Krisenintervention
Überblick und stabilisierende Interventionen
Dr. J. Beushausen
2J. Beushausen
Inhalt:
• Definitionen von Krisen und Übersicht• Zur Praxis der Krisenintervention
– Exkurs: Säulen der Identität– Exkurs: Was wirkt?
• Krisenformen (Aggressiver Raptus, Regressive Dekompensation, Suizidalität, Trauma)
• Der Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit• Übungen zur Stabilisierung• Literatur• Exkurs: Krisen der Helfer – Anmerkungen zur
Psychohygiene
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Definitionen von Krisen• Duden: „gr.: krisis, lat.: crisis, Entscheidung, entscheidende Wendung, als
Terminus der medizinischen Fachsprache zur Bezeichnung des Höhe- und Wendepunktes einer Krankheit….. , ab 18. Jh. Gebrauch des Wortes im Sinne einer entscheidenden, schwierigen Situation.
• G. Caplan: „Krise ist eine Periode des Ungleichgewichts, die von psychischem und physischem Unbehagen begleitet sowie von begrenzter Dauer ist, und die zeitweilig die Fähigkeit der Person, kompetent zu bewältigen oder die Sache in den Griff zu bekommen, stark strapaziert.“
• E. Kahn: „Krisen sind plötzliche Erlebnisse oder Ereignisse, die von der Person nicht verarbeitet werden können, und welche die Kontinuität des Erlebens unterbrechen und die Gefahr einer bevorstehenden Katastrophe enthalten.“
• Ulich u. a.: „Krise ist ein belastender, temporärer, in seinem Verlauf und seinen Folgen „offener“ Veränderungsprozess der Person, der gekennzeichnet ist durch Unterbrechung der Kontinuität des Erlebens und Handelns, durch eine partielle Desintegration im emotionalen Bereich mit dem zentralen Merkmal des Selbstzweifels.“
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Vier Aspekte der Krise (nach Callberg 1978)• das auslösende Ereignis• die psychologische Bedeutung• der Verlauf der Krise• der soziale Kontakt in der Krise
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Merkmale einer Krise:
• A) Die emotionale Labilisierung eines Systems
– Schleichende Entwicklung (z.B. Misshandlung)– Plötzlich (Mutter verlässt das Haus)
• B) eine kognitive Desorientierung• C) im Kontext einer existenziellen
Bedrohung
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Traumatische Krise (nach Caplan 1964)
• Schock•
Chronifizierung•• Krankheit• Reaktion•
Suchtverhalten• Suizidales Verhalten• Bearbeitung•
Neuorientierung
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Sechs Schritte der Krisenintervention (nach Caplan)
• Den Krisenanlass verstehen• Eine gemeinsame Krisendefinition erarbeiten• Gefühle ausdrücken bzw. entlasten• Gewohnte Bewältigungsstrategien
reaktivieren, Konfrontation mit der Realität• Nach neuen Lösungen suchen• Abschließender Rückblick und Bilanz.
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Akute Gefahr – was tun? (nach Huber)
• Sofort intervenieren• Ruhige und sichere Situation herstellen• Sich selbst und das Angebot vorstellen• Wer kann noch helfen?• Was bracht der /die Betroffene am
dringendsten?• Für Reorientierung sorgen• Was kann der/die Betroffene selbst tun?• Konkreter nächster Schritt?
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Krisenintervention - Erstgespräch • 1) Schnelle Abklärung der Situation• Erster Eindruck – Initialszene (Übertragungen)• Überweisungskontext / Erfahrungen mit anderen
Helfersystemen• Auslöser der Krise?• Was heißt das für das Umfeld, Arbeit, Familie?• Wie erlebt die KlientIn selbst die Krise?• Welche Gefahren ergeben sich daraus für Betroffene oder für
den/ die KlientIn?• Suizidalität?• Drogen, Tabletten, Alkohol?• Klinik/ Arzt (Behandlung?)
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Krisenintervention - Erstgespräch
2) Welche Bewältigungsmöglichkeiten hat er/ sie?a) innere Ressourcenb) Fremdressourcen (z.B. Freunde)
3) Entwicklung von Perspektiven - Ziele? (Welche Teilschritte?) - Aushandeln des Auftrages - Umdeutung der Krise
4) Resumée! - Einschätzung der Gefahr einer aggressiven/autoaggressiven Handlung - Ist eine Weiterbetreuung angesagt? (Hängt auch vom Auftrag der Institution ab) - Kontaktaufnahme zu anderen Institutionen? (z.B. Klinik) - Kontrakt und Vereinbarungen zwischen BeraterIn und KlientIn (Klare Absprachen)
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Krisenverlauf
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Exkurs:
• Krisenbelastete und traumatisierte Menschen sind in ihrer ganzen Identität angegriffen.
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Dies betrifft nach H. Petzold die 5 Säulen der Identität:
• Leiblichkeit• Soziale Beziehungen (enge und weitere)• Arbeit und Leistung• Materielle Sicherheit (bzw. sozioökonomischer und
ökonomischer Kontext)
• Normen und Werte
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Anmerkungen zur Praxis der Krisenintervention
• Eine Krise tritt immer durch Wirkung einer Noxe im Bereich mindestens einer Säule der Identität auf.
• Beratung muss sich auf alle Säulen beziehen und benötigt ein multimodales Vorgehen.
• Im Mittelpunkt stehen der Erhalt und die Entwicklung von Ressourcen.• Beratung heißt auch Entlastung und beinhaltet Kompensations-
möglichkeiten in verschiedensten Bereichen zu ermöglichen. • Wenn eine oder mehrere Stützpfeiler des personellen Systems besonders
angegriffen sind, sollte der Berater die noch erhaltenen als Ausgangspunkt seiner Interventionen nehmen.
• In der Krisenintervention gilt es, dass der/die BeraterIn grundsätzlich die Krise in dieser Säule anerkennt, nicht infrage stellt und den Ausdruck der damit verbundenen Gefühle annimmt.
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Zur Praxis der Krisenintervention
• Eine Krise kann spontan abklingen, bewältigt werden, aber auch chronifizieren und Krankheiten und Probleme hervorrufen.
• Krisenintervention heißt akut Anleitung zur Angstbewältigung und Entwicklung neuer Problemlösungsstrategien.
• Eine bewältigte Krise ist auch eine Möglichkeit zur größeren Entfaltung der Persönlichkeit mit neuen Kompetenzen.
• Beachten der Übertragungs- und Gegenübertragungsreaktionen
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Exkurs: Was wirkt?
Klaus Grawe (1994) benennt vier therapeutische Wirkprinzipien:• Ressourcenaktivierung • Problemaktualisierung • Aktive Hilfe zur Problembewältigung• Therapeutische Klärung
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Exkurs: Was wirkt?
Frank (In Liechti S. 153) beschreibt vier wirksame Faktoren:• Das Angebot eines professionellen Settings,
das kompetente Hilfe erwarten lässt• Ein plausibles Erklärungsmodell des
vorgebrachten Problems• Eine dazu konsistente Behandlungsmethode• Eine sichere therapeutische Beziehung
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Liechti (2008, S. 158) benennt folgende Wirkfaktoren:
• Professionelles Handeln • Ein multilateral anschlussfähiger Kommunikationsstil
(sprachliche Ressourcen)• Fähigkeit subjektive Krankheitstheorien- und
Störungstheorien des Klienten mit wissenschaftlichen Faktoren sowie Erklärungsmodelle mit einem Veränderungsfokus zu verbinden
• Bereitschaft Verantwortung für die initierten Prozess zu übernehmen
• Fähigkeit unter Spannungen kooperative Beziehungen zu stiften und aufrechtzuerhalten
• Gelungener Umgang mit gemischter Motivation
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Aggressiver Raptus
• Der aggressive Raptus kann zu unkontrollierter Gewalt) führen. Hier ist es wichtig, dass der/die Beraterin gut für seine/ihre Sicherheit sorgt, z. B. durch einen genügenden räumlichen Abstand Schaden begrenzt, z. B. gefährliche Gegenstände entfernt und Kissen und Matratzen bereitstellt
• Kontingenz: Man kann nicht sagen, was hilft!(D.h. einiges von dem, was ich Ihnen vorschlage, kann in
manchen Situationen zu positiven Ergebnissen führen),
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Aggressiver Raptus- versuchen Grenzen zu setzen, z. B. durch lautes „Stop!“ bei der Gefahr der Verletzung und Selbstverletzung - in Grenzen den Raptus ausagieren lassen, ohne zu forcieren - die Sitzung möglichst mit einer kognitiven Phase abschließen- in aggressiven Krisen kann man „nicht erziehen“ – man kann aber einen sicheren Rahmen für alle Beteiligten schaffen- nicht in die Dynamik der Eskalation hineinziehen lassen (symmetrische Eskalation, komplementäre Eskalation: (Nachgiebigkeit kann zu gesteigerter Eskalation führen)- Fokussierung auf Möglichkeiten der Deeskalation- die physiologische Erregung wenig „überspringen“ lassen- Herrschaftsausrichtung reflektieren- beachten, welches Funktionssystem für die Interventionen zuständig ist
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Dekompensation
• bei Hyperventilation soll beruhigt werden durch Atemregulierung
• Petrifikation- Versteinerung• Bei regressiver Dekompensation besteht die
Gefahr, dass der/die KlientIn entgleitet, deshalb Nähe und evtl. vorsichtigen unterstützenden Körperkontakt anbieten!
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Das präsuizidale Syndrom(nach E. Ringel)
1. EinengungSituative: Überwältigung von einer übermächtigen, unbeeinflussbaren
Situation – nicht mehr „ein und aus“ wissen
Dynamische: Emotionen, die nur noch in eine Richtung gehen (Verzweiflung, Angst, Hoffnungslosigkeit), ohne Gegenregulation
Zwischen- Isolierung oder entwertetemenschliche: Beziehungen
Der Werte: Entwertung von immer mehr Lebensgebieten, die uninteressant werden. Werteverwirklichung nicht mehr möglich, eigene Existenz wertlos.
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Das präsuizidale Syndrom(nach E. Ringel)
2. Gehemmte oder gegen die eigene Person gerichtete Aggression
3. Selbstmordphantasien– Wunsch, tot zu sein– Vorstellung: Wie?– Diese Vorstellungen werden zwingend
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Entwicklung zur Suizidhandlung nach Henseler
1. Selbstgefühl stark verunsichert, Kränkungen, Enttäuschungen, (Verlusterlebnis), bei bereits bestehender Einengung (Ringel)
2. Einsetzen von Bewältigungsmechanismen/ Schutz des Selbstgefühls, Realitätsverleugnung, Idealisierung der eigenen Person und/oder der Umgebung
3. Wenn 2. nicht ausreicht, Phantasien vom Rückzug in einen harmonischen „Urzustand“
4. Phantasien in Suizidhandlung umzusetzen bewirkt: Kommt der narzisstischen Krise entgegen, Rachebedürfnisse werden befriedigt
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Umgang mit der Suizidalität
- Suizidalität erfragen
- Suizidalität einschätzen
- Antisuizidvereinbarung treffen („Vertrag“)
- weitere Unterstützungen vereinbaren
- möglicherweise Zwangseinweisung veranlassen
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MÖGLICHE MOTIVE
Wunsch nach Flucht und Pause Wunsch nach Kontrolle und Macht Wunsch zu töten und zu bestrafen Wunsch zu sterben Autoaggression blinde Abfuhr aggressiver Spannungen Rache und Vergeltung Selbstbestrafungstendenzen infolge unbewusster Schuldgefühle; Bestrafung und Sühne i.S. der Wiedergutmachung die Omnipotenzphantasie, „Herr der Lage“ zu sein Wiedervereinigung mit einem Verstorbenen oder Geliebten Wunsch nach Wiedergeburt, Rettung und Neuanfang faktische Realisierung eines emotional schon eingetretenen Zustandes, nämlich
psychisch "tot“ zu sein Wunsch nach Rückkehr in die Kindheit - masochistische Unterwerfung
27J. Beushausen
Was ist hilfreich
- Indirekte Äußerungen aufgreifen und klären
- Zuhören, aufmerksam sein
- Konkret bei Suizidgedanken nachfragen
- Suizidgedanken zulassen und zeigen, ich bin belastbar und lasse mich nicht
in den Sog ziehen
- Eigne Ängste wahrnehmen und reflektieren
- Eignen Gefühle mitteilen, Betroffenheit ausdrücken
- Begrenzte Gesprächsangebote machen
- Bei Kindern und Jugendlichen das Familiensystem einbeziehen, dabei auf
Schutz achten
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Mögliche typische Fehler I
- Aus dem Fehlen depressiver Symptome wird auf fehlende Suizidalität geschlossen. Affektiv ist die Suizidalität nicht immer mit Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit assoziiert.
- Mit dem suizidalen Menschen über den Sinn und die Legitimation von Suizid diskutieren
- Gefühle ausreden wollen- Moralische Vorhaltungen- Schuldgefühle vermitteln- Abwertende, bewertende Äußerungen- Zu viele Lösungsvorschläge machen, in Aktionismus und Panik verfallen- das eigene Lebenskonzept aufdrängen- dem anderen die Verantwortung für das Leben abnehmen zu wollen- Keine Verantwortung für eine Zwangsmaßnahme übernehmen zu wollen- Sich in Schweigeversprechen einbinden lassen- Angebote machen, die nicht zu halten sind
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Mögliche typische Fehler II- Das Persistieren, die Beharrlichkeit, einer schweren depressiven Symptomatik
wird übersehen.- Die meist komplexe Auslösedynamik wird ungenügend verstanden oder
vereinfacht („Flucht“ u.ä.). - Die mangelnde Exploration der jetzigen oder gegebenenfalls früheren
Umstände verwehrt dem Helfer die Suizidalität zu verstehen und führt zu weiteren Fehlern.
- Ankündigungen werden nicht ernst genommen.- Fokussierung auf "Randthemen" z.B. auf die Biografie des Menschen.- Das Gegenüber tendiert zu einer Beurteilung in Richtung „will eigentlich
leben“ bzw. „will eigentlich sterben“, während der psychische Zustand des Patienten oft von beiden Positionen beherrscht wird.
- Die Aggressionsproblematik des Patienten wird unterschätzt (besonders bei dependent oder masochistisch wirkenden Patienten).
- Die „Bedürftigkeit“, der Kontaktwunsch des Patienten wird dagegen überschätzt.
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Mögliche typische Fehler III
- Der Suizidversuch wird zu schnell als „appellativ“ oder theatralisch verstanden.- Die Helfer oder das Umfeld „solidarisieren“ sich nur mit einer intrapsychischen Seite- Mangelnde Analyse der Gegenübertragungsreaktionen z.B. Persönlichnehmen von
Provokationen, negative Übertragungsreaktionen, "Lähmung" des Teams durch die chronische Suizidalität eines Borderline-Patienten.
- Der Grad der kognitiv-affektiven Zugänglichkeit des Patienten nach einem Suizidversuch wird überschätzt.
- Der narzisstische Grundkonflikt wird nach dem Suizidversuch zu wenig beachtet, es wird die Suizidalität „gemanagt“
- Es entsteht eine Vorwurfshaltung dem Patienten gegenüber, er sei „selber schuld“, - Mangelnde Interaktionen zwischen den Beteiligten (die „schützenden“ versus den „mit
der Realität konfrontierenden“ aber dafür „vernachlässigenden“ Helfern)- Mangelnde Beachtung, ob eine „chronische“ Suizidalität vorliegt.- Vorschnelle Tröstung, Ermahnung, Belehrung- Entwicklung vorschneller Aktivitäten- Übersehen von Trennungsängsten (z.B. Urlaub, Entlassung, Stationswechsel)
31J. Beushausen
Mögliche typische Fehler IV
- Nicht-Suizidvereinbarungen können nicht von allen Patienten eingehalten werden (insbesondere bei häufig wiederkehrender Suizidalität)
- Bagatellisierungen übersehen und mitmachen, - zu schnelle Orientierung auf positive Veränderungen- Provokationen -Umdeutung der Autoaggression- Gründe für ein Weiterleben aufzählen
- es wird kein Antisuizidvertrag geschlossen
32J. Beushausen
Voraussetzungen der öffentlich rechtlichen UnterbringungNpsychKG §16 i. V. m. §1
1. Die betroffene Person muss infolge einer psychischen Störung krank
oder behindert sein.
2. Es muss eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für andere oder für
sich bestehen.
3. Die Gefahr muss infolge der Krankheit oder Behinderung bestehen.
4. Die Gefahr kann nicht auf andere Weise, sondern nur durch
Unterbringung abgewendet werden.
33J. Beushausen
TraumaSchätzungen gehen davon aus, dass ca. 1 – 2 Drittel der Menschen in ihrem Leben mit traumatischen Situationen belastet werden.Von diesen entwickeln ca. 1/3 so genannte Traumafolgestörungen. Von Menschen, die z. B. eine schlimme Folter erleben oder die Ermordung eines Familienangehörigen ansehen mussten, entwickeln ca. 50 % eine Traumafolgestörung und Kinder die lange Zeit sexuelle Gewalt in der Familie erleben mussten entwickeln diese Störung zu ca. 80 %.
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Trauma
• Die meisten Traumata geschehen auch heute noch im familiären Rahmen. • Traumata: Verlust von Angehörigen, Hafterfahrungen, Verkehrsunfälle,
außerhäusliche Gewalt, Krieg, Folter und medizinische Eingriffe.• Traumafolgen sind insbesondere dann zu erwarten, wenn eine
traumatische Situation lange andauert, sich häufig wiederholt, unerwartet und plötzlich auftritt und vor allen, wenn sie in den ersten 10 Lebensjahren erfolgt.
• Besonders problematisch sind psychische und sexuelle Gewalt, wenn mehrere Täter beteiligt waren, die Tat bagatellisiert und in einem als sicher erachteten Bereich stattfand.
35J. Beushausen
traumatherapeutische bzw. krisentherapeutische Phasen
1. Orientierung und Kontaktphase, einschließlich Anamnese und Diagnostik
2. Phase der Stabilisierung
3. Phase der Traumbegegnung, -bearbeitung und –konfrontation
4. Trauma- und Trauerintegration
36J. Beushausen
Intervention hat zu beachten:
• keinen zusätzlichen Stress aufbauen, vor allem nicht in den ersten Phasen der Stabilisierung, Klienten lernen, inneren Stress besser zu managen und zusätzlichen Stress zu vermeiden
• Klienten sollen erfahren, dass ihre physiologische Erregung und Affekte kontrollierbar sind
• Klienten sollen lernen, sich selbst zu beruhigen und sich selbst zu trösten
• Ziel ist die Reduzierung der Häufigkeit von Introsionen und Flashbacks, Regression und Fremdschädigung, Panik Angstattacken sollen verringert u. das Misstrauen gegenüber anderen Menschen abgebaut werden
• Sicherheit ist somit eins der zentralen Themen.
37J. Beushausen
Intervention hat zu beachten
• Im Mittelpunkt steht auch die Suche nach Ressourcen• Der Kontakt bewegt sich in einem "optimalen
Erregungsbereich". • In der Psychoedukation werden Erklärungen für die
symptomatischen und therapeutischen Zusammenhänge vermittelt.
• Klienten lernen kognitiv, warum sie in bestimmten Situationen so reagieren und wieso ihre Traumafolgestörung "nicht verrückt“ ist
• Psychoedukation richtet sich auch an die Systemmitglieder
38J. Beushausen
Intervention hat zu beachten
• Die Stabilisierungsarbeit ist die „Königsdisziplin“ für Traumatherapeuten
• Traumabegegnung ist oft nicht möglich oder sinnvoll
• Zudem wünschen viele traumatisierte Menschen in der Beratung keine oder zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Traumabegegnung.
39J. Beushausen
Folgerung für die Soziale Arbeit
• Wenn berücksichtigt wird, dass viele Klienten nicht die Möglichkeit haben Kontakt zu einem Traumatherapeuten zu erhalten, weist auch dies daraufhin, dass viele Betroffene qualifizierte Unterstützung durch SozialarbeiterInnen erhalten sollten. Der Schwerpunkt liegt in der Stabilisierungs- und der Netzwerkarbeit.
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Wege der Traumatherapie bzw. der Krisenberatung in der Sozialen Arbeit (nach Petzold 1999)
1. grundsätzlich ressourcenorientiertes und lösungszentriertes Arbeiten, 2. Interventionen, die das „soziale Netzwerk“ reorganisieren und stärken, 3. die Copingfähigkeiten aufbauen und stärken, die4. Entspannungsfähigkeit fördern und psycho-physiologische Selbstregulation aufbauen (durch Entspannungs-, Atem- und Sport-/Lauftherapie), 5. die symtomvermindernd arbeiten, (6. „Durcharbeiten“ der Traumaereignisse und ihrer Kontexte auf einer generellen Ebene, falls gewünscht und indiziert, auch auf einer spezifischen. Es besteht immer die Gefahr einer Retraumatisierung.)7. Arbeit an der Konsolidierung des Wertesystems, Förderung von Überwindungsprozessen und engagierter Haltung, 8. Selbstbehauptungstraining und Förderung „persönlicher Souveränität“, 9. wo nötig unterstützende Medikation, 10. sozialtherapeutische und sozialintegrative Maßnahmen.• Punkt 6 (kursiv) nur mit entsprechender Ausbildung.
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Intervention hat zu beachten
• Grundlegend das Eingehen von Kontakt und das Schaffen einer Vertrauensbasis.
• Es ist bedeutsam, immer wieder zu erklären, in welchem Kontext die Beratung steht. Begrifflich besser von Schwierigkeiten oder Problemen sprechen, die zu lösen sind als psychologische Fachtermini
• Refraiming: Situationen umdefinieren
42J. Beushausen
Vergleich von Krisenintervention, Kurzzeit- und Langzeitbetreuung
Langzeitunterstützung Kurzzeitberatung Krisenintervention
Ziele Umstrukturierung der Persönlichkeit
Beseitigen der Symptome Lösung der unmittelbaren Krise
Focus der Bertreuung •Entwicklungsgeschichte•Aktuelle Situation
1) Entwicklungsgeschichte nur bezüglich der aktuellen Konfliktsituation
1) Entwicklung der gegenwärtigen Situation
Auch Bewusstmachen von Unbewusstem
Schwerpunkt in der Gegenwart Wiederherstellung bis zum Niveau vor der Krise
Aktivitäten des Beraters 1) Exploration2) stützend und konfrontierend3) nicht direktives und direktives Vorgehen
1) zudeckend, eher stützend 2)evet. Konfrontierend,auch Empfehlungen
1) zudeckend2) aktives Beobachten3) direkte Intervention zur Veränderung der Situation
Indikation Neurotische Persönlichkeit,Neurosen, Persönlichkeits-störungen
Akute Störung Plötzlicher Verlust der Fähigkeit, eine Lebenssituation zu bewältigen
Durchschnittliche Unterstützungsdauer
unbestimmt 1-20 Sitzungen 1-6 Sitzungen
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Der Aufgabenbereich der Sozialen ArbeitHauptthesen:
• Die bedeutsamste Profession bei der Bewältigung menschlicher Krisen ist die Soziale Arbeit.
• Hilfreich ist eine Orientierung an den Ressourcen des Individuums und seiner Umwelten.
• Methodisch sind insbesondere stabilisierende Techniken und die Netzwerkarbeit einzusetzen.
44J. Beushausen
StabilisierungsübungenSchwerpunkt Abgrenzung
• Der innere sichere Ort• Der innere Tresor• Film im Kino – Lebensfilm• Sich vom inneren Gepäck distanzieren• Gedankenstopp
45J. Beushausen
Schwerpunkt »innere Helfer“
• Innerer Beistand – Innere Beobachter– Erfundene Ko-Berater– Den inneren Arzt fragen
46J. Beushausen
Techniken zur Affektregulierung
• Geräuschverminderung: Bilder von Kopfhörern, Ohrstöpseln, Lautstärkereglern …
• Reduzierung innerer belastender Bilder Geräusche regulieren: Wolken vorbeiziehen lassen, Bilder eines Dimmers, Thermostats, Reglers, Gaspedals werden imaginiert.
• Phantasiereise in die eigene Schutzgrenze: Schutzmantel, Schutzschild, »dicke Haut«, Rüstung
47J. Beushausen
Schwerpunkt: Erfahren der Ressourcen
• Notfallplan• Notfallkoffer - Ressourcenkoffer• Beziehungslandkarte• Bücher als Ressource• Ressourcengeschichten und
Ressourcenmärchen• Ressourcenimplantate• Aufmalen der positiven Fertigkeiten in ein Bild
der Füße
48J. Beushausen
Schwerpunkt: Rückmeldungen und sonstiges
• Ressourcenhaus und Ressourcenleine• Beobachtungsaufgabe• Strukturierungshilfen• Ressourcenbarometer – Skalierungsfrage• Zeitmaschine• Wegkreuzung• Entspannungstechniken• Phantasiereise (oder Time-line): Was hat bei
Krisen geholfen
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Literaturliste (A-P)
• Bange, Dirk u. Körner, W. (Hrsg.): Handwörterbuch Sexueller Missbrauch. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, 2002
• Belby, Jane: Trauer, Trennung und Verlust. Fischer.• Besems, Thijs und Van Vugt, Gerry: wo Worte nicht reichen. München 1990.• Dörner K. / Plog U.: Irren ist menschlich. Wunstorf, verschiedene Auflagen .• Dorrmann, Wolfram: Suizid. Therapeutische Interventionen bei Selbsttötungsabsichten. München, 1996.• Egidi, K. U. Boxbürcher, M. Hsrg.: Systemische Krisenintervention, Tübingen 1996. • Fengler, Jörg: Helfen macht müde. München 1991.• Hanswille, Reinert u. Kissenbeck, Annette: Systemische Traumatherapie. Konzepte und Methoden für die
Praxis. Carl-Auer Heidelberg, 2008.• Hausmann, Clemens: Handbuch Notfallpsychologie und Traumabewältigung. Grundlagen, Interventionen,
Versorgungsstandards. Facultas.• Everstine, d.S. u. Everstine, L. Krisentherapie. Stuttgart 1988• Henseler: Narzistische Krisen. Zur Psycho-Dynamik des Selbstmordes.• Kast, Verena: Der schöpferische Sprung. Vom therapeutischen Umgang mit Krisen. München 1989.• Kleve, Heiko: Soziologische Kompetenz in der Sozialen Arbeit als Staunen über die Selbstverständlichkeiten
der anderen. In Sozialmagazin 31. Jg. 10/2006. www.asfh-berlin.demst/freedoes/238/soziologische_kompetenz.pdf. 19.1.2009
• Paschmann, Arno: Krisen und Krisenintervention , 1993, www. praxispaschmann.de/00602 Krisen htm.• Petzold, Hilarion G.: Body narratives – Traumatische und Posttraumatische Erfahrungen aus Sicht der
Integrativen Therapie. In: Integrative Bewegungstherapie Nr. 1-2/1999, S. 4 – 30, www.dgib.net/iblt/Petzold_Body.htmr.
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Literatur (P – W)
• Pscherer, Jörg: Der Boden des Alkoholverzichts. Eine empirische Untersuchung über den Einfluss von Ressourcen auf die Abstinenz-Sicherheit von Alkoholikern. Inaugural-Dissertation in der Fakultät Pädagogik, Philosophie, Psychologie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2003. http://elib.uni.bamberg.de/volltexte“2003/5.html
• Philips, Maggie, Frerich, Claire: Handbuch der Hypnotherapie bei posttraumatischen und dissoziativen Störungen. Carl-Auer-Systeme
• Reddemann, L. Eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. Seelische Kräfte entwickeln und Fördern. Freiburg, Herder 2004.
• Rupp, Manfred: Notfall Seele. Methodik und Praxis der ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Notfall- und Krisenintervention. Stuttgart, New York 1996.
• Schlippe, A. von u. Schweitzer, J.: Lehrbuch der systemischen Therapie. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1996.• Schmidt, G. : Liebesaffären zwischen Problem und Lösung. Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten.
Heidelberg, Carl-Auer Verlag 2005.• Schnyder, Ulrich u. Sauvant, Jean-David (Hrsg): Krisenintervention in der Psychiatrie. Bern, Göttingen, Toronto, Seatle 1993.• Spiegel, Yorrek: Prozeß des Trauerns. Verlag Kaiser, Grünwald.• Stoffels, Hans u. Kruse, G.: Der psychiatrische Hausbesuch. Bonn 1996• Sullivan, Diana/ Everstine, L.: Krisentherapie. Klett-Cotta, 1988• Stoffels, Hans u. Kruse, Gunther: Der psychiatrische Hausbesuch. Bonn, 1996.• Teegen, Frauke: Posttraumatische Belastungsstörungen bei gefährdeten Berufsgruppen. Prävalenz – Prävention –
Behandlung. Huber• Welter-Enderline u. Hildenbrand, Bruno (Hrsg): Resilienz – Gedeihen trotz widriger Umstände. Auer Heidelberg 2008• Wienberg, Günther (Hg): Bevor es zu spät ist. ...Außerstationäre Krisenintervention und Notfall Psychiatrie. Bonn 1993.
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Psychohygiene: Risikofaktoren
• Dominierende Vorstellung der Machbarkeit durch gesteigerten Einsatz
• Verringerung der personellen Ressourcen im Versorgungssystem
• Negative Zukunftsaussichten, Ohnmacht, Verlust an Sinngefühl
• Gestiegene Belastungen• Profitdenken statt Ethik
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Psychohygiene II: Anregungen zur Burn-Out-Prophylaxe
• Supervision, Intervision, Reflexionssettings um andere Sichtweisen und perspektivenvielfalt zu erzeugenKollegiale, Unterstützungsnetzwerke bilden u. nutzen
• Implementierung eines inneren „Siebs“ • Alle inneren und äußeren Kraftquellen nutzen und gleichzeitig Abstand zu
unrealistischen Zielen nehmen• Wie belastbar ich zur Zeit, wie viele Krisen verkrafte ich? Wie nahe bin ich
an einem burn-out? • Wie „schalte“ ich ab? • Welche Arbeitsbedingungen bedürfen einer Korrektur? (Belastungen,
Terminfolgen, Wechsel von Tätigkeiten, Regulierung der Nähe-Distanz) • Mit welchen Krisen kann ich gut und weniger gut umgehen?• Während der Freizeit nur dosiert mit Problemen beschäftigen (z.B.
Auswahl der Bücher, der Filme, wie viele Nachrichten im Fernsehen)
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Psychohygiene III: Anregungen zur Burn-Out-Prophylaxe
• Den eigenen Leib wichtig nehmen, für guten Schlaf sorgen und kreative Freizeit sorgen, Auswahl der Freunde
• Setzen von Grenzen, Erholungszeiten. Wie kreativ ist meine Freizeit, wie stabil ist mein Netzwerk?
• Schöne Umgebung, schön gestalteter Arbeitsplatz• Was sind meine Bewältigungsmechanismen?• In Krisengesprächen: Wie fühle ich mich körperlich wohl
(Sitzen, laufen), Regulierung der Nähe-Distanz, Exzentizität beachten, ist der eigene Anspruch angemessen, Reflektion der eigenen Gefühle, gibt es andere Helfer
• Präventiv: Sorge ich z. Z. gut „vor“? (Gesundheit, Sport, Auswahl der Freunde…)
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Psychohygiene IV: Anregungen zur Resilienz-Förderung
• Konzentration auf die gegenwärtige Aufgabe• Sinn für Humor• Augenmaß in den Zielen• Bejahung des eigenen Schaffens• Eine innere Haltung von Wertschätzung und
Dankbarkeit