion auf. Nicht polizeitypische persönliche Fertigkeiten und Dispositionen dürfen diese Rolle nicht überlagern oder die Grenze zur Sozialarbeit verwischen.
Verhältnis Polizei / SozialarbeitNov-18
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Anwendungsfall: „Häuser des Jugendrechts“Verhältnis Polizei / SozialarbeitNov-18
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3. Kommunale Kriminalprävention
• Grundideen:1. Die meisten Straftaten haben ihren Ursprung in der eigenen Stadt
(z.B.: Täter-Opfer-Beziehung; Tatgelegenheiten)
2. „Kriminalität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“
• Konsequenzen:1. Lokaler Ansatz ! Identifikation und gezielte Lösung lokaler
Kriminalitätsprobleme
2. Überinstitutionelle und interdisziplinäre Arbeit, Kooperation
(„Die Leute an einen Tisch bringen“)
• Vorbild: „Community Prevention“ + „Community Policing“ in USA und England.
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Leitfaden Kommunale Kriminalprävention und Übersicht von Projekten in NRW (Hrsg.: Landespräventionsrat NRW):
http://www.lpr.nrw.de/infos/Dokumentensammlung/Kriminalpraevention/kommunale_kriminalprae
vention.pdf
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• Praxis der Kommunalen Kriminalprävention:- Gründung Kommunaler Präventionsräte mit Arbeitskreisen.- Erstellung „Kriminologischer Regionalanalysen“: Untersuchung von Straftaten und Furcht auf Stadtteilebene.- Versuche: Ämter, Polizei, Vereine, Bürger zu vernetzen.- Organisation und Koordination kriminalpräventiver Aktivitäten (vom Kinderfest über Info-Stände bis zur Lenkung von Polizeistreifen und –maßnahmen).
• Beispiele für landesweite Projekte in NRW: - „Kurve kriegen“ (Jugendkriminalität)- „Klarkommen“ (speziell: Jugendliche Zuwanderer)- Prävention von Cybergewalt: https://www.duesseldorf.de/lps.html . - „Wegweiser“ (speziell: Verhinderung salafistischer Radikalisierung)- „Aussteigerprogramm Rechtsextremismus“=> Mehr Info: http://www.lpr.nrw.de/infos/PraeventionsarbeitNRW/index.php
Kommunale KriminalpräventionNov-18
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• Kritik der Kommunalen Kriminalprävention:
- Viel Symbolik, wenig reale Veränderung! Kann die Gemeinde überhaupt etwas an Kriminalitätsursachen verändern?
- Konzeptions- und Planlosigkeit in den Präventionsräten.
- Wer ist die “Kommune“ – wer entscheidet, was ein Problem ist? Nur die „üblichen Verdächtigen“ geraten wieder in den Blick (Jugendliche, “Problemfamilien“).
Lesetipps zur Kritik:• Jasch, M. (2003): Kommunale Kriminalprävention in der Krise. Monatsschrift
für Kriminologie und Strafrechtsreform, S. 411.• Berner / Groenemeyer (2000): „denn sie wissen nicht, was sie tun“ –
Institutionalisierung komm. Krimininalprävention (...):http://www.soziale-probleme.de/2000/04_Berner-Groenemeyer_-
_Die_Institutionalisierung_kommunaler_Kriminalpravention_2000-1-2.pdf
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3. Evaluation: Notwendig, aber schwierig
• „Everything works“ ist heute nicht mehr vertretbar; Geld und Arbeitszeit müssen zielgerichtet verwendet werden. Nur erfolgreichePräventionsarbeit soll initiiert und unterstützt werden !
• Schwer messbar: Wirkungsevaluation (Begeht der X gerade wegen des Projektes Y keine Straftat mehr?)
• Alternative: Prozessevaluation (Hat sich der Prozess zwischen Ämtern verbessert? Werden Zielgruppen erreicht).
• Zusammenfassung von Begleitstudien kriminalpräventiver Projekte im Düsseldorfer Gutachten: https://www.duesseldorf.de/kpr/gutachten.html
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