Meine Rente
SÜDKURIER eBook 10
Ein Produkt aus dem SÜDKURIER Medienhaus
http://www.suedkurier.de | Mai 2017
SÜDKURIER GmbH Medienhaus,
Max-Stromeyer-Straße 178, 78467 Konstanz
Titelbild: Peter Freigang aus St. Georgen geht früher in
Rente. Dank guter Vorsorge war das für ihn kein
Problem. Bild: Sabine Tesche
Alle Rechte vorbehalten.
Inhaltsverzeichnis
Gut beraten in die Rente ................................................... 3
Wirtschaftsexperte: „Selbstständige sollten in die
Rentenkasse einzahlen“ ................................................ 8
Mehr zur Rente ............................................................... 12
Gut beraten in die Rente
Meine Rente – das neue SÜDKURIER-eBook zur großen
Nutzwertserie: Früher oder später geht die Rente alle an.
In den folgenden Kapiteln erfahren Sie, wie Sie am
besten fürs Alter vorsorgen und dabei kein Geld
verschenken.
Von Gabriele Renz
Martin Winterkorn erhält von seiner früheren Firma 3100
Euro Pension – nicht pro Monat, sondern pro Tag. Der
langjährige Automobilmanager holte bei Volkswagen
raus, was geht. Die Volksseele kocht. Denn Winterkorn
befeuert damit nicht einfach nur eine Neiddebatte. Dass
in der freien Wirtschaft Spitzenmanager an drei Tagen so
viel verdienen wie manch anderer kaum in einem Jahr, ist
hinlänglich bekannt. Und doch verletzt die bloße Zahl
das Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen im
Land. Es trifft in eine Zeit, in der Gewissheiten und
Zuversicht ohnehin erodieren. Insbesondere das
finanzielle Auskommen im Alter treibt viele um.
„Während wir dafür kämpfen, das gesetzliche
Rentenniveau für viele Millionen Menschen auf einem
Niveau abzusichern, das ein anständiges Leben im Alter
ermöglicht, hauen gleichzeitig die Unternehmen
Millionenbeträge für Manager raus. Das passt nicht
zusammen“, kritisierte DGB-Chef Reiner Hoffmann
denn auch Winterkorns ganz spezielles Rentenniveau.
In diesem Jahr – wie in vielen zuvor – hat das Thema
Rente wieder Konjunktur. Unterschiedliche Meinungen
über die Weichenstellungen für die künftigen Rentner
gibt es reichlich. Ein Wahlkampf ums soziale
Megathema naht. Der CDU-Wirtschaftsrat warnt bereits
vor Rentengeschenken. Stattdessen plädiert er für die
Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung –
also für längeres Arbeiten. Die CSU unter ihrem Chef
Horst Seehofer schreibt sich eine Ausweitung der
Mütterrente auf die Wahlkampffahnen, die Linke ein
Rentenniveau von 53 Prozent. Die AfD will, dass es zu
höheren Renten führt, wenn man viele Kinder hat. Ideen
gibt es viele in der Renten-Arena. Auch die große
Koalition aus CDU und SPD arbeitet derzeit an einer
sogenannten Rentenreform.
Egal wie die Lösung aussehen wird – der zentrale
Bestandteil bleibt das Rentenniveau. Das entscheidet, ob
Menschen im Alter von staatlichen Stützleistungen wie
Grundsicherung abhängig sein werden oder, was sich
natürlich alle wünschen, selbstbestimmt auf annähernd
gleichem Lebensstandard an gewohntem Ort weiterleben
können. „Menschen werden zu Bittstellern gemacht“,
kritisiert Roland Sing, der Landesvorsitzende des
Sozialverbandes VdK. Ihnen werde durch die
momentanen Rentenpläne die Würde genommen. Sing
fordert die Anhebung des Rentenniveaus von derzeit 48
auf 50 Prozent. „Unbezahlbar“, schallt es ihm von allen
Seiten entgegen. Manche Experten rätseln, ob dies noch
Sozialpolitik oder schon Armutsverwaltung ist.
Das deutsche Rentensystem ist als Solidarsystem
konzipiert: Die Arbeitnehmer von heute zahlen für die
aktuellen Rentner und wenn sie selbst in den Ruhestand
gehen, übernimmt die nachfolgende Generation. Für
viele Menschen in Deutschland ist die gesetzliche Rente
die wichtigste und oft einzige Säule ihrer
Alterssicherung. Während höhere Einkommensgruppen
über Immobilien, Aktien oder Fonds vorbauen können,
manche in den Genuss von Betriebsrenten oder einer
berufsständischen Zusatzversorgung kommen, sind doch
viele Normalverdiener auf die gesetzliche Rente
angewiesen, allenfalls ergänzt durch staatlich gesponserte
Zusatzversicherungen wie Riester oder Rürup.
„Die Rente ist sicher!“ Bundesarbeitsminister Norbert
Blüm (CDU) prägte 1997 diesen Satz mit
Ewigkeitscharakter: Er stimmt, die Frage ist nur, in
welcher Höhe. Als Blüm seinen Ausspruch tat, wurde im
Deutschen Bundestag darum gestritten, ob das
Rentenniveau im Jahr 2010 bei 65 oder 64 Prozent liegen
wird. SPD-Sozialexperte Rudolf Drexler plädierte damals
für 70 Prozent als „dauerhaft tragfähig“. Derzeit erhalten
deutsche Rentner gerade 47 Prozent des lebenslang
erwirtschafteten Durchschnittseinkommens – anders etwa
als Beamte, die 70 Prozent der letzten und höchsten
Gehaltsstufe überwiesen bekommen. Das Ruhegeld wird
zudem besteuert: In diesem Jahr erhöht sich der
steuerpflichtige Anteil von 72 auf 74 Prozent für
Neurentner. Für alle anderen gilt der Beschluss von 2006:
Jedes Jahr werden zwei Prozent mehr besteuert – bis
2020 sind es 80, bis 2040 ganze 100 Prozent. An dieser
Stellschraube freilich ließ das Bundesverfassungsgericht
drehen. Die Politik drehte an weiteren, allen voran: Die
große Koalition von 2008 hob das Rentenalter
stufenweise von 65 auf 67 Jahre, um es teilweise wieder
auf 63 abzusenken.
Manche Partei, manche Bundesregierung konnte zudem
der Versuchung nicht widerstehen, in die Rentenkasse zu
greifen, um politische Signale an potenzielle Wähler oder
die eigene Klientel auszusenden. Zuletzt in Form der
Mütterrente, einer hartnäckig verfolgten CSU-Idee,
gegen die es inhaltlich kaum Kritik gab: Wer wollte den
älteren Müttern keine bessere Alterssicherung gönnen?
Und doch wiederholte sich der Sündenfall, der längst am
Solidarsystem Rente nagt wie Taubenkot am Sandstein.
Jene Empfängerinnen hatten nie in das Rentensystem
einbezahlt. Schon im Zuge der Deutschen Einheit holte
die Kohl-Regierung alle Ost-Rentner ins System. Aktuell
ist die Angleichung des Niveaus der Ost-Renten im
Gespräch. Rufe, dies doch aus Steuermitteln, also durch
alle Bürger zu finanzieren, verhallen ungehört. Solche
Übergriffigkeit der Regierenden hat Folgen.
Keineswegs nur Berufsskeptiker sagen voraus, dass
immer mehr Rentner in die Grundsicherung fallen
werden, wenn das Rentenniveau weiter sinkt. Der
Ökonom Bernd Raffelhüschen gilt als Provokateur, weil
er gebetsmühlenhaft private Vorsorge nahelegt und die
Rente ab 63 als Schwachsinn bezeichnet. Dabei ist das,
was er sagt, das Ergebnis einer rein systemimmanenten
Analyse: Bleibt das deutsche Rentensystem wie es ist
und plündert die Politik die Kassen weiterhin für
„Rentengeschenke“, werden die Menschen immer länger
arbeiten müssen und trotzdem immer weniger Rente
beziehen. Und es werden sich die Biografien häufen, in
denen Menschen, die lebenslang mit mehr oder weniger
Unterbrechung gearbeitet haben, kaum mehr bekommen
als jemand, der nie eingezahlt hat in die gesetzliche
Rentenversicherung. Raffelhüschen hat in seinem
Freiburger Institut einen Ordner mit der Aufschrift
„Crazy“ (dt. verrückt) angelegt. Dort werden alle bösen
Zuschriften und Morddrohungen abgelegt, auch die
Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden, weil der
(verbeamtete) Professor schon mal Gutachten für die
Versicherungswirtschaft schreibt, die von seinen Tipps
profitiert. Auf Spaziergängen wird der 57-jährige
Forscher, wie er jüngst bekannte, von Rentnern schon
mal mit dem Gehstock verhauen. Das ist verwerflich,
zeigt aber doch eines: Es wächst der Frust jener
„Standardrentner“, die die Euphorie des früheren FDP-
Gesundheitsministers Daniel Bahr, auch mit 70 noch
lustvoll dazuzuverdienen, nicht teilen mögen. Sie
bestehen auf einen Ruhestand, der seinen Namen
verdient, als Einlösen eines Versprechens, das ihnen der
deutsche Sozialstaat gab.
Peter Bofinger ist Wirtschaftsweiser und einer der
bekanntesten Ökonomen in Deutschland. Er spricht über
die Zukunft der Rente.
Herr Bofinger, ich bin 40 Jahre – muss ich mir
Sorgen um die Rente machen?
Sie müssen sich insofern keine Sorgen machen, als dass
Sie auf jeden Fall aus dem Rentenversicherungssystem
eine Zahlung erhalten werden. Und die Rente, die Sie in
27 Jahren bekommen, wird eine höhere Kaufkraft haben
als die Rente, die ein Rentner heute erhält. Aber Sie
sollten auch wissen, dass der Abstand der Rente im Jahr
2044 zu ihrem Bruttoeinkommen höher sein wird, als
dies heute der Fall ist.
Was macht das Thema so schwierig?
Das Thema Rente ist eigentlich gar nicht kompliziert.
Zumindest ist das Prinzip sehr logisch: Es beruht darauf,
dass Menschen, die heute arbeiten, in einen Topf Geld
einzahlen und dass die Menschen, die heute in Rente
sind, aus diesem Topf Geld erhalten. Also bekommt das
System Probleme, wenn die Zahl der Jungen sinkt und
die der Alten steigt. Die Frage ist, wie geht man damit
um? Eigentlich ganz einfach: Die Rentner bekommen
weniger Geld oder die Jungen zahlen mehr ein. Und:
Wenn wir länger leben, müssen wir auch länger arbeiten.
Die Politik hat sich aber entschieden, dass die Jungen
keine höheren Beiträge zahlen müssen, sondern privat
vorsorgen sollen – etwa mit der Riesterrente. Auch die
betriebliche Altersvorsorge wurde gestärkt, indem ein
Teil des Lohns in eine Lebensversicherung geht und
dafür von sozialen Abgaben befreit ist. Damit hat man
den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, weil das
Rentensystem durch die fehlenden Beiträge noch mehr
unter Druck geriet. Ein fundamentaler Fehler.
Sie sagen, die Riester-Rente sei gescheitert. Was ist
der Grund?
Sie ist insoweit gescheitert, als wir nicht feststellen
können, dass die sozial Schwächeren zusätzlich sparen.
Das liegt daran, dass die Einkommen dieser Gruppe in
den vergangenen 25 Jahren preisbereinigt nicht gestiegen
sind. Womit sollten die diese Riester-Rente finanzieren?
Wie würden Sie die Rente stabilisieren?
Erstens würde ich den Beitragssatz etwas anheben oder
den Menschen zumindest die Möglichkeit geben,
freiwillig mehr einzuzahlen und dafür höhere Ansprüche
zu erwerben, anstatt krampfhaft nach einer Anlageform
zu suchen. Zweitens muss die Sozialabgabenfreiheit bei
der betrieblichen Altersvorsorge abgeschafft werden.
Drittens würde ich alle Selbstständigen, die über keine
Absicherung durch ein berufsständisches
Versorgungswerk verfügen, in die gesetzliche
Rentenversicherung nehmen. Gerade das würde dem
System über viele Jahre Geld zuführen, ohne dass dem
Leistungen entgegenstehen. Denn heute 25-jährige
Selbstständige beziehen frühestens in 42 Jahren Rente.
Der Wahlkampf ist die Zeit für teure
Rentenversprechen...
Es besteht Gefahr, Sachen zu versprechen, die die
knappen Mittel dieses Systems überstrapazieren. Ein
Punkt ist die Forderung nach einer Mindestrente, die über
der Grundsicherung liegt. Das Problem wäre, dass die
Menschen, die ihr Leben lang in die Kassen eingezahlt
haben, kaum noch besser stehen als die, die nie gezahlt
haben.
Fragen: Margit Hufnagel
Mehr zur Rente
Der Ratgeber zur Serie: Den Ruhestand möchte jeder in
finanzieller Sicherheit genießen. Was Sie dafür tun
können, lesen Sie in unserem 80-seitigen SÜDKURIER-
Ratgeber – hier bekommen Sie einen schnellen
Überblick. Bestellen Sie den Ratgeber im Südkurier
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Die Serie im Internet auf einen Blick. Außerdem die
Video-Umfrage: Das sagt die junge Generation zum
Thema Rente:
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