Ein lokalhistorisches Projekt der Erinnerungsarbeit
Kolonialrevisionismus„Ohne Kolonien Armut und Not,
mit Kolonien Arbeit und Brot“
Deutschlands Zeit als Kolonialmacht war kurz; sie endete 1918 nach dem verlorenen
1. Weltkrieg. Mit dem Verlust der Kolonien gab Deutschland seine kolonialen Ambiti-
onen keinesfalls auf. Forderungen nach Rückgewinnung der Kolonien wurden laut, eine
starke neokoloniale Bewegung entstand. Man sprach weiter von „unseren Kolonien“, und
auf die alliierte Kritik an der deutschen Kolonialpolitik reagierte der kolonialrevisionis-
tische Diskurs mit dem Schlagwort von der „kolonialen Schuldlüge“. Kolonialausstellun-
gen, Völkerschauen, Bücher, Spielfilme und
Kinderspiele zielten auf die nostalgische
Verklärung der deutschen Kolonialzeit.
Auch in Köln formierte man sich in Sachen
Rückgewinnung, organisierte propagan-
distische Großveranstaltungen oder traf
sich in kleinen Traditionsverbänden in den
Wirtshäusern der Stadt. Anzeigen der Aktivitäten und Treffpunkte von Kölner Traditionsver-
bänden in der Zeitschrift „Kolonial-Post“ von Februar 1939
Kolonialrevisionistisches Kinderspiel aus den 30er-Jahren.
Bekanntmachung des Reichsstatthalters, Bundesführers des
Deutschen Kolonialkriegerbundes und Generals der Infanterie Ritter Franz von Epp
Auch die nationalsozialistische Machtübernahme änderte
nichts an diesen Ambitionen – im Gegenteil. Um einen Aus-
gleich vor allem mit Großbritannien bemüht, hielt man sich
zunächst mit offiziellen Forderungen nach Rückgabe der Ko-
lonien zurück. 1936 jedoch trug Hitler im Reichstag erst-
mals öffentlich die Forderung nach Rückgabe der deutschen
Kolonien vor. Der Plan eines afrikanischen Großreiches ent-
stand.
Erst mit dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 verloren die
kolonialpolitischen Ambitionen des NS-Regimes an Bedeutung.
Dieser Prozess verstärkte sich mit der Verschlechterung der
militärischen Lage; schließlich wurden die kolonialpolitischen
Pläne ganz aufgegeben.
Konrad Adenauer, von 1949 bis 1963 erster deutscher Bundeskanzler,
begann seine politische Karriere in Köln. Hier wurde er 1917 zum Oberbür-
germeister gewählt und verblieb in diesem Amt, bis das NS-Regime 1933
die Geschäfte übernahm.
1927 erklärte er als Kölner Oberbürgermeister: „Das Deutsche Reich muss
unbedingt den Erwerb von Kolonien anstreben. Im Reiche selbst ist zu we-
nig Raum für die große Bevölkerung.“ Zu dieser Zeit war Adenauer Präsident
des Preußischen Staatsrates und mehrfach als Kandidat für das Reichs-
kanzleramt im Gespräch.
In den Jahren 1931 bis 1933 war Adenauer stell-
vertretender Präsident der Deutschen
Kolonialgesellschaft, und auch hier
machte er sich für den Erwerb
deutscher Kolonien stark:
„[...] unerbittlich fordern wir
Deutschlands Recht auf ei-
gene Kolonien.“
Adenauer unterstützte im-
mer wieder kleine kolonial-
propagandistische Pro-
jekte aus seinem „Dis-
positionsfonds“. In seine
letzten Jahre als Ober-
bürgermeister fallen auch
die Pläne und Vorberei-
tungen für die Deutsche Kolo-
nialaustellung, die vom 1. Juli
bis 2. September 1934 in Köln
stattfand.
Ein lokalhistorisches Projekt der Erinnerungsarbeit
Adenauer macht sich stark für die
Rückgewinnung der deutschen Kolonien
Wie viele seiner Zeitgenossen nahm Adenauer den
afrikanischen Kontinent als leeren, für eine euro-
päische Besiedlung zur Verfügung stehenden Raum
wahr.
R A U M O H N E V O L K
Ein lokalhistorisches Projekt der Erinnerungsarbeit
Deutsche Kolonialausstellung
unter dem Hakenkreuz
16 Jahre nach dem Ende der deutschen
Kolonialherrschaft in Afrika fand 1934 in
der Kölner Messe die vom Reichskolonial-
bund eingerichtete Deutsche Kolonialaus-
stellung statt. Eröffnet wurde sie am 1.
Juli, am „Erinnerungstag des Erwerbs deut-
schen Kolonialbesitzes“ 50 Jahre zuvor.
Im Geleitwort zur Ausstellungsbroschüre
heißt es:
„Die Deutsche Kolonialausstellung in Köln
1934 soll dazu beitragen, den kolonialen
Gedanken in die Herzen und Köpfe ein-
zupflanzen, damit das deutsche Volk die
ungeheure Bedeutung überseeischen Be-
sitzes für Deutschland erkennt.“
Die Ausstellung gliederte sich in die zwei Hauptgruppen „Kolo-
niale Wirtschaft und Heimat“ und „Die einzelnen Kolonien und
die koloniale Bewegung“. Leihgaben aus dem Rautenstrauch-
Joest-Museum sollten einen Überblick über die afrikanischen
Kulturen geben. In thematischen Bereichen wurden Informa-
tionen zur Kolonialwirtschaft, kolonialen Schularbeit, Tropen-
hygiene, Mission, aber auch Zoologie und Insektenkunde ver-
mittelt. Um den Besuchern das Fremde näher zu bringen,
hatte man „lebende Vegetationsbilder“ geschaffen und sogar
eine echte Baumwollkultur angelegt. Die Besucher konnten
frische Ananas und Bananen aus Kamerun kosten.
Zwar hatte man auf eine begleitende „Völkerschau“ verzich-
tet; anstatt dessen präsentierte man 30 Gipsabformungen
„der Köpfe aussterbender Rassen“, die der Deutsche Hans
Lichtenecker 1931 in der Kolonie „Deutsch-Südwest“ ange-
fertigt hatte. Lichtenecker hatte Abdrücke von Gesichtern und
Gliedmaßen, aber auch Blut- und Haarproben von Nama, San
und Herero genommen. Dies geschah vorgeblich aus wissen-
schaftlichen Gründen. Lichtenecker handelte im Auftrag des
Anthropologen und „Rassenhygienikers“ Prof. Dr. Eugen Fi-
scher, der als Vordenker der nationalsozialistischen Rassen-
theorien und der „Endlösung der Judenfrage“ gelten kann.
Zu erkennen sind die Unter-
nehmen Clouth-Gummiwerke,
Felten & Guilleaume sowie im Hin-
tergrund die Firma Stollwerck
Teilnehmer der Eröffnungsfeier zur Deutschen Kolonialausstellung
Präsentationen Kölner Unter-
nehmen auf der Deutschen
Kolonialausstellung
Präsentation von Lichteneckers Gipsabdrücken
Die Saarbrücker Zeitung kommentierte: „Die Ausstellung ist
ein Ort der Erinnerung, der Besinnung und schmerzlichen
Bedauerns. Zugleich geht von ihr eine Aufforderung aus, eine
Frischung und Stärkung des Bewusstseins von der Notwen-
digkeit der Kolonien für ein europäisches Volk, dessen Gren-
zen viel zu eng sind. Am Eingang der Ausstellung hängt die
Fahne, die alte, echte Fahne, die Wissmann mit sich führte.
Sie ist noch unverbraucht.“
Exponate aus dem
Rautenstrauch-Joest-Museum