Mit den offi ziellen Rundschreiben
und Bekanntmachungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns
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4KVBFORUM
MASERNAUFKLÄRUNG IN DER PRAXISDurch umfängliche Beratung Impfquoten erhöhen!
IT IN DER ARZTPRAXIS: Neues Förderprogramm für KV-SafeNet aufgelegtKVB INTERN: Seminarreihe „Fit für die Praxis“RECHT INTERESSANT: Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
EDITORIAL2
K VB FORUM 10/2014
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Impfprävention ist harte Arbeit – vor allem harte Überzeugungsarbeit. Das erleben viele
von Ihnen täglich in Ihrer Praxis. Radikale Impfgegner argumentieren gegen die ärztlichen
Empfehlungen – leider häufi g mit gefährlichem Halbwissen, wahrscheinlich ohne zu ahnen,
dass sie damit nicht nur sich selbst oder ihrem Kind, sondern durchaus auch großen Teilen
der Bevölkerung schaden können. Darüber, wie riskant zum Beispiel die von Impfkritikern
häufi g als „harmlose Kinderkrankheit“ bezeichnete Maserninfektion wirklich sein kann, be-
richten Experten im Rahmen des Titelthemas dieser KVB FORUM-Ausgabe.
Den niedergelassenen impfenden Vertragsärzten kommt bei der Masernprävention eine
ganz entscheidende Rolle zu. Ihrem Engagement ist es in erster Linie zu verdanken, dass
die Impfzahlen – insbesondere bei den Masernimpfungen – von 2010 bis 2013 deutlich er-
höht werden konnten. Das beste Mittel, um Impfkritiker dauerhaft zu überzeugen und Vor-
urteile abzubauen, ist ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Doch ein
solches Vertrauen aufzubauen, kostet Zeit und Energie. Daher fordert Dr. Martin Lang, der
Landesvorsitzende der Kinder- und Jugendärzte in Bayern, den wir dankenswerterweise für
ein Interview zu diesem wichtigen Thema (siehe Seite 12) gewinnen konnten, eine Gebüh-
renordnungsposition für die eingehende und immer umfassender werdende Impfberatung
sowie eine betriebswirtschaftlich adäquate Vergütung für die Durchführung der Impfl eis-
tungen. Denn ohne den unermüdlichen Einsatz der niedergelassenen Kolleginnen und Kol-
legen können die Impfl ücken in Bayern nicht dauerhaft geschlossen werden. Dies sollte
auch Vertretern von Krankenkassen und Politik klar sein.
Dr. Krombholz
Vorsitzender des Vorstands
Dr. Schmelz
1. Stellv. Vorsitzender des Vorstands
Dr. Enger
2. Stellv. Vorsitzende des Vorstands
Ihr KVB-Vorstand
TITELTHEMA6
K VB FORUM 10/2014
In Bayern sind Masern auch im
Jahr 2013 gehäuft aufgetreten.
Regionale Ausbrüche betrafen
vor allem die Stadt München, die
nähere Umgebung sowie den Land-
kreis Landsberg am Lech (siehe
hierzu auch Seite 8 ff .). Wie bereits
2011 erkrankten vor allem Jugend-
liche und junge Erwachsene.
Die Erkrankung führt auch bei Er-
wachsenen nicht selten zu schwe-
ren Komplikationen wie zu einer
Entzündung des Lungengewebes
(Pneumonie mit einem Risiko von
1 zu 100 Masernfällen) oder auch
zu einer Entzündung des Gehirns
(Enzephalitis mit einem Risiko von
1 zu 1.000 Masernfällen). Als Fol-
gekrankheit von Masern bei Säug-
lingen und Kleinkindern ist die sub-
akute sklerosierende Panenzepha-
litis (SSPE) besonders gefürchtet.
Diese Gehirnentzündung ist eine
Spätkomplikation der Masernin-
fektion und verläuft immer tödlich.
Meist tritt sie erst Jahre nach einer
durchgemachten Maserninfektion
auf (im Durchschnitt nach sechs
bis acht Jahren), führt zu einem
schleichenden Verlust aller geisti-
gen Fähigkeiten und endet im Wach-
koma, in dem die Betroff enen nach
wenigen Monaten oder auch Jah-
ren versterben. Eine Heilung der
SSPE ist nicht möglich. Eine SSPE
tritt häufi ger auf als bisher ange-
Masern sind alles andere als harmlos – auch, wenn genau dies noch immer
viele Menschen annehmen. Tatsächlich handelt es sich bei Masern um eine
hoch ansteckende Infektionskrankheit, die bei Patienten aller Altersgruppen zu
gefährlichen Komplikationen und bleibenden Schäden führen kann. Mindes-
tens eine von 10.000 Masernerkrankungen in Deutschland verläuft tödlich.
Dabei sind Masern durch Impfungen sicher vermeidbar.
MASERN – DIE UNTERSCHÄTZTE GEFAHR
nommen, das Risiko wird heute auf
1 zu 1.700 bis 1 zu 3.300 bei Kin-
dern mit Masern im Alter bis zu
fünf Jahren geschätzt (31 nachge-
wiesene SSPE-Fälle in Deutsch-
land von 2003 bis 2009).
Masern sind vermeidbar
Obwohl es sich bei Masern um eine
hoch ansteckende Krankheit han-
delt, ist sie laut Weltgesundheits-
organisation (WHO) durchaus ver-
meidbar. Dementsprechend hat
sich die WHO zum Ziel gesetzt, die-
se gefährliche Infektionskrankheit
in Europa bis 2015 vollständig zu
eliminieren. Als gänzlich ausgerot-
tet gelten Masern dann, wenn min-
destens 95 Prozent der Bevölke-
rung gegen die Krankheit geimpft
sind. Als Indikator hierfür gilt eine
Maserninzidenz von dauerhaft we-
niger als einem Fall pro Jahr pro ei-
ner Million Einwohner (für Deutsch-
land also höchstens 82 Fälle pro
Jahr). Um dieses Ziel zu erreichen,
müsste die Durchimpfungsquote
bis zum zweiten Geburtstag bei 95
Prozent liegen. Davon ist Deutsch-
land leider noch weit entfernt, wie
die jüngsten Masernausbrüche so-
wie die unlängst veröff entlichte Ver-
sorgungsatlasstudie des Zentralin-
stituts für die kassenärztliche Ver-
sorgung in Deutschland zeigen
Impfwissen auff rischenWir möchten Sie an dieser Stelle auch auf die freiwillige Zertifi zie-
rung „Impfex“ sowie auf unsere pharmaneutralen Online- und Prä-
senz-Fortbildungen 2014 zum Thema Impfen hinweisen. Die freiwil-
lige Zertifi zierung „Impfex“ ist zwei Jahre gültig. Die Fortbildungs-
veranstaltung ist pharmaunabhängig. Erfahrene Referenten vermit-
teln den neuesten Kenntnisstand zu allen Themen rund um das
Impfwesen, insbesondere zu Infektionskrankheiten sowie zur Be-
schaff ung und Lagerung von Impfstoff en.
Die Veranstaltung für das freiwillige Fortbildungszertifi kat „Impfex“
wird mit fünf Fortbildungspunkten bewertet. Für jede Online-Fort-
bildung erhalten Sie einen Fortbildungspunkt. Nähere Informationen
zu den genannten Veranstaltungen fi nden Sie unter www.kvb.de in
der Rubrik Praxis/Alternative Versorgungsformen/Freiwillige Zertifi -zierungen/Impfex.
7TITELTHEMA
K VB FORUM 10/2014
7
(siehe www.versorgungsatlas.de in
der Rubrik Themen/Versorgungs-
prozesse/Impfen/Masernimpfun-
gen bei Kindern bis zu einem Alter
von zwei Jahren). Demnach wurden
im Jahr 2013 allein in Bayern 783
Masernfälle gemeldet. Die Impf-
quote bei Kindern bis zum Ende des
zweiten Lebensjahres lag zwischen
2008 und 2010 im Freistaat bei le-
diglich 82,3 Prozent. Nur 56,4 Pro-
zent der in der Studie untersuchten
Kinder hatten damals zwei Masern-
impfungen erhalten.
Dass in Bayern beim Thema Ma-
sernimpfschutz also trotz erfreuli-
cher Fortschritte noch Nachholbe-
darf besteht, liegt auf der Hand.
Die Ständige Impfkommission des
Robert Koch-Instituts (STIKO) be-
tont immer wieder, dass nur eine
vollständige Impfung einen wir-
kungsvollen lebenslangen Schutz
vor einer Ansteckung bieten kann.
Nur, wenn alle Impfl ücken ge-
schlossen werden, ist es möglich,
die Krankheit Masern vollständig
auszurotten. Dazu empfi ehlt die
STIKO, bei allen nach 1970 gebo-
renen Erwachsenen eine einmali-
ge Masernimpfung durchzuführen
(diese wird als Standardimpfung
von der Gesetzlichen Krankenkas-
se übernommen), sofern diese bis-
her nicht gegen Masern geimpft
sind, nur einmal in der Kindheit ge-
impft wurden oder der Impfstatus
gegen Masern unklar ist. Zur Imp-
fung soll ein Kombinationsimpfstoff
gegen Masern, Mumps, Röteln
(MMR, Lebendvakzine: Eine Imp-
fung während einer Schwanger-
schaft ist kontraindiziert) verwen-
det werden. Ist aufgrund einer nicht
zweifelsfrei durchgemachten frü-
heren Masernerkrankung die Ma-
sernimmunität oder der Masern-
impfstatus bei Erwachsenen, die ab
dem 1. Januar 1971 geboren wur-
den, unklar, empfi ehlt die STIKO die
sofortige Impfung ohne eine vorher-
gehende Antikörperbestimmung
(siehe hierzu auch Seite 8 ff .).
Kommunikationspaket für alle Praxen
Auch den Vorstandsmitgliedern
der KVB, Dr. Wolfgang Krombholz,
Dr. Pedro Schmelz und Dr. Ilka En-
ger, liegt der ausreichende Masern-
impfschutz gerade der bayerischen
Bevölkerung am Herzen. Ihr Appell
richtet sich an die Mitglieder der
KVB, in ihren Praxen dafür Sorge
zu tragen, den Impfstatus von Kin-
dern und Erwachsenen regelmäßig
abzufragen und zu überprüfen. „Ge-
rade wir niedergelassenen Ärzte
können hier als Ansprechpartner
für unsere Patienten beziehungs-
weise für die Eltern der Kinder und
Jugendlichen wichtige Aufklärungs-
arbeit leisten“, so der Vorstand. Das
Ziel, die Masern auch in Deutsch-
land zu eliminieren, könne nur durch
die engagierte Arbeit der gesam-
ten Ärzteschaft realisiert werden.
Regelmäßig informiert die KV Bay-
erns ihre Mitglieder deshalb auf
unterschiedlichen Kommunikations-
wegen über die Wichtigkeit des
Themas, um einen möglichst fl ä-
chendeckenden Masernimpfschutz
der Bevölkerung zu erreichen. So
haben unlängst alle in Bayern nie-
dergelassenen Hausärzte und haus-
ärztlich tätigen Internisten, alle
Kinder- und Jugendärzte sowie alle
Frauenärzte ein umfassendes In-
formationspaket für ihre Praxen
erhalten, in dem besonders auch
die Zielgruppe der jungen Frauen
mit Kinderwunsch im Fokus stand.
Falls erforderlich können diese
Frauen mit einer einmaligen Ma-
sernimpfung vor der Schwanger-
schaft nicht nur sich selbst, son-
dern auch ihr Kind vor und nach
der Geburt bis zur Impfung des
Säuglings ab dem elften Lebens-
monat schützen.
Das umfangreiche Informationspa-
ket besteht unter anderem aus
den Patientenfl yern:
„Impfung gegen Masern, Mumps
und Röteln – Schutz für Kinder,
Jugendliche und Erwachsene“,
„Masernimpfung – auch für Er-
wachsene! Neue Empfehlungen
zur Masernimpfung“,
sowie aus den Tischvorlagen:
„Impfkalender 2014/2015 –
Empfehlungen der STIKO“ und
„Abrechnungsnummern Impfen“.
Diese Materialien sind unter
www.kvb.de in der Rubrik Praxis/ Qualität/Infektionen/Masern in
der rechten Downloadleiste unter
Patienten- und Arztinformationen
verfügbar. Hier fi nden Sie auch
FAQ-Listen rund um das Thema
Masern mit Antworten auf häufi ge
Patientenfragen. All diese Informa-
tionen können auch in gedruckter
Form kostenfrei per E-Mail an
[email protected] nachbestellt werden.
Bitte beachten Sie außerdem unse-
re Informationen unter www.kvb.de
in der Rubrik Praxis/Qualität/Infek-tionen/Schutzimpfungen.
Redaktion
Auf vollständi-gen Impfschutz achten: Die erste Masern-Mumps-Röteln-Impfung sollte im Alter von elf bis 14 Monaten erfol-gen.
TITELTHEMA8
K VB FORUM 10/2014
In Deutschland wurden 2013 ins-
gesamt 1.771 Masernfälle ge-
meldet. Allein in Bayern erkrank-
ten 783 Personen. Der Schwer-
punkt lag mit fast 90 Prozent der
Fälle in Oberbayern, wobei die
Kreise München Stadt mit 305 und
Landsberg am Lech mit 103 Erkran-
kungen am stärksten betroff en wa-
ren. Masern traten ab April 2013
gehäuft in München auf und ver-
breiteten sich dann rasch in den
umgebenden Landkreisen. Bei fast
43 Prozent der gemeldeten Fälle
war eine epidemiologische Verbin-
dung zu weiteren Masernfällen
nachweisbar. Es kam auch zu meh-
reren Ausbruchsgeschehen: zwei
landkreisübergreifende, von Schu-
len ausgehende Masernhäufungen
(Ursprung in Landsberg am Lech
mit 80 Fällen beziehungsweise in
Erding mit 26 Fällen), ein Aus-
bruchsherd in einem Kindergarten
(in München mit zehn Fällen).
Fast 38 Prozent der Masernfälle
betrafen 10- bis 19-Jährige. Es er-
krankten aber auch häufi g Erwach-
sene bis zur Altersgruppe der 40-
bis 49-Jährigen, die relativ oft sta-
tionär behandelt werden mussten
(über 31 Prozent der Fälle). Die
Gruppe der Säuglinge und Klein-
kinder bis Ende des zweiten Le-
bensjahres war bezogen auf die je-
weils altersgleiche Bevölkerung
In den Jahren 2011 und 2013 waren die Masern in Deutschland auf dem Vor-
marsch, besonders betroff en war jeweils auch der Freistaat. Der Grund dafür
lag in zu niedrigen Impfquoten. Der folgende Artikel geht auf die Frage ein, wie
versucht wird, dies zu verbessern, und gibt einen Überblick, wie sich die An-
zahl der Masernimpfungen in der vertragsärztlichen Versorgung seit 2010
entwickelt hat.
MASERNIMPFUNGEN 2010 BIS 2013: BAYERN AUF GUTEM WEG
am stärksten betroff en. Zusammen
in allen Altersgruppen kam es in
Bayern zu 62 Masernfällen pro eine
Million Einwohner. Fast alle Erkrank-
ten waren nicht oder nur unvoll-
ständig gegen Masern geimpft.
(Datenquellen: Bayerisches Landes-amt für Gesundheit und Lebensmit-telsicherheit sowie Epidemiologi-sches Bulletin und Infektionsepide-miologisches Jahrbuch 2013 des Robert Koch-Instituts, RKI).
STIKO-Empfehlungen zur Masernimpfung
Die wirksamste Maßnahme, um
einer Masernerkrankung vorzubeu-
gen, ist die aktive Impfung mit Le-
bend-Kombinationsvakzine gegen
Masern, Mumps, Röteln (MMR;
kontraindiziert in der Schwanger-
schaft): als zweimalige Standard-
impfung bis Ende des zweiten Le-
bensjahres oder einmalig für Er-
wachsene (geboren ab 1. Januar
1971) ohne sichere Masernimmu-
nität. Die Impfempfehlungen der
Ständigen Impfkommission (STI-
KO) am RKI sehen Folgendes vor:
Erste MMR-Impfung im Alter von
elf bis 14 Monaten (im Rahmen
der U6-Untersuchung). Diese
Impfung kann bereits ab dem
neunten Lebensmonat durch-
geführt werden, wenn der Säug-
ling in einer Krippe oder Tages-
stätte aufgenommen werden
soll oder Kontakt zu einem Ma-
sernerkrankten hatte (Impfung
dann innerhalb von drei Tagen).
Zweite MMR-Impfung (auch als
MMRV mit Varizellen-Kompo-
nente im Alter von 15 bis 23
Monaten (im Rahmen der U7-
Untersuchung): wichtige „Auf-
fangimpfung“ für mögliche
Non-Responder auf die erste
MMR-Impfung, ist also nicht
als Auff rischung zu verstehen.
Versäumte oder verschobene
MMR-Impfungen sollten mög-
lichst rasch ab dem zweiten Le-
bensjahr nachgeholt werden
(Nachholimpfungen bis Ende
des 17. Lebensjahres).
Eine MMR-Impfung für alle nach
1970 Geborenen (ab dem 18.
Lebensjahr) mit unklarem Impf-
status, ohne (dokumentierte)
Impfung oder mit nur einer
Impfung in der Kindheit. Bei un-
klarer Immunität: vorab keine
Antikörper-Bestimmung, son-
dern gleich MMR-Impfung.
Initiativen zur Förderung der Masernimpfung
Um die Impfquoten gegen Masern
zu verbessern, wurden 2013 Kam-
pagnen begonnen, die insbeson-
dere auch auf den unzureichenden
Impfschutz bei jungen Menschen
Dem hohen Engagement der impfenden Ärzte ist es zu verdan-
ken, dass sich in Bayern der
Schutz der Be-völkerung vor
Masern deutlich verbessert hat.
9TITELTHEMA
K VB FORUM 10/2014
9
aufmerksam machen. So hat zum
Beispiel das Bayerische Gesund-
heitsministerium zusammen mit
der Landeshauptstadt München
die Aufklärungskampagne „Ma-
sern? Lass dich impfen!“ initiiert.
Diese umfasste einen Kinospot,
Plakataktionen und weitere Maß-
nahmen, die vor allem Jugendliche
und junge Erwachsene für das The-
ma Masern sensibilisieren sollen.
Auch die Bundeszentrale für ge-
sundheitliche Aufklärung (BZgA)
spricht unter dem Motto „Deutsch-
land sucht den Impfpass“ insbe-
sondere junge Bevölkerungsgrup-
pen an. Damit sollen bestehende
BZgA-Informationen für Eltern in
Bezug auf die Impfungen im Kin-
desalter ergänzt werden.
Auch die KVB hat aufgrund der ge-
häuften Masernfälle in Bayern ihr
Informationsangebot für die Ver-
tragsärzte erweitert und separate
Internetseiten zum Thema Masern
und Schutzimpfungen neu einge-
richtet. Dort fi nden sich Fachinfor-
mationen zur Masernerkrankung
und zur Masernimpfung sowie di-
rekte Verlinkungen auf hilfreiche
externe Angebote. Anfang April
2014 hat die KVB die nächste Initi-
ative zur Förderung der Masern-
impfung gestartet und ein umfas-
sendes Informationspaket an alle
in Bayern impfenden niedergelas-
senen Ärzte versandt (siehe unser
Artikel auf Seite 6).
Masernimpfzahlen in Bayern
Wie verlief nun die Entwicklung
der Impfzahlen in Bayern in den
Jahren 2010 bis 2013?
Abbildung 1 zeigt den Verlauf aller
abgerechneten Masernimpfungen
(mit Einzel- oder Kombinationsimpf-
stoff ) pro Quartal. Insgesamt ist die
Entwicklung sehr positiv zu bewer-
ten: 2010 über 186.000, 2013 über
234.000 von Vertragsärzten durch-
geführte Impfungen, somit eine Zu-
nahme von fast 26 Prozent über vier
Jahre. In 2011 und 2013 – Jahren
mit Masernhäufungen in Bayern,
entsprechender Medienpräsenz
des Themas und vermutlich auch
stärkerer Nachfrage nach der Ma-
sernimpfung durch die Bevölkerung
– ist dabei jeweils ein deutlicher
Anstieg gegenüber dem Vorjahr
erkennbar. Zu jedem Jahrgang fällt
auf, dass im ersten und vierten
Quartal die wenigsten Masernimp-
fungen durchgeführt wurden. Dies
könnte darin begründet sein, dass
in den Herbst- und Wintermonaten
wegen der saisonalen Atemwegs-
infekte („grippale Erkältungszeit“)
anstehende Masernimpfungen bei
Säuglingen und Kleinkindern zeit-
lich verschoben werden. Angezeigt
ist dies nur bei fi eberhaften oder
stark symptomatischen Verläufen.
Die Impfung ist dann aber mög-
lichst bald nachzuholen.
Masernimpfungen: Anzahl pro Quartal (alle Abrechnungsnummern)
Abbildung 1 Quelle: KVB
Q12010
Q12011
Q12012
Q12013
Q22010
Q22011
Q22012
Q22013
Q32010
Q32011
Q32012
Q32013
Q42010
Q42011
Q42012
Q42013
80.000
70.000
40.000
50.000
60.000
30.000
20.000
10.000
GO
P H
äufi g
keit
0
Quartal
2010: 186.325 2011: 216.769 2012: 207.752 2013: 234.491
TITELTHEMA10
K VB FORUM 10/2014
Abbildung 2 zeigt den Verlauf der
Masernimpfungen ausgewertet
nach den Fachgruppen, die die
Impfungen durchgeführt haben.
Der weitaus größte Anteil entfällt
erwartungsgemäß in allen Jahren
auf die Kinder- und Jugendärzte.
Seit 2010 wird in allen Fachgrup-
pen in der Tendenz zunehmend
geimpft. Es zeigt sich aber insbe-
sondere bei den hausärztlich täti-
gen Ärzten (Allgemeinmediziner,
Praktische Ärzte und Internisten)
und den Frauenärzten ein deutli-
cher Anstieg der durchgeführten
Masernimpfungen. Diese beiden
Gruppen haben ihre Impfzahlen je-
weils fast verdoppelt, wobei 2013
die Kinder- und Jugendärzte aber
immer noch über 74 Prozent aller
Masernimpfungen durchführten.
Abbildung 3 zeigt den Verlauf der
Masernimpfungen in Bezug auf die
Altersgruppen der Geimpften. Der
stärkste Anstieg ist in der Gruppe
zu verzeichnen, die zwischen 18
Jahre alt und nach 1970 geboren
ist. Mitte 2010 wurde von der STIKO
erstmals die einmalige Impfung für
alle nach 1970 Geborenen (ab dem
18. Lebensjahr) mit unklarem Impf-
status, ohne Impfung oder mit nur
einer Impfung in der Kindheit emp-
fohlen. In den Folgejahren wurde
diese Impfempfehlung zunehmend
angenommen, wobei von 2012 auf
2013 allein eine Zunahme um fast
50 Prozent auf über 39.000 Impfun-
gen erreicht wurde. Dies legt die
Interpretation nahe, dass die ge-
nannten Kampagnen zur Förderung
der Masernimpfung insbesondere
bei jungen Erwachsenen ankommen
und erfreulicherweise zum Erfolg
führen. Auch in der Altersgruppe
der unter Zweijährigen ist eine leich-
te Zunahme an Impfungen über die
Jahre zu erkennen. Im Jahr 2013
wurden in dieser Altersgruppe über
131.000 Impfungen durchgeführt.
Bei durchschnittlich etwa 105.000
Lebendgeburten pro Jahr in Bayern
(Daten des Bayerischen Landes-
amtes für Statistik und Datenver-
arbeitung) müsste aber noch mehr
gegen Masern bis zum Ende des
zweiten Lebensjahres geimpft
werden, um eine möglichst voll-
ständige und fristgerechte zwei-
malige Durchimpfung jedes Ge-
burtenjahrgangs nach STIKO-Emp-
fehlung zu erreichen. Die bei den
zwischen zwei und sechs Jahren
alten Kindern etwa 45.000 pro
Jahr zusätzlich durchgeführten
Impfungen erhöhen zwar die Impf-
quote bis zum Schuleintrittsalter,
können aber die Impfl ücken eben-
so wie spätere Nachholimpfungen
bis zum 18. Geburtstag nicht aus-
reichend schließen. Dies belegen
die Masernerkrankungen der Jahre
2011 und 2013, die insbesondere
auch diese Altersgruppen in Bay-
ern sehr stark betroff en haben.
Abbildung 4 zeigt die Veränderung
in Prozent der Masernimpfungen
in allen Altersgruppen in den baye-
rischen Stadt- und Landkreisen
dargestellt für das Jahr 2013 im
Vergleich zum Jahr 2012. In insge-
samt neun Kreisen wurde ein An-
stieg der Impfzahlen gegenüber
dem Vorjahr um mehr als 20 Pro-
zent erreicht, in München Stadt,
im Landkreis Ebersberg und im
Landkreis Landsberg am Lech so-
gar um mehr als 30 Prozent. Er-
freulich ist aber auch, dass nicht
nur in Oberbayern, dem im Jahr
2013 vorrangig von Masern betrof-
fenen Regierungsbezirk, sondern
auch in vielen anderen Regionen
und Kreisen die Masernimpfzahlen
gesteigert werden konnten. Be-
achtet werden sollte jedoch auch,
dass in einigen Kreisen 2013 weni-
ger, vereinzelt um mehr als zehn
Prozent, gegen Masern geimpft
wurde als im Vorjahr. Dies bedarf
Abbildung 3 Quelle: KVB
0
100.000
150.000
200.000
250.000
50.000
0
Masernimpfungen: Anzahl nach Altersgruppen < 2 Jahre 2 - 6 Jahre 7 - 17 Jahre18 Jahre und nach 1970 Geborene ältere Geimpfte
2010
186.325
2011
216.769
2012
207.752
2013
234.491
GO
P H
äufi g
keit
Kinderärzte
2011
216.769
2012
207.752
2013
234.491
Abbildung 2 Quelle: KVB
100.000
150.000
200.000
250.000
50.000
0
Masernimpfungen: Anzahl nach Fachgruppen
Frauenärztehausärztlich tätige Ärzte
2010
186.325
GO
P H
äufi g
keit
Kinder- und Jugendärzte
11titelthema
K VB FORUm 10/2014
weiterer Analysen zur Klärung mög- licher Ursachen und eventuell ver-mehrter Anstrengung und lokaler Zusammenarbeit, um die Masern-impfungen dort wieder steigern zu können.
Fazit und ausblick
Insgesamt zeigen die dargestellten Auswertungen zu den Masernimp-fungen in Bayern von 2010 bis 2013 eine sehr positive Entwicklung. Al-len impfenden niedergelassenen Vertragsärzten ist zu danken, dass die Impfzahlen insgesamt und in vielen Altersgruppen im Verlauf an- gestiegen sind und somit der Schutz der Bevölkerung vor den Masern, einer für alle Erkrankten gefährli-chen und höchst kontagiösen In-fektionskrankheit, deutlich verbes-sert werden konnte. Die initiierten Kampagnen und Maßnahmen ver-
schiedener Institutionen und Ver-bände, darunter auch der KVB, zeigen erste Erfolge bei der Ver-mittlung der Bedeutung der Ma-sernimpfung für jeden Einzelnen, aber auch für die gesamte Gesell-schaft. Nun gilt es, den eingeschla- genen Weg konsequent fortzuset-zen. Insbesondere auch Jugendli-che und junge Erwachsene sollten durch die Vertragsärzte auf die MMR-Impfung hingewiesen und bei bestehender Indikation ge-impft werden. Aufgrund ungenü-gender Immunität bei den jungen Erwachsenen ist zu befürchten, dass Masern bei Säuglingen we-gen fehlender schützender müt-terlicher Antikörper und nicht aus-reichendem „Herdenschutz“ zu-nehmen könnten. Auch deshalb wird nicht nur an die Kinder- und Jugendärzte appelliert, die Impf-zahlen weiter zu erhöhen, sondern
insbesondere auch an die haus-ärztlich tätigen Kollegen und die Gruppe der Frauenärzte. Vor allem auch junge Frauen mit Kinder-wunsch sollten vor einer Schwan-gerschaft bei Bedarf gegen MMR geimpft werden.
Gemeinsam ist sogar das Ziel einer Elimination der Masern erreichbar. Voraussetzung dafür wäre eine 95-prozentige Durchimpfung in al-len Altersgruppen mit Impfemp-fehlung gegen Masern und maxi-mal eine Masernerkrankung pro eine Million Einwohner und Jahr. Das hieße für Bayern: in Zukunft höchstens zwölf Masernfälle jähr-lich. Dafür sollten alle Patienten-ansprechmöglichkeiten genutzt werden, durchaus auch über den Weg des Impfrecall-Systems in der Arztpraxis, um Impfpässe und andere Impfdokumentationen zu überprüfen und anstehende oder fehlende Impfungen nach STIKO-Empfehlung durchzuführen – nicht nur, aber insbesondere gegen die Masern.
Weitere Informationen zum Thema Masern und Schutzimpfungen fin-den Sie unter
� www.kvb.de in der Rubrik Pra-xis/Qualität/Infektionen/Masern sowie unter
� www.kvb.de in der Rubrik Pra-xis/Qualität/Infektionen/Schutz- impfungen.
Esther Scherpf, Luise Mocke, Dr. Lutz Bader (alle KVB)
masernimpfungen: Veränderung in prozent 2013 versus 2012 in den stadt- und landkreisen über alle altersgruppen (patientenwohnort)
Abbildung 4 Quelle: KVB
Zunahme zwischen 10 Prozent und unter 20 Prozent Zunahme über 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr
Um eine elimina-tion der masern zu erreichen, darf in den bis-herigen anstren-gungen nicht nachgelassen werden. Denn nur eine strate-gie zeigt erfolg: noch mehr imp-fen!
Abnahme zwischen -15 Prozent und unter 0 Prozent Zunahme zwischen 0 Prozent und unter 10 Prozent
TITELTHEMA12
K VB FORUM 10/2014
Der Facharzt für Kinderheil-
kunde und Jugendmedizin
ist seit fast zwanzig Jahren
in eigener Praxis im Herzen von
Augsburg niedergelassen und tritt
auch als Buchautor in Erscheinung.
Herr Dr. Lang, wie viele Kinder haben Sie dieses Jahr gegen Ma-sern geimpft?
In unserer Augsburger Praxis ha-
ben wir in diesem Jahr bis Juli über
200 Kinder gegen Masern geimpft,
die Mehrzahl mit dem quadrivalen-
ten Impfstoff MMRV.
Sind die Eltern Ihrer Meinung nach genug sensibilisiert für die Wichtigkeit eines Impfschutzes? Mit welchen Bedenken, beispiels-weise der Angst vor Impfschä-den oder Nebenwirkungen, kom-men die Eltern in Ihre Praxis?
Die Aufklärungsquote hat sich im
letzten Jahr gebessert. Nach mei-
ner Erfahrung sind sämtliche junge
Familien sachgerecht informiert.
85 Prozent akzeptieren den Impf-
schutz gegen Masern, Mumps, Rö-
teln. In der Praxis erlebe ich einen
Anteil von zehn bis 15 Prozent
impfkritischer Eltern. Die Hälfte
der Impfskeptiker lässt sich durch
sachgerechte Information zum
Impfstoff und eine realitätsnahe
Wie gelingt es, in der Praxis Masernaufklärung zu betreiben und die Impfquoten
zu erhöhen? KVB FORUM hat sich mit Dr. Martin Lang, dem Landesvorsitzenden
der Kinder- und Jugendärzte Bayern (BVKJ), unterhalten und ihn nach seinen
Erfahrungen im Umgang mit den Impfängsten der Eltern befragt. Entscheidend
ist seiner Meinung nach, genug Zeit im Patientengespräch zu haben, um sach-
lich und nachvollziehbar über die Verträglichkeit der Impfung zu informieren.
„ENTSCHEIDEND IST EIN GUTES VERTRAUENSVERHÄLTNIS“
Schilderung der Risiken und tödli-
chen Langzeitfolgen der Masern
überzeugen. Es bleibt ein kleiner
Anteil von Eltern, die ihre ableh-
nende Impfeinstellung beibehal-
ten. Sie sind mitunter durch Laien,
medizinische Hilfsberufe, Heilprak-
tiker und freie Hebammen dogma-
tisch beeinfl usst und verängstigt.
Seit Jahren haben mir auch kriti-
sche Eltern keine konkreten nega-
tiven Ereignisse nach Impfungen
berichtet. Dennoch bleiben einige
voreingenommen und kurzfristig für
rationale Argumente unzugänglich.
Gibt es unter den Eltern be-stimmte Gruppen, die besonders kritisch oder besonders schwer zu überzeugen sind?
Unter den impfkritischen Eltern fi n-
den sich überdurchschnittlich vie-
le Bildungsbürger – beispielsweise
Lehrer, Rechtsanwälte, Angehörige
von alternativen Heilberufen. Auch
manche Eltern eines zweit- oder
drittgeborenen Kindes, lassen sich
von Impfängsten ihrer Peergroups
(zum Beispiel Stillcafé, Kita, Nach-
barn) negativ beeinfl ussen, obwohl
sie selbst keine schlechten Erfah-
rungen bei der Impfung des ersten
Kindes gemacht haben.
Wie gestalten Sie Ihre Gesprä-che, um die nötige neutrale In-formation zu vermitteln? Welche Informationsmaterialien bieten Ihnen eine gute Hilfe?
Entscheidend ist ein gutes Ver-
trauensverhältnis. Dies erfordert
Zeit und ausreichende Hinwendung.
Wir klären sachlich, neutral und
nachvollziehbar über die Krankheit
und ihre Gefahren sowie über die
Verträglichkeit moderner Impfstof-
fe auf. Zum Nachlesen empfehle
ich beispielsweise die Aufklä-
rungsbroschüre von Dr. Uwe Goe-
ring „Welche Impfungen braucht
mein Kind“, das Informationsblatt
„Masernimpfung“ des Bayerischen
Gesundheitsministeriums, das un-
ter Mitwirkung unserer BVKJ-Impf-
expertin Dr. Brigitte Dietz entstan-
den ist, oder aber auch Broschüren
der Bundeszentrale für gesund-
heitliche Aufklärung.
Der Landesvor-sitzende der Kin-der- und Jugend-
ärzte Bayern, Dr. Martin Lang, plädiert für eine
betriebswirt-schaftlich
adäquate Vergü-tung von Impf-
leistungen.
13TITELTHEMA
K VB FORUM 10/2014
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass sich die Haltung Imp-fungen gegenüber in den letzten Jahren verändert hat?
Die Berichterstattung über die Zu-
nahme letal verlaufender Fälle von
subakuter sklerosierender Panen-
zephalitis, kurz SSPE, als Folge ei-
ner Maserninfektion hat zu einem
Umdenken der Impfskeptikersze-
ne geführt. Mittlerweile werden
die Masern nicht mehr als harmlo-
se Kinderkrankheit dargestellt. Der
traurige Anstieg von SSPE-Erkran-
kungen besonders im Säuglings-
und Kleinkindalter in Bayern und
die Masernimpfkampagne des Ge-
sundheitsministeriums und der KVB
haben die MMR-Impfrate gebes-
sert. Dennoch haben in Bayern
zum Schuleintritt erst zirka 90
Prozent der Kinder einen vollstän-
digen MMR-Impfschutz.
Das Thema „Herdenschutz“ zielt ja auch besonders auf Gemein-schaftseinrichtungen wie Kinder-tagesstätten oder Schulen ab. Verstehen die Eltern dieses Ar-gument und wie können die Trä-ger der Einrichtungen eingebun-den werden?
Da heute die Kleinkinder frühzeitig
in Krippen und Kindertagesstätten
untergebracht werden, sehen die
Eltern das Herdenschutzkonzept
positiv. Nur ein kleiner Teil von Impf-
verweigerern stellt die individuelle
Freiheit des Nichtimpfens vor den
Schutz der Gemeinschaft. Dass der
Herdenschutz aber auch einen bes-
seren Individualschutz mit sich
bringt, negieren sie. Daher müssen
wir die Einrichtungen aktiv in die Ge-
sundheitsprävention und Impfstra-
tegien mit einbinden. Vor Aufnahme
in Gemeinschaftseinrichtungen
sollte der Impfstatus erfragt und
im Falle von Impfl ücken den Eltern
eine verpfl ichtende Beratung bei
ihrem Kinder- und Jugendarzt oder
Hausarzt auferlegt werden.
Was könnte durch Politik, Kran-kenkassen und Ärzteschaft in Sachen Masernimpfung noch verbessert werden? Ist die ge-genwärtige Vergütung Ihrer An-sicht nach ausreichend?
Die Politik muss den gesetzlichen
Rahmen schaff en, dass alle Kinder
und Schulkinder in staatlichen oder
städtischen Einrichtungen einen
STIKO-konformen Grundimpfstatus
vorweisen können. Der Öff entliche
Gesundheitsdienst sollte bei ange-
stellten Mitarbeitern von Kinder-
betreuungseinrichtungen, Familien-
hebammen und ähnlichen Berufen
den erforderlichen Impfschutz
prüfen und sicherstellen. Es soll-
ten dort Meldestellen eingerichtet
werden, bei denen Verstöße ge-
gen regelrechte Aufklärung über
den vorbeugenden Impfschutz
nach den Richtlinien der STIKO ge-
meldet, abgemahnt und auch ge-
ahndet werden können. Kranken-
kassen sollten ihre Versicherten
schriftlich auf Impfl ücken hinwei-
sen und Bonussysteme für einen
nachgewiesenen vollständigen
Impfstatus etablieren.
In der vertragsärztlichen Tätigkeit
ist eine Gebührenordnungsziff er für
die eingehende Impfberatung über-
fällig. Dabei ist der erhebliche Zeit-
aufwand, insbesondere bei unsi-
cheren, impfskeptischen Familien,
zu berücksichtigen ebenso die Zu-
nahme der impfpräventablen Krank-
heiten in den letzten Jahren. Und
auch die Durchführung von Impf-
leistungen muss endlich betriebs-
wirtschaftlich adäquat vergütet
werden.
Immer wieder wird der Ruf nach einer „Impfpfl icht“ für bestimm-te Krankheiten laut. Wie stehen Sie dazu?
In einigen Ländern, in denen eine
Impfpfl icht besteht, werden die
notwendigen Durchimpfungsraten
von 95 Prozent trotz aller Appelle
nicht erzielt. Ich fordere, dass die
aktuellen Empfehlungen der STIKO
Leitliniencharakter bekommen
und für alle Personen gelten müs-
sen, die berufl ichen Umgang mit
Kindern haben, wie Hebammen,
Ärzte, Erzieher, Lehrer, Heilprakti-
ker. Zur Ausübung ihrer Tätigkeit
müssen sie selbst ausreichend ge-
impft sein, damit sie Kinder, die
aus medizinischen Gründen nicht
geimpft werden können, nicht an-
stecken.
Masern sind ja nicht nur für Kin-der gefährlich. Sprechen Sie die Eltern auch auf ihren eigenen Impfschutz an?
Selbstverständlich. Wir bitten die
Eltern ihren Impfpass mitzubrin-
gen, prüfen die Impfl ücken und ver-
weisen auf erforderliche Nachhol-
impfungen, die sie beim Hausarzt,
Frauenarzt oder Kinder- und Ju-
gendarzt erhalten. Dabei erklären
wir die Bedeutung des gemeinsa-
men Schutzraumes in der Familie.
Es ist zu verhindern, dass beispiels-
weise Väter gefährliche Krankhei-
ten nach Hause mitbringen und
erst recht, dass Mütter ihren Un-
geborenen und Säuglingen keinen
Nestschutz mitgeben, weil sie selbst
nicht oder ungenügend geimpft
sind. Dies gilt im Falle der Masern
insbesondere für alle nach 1970
geborenen Erwachsenen, die bei
fehlendem oder unbekanntem
Impfstatus eine einmalige MMR-
Impfung erhalten sollen.
Herr Dr. Lang, vielen Dank für das Gespräch!
InterviewMarkus Kreikle (KVB)
TITELTHEMA14
K VB FORUM 10/2014
Impfungen zählen zu den wich-
tigsten präventiven Maßnahmen
gegen Infektionskrankheiten, so-
wohl aus individualmedizinischer
als auch aus bevölkerungsmedizi-
nischer Sicht. Das Erreichen einer
wirksamen Impfprävention muss
daher einen hohen Stellenwert in
der Gesellschaft haben – auch auf
politischer Ebene. Impfprävention
kann nur dann eff ektiv sein, wenn
alle in diesem Bereich Verantwort-
lichen zusammenarbeiten. Impfprä-
vention ist somit als gesamtgesell-
schaftliche Aufgabe zu verstehen.
Diese Maxime ist verankert im
2006 vom Bayerischen Gesund-
heitsministerium in Zusammenar-
beit mit dem Bayerischen Landes-
amt für Gesundheit und Lebens-
mittelsicherheit entwickelten
„Bayerischen Impfkonzept“. Kern-
stück dieses Konzepts war die
Gründung der Bayerischen Lan-
Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)
untersucht unter anderem die gesundheitliche Situation der Bevölkerung in
Bayern und entwickelt und bewertet Präventions- und Handlungskonzepte. In sei-
nem Gastkommentar würdigt der Präsident des LGL, Landesarzt Dr. Andreas
Zapf, das Engagement der niedergelassenen Ärzte als Basis einer eff ektiven
Impfprävention.
EFFEKTIVE IMPFPRÄVENTION
desarbeitsgemeinschaft Impfen
(LAGI). Dabei handelt es sich um
ein industrieunabhängiges Gremi-
um, das alle in Bayern für die Impf-
prävention tätigen Akteure und In-
stitutionen vernetzt und eine Platt-
form für deren partnerschaftliche
Zusammenarbeit bietet. Die 2012
entwickelte Bayerische Impfstrate-
gie stellt eine Bestandsaufnahme
und Weiterentwicklung des Bayeri-
schen Impfkonzepts dar. Sie fußt
auf vier Säulen: zielgruppenspezi-
fi sche Öff entlichkeitsarbeit, ver-
stärkte Vernetzung, Ausbau des
Impfmanagements und Erweite-
rung der Datengrundlage. Gemein-
sames Ziel der beteiligten Akteure
ist es, durch enge Kooperation die
Durchimpfungsraten in der bayeri-
schen Bevölkerung weiter zu ver-
bessern.
Impfen ist und bleibt primäre Auf-
gabe der niedergelassenen Ärzte-
schaft. Der Öff entliche Gesundheits-
dienst (ÖGD) unterstützt und er-
gänzt dieses Angebot, indem Mit-
arbeiter des ÖGD im Rahmen der
Schuleingangsuntersuchungen die
Impfausweise aller einzuschulen-
den Kinder kontrollieren, die Eltern
zur Bedeutung eines vollständigen
und altersgemäßen Impfschutzes
beraten und im Rahmen eines „Re-
call-Systems“ an nachzuholende
Impfungen erinnern. Weitere Maß-
nahmen sind die Impfbuchkontrol-
le in den sechsten Klassen, ein sub-
sidiäres Impfangebot an den Ge-
sundheitsämtern sowie die Infor-
mation der Ärzteschaft über
regionale Durchimpfungsraten.
Bayern ist nicht „impfmüde“. Die
bayerischen Schuleingangsunter-
suchungen der letzten Jahre bele-
gen mit sehr guten Durchimpfungs-
raten von 95 Prozent und mehr bei
Tetanus, Diphtherie und Polio das
starke Engagement der niederge-
lassenen Ärztinnen und Ärzte. Er-
folgreich sind sie auch bei der
Impfung gegen Masern. Die Ma-
sernimpfraten sind in den letzten
Jahren kontinuierlich gestiegen. Im
Schuljahr 2012/2013 sind 95,3 Pro-
zent der Vorschulkinder mindes-
tens einmal und 90,5 Prozent min-
destens zweimal gegen Masern
geimpft. Dennoch sind weitere An-
strengungen nötig. Das von der
Weltgesundheitsorganisation für
2015 erklärte Ziel der Masernelimi-
nation ist in Bayern noch nicht er-
reicht. Insbesondere bei den Ju-
gendlichen und jungen Erwachse-
nen bestehen noch große Impfl ü-
cken, die immer wieder zu regional
begrenzten Masernausbrüchen füh-
ren. Ohne das weiterhin unermüd-
liche Engagement der niedergelas-
senen Ärztinnen und Ärzte werden
wir diese Lücken nicht schließen
können.
Dr. Andreas ZapfBayerischer Landesarzt
Der Bayerische Landesarzt Dr.
Andreas Zapf will durch enge
Kooperation die Durchimpfungs-
raten in der bayerischen Be-
völkerung wei-ter verbessern.