Shopping for a better world
Dr. Jana Friedrichsen
DIW
Lange Nacht der Wissenschaften 2017
Durch Kaufen die Welt retten?
I Kopplung von Konsum mit Beitragen zu Umweltschutz odersozialen Projekten ist heute allgegenwartig
I mit dem Produkt verbundene Beitrage wie z.B. Fairtrade,Biosiegel, nachhaltiger Fischfang, Produkte ausRecyclingmaterial
I oder davon unabhangig wie z.B. bei LemonAid, Krombacher,und viele mehr
I das Potential fur Veranderung ist enormI Konsum privater Haushalte allein ist fur rund ein Viertel der
Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlichI davon die wichtigsten Bereiche, die ca. 70-80% der
Umweltfolgen des Konsums ausmachen sind Bauen&Wohnen,Mobilitat und Ernahrung
I private Kaufentscheidungen konnen sehr flexibel aufInformationen reagieren
I Handel und Hersteller haben ein Interesse auf Verbraucher zureagieren (wenn diese zahlreich und kaufkraftig sind)
Begriffsbestimmung I
Nachhaltiger Konsum
“Folgt man dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung istKonsum dann nachhaltig, wenn er ”den Bedurfnissen derheutigen Generation entspricht, ohne die Moglichkeitenkunftiger Generationen zu gefahrden, ihre eigenenBedurfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zuwahlen”. Dabei mussen wir beachten, dass sich derKonsum in Deutschland aufgrund globalerProduktionsprozesse und Lieferketten sowohl auf dieUmwelt als auch auf die Menschen im Ausland auswirkt.”(Umweltbundesamt, 2016)
I Effizienz des Konsums steigern, z.B. Energieeffizienz
I Konsummuster verandern, z.B. Saisonalitat, Regionalitat
I Konsum reduzieren, z.B. freiwillige Simplizitat
Begriffsbestimmung II
Ethischer KonsumVerbraucher sind aktiv und treffen Kaufentscheidungenwertebasiert, ziehen z.B. ethische Produkte konventionellen vor(“buycotting”) - mehr ethisch kaufen bedeutet dann auch mehrethisches Verhalten
I davon abzugrenzen: Boykott, der allerdings auch ethisch,moralisch motiviert sein kann
I Uberschneidungen mit nachhaltigem Konsum aber nichtdeckungsgleich
Markt fur “nachhaltige” oder ethische Produkte
I Nationales Programm fur Nachhaltigen Konsum (2016) derBundesregierung will nachhaltigen Konsum systematischausbauen
I laut einer Studie der GfK von 2014 sind ca. ein Viertel derVerbraucher LOHAS
I Nachhaltigkeitskriterien spielen sogar fur 64 Prozent derVerbraucher eine Rolle bei Kaufentscheidungen (Utopia, 2015)
Entwicklung des nachhaltigen Konsums
I Marktentwicklung scheint Verbraucherwunsche zu reflektierenI Marktanteil von Bio und Fairtrade steigtI biologisch hergestellte und fair gehandelte Produkte
mittlerweile auch in Discountern und in verschiedenstenPreisklassen erhaltlich
I Energieeffizienz von Produkten steigt
I Unternehmen, Verbraucher und Umwelt profitieren vonnachhaltigen Produkten
I Freiwilligkeit auf allen Seiten bleibt gewahrt
I aber: laut Umweltbewusstseinsstudie 2016 glauben 61Prozente der Befragten nicht, dass Marktkrafte allein dienotwendigen Veranderungen (Umwelt- und Klimaschutz)bewirken werden
Absolute Umsatzzahlen
7,95 8,52 9,11 9,58
14,00
22,4324,50 23,85
12,62
13,45
13,86 14,98
1,37
1,87
1,50 1,60
100,0
126,7
133,6 132,5
40
60
80
100
120
140
0
10
20
30
40
50
60
2011 2012 2013 2014
Umsätze in Milliarden Euro
Ernährung Wohnen Mobilität Sonstige Konsumgüter Index
Quelle: Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) 2016, Marktdaten Nachhaltigen Konsums* Indexwerte: Umsätze gewichtet nach Kohlendioxid-Relevanz der Konsumfelder
Umsätze ausgewählter "grüner" Produkte
Index* (2011=100)
Quelle: Umweltbundesamt, 2016
In der Perspektive
I umsatzmaßig wichtigste Bereiche sind Wohnen, Mobilitat undLebensmittel
I in diesen Bereichen auch besonders großes Potential. z.B. inBezug auf CO2-Reduktion
I aber: bezogen auf private Konsumausgaben sind Marktanteilei.d.R. einstellig (Ausnahme: energieeffiziente Haushaltsgeratemit 55-85%)
I theoretischer Marktanteil nachhaltiger Produkte liegt beigeschatzt 40% (Schatzung von Balderjahn (2013), basierendauf Umfragedaten)
I Was ist das Problem?I Zahlungsbereitschaften zu gering?I attitude-behavior gap (Carrington et al, 2016)?
Was interessiert die Verbraucher eigentlich?
I intrinsischer Nutzen (z.B. Gesundheit, Stromrechnung, . . . )I selbst etwas beitragen (z.B. zu Veranderung von
Produktionsbedingungen)I fuhlt sich gut an (“warm glow”, Andreoni, 1990)I Signal senden (“voting with the trolley”)I gutes Gewissen kaufen oder Verhalten kompensieren (“moral
licensing”, Mazar and Zhong, 2010)
I Image, Prestige, oder StatusI Kaufentscheidungen sagen etwas uber Vorlieben, Einkommen,
Werte des Kaufers (Miller, 2009)I diese Signale (der Eindruck) konnen fur den Verbraucher
wertvoll sein (Griskevicius et al, 2010)
I sozialer DruckI Individuen reagieren auf soziale NormenI passen ihr Verhalten unter Berucksichtigung der
wahrgenommenen sozialen Erwunschtheit an (Bernheim, 1994)
Wer zahlt mehr wofur und wie viel?
wer
I ethische Verbraucher alter, oft weiblich, gut ausgebildet,uberdurchschnittliche Einkommen (z.B., Andorfer, 2015)
wofur
I Mehrpreis nur fur wahrgenommenen Mehrwert, kann auch Status o.a. sein
I sozialer Druck kann Zahlungsbereitschaft fur konventionelle Produktesenken (Teyssier & Etile, 2015)
I Statusnutzen am liebsten durch sichtbare, bequeme und kostengunstigeOptionen erreichen
I hohere Zahlungsbereitschaften eher fur Luxusguter, Außerhauskonsum,Car-Sharing, weniger stark zu erwarten fur Vorrate, Zug vs. Flug, Fleisch
wieviel
I Mehrpreisbereitschaft fur nachhaltige Produkte oft gering (und geringerals Leute in Studien angeben, z.B. Johansson-Stenman and Svedsater,2012)
I ca. 50% wurden umweltfreundliche Produkte bevorzugen, finden sie zuteuer, 14% kaufen umweltfreundliche Variante auch zu Mehrpreis (NielsenGlobal Survey, Q1-2011)
Ein Experiment mit Schokolade: Fairtrade und Image
Quelle: eigene Daten, Laborexperiment mit 121 Teilnehmern, siehe auch Friedrichsen & Engelmann, DIWDiskussionspaper No. 1634, 2017
Verbrauchermotivation und Marktreaktion
I Verbraucher zahlen nicht nur fur das physische Gut
I Produkt hat Zusatznutzen durch z.B. Markennamen,ethischen Zusatznutzen oder Statusgewinn
I Zahlungsbereitschaften der Verbraucher unterscheiden sich(vgl. auch Experiment)
I Angebotsseite versucht durch Produkt- und PreisgestaltungProfit zu maximieren, z.B. Produktdifferenzierung
I nicht zu erwarten, dass dies sozial optimale Losung ergibt
Beispiel: Marktreaktion auf Image-motivierten Konsum
durchschn. Qualitat
λ0
Standard
λm
Image aufbauen
1 R−1L
˜λm
Exklusivitat
βλβ(1 − αs ) + βαs
β + (1 − β)αn
βαs
Quelle: in Anlehnung an Friedrichsen, 2016, WZB Diskussionspapier SP II 2016-202
I wenn Image wichtiger ist als Qualitat, kann Firma Standardsreduzieren oder durch Preiserhohungen die Menge strategischeinschranken
Weitere Hindernisse nachhaltigen Konsums
I Information:I sich informieren kostet Zeit und GeldI um gutes Gewissen zu schutzen, vermeiden wir negative
Information (Grossman and van der Weele, im Erscheinen)I Vielfalt unterschiedlicher Labels ist verwirrend und reduziert
Markterfolg (Harbaugh et al., 2010)I Verbraucher kennen teilweise Label nicht, bemerken sie nicht
oder sind schlecht uber Inhalte informiert (z.B., Noussair etal., 2002, Vlaeminck et al. 2014)
I Konsumeristische LogikI ethischer Konsum kann im Widerspruch zu dem Ziel starker
Nachhaltigkeit stehen (Reduktion)I in der Marktlogik liegt der Fokus der Verbraucher oft auf
niedrigen PreisenI Differenzierung, d.h. Vorhalten auch der konventionellen
Varianten, ist im Interesse der Anbieter
Beispiel: Fairtrade-Zertifizierung
I Mehrpreis fur Verbraucher ist oft hoher als Pramie, dieKleinbauern erhalten
I erwartete Reaktion profitmaximierender Firmen auf geringerePreiselastizitat ethisch motivierter Verbraucher
I Bundel aus Produkt und Spende kann, muss aber nichteffizient sein
I Verbraucher wahlen Bundel aus Produkt und Spende, auchwenn dies ineffizient ist (Munro and Valente, 2016)
I Kleinbauern werden in unbegrenzter Zahl zertifiziert, erhaltenaber keine Absatzmengengarantie sondern nur einePreisgarantie, so dass im Erwartungswert, keine Zugewinne furdie Bauern zu erwarten sind (de Janvry et al. 2015)
I Wohlfahrtseffekte in den Produzentenlandern sind bisheruneindeutig (e.g, Weber, 2011, van Rijsbergen et al. 2016)
I aber: die Auswirkungen von Fairtrade-Zertifizierung aufsoziale Indikatoren wie Schulbesuch positiv (z.B., Meemken etal., 2017)
Nebeneffekte ethischen KonsumsI Crowding out:
I unterschiedliche Ziele ethischen Konsums konnen miteinanderin Konflikt stehen, optimale Entscheidung schwierig (z.B.,Gjerris et al., 2016)
I Firmen engagieren sich im CSR-Bereich, um politischerRegulierung zuvorzukommen, die strenger sein konnte(Maxwell et al., 2000)
I ethischer Konsum kann dazu fuhren, dass sich Verbraucheranderswo weniger engagieren, auch wenn das effektiver ware(z.B., Munro and Valente, 2016)
I Verteilungseffekte:I im Gegensatz zu politischen Entscheidungen bestimmt beim
Abstimmen mit dem Einkaufswagen der Geldbeutel mitI privater Nutzen nachhaltigen Konsums ist aufgrund des
Mehrpreises nicht fur jeden zuganglichI andererseits zahlen im Markt die mit der hoheren
Wertschatzung auch mehr und tragen so mehr zuNachhaltigkeit bei
I welche Kleinbauern profitieren, welche nicht?
Shopping for a better world als komplexes Phanomen
I Auswirkungen ethischen und nachhaltigen Konsums sindschwer zu fassen
I direkte positive Effekte schwer beweisbar, gleiches gilt aber furnegative Effekte
I problematisch, wenn sich Nachhaltigkeitsimages bilden, dienicht mehr hinterfragt werden (auch “greenwashing”)
I Verbraucher dort aktiv, wo bequem und sichtbar, nichtunbedingt dort wo sehr effektiv (z.B. Flugreisen,Fleischkonsum, Wohnen)
I auch Konsum nachhaltiger Produkte steht einerKonsumreduktion entgegen
I stark nachfragegetriebene Entwicklung kann Regulierungbehindern
I Differenzierung zu erwarten, d.h. auch moglicherweiseungewollte Verteilungseffekte
Literature I
Andorfer, V. A. (2015). Ethical consumers. In J. D. Wright (Ed.), International Encyclopedia of the Social &Behavioral Sciences (Second Edition) (Second Edition ed.)., pp. 25 – 30. Oxford: Elsevier.
Andreoni, J. (1990). Impure altruism and donations to public goods: A theory of warm-glow giving. The EconomicJournal 100(401), 464–477.
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Carrington, M. J., B. A. Neville, and G. J. Whitwell (2010). Why ethical consumers don’t walk their talk: Towardsa framework for understanding the gap between the ethical purchase intentions and actual buying behaviour ofethically minded consumers. Journal of Business Ethics 97(1), 139–158.
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Literature II
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