MarktdesignStreitfragen!-Spezial zum energiemarkt der Zukunft
s.02ein scHwieriger weg ZuM ricHtigen Ziel
Bei der Diskussion um ein neues Marktdesign bewährt sich die Gremienstruktur des BDEW
s.10wer Muss auf die reservebank?
Andreas Mundt, Präsident des Bundes kartell amtes, warnt vor übereilten Schritten
s.24neue rolle für die netZe
Sind die Vertriebe auf die zusätzlichen Aufgaben, die auf sie zukommen, ausreichend vorbereitet?
auf deM weg Zu neuen MarktwirtscHaft licHen strukturen
liebe leserin, lieber leser,
auf dem BDEW Kongress im Juni 2010 hatte der damalige BDEW-Präsident Schmitz bereits prognostiziert, dass wir uns möglicherweise in absehbarer Zeit mit dem Thema Kapazitätsmärkte auseinandersetzen müssen. Das hat damals beachtliche Irritationen ausgelöst. Ein paar Monate später begegnete uns die Debatte wieder, weil auch das im Herbst 2010 vorgelegte Energiekonzept der Bundesregierung ankündigte, die Frage nach der Notwendigkeit von Kapazitätsmärkten genauer zu untersuchen. Und in den vergangenen zwei Jahren überschlug sich die Debatte förmlich. Die Verwerfungen am Markt, das exorbitante und ungesteuerte Wachstum der Erneuerbaren Energien – insbesondere der Photovol
taik – und die Sorgen über die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit haben dazu geführt, dass das Thema Kapazitätsmärkte zusammen mit dem Reformbedarf beim EEG zu einem dominierenden Thema der energiepolitischen Debatte wurde. Für alles das hat sich der Begriff „Neues Marktdesign“ gefunden.
Es gibt heute kaum einen energiepolitischen Akteur in Politik, Wirtschaft, NGOs, Gewerkschaften, der sich nicht intensiv mit der Frage eines neuen Marktdesigns beschäftigt hat. Viele waren erstaunt, dass die Unternehmen der Energiewirtschaft noch am zurückhaltendsten mit der Forderung nach Kapazitätsmärkten umgegangen sind. Doch wir wissen am besten, dass Letztere ein erheblicher
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ein scHwieriger weg ZuM ricHtigen ZielThomas Barth, Vorstandsvorsitzender E.ON Energie AG, über den Entscheidungsprozess im BDEW
auf der sucHe nacH deM gleicHgewicHtGerhard Holtmeier, Thüga, Gregor Pett, E.ON, und Marco Nicolosi, Connect Energy Economics, diskutieren über verschiedene Modelle für ein neues Marktdesign
wer Muss auf die reservebank?Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, warnt vor übereilten Schritten
kriterien für kapaZitätsMärkteDer BDEW entwickelt konkrete Grundsätze für den BackupMarkt
ein Markt sorgt für leistungWie passt der dezentrale Leistungsmarkt zum Energy Only Markt? Was kann er leisten? Welche Rolle spielt der Staat?
fragen und antworten ZuM leistungsMarktWie sehen kleine und mittlere Unternehmen den dezentralen Leistungsmarkt? Wo liegen die Stärken, wo die Risiken? Fragen und Antworten
drei fragen an cHristopH kaHlenDer Leiter der ThügaÖffentlichkeitsarbeit erläutert das Zukunftsmodell des Unternehmens
startscHuss für ein neues eegHarald Noske, Stadtwerke Hannover, und Martin Baumert, Naturwatt, haben an den Sitzungen zur Entwicklung des BDEW-Zielmodells teilgenommen
neue rolle für die netZeVier Netzexperten diskutieren über die Anforderungen, die künftig auf die Netze zukommen
»rein nationale konZepte bringen risiken«Christoph Maurer, Geschäftsführer der Consentec GmbH, plädiert für eine Öffnung eines deutschen Kapazitätsmodells nach Europa
Eingriff in die bestehenden Strukturen wären – und nicht leicht zu implementieren. Aber die Lage im konventionellen Kraftwerksbereich ist kritisch. Die ökonomischen Rahmenbedingungen gefährden das Fundament der Energiepolitik in Deutschland. Der Handlungsbedarf ist also akut.
Im Herbst 2011 hat der BDEW deshalb eine Projektgruppe unter dem Vorstand eingerichtet, die die Lage analysieren, vorhandene Modelle diskutieren und eigene Lösungsvorschläge entwickeln sollte. Sie setzt sich aus den Vorsitzenden und weiteren Vertretern aller für diese Frage entscheidenden Gremien des BDEW zusammen. Wir nutzen die ganze Breite und Kompetenz unserer Mitgliedsunternehmen. Sehr viele Experten aus der Branche haben enorm viel Zeit investiert. Ihnen gilt mein herzlicher Dank! Am 18. September hat nun der Vorstand die sorgfältig erarbeitete Position des Verbandes beraten und beschlossen. In diesem Heft geben wir Ihnen einen Überblick über unser Vorgehen und die neuen Beschlüsse. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre! Ich verspreche Ihnen, dass es mit dem BDEW auch in Zukunft eine starke Plattform für die energiepolitische Debatte im Sinne der Branche und im Sinne des Gelingens der Energiewende geben wird.
Mit herzlichen GrüßenIhre Hildegard Müller
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Herr Barth, Sie haben nun knapp zwei Jahre lang die Projektgruppe des BDEW zum Thema Marktdesign geleitet. Am 18. September hat der Vorstand des BDEW dazu Beschlüsse gefasst. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?
tHoMas bartH Eindeutig ja. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren ein sehr solides und gut durchdachtes Ergebnis erarbeitet. Das liegt auch daran, dass außerordentlich viele Mitgliedsunternehmen jeder Größe, aber auch viele externe Experten in diesem Prozess intensiv zusammengearbeitet haben. Nun muss es gelingen, die Politik von unseren Vorschlägen zu überzeugen, damit wieder verlässlichere Rahmenbedingungen entstehen. Das ist gut für die Energiewende und den Standort Deutschland, natürlich auch für die Unternehmen im BDEW, die die Energieversorgung sicherstellen sollen.
Wie sind Sie bei der Suche nach der richtigen Lösung vorgegangen?
bartH Erstens war wichtig, dass die ganze Breite der Gremienstruktur des BDEW einbezogen wurde. Das hat sich sehr bewährt. Zu Beginn haben wir intensiv analysiert und einen klaren Zeitrahmen und Stufenplan für mögliche Lösungsansätze erstellt.
Wir haben uns mit allen vorhandenen Modellen für Kapazitätsmärkte befasst. Wir haben eindeutige Kriterien entwickelt, einen klaren Zusammenhang zu der zukünftigen Förderung der Erneuerbaren Energien hergestellt und nun sehr konkrete Vorschläge zum EEG gemacht. Wir haben alle Varianten der Verantwortung für Versorgungssicherheit von den Übertragungsnetzbetreibern bis zu den Vertrieben diskutiert. Es war sehr gut, dass wir die Auswirkungen aller Überlegungen speziell auch auf kleinere Unternehmen diskutiert haben. Denn die Akteursvielfalt in der Energiewirtschaft ist für den BDEW existenziell wichtig. Wir haben uns schließlich intensiv mit der Einbettung all unserer Überlegungen in eine europäische Energiepolitik beschäftigt.
Die Energiewende ist eine große Herausforderung für die Unternehmen der Stromwirtschaft. Mit dem bisherigen Marktdesign ist eine sichere Versorgung nicht mehr gewährleistet. Der BDEW hat sich in seinen Gremien intensiv mit den Folgen befasst. Thomas Barth, Vorsitzender der Projektgruppe Marktdesign und des Lenkungskreises Energie und Umweltpolitik, über das Ergebnis eines umfassenden Entscheidungsprozesses.
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Einmal provokant gefragt: Brauchen wir wirklich ein neues Marktdesign? Müssen in einer marktwirtschaftli-chen Ordnung nicht die Unternehmen selbst in der Lage sein, sich auf veränderte Verhältnisse auf dem Markt einzustellen?
bartH Provokant geantwortet: Das könnten wir auch, wenn man uns ließe. Aber das derzeitige Fördersystem der Erneuerbaren Energien hat das gesamte Versorgungssystem an die Grenzen geführt, technisch und kostenmäßig. Der Rahmen muss wieder stimmig gemacht werden, dann werden die Unternehmen auch wieder in unternehmerischer Verantwortung die besten und effizientesten Lösungen entwickeln.
Die gegenwärtige Debatte um die Lage auf dem Energie-markt kreist in erster Linie um den Begriff Versorgungs-sicherheit. Das ist aber ein sehr schwammiger Begriff. Bislang gibt es keine präzise Definition, was Versor-gungssicherheit eigentlich bedeutet. Was meinen Sie, wenn Sie von „Versorgungssicherheit“ sprechen?
bartH Im Kern geht es um die Frage, wie wir in Zukunft sicherstellen, dass jederzeit ausreichend gesicherte Leistung zur Verfügung steht, um auch die Situationen bewältigen zu können, in denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Durch den stetig wachsenden Anteil fluktuierender Energien ist diese Absicherung immer weniger gegeben. Es ist zunehmend absehbar, dass das Gut „gesicherte Leistung“ einer eigenständigen Betrachtung bedarf. Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen. Dieses neue System muss marktbreit und technologieoffen sein, damit es effizient und kostengünstig ist. Es soll dezentral organisiert sein und den Vertrieben Möglichkeiten geben, im Gespräch mit ihren Kunden neue Produkte und Ideen zu entwickeln, wie man die erforderliche Menge an gesicherter Leistung reduzieren kann. Hier steckt viel Innovationspotenzial.
Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Vorschlägen für Ka-pazitätsmechanismen und eine Reform der Förderung der Erneuerbaren Energien. Kommt der BDEW da nicht ein bisschen spät?
bartH Nein, der Zeitpunkt jetzt zur ersten Bundestagswahl seit der Energiewende ist genau richtig. Man soll Vorschläge mit einer solchen Tragweite nur dann machen, wenn man guten Gewissens sagen kann, dass sie gelingen können. Es gab und gibt in der Debatte viele Schnellschüsse. Manche Ideen, die ganz früh auf dem Markt waren, haben viel Wirbel verursacht, wurden dann aber still wieder in die Schublade geschoben, weil man schnell merkte, dass sie zu kurz griffen. Wie man es auch dreht und wendet: Kapazitätsmechanismen oder märkte sind komplexe und in der Regel irreversible Eingriffe in bestehende Strukturen. Das ist kein Thema für schnelle Profilierung. Hier ist Substanz gefragt.
Die Reform des deutschen Energiemarktes muss auf zahlreichen Baustellen angegangen werden. Lässt sich da ein schlüssiges Gesamtkonzept entwickeln?
bartH Sie haben erst mal Recht mit den vielen Baustellen. Wir haben aber eine ganze Reihe dieser Punkte in unserem Positionspapier adressiert. Bessere Rahmenbedingungen für den Ausbau der Netze oder auch ambitionierte CO2Reduktionsziele auf europäischer Ebene gehören unbedingt dazu. Aber eines ist klar: Ohne eine neue Ordnung für gesicherte Kraftwerksleistung und ohne Neuregelung für die Förderung der Erneuerbaren Energien würde alles Übrige Makulatur bleiben. Diese beiden Punkte müssen sofort angegangen werden. Dazu haben wir einen klaren Vorschlag gemacht. Unmittelbar nach der Bundestagswahl kann die Bundesregierung nun Klarheit schaffen und damit wieder für Orientierung sorgen.
Ausgangspunkt für die Energiewende war – neben dem Abbau der Importabhängigkeit bei Energierohstoffen und dem Ausstieg aus der Kernenergie – die Senkung der Treibhausgasemissionen. Dafür steht mit dem europä-ischen Emissionshandelssystem ein marktwirtschaftli-ches und flexibles Instrument zur Verfügung. Kann das nicht „Leitplanke“ für den künftigen Energiemarkt sein?
bartH Absolut. Das würden wir uns alle wünschen. Doch das können wir nicht im Alleingang festlegen. Hier muss sich die Bundesregierung in der EU engagieren. Der BDEW hat sich ganz klar für ambitionierte CO2Reduktionsziele über das Jahr 2020 hinaus ausgesprochen, auch im Rahmen unserer Arbeiten an einem zukünftigen Marktdesign.
tHoMas bartH
ist seit 1. Juli 2013 Vorstandsvorsitzender der E.ON Energie AG in München. Bevor er 1989 zur E.ON Bayern AG wechselte, war er im bayerischen Umweltministerium tätig. Im BDEW ist er Vorsitzender der Projektgruppe Marktdesign und des Lenkungskreises Energie und Umweltpolitik.
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Die Förderung der Erneuerbaren Energien auf der Basis des EEG gilt als zentrale Baustelle im gegenwärtigen Ener-giemarkt. Wie muss eine Reform des EEG grundsätzlich aussehen, damit sie auch künftigen Ansprüchen genügt?
bartH Im Kern der Reform des EEG muss eine stärkere Marktintegration stehen. Das geht über die verpflichtende Direktvermarktung für Neuanlagen. Zu unserem Zielmodell gehört aber auch die wettbewerbliche Ermittlung der Förderhöhe zum Beispiel im Rahmen einer Auktion und mit einem definierten Zubaupfad für Erneuerbare Energien. Und es muss eine Synchronisation des Ausbaus der Netze und der ErneuerbareEnergienAnlagen geben. Das, was der BDEW dazu auf den Weg gebracht hat, ist sehr konkret. Das Ergebnis wird mehr Wettbewerb und mehr Effizienz sein. Dadurch steigert sich der Mehrwert des von ErneuerbareEnergienAnlagen erzeugten Stroms und die Kosten für deren Ausbau werden sich an der unteren Grenze orientieren.
Welche Anforderungen werden in einem neuen Markt-design an die Netze gestellt?
bartH Das eine ist der Ausbau der Netze. Hier sind wir mit den Rahmenbedingungen durch den Netzentwicklungsplan und das Bundesbedarfsplangesetz gut vorangekommen. Wichtig ist aber auch, dass die Anreizregulierung derart gestaltet wird, dass sie dem Gelingen der Energiewende dient. Die Abschaffung des Zeitverzugs für Verteilnetzbetreiber und die Anerkennung von Innovationen zum Beispiel sind von zentraler Bedeutung. Aber es gibt noch etwas, das wir unbedingt verändern müssen: Bei den Netzentgelten bedarf es einer stärkeren Leistungskomponente, denn der Löwenanteil der Kosten sind Fixkosten. Es gibt einen dramatischen Trend der Entsolidarisierung vor allem durch Eigenerzeugung. Hier konkrete Lösungen zu finden, ist nicht ganz einfach, doch der BDEW arbeitet daran und wird bald konkretisierte Vorschläge vorlegen.
Was macht Sie so sicher, dass Sie jetzt die richtigen Ange-bote für die Politik auf den Tisch legen?
bartH Es ist die Ernsthaftigkeit und die Tiefe, mit der wir uns in den vergangenen zwei Jahren mit all den Fragen befasst haben. Es ist aber auch die wachsende Zustimmung zu manchen unserer Positionen, die wir bereits mit anderen Akteuren diskutiert haben. Die verpflichtende Direktvermarktung bei den Erneuerbaren Energien hat viele Unterstützer: im BMWi, im BMU, aber auch in anderen Branchenverbänden und in vielen Bundesländern. Die von uns schon seit längerem geforderte Strategische Reserve als Absicherung für die Zeit des Übergangs – und übrigens auch als Indikator zur Aktivierung des von uns vorgeschlagenen dezentralen Leistungsmarktes – findet ebenfalls zunehmend Unterstützung. Der BDI spricht sich dafür aus, das BMU, der BEE und zuletzt auch der Vorsitzende des Bundeskartellamts. Die Art und Weise, wie wir unsere Positionen erarbeitet haben, schafft Vertrauen auch bei denen, die wir jetzt für die Umsetzung gewinnen wollen. Das ist eine gute Basis für Zuversicht.
Man hat den Eindruck, dass die gegenwärtige Diskus-sion um das künftige Marktdesign in Deutschland sehr stark national geprägt ist. Dabei ist der deutsche Strom-markt doch jetzt schon stark mit anderen europäischen Strommärkten verbunden. Wäre es nicht angebrachter, deshalb gleich ein „europäisches Marktdesign“ zu ent-wickeln? Das könnte doch möglicherweise auch gleich einige Probleme, die mit einer nationalen Lösung ver-bunden sind, beseitigen.
bartH Wir dürfen mit Fug und Recht behaupten, dass wir uns stark für eine europäische Lösung einsetzen. Denn dies wäre natürlich eine bessere Lösung. Doch der Handlungsdruck in Deutschland ist groß. Wir können nicht mehr lange warten, müssen bei unseren Vorschlägen aber den europäischen Binnenmarkt berücksichtigen. Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung sich in diesem Sinne in Europa für mehr Gemeinsamkeiten einsetzt.
» die akteursvielfalt in der energiewirtscHaft ist für den bdew existenZiell wicHtig.«
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auf der sucHe nacH deM gleicHgewicHtDas alte Marktdesign in der Stromwirtschaft kann die Herausforderungen durch die Erneuerbaren Energien mittelfristig nicht mehr bewältigen. Doch was soll an die Stelle treten? Muss es gleich ein ganz neues System sein? Eine Diskussion zwischen Praktikern und Wissenschaftler.
Brauchen wir ein neues Marktdesign? Ließen sich die Probleme, die auf absehbare Sicht entste-hen können, nicht auch auf andere Weise lösen?
dr. Marco nicolosi Für die Bewältigung der Übergangsphase sind einige Maßnahmen notwendig und auch einige bereinigende Marktreaktionen. Die daraus resultierenden Herausforderungen könnten meines Erachtens auch in einem Energy Only Markt (EOM) gelöst werden, wenn die damit einhergehenden KnappheitsPreissignale akzeptiert werden.
dr. gerHard HoltMeier Ich bin da deutlich pessimistischer als Herr Nicolosi, da meines Erachtens nach ein reiner EOM nicht mehr ausreicht. Die Folgen sehen wir bereits heute. Einzelne Kraftwerke müssten aus wirtschaftlichen Gründen bereits jetzt stillgelegt werden. Ziel muss es daher vielmehr sein, dass wir insgesamt wieder einen funktionierenden Markt bekommen, auf dem jeder Teilnehmer wieder wirtschaftlich agieren kann, um auch seinen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Der EOM ist an seine Grenzen gekommen. Durch politische Entscheidungen/Eingriffe, insbesondere zur CO2Reduktion, sind fatale Marktsignale gesetzt worden.
gregor pett Theoretisch kann auch der heutige EOM das Problem sicher lösen. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass wir durch die Einspeisung von Strom aus EE-Anlagen und den unkontrollierten Zubau aus dem Gleichgewicht gekommen sind. Wir benötigen konventionelle Kraft werke als Backup für sonnen und windarme Stunden. Zwischen dem von Herrn Nicolosi genannten Preissignal und der Inbetriebnahme neuer Kapazitäten liegen nun einmal mehrere Jahre. Es kann zu erheblichen Störungen der Versorgungssicherheit kommen. Die Frage ist, ob die Gesellschaft das hinzunehmen bereit ist. Der BDEW ist der Ansicht, dass sie dazu nicht bereit ist. Wir brauchen deshalb eine Alternative.
Was schlagen Sie vor?
HoltMeier Wir müssen komplett neu denken. Wir müssen von der Absatzseite her kommend das Problem lösen. Wir dürfen nicht nur die Erzeugungsseite betrachten, sondern müssen die Gesamtziele, also beispielsweise auch die EU-Ziele 20:20:20, im Auge behalten. Dazu gehören dann auch Energieeffizienz, der Verkehr und weitere Bereiche, wie der Wärmemarkt auf der Verbraucherseite.
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Kann das nicht über Preise gelöst werden?
HoltMeier Gegenwärtig gehen die Preise tendenziell weiter nach unten. Viele konventionellen Kraftwerke sind deshalb nicht mehr im Geld. Sie müssten den Betrieb aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen einstellen. Volkswirtschaftlich mag das ja in Ordnung sein. Doch ob man das am Industriestandort Deutschland will, ist eine ganz andere Frage. Will man, bildlich gesprochen, wirklich eine Operation am offenen Herzen machen? Ich fürchte, die Kollateralschäden, die wir dadurch auslösen, sind wesentlich größer. Deshalb müssen wir uns zwei Fragen stellen: Wie kommen wir über die nächsten zwei, drei Jahre? Und zweitens: Schaffen wir es, ein deutsches und dann auch ein mit Europa kompatibles Energiemarktdesign zu etablieren, bei dem es sich wieder lohnt, zu investieren?
Ist das nicht aber eine normale Entscheidungs-situation für einen Unternehmer?
pett Ich kenne keinen Unternehmer, der unter den heutigen Randbedingungen für die Elektrizitätswirtschaft investieren würde.
HoltMeier Die Randbedingungen sind nicht stabil. Wir haben einen Reigen kurzfristiger, sich widersprechender politischer Entscheidungen erlebt, die eine solche Unsicherheit ausgelöst haben, dass Sie heute nicht mehr guten Gewissens Investitionsentscheidungen für 20, 30 Jahre treffen können.
pett Es gibt mehrere fundamentale Gründe dafür, dass das System nicht mehr funktioniert: Neben dem Ziel der CO2Reduktion hat die Politik auch noch Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren gesetzt. Der zweite Grund sind die langen Zubauzeiten für neue Kraftwerke. Dadurch kann das System nicht schnell genug auf den zügellosen Zubau der EE-Anlagen reagieren. Und drittens haben wir es mit einer (noch) sehr inflexiblen Nachfrage zu tun, die auch auf hohe Preise nicht mit ‚Kauf‘Zurückhaltung reagiert. Diese Fundamentalfaktoren führen dazu, dass es ein sehr holpriger Weg werden würde, wenn wir uns allein auf den heutigen EOM verlassen würden.
nicolosi Ich stimme Herrn Pett in seiner Analyse zu. Wir haben große Unsicherheiten in dem Transformationsprozess: Wir wissen nicht, wann Kraftwerke zugebaut und wann welche stillgelegt werden. Wir haben nur eine eingeschränkte Plan
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barkeit von Netzzubauten. Und wir wissen nicht, wie lange es dauert, bis die Nachfrage flexibler geworden ist und welchen Effekt Energieeffizienzmaßnahmen haben werden. Deshalb sollte man in dieser Situation mit temporären Maßnahmen arbeiten und nicht jetzt schon Entscheidungen treffen, die letztlich in einem irreversiblen Pfad enden.
Herr Holtmeier, wo müsste fundamental an-gesetzt werden, um das System wieder einiger-maßen ins Gleichgewicht zu bringen?
HoltMeier Leistung muss wieder einen Wert bekommen. Wir müssen den Kunden dazu bringen, dass er sich überlegt, wie viel Leistung er haben will, was ihm das wert ist. Dann bekommen wir mehr Flexibilität auf der Absatzseite. Heute ist das noch nicht möglich, weil wir Standardlastprofile haben.
Dient das der so oft beschworenen Versor-gungssicherheit?
HoltMeier Versorgungssicherheit ist ein hohes Gut in einer hochtechnisierten Nation wie Deutschland. Eine Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag geht bei einem landesweiten Stromausfall von einem wirtschaftlichen Schaden zwischen 20 und 30 Milliarden Euro pro Tag aus. Daher wollen wir ei
nen Markt haben, der wettbewerblich organisiert ist, der in den europäischen Binnenmarkt passt und in dem der Kunde motiviert wird, für Versorgungssicherheit, das heißt die Vorhaltung von Leistung, zu zahlen.
pett Diesen Markt müssen wir mit marktwirtschaftlichen Instrumenten erreichen. Das Modell eines dezentralen Leistungsmarktes, auch Versorgungssicherheitnachweiß (VSN)Modell genannt, hat zahlreiche Elemente, die es marktwirtschaftlicher machen als viele andere Modelle. Es ist dezentral, der Preis bildet sich auf dem Markt, der Kunde erhält Anreize, bei Knappheit seinen Verbrauch zu verlagern oder zu vermeiden. Damit wird der EOM aber nicht abgelöst. Er ist weiter ein Bestandteil des Systems. Er sorgt dafür, dass europaweit die Kraftwerke zum Zug kommen, die auf Grenzkostenbasis die effizientesten sind. Das muss auch so bleiben.
Verabschieden Sie sich damit von der Strate-gischen Reserve?
pett Die kann eine Brückenfunktion übernehmen für die Zeit, in der andere Mechanismen noch nicht greifen.
nicolosi Alle genannten Unsicherheiten lassen sich durch eine geografisch ausgestaltete temporäre Strategische Reserve adressieren. Dadurch würden wir auch in der Übergangsphase der Effizienz und der Innovationsfreude des Marktes nicht schaden. Auf große Eingriffe würden wiederum Phasen der Unsicherheit und der Nachjustierung folgen. Ein langfristig tragfähiges Marktdesign sollte sich in den wesentlichen Interdependenzen selbst regulieren und mit einem Mindestmaß an staatlichen Vorgaben, Eingriffen oder Nachjustierungen auskommen.
Eine zentrale Forderung in der aktuellen Diskussion um die Zukunft des Energiemark-tes ist die Direktvermarktung des Stroms aus Erneuerbaren. Ist das heute schon möglich?
pett Das ist ohne Weiteres möglich. Und wenn es dazu kommt, würden EE-Anlagen nicht mehr bei negativen Preisen ungehindert in den Markt liefern. Das ist volkswirtschaftlich sinnlos.
HoltMeier In der Merit Order ist PV oder Windenergie immer ganz vorn. Erst dann kommen die konventionellen Kraftwerke. Bei einer verpflichtenden Direktvermarktung brauche ich dann keinen Einspeisevorrang mehr. Das wäre normale Marktwirtschaft.
dr. Marco nicolosi hat am Energiewirtschaftlichen Institut der Universität zu Köln promoviert und ist Geschäftsführer von Connect Energy Economics GmbH.
dr. gerHard HoltMeierist promovierter Jurist und seit 2010 Mitglied des Vorstands der Thüga Aktiengesellschaft; beim BDEW ist er Mitglied des Lenkungskreises Gas.
gregor pettist diplomierter Physiker und seit 2008 Senior Vice President (Bereichsleiter) Commercial Operations and Analysis der E.ON SE; beim BDEW Mitglied der Projektgruppe Marktdesign und Vorsitzender des Lenkungskreises Energiehandel.
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Bedeutet das, dass auch die Förderung weg-fallen sollte?
pett Wir schlagen nicht vor, die Förderung kurzfristig auszusetzen. Es müssen Lösungen gefunden werden, um die Effizienzpotenziale zu heben.
HoltMeier Denkbar wären hier beispielsweise einmalige Investitionszuschüsse, die über die Laufzeit gestreckt werden. Mit einem solchen Marktanreizmodell kann man Innovationen unterstützen, der Investor agiert mit seiner Anlage aber ganz normal im Markt.
Also weiter Ausbau der Erneuerbaren ohne Deckel, ohne Leitplanken?
HoltMeier Drei Aspekte sollten stärker beachtet werden. Zum einen die Regelbarkeit einer Anlage – wie es bei Biogas der Fall ist – und die Speicherbarkeit des erzeugten Stroms. Eine Windanlage, die mit einem Speicher gekoppelt ist, ist besser als eine ohne Speicher. Zum Zweiten muss der weitere Ausbau Rücksicht auf die Netzsituation nehmen. Und zum Dritten darf der Zubau der Erneuerbaren nicht mehr länger zufallsgetrieben erfolgen, sondern muss entsprechend den politischen Zielvorgaben gesteuert werden.
pett Der Ausbau der Erneuerbaren muss künftig stärker unter wirtschaftlichen Aspekten erfolgen. Dazu gehören, wie schon erwähnt, die verpflichtende Direktvermarktung, eine bessere Anpassung an den technischen Fortschritt, Regelbarkeit der Anlagen und Ausbau von Flexibilitäten im System sowie bessere Abstimmung mit dem Netzausbau.
Im dezentralen Leistungsmarkt bekommen die Vertriebe und Verteilnetzbetreiber eine zusätz-liche Rolle. Sie müssen vorausschauend Leis-tung beschaffen. Sind sie darauf vorbereitet?
pett In dem VSN-Modell ist das machbar. Das ist zwar Zusatzaufwand, aber der kommt ja nicht von heute auf morgen auf die Vertriebe zu. Die Mitarbeiter haben schon in der Vergangenheit gezeigt, dass sie das können und dass sie mit den starken Veränderungen, die der Markt erfahren hat, fertig geworden sind.
Gilt das auch für kleinere Vertriebe?
HoltMeier Das ist sicher eine Herausforderung für den Vertrieb. Aber es ist zugleich eine große Chance. Wenn wir es nicht machen als Energiewirtschaft, dann machen es andere. Es gibt genügend Dienstleistungsunternehmen, die darauf mit sehr kreativen Modellen antworten werden.
Wie schnell muss etwas passieren, damit etwas passiert?
HoltMeier In Sachen Marktmodell muss sehr schnell nach der Bundestagswahl etwas entschieden werden. Wir müssen kurzfristig Lösungen finden, weil es sonst sehr bald existenzielle Probleme bei Energieversorgern mit Erzeugung geben wird. Das gilt sowohl für große als auch für kleine EVU. Deshalb müssen wir jetzt schon die Diskussion über ein mögliches Marktmodell führen, um die Leitplanken so breit anzulegen, dass die Marktwirtschaft das wesentliche Kriterium ist.
pett Wir haben keine Zeit zu verlieren. Bis 2022 ist es aus unserer Sicht gar nicht so weit. Wir benötigen sechs Jahre Zeit, um ein Kraftwerk zu bauen. Deshalb benötigen wir sehr schnell Klarheit. Hinzu kommt, dass die Branche ein gewisses Maß an Verlässlichkeit hinsichtlich der Rahmenbedingungen benötigt. Der Rahmen muss stabil sein und die Spielregeln müssen europakompatibel sein. Wir wollen eine wettbewerbliche Lösung, Technologieoffenheit, klares Bekenntnis zu den Zielen, aber auf dem Weg dahin sollten wir die Flexibilität und Innovationsmöglichkeiten der Marktwirtschaft nutzen.
nicolosi Die Herausforderung liegt darin, die kurz und mittelfristigen Probleme zu lösen, ohne die langfristige effizienteste Lösung aus den Augen zu verlieren. Wir brauchen mittelfristig reversible Maßnahmen wie die Strategische Reserve, um zu lernen, wie das System sich verändern kann und wie sich die Technologien entwickeln können, um darauf aufbauend dann ein langfristiges System aufbauen zu können.
HoltMeier Wir brauchen einen stabilen Ordnungsrahmen zur Entfaltung von wettbewerblichen Elementen. Auch unter der Prämisse, dass ein neues Modell immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist, können wir es uns nicht leisten, die kommenden Jahre in einem Versuchsstadium zu verbringen. Wir haben es hier mit einem lebenden System zu tun. Und unsere Aufgabe ist es, dieses System am Leben zu erhalten. Es ist ein System, das sich weiterentwickelt, das aber auch lange Fristen kennt. Deshalb müssen wir heute schon die Weichen stellen, damit wir in zehn, fünfzehn Jahren auf der richtigen Seite sind. Aus diesen Gründen müssen wir heute die Diskussion, wo wir langfristig – europakompatibel – hinwollen, führen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die als Übergangslösung vorgesehene Strategische Reserve im Strommarkt perpetuiert. Damit würden viele wettbewerbliche Anreize nicht gehoben.
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wer Muss auf die reservebank?Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamtes, rät zu einem stufen weisen Übergang in eine neue Energiewirtschaft. Ob dann ein Kapazitäts mechanismus notwendig ist, sollte sich aus der Entwicklung ergeben.
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Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Diskussion um ein neues Marktdesign? Hat das noch viel mit Marktwirt-schaft zu tun? Läuft das dem Hüter über den Wettbewerb zu sehr in die falsche Richtung?
andreas Mundt Die Energiewirtschaft muss auch in Zukunft marktwirtschaftlich organisiert sein. Es ist einfach nicht möglich, einen so komplexen Markt wie den Energiemarkt durchzuregulieren. Die Energiewende kann nicht vom Staat ausgestaltet werden. Das können die Marktteilnehmer viel besser und effektiver. Aufgabe des Staates ist es, dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen und wettbewerbliche Elemente zuzulassen.
Der Trend scheint aber gegenwärtig eher in Richtung noch mehr Regulierung zu laufen.
Mundt Vor allem im Rahmen der Förderung der Erneuerbaren Energien hat man von Beginn an nur auf staatlich gesetzte Anreize vertraut. Das mag zu Beginn angemessen gewesen sein, kann aber sicher keine Dauerlösung sein. Eine Reform ist überfällig und sie wird nach der Wahl auch kommen. Aber eine solche Reform braucht einen klaren Kompass. Und dieser Kompass kann nur Wettbewerb heißen. Wenn die Marktteilnehmer die künftige Richtung anhand einer klaren ordnungspolitischen Linie einschätzen können, dann vertragen sie bei auftretenden Fehlentwicklungen auch schon einmal kleine Kurskorrekturen.
Hören wir hier eine leichte Kritik an der Energiepolitik der letzten Jahre heraus?
Mundt Die Energiewende ist ein riesiges Projekt. Fehlentwicklungen in der Energiewirtschaft sind auch deshalb so schwer zu erkennen gewesen, weil die Prognosen oft völlig falsch waren. So ist der Ausbau der Erneuerbaren viel schneller gegangen als ursprünglich vermutet. Dies hat zu den bekannten Problemen beim Netzbetrieb und der konventionellen Erzeugung geführt. Außerdem sind die Preise durch die hohen Kostensteigerungen bei der EEG-Umlage aus dem Ruder gelaufen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Marktakteure vieles besser machen würden, als es die Politik planen kann. Deshalb braucht die Energiewende mehr wettbewerbliche Elemente.
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Ist Ihr klares Bekenntnis zur marktwirtschaftlichen Orientierung in der Energiepolitik zugleich ein Appell für so wenig Regulierung wie möglich?
Mundt Ich bin gewiss nicht blauäugig. Bestimmte staatliche Eingriffe sind im Energiesektor unvermeidlich. Es ist bereits so viel reguliert worden, dass man jetzt nicht einfach alles dem Markt überlassen kann. Markt und Regulierung müssen aber ineinander greifen, miteinander verzahnt werden. Die Regulierung aus dem EEG jetzt auch noch auf die konventionelle Erzeugung zu übertragen, wäre ein großer Fehler. Es muss möglichst das Umgekehrte passieren: Die bisher wettbewerbliche Struktur des Energiemarktes muss auf das EEG übertragen werden.
Wo sehen Sie die wichtigsten Ansatzpunkte für eine stär-kere wettbewerbliche Ausrichtung des EEG?
Mundt Erstens ist der Einspeisevorrang entbehrlich. Zumal er auch keine entscheidende Rolle mehr spielt. Das Zweite ist, dass man zur Direktvermarktung übergeht. Die EEG-Betreiber müssen sich genau wie andere Erzeuger nach Angebot und Nachfrage richten. Das hätte auch den Nebeneffekt, dass sich EEG-Anlagenbetreiber, die in der Pflicht stünden zu liefern, um Ersatzkapazitäten kümmern müssten, wenn ihre Anlage mal keinen Strom liefern kann. Das wiederum hätte positive Auswirkungen auf den konventionellen Kraftwerksmarkt, und zwar ohne dass man dies regulieren müsste. Drittens wird es zwar ohne Förderung nicht gehen,
andreas Mundt
hat nach dem 2. Staatsexamen im Bundesministerium für Wirtschaft die Integration der neuen Bundesländer begleitet und ist seit 2009 Präsident des Bundeskartellamtes.
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aber das Fördersystem müsste deutlich wettbewerblicher ausgestaltet werden. Denkbar ist beispielsweise ein Umstieg auf ein sorgsam konzipiertes Versteigerungsmodell.
Käme für Sie auch ein Quotenmodell infrage, wie es bei-spielsweise die Monopolkommission in ihrem jüngsten Gutachten vorgeschlagen hat?
Mundt Wenn wir auf der grünen Wiese beginnen würden, wäre dies unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten das richtige Modell. Ich halte es aber für schwierig, neben dem weiterwirkenden heutigen EEG-Modell ein völlig neues System zu etablieren. Ein solcher abrupter Systemwechsel dürfte, auch unter politischen Gesichtspunkten, nur sehr schwer möglich sein. Auch um ganz am Ende der Diskussion zu einem notwendigen Konsens mit allen Beteiligten zu gelangen, halte ich es für zielführender, hier die Stellschrauben, die das heutige System bietet, in die richtige Richtung zu drehen.
Soll man schnell drehen oder mit Gefühl?
Mundt Es ist bislang auch die beachtliche Geschwindigkeit der Energiewende, die uns vor große Probleme stellt. Je schneller der Prozess abläuft, umso schwieriger ist er zu beherrschen. Eine gewisse Steuerung des Ausbautempos würde auf vielen Gebieten den Anpassungsprozess erleichtern. Der technische Fortschritt, zum Beispiel bei der Speichertechnologie, könnte zielführender eingebunden werden. Die Probleme der Netzanbindung und Übertragung hätten mehr Zeit, um gelöst zu werden. Es würde auch die Einbettung des Prozesses in die europäische Entwicklung erleichtern.
Für den Übergang müssen aber Vorkehrungen getroffen werden, damit weiterhin die Versorgungssicherheit ge-währleistet ist. Sie favorisieren hierfür die sogenannte Strategische Reserve.
Mundt Wenn tatsächlich ein solcher Bedarf besteht, würden wir ein Modell favorisieren, das den Markt so wenig wie möglich beeinträchtigt und wettbewerblich ist. Auch sollte es reversibel sein, für den Fall, dass die Entwicklung anders verläuft als prognostiziert. Diese Ansprüche erfüllt das Modell der Strategischen Reserve recht gut. Es greift, lassen Sie es mich so sagen, ‚mikroinvasiv‘ in den Markt ein, lässt Wettbewerb zu, man kann punktuell nachsteuern und es versperrt nicht die Optionen für die Zukunft.
Eine staatliche Instanz müsste aber feststellen, wie hoch die Reserve sein soll.
Mundt Ganz ohne regulatorische Festlegungen kommt natürlich auch eine Strategische Reserve nicht aus. Die Frage ist aber stets, wie stark man in den Markt eingreift, um ihn funktionsfähig zu halten. Dies ist bei einer Strategischen Reserve im Vergleich zu Kapazitätsmärkten deutlich weniger der Fall.
Können wir es uns denn angesichts der langen Investiti-onszeiten in der Energiewirtschaft leisten, mit der For-mulierung eines nachhaltigen und für lange Zeit dann auch geltenden Modells eines neuen Marktdesigns uns noch Zeit zu lassen?
Mundt Noch sind Prognosen, die eine Kapazitätslücke vorhersagen, mit ganz erheblichen Unsicherheiten behaftet. Der Markt weist zudem nicht unerhebliche Überkapazitäten auf. Wir plädieren daher dafür, stufenweise vorzugehen. Zunächst sollte der Energy Only Markt fortentwickelt und vor allem die Reform des EEG angegangen werden. Allein dies verändert den heutigen Markt erheblich. Wenn erforderlich, kann man in einer zweiten Stufe die Versorgungssicherheit mit einer Strategischen Reserve absichern. Und wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, sollte man in einer dritten Stufe als Ultima Ratio einen Kapazitätsmarkt einführen. Möglicherweise reichen aber ja schon die Preissignale in einem weiterentwickelten Energy Only Markt aus, um die Investitionen, die wir für die Zukunft benötigen, auszulösen. Die Möglichkeiten des bisherigen Marktdesigns mit einem veränderten EEG halte ich bei weitem nicht für ausgeschöpft.
Dennoch wird – auch in der Politik – über einen Kapa-zitätsmarkt nachgedacht. Welchen Kriterien müsste der denn folgen?
Mundt Er muss so viele wettbewerbliche Elemente enthalten wie möglich. Er muss europäisch ausgerichtet sein. Nationale Kapazitätsmärkte können im europäischen Binnenmarkt zu erheblichen Marktverzerrungen führen. Ein Kapazitätsmarkt muss für alle Flexibilitäten – auch Lastmanagement und Speicher – Anreize bereithalten, also nicht nur die Erzeuger, sondern auch die Nachfrageseite berücksichtigen. Schließlich muss er technologieneutral und transparent sein, damit sich der Wettbewerb auch entfalten kann.
Entspricht ein Leistungsmarkt Ihren Anforderungen?
Mundt Ich will jetzt für kein Modell eine Lanze brechen, doch kann ich mir vorstellen, dass die Idee von dezentralen Leistungsmärkten bei der Konzeption eine Rolle spielen kann, falls sich Kapazitätsmärkte auch nach den ersten Reformstufen als unabweisbar erweisen sollten.
Wird die europäische Dimension bei der gegenwärtigen Diskussion genügend gewürdigt?
Mundt Die Kommission hat hier nicht so viele Kompetenzen. Aber ich hielte eine stärkere Rolle der EU-Kommission für sinnvoll. Bislang hört man viele Mahnungen aus Brüssel, aber die Kommission müsste die verschiedenen Akteure jetzt an einen Tisch bringen. Ich weiß, dass das schon in Deutschland schwierig genug ist angesichts der sehr unterschiedlichen Interessen und Ausgangsbedingungen. Aber versuchen muss man es, denn nationale Alleingänge sind bei vielen der anstehenden Fragen und Probleme nicht sinnvoll und konterkarieren die Erfolge, die wir bislang auf den europäischen Strommärkten erarbeitet haben.
strEitfragEn!-spEzial Marktdesign12
der kapaZitätsMarkt ist langfristig angelegt.Investitionen in der Energiewirtschaft benötigen langfristig stabile und verlässliche Rahmenbedingungen. Auch für den Kapazitätsmarkt gilt deshalb, dass er über lange Zeiträume verlässliche und transparente Marktregeln und Preissignale aufweist, um Investitionsanreize zu schaffen. Nur in Ausnahmefällen dürfen die Regeln geändert werden, diese Fälle müssen vorher festgelegt werden. Änderungen beziehen sich nur auf noch nicht realisierte Investitionen.
der kapaZitätsMarkt ZeicHnetsicH durcH einen robusten MecHanisMus aus.
Weil der Kapazitätsmechanismus über einen langen Zeitraum gelten soll, muss er so gestaltet sein, dass er auch bei sich ändernden Bedingungen im gewünschten Sinn funktioniert. Auch Fehler, die im Vorfeld gemacht werden, dürfen sich nicht nachteilig auf den Mechanismus auswirken. Je mehr selbstregulierende Elemente der Kapazitätsmechanismus enthält, umso weniger sind – wiederum fehleranfällige – regulatorische Eingriffe notwendig.
der kapaZitätsMarkt erMöglicHt europäiscHe lösungen.
Der deutsche Strommarkt ist eng mit den anderen zentraleuropäischen Märkten verflochten. Andererseits treten Leistungsknappheiten nicht gleichzeitig in allen EU-Ländern auf. Deshalb sollte ein Kapazitätsmechanismus in Deutschland so angelegt sein, dass er auf ausländische Kapazitäten zugreifen kann, aber auch Leistung bereitstellt, wenn in anderen Ländern Knappheit besteht. Dadurch kommt es zu einem effektiven Einsatz der Kapazitäten auf europäischer, zumindest aber auf regionaler (zentraleuropäischer) Ebene. Hierzu bedarf es eines gemeinsamen Verständnisses von Versorgungssicherheit sowie eines koordinierten Einsatzregimes.
der kapaZitätsMarkt erstrecktsicH über den gesaMten Markt.
Bestands und Neuanlagen werden vom Kapazitätsmarkt ebenso erfasst wie nachfrageseitige Maßnahmen oder Speicher. Keine Technologie wird von der Teilnahme am Kapazitätsmarkt ausgeschlossen. Für die Vergütung auf dem Kapazitätsmarkt ist ausschließlich das Produkt „Beitrag zur gesicherten Stromversorgung“ maßgeblich.
der kapaZitätsMarkt ist praktikabel und einfacH uMZusetZen.
Aufgabe des Kapazitätsmarktes ist es ausschließlich, eine sichere Versorgung zu gewährleisten. Andere Aufgaben wie beispielsweise der Klimaschutz erhöhen die Ineffizienz ebenso wie zu hohe regulatorische Vorgaben. Um Effizienzen und Innovationen bestmöglich ausschöpfen zu können, sollte ein Kapazitätsmarkt Marktmechanismen so weit wie möglich in den Vordergrund stellen.
der kapaZitätsMarkt ist soweit wie MöglicH Markt-wirtscHaftlicH organisiert.
Bei der Implementierung wie der Durchführung des Kapazitätsmechanismus wird auf hohe Kosteneffizienz geachtet. Marktsignale können sich frei entfalten, die unterschiedlichsten Anbieter können zum Zuge kommen. Der Kapazitätsmechanismus führt Angebot und Nachfrage von Versorgungssicherheit zusammen und sorgt so für einen Marktpreis für das Produkt: sichere Versorgung.
der kapaZitätsMarkt dient ausscHliesslicH der versorgungssicHerHeit.
Er stellt sicher, dass zu jeder Zeit die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Wichtig für einen nicht nur effektiven, sondern auch effizienten Kapazitätsmechanismus ist die Fokussierung auf ein Ziel: die Versorgungssicherheit. Eine Überfrachtung mit weiteren Zielen, wie zum Beispiel Klimaschutz, führt zu unnötiger Komplexität und Ineffizienz. Dafür stehen andere Instrumente wie zum Beispiel der EU-Emissionshandel zur Verfügung.
Mit der zunehmenden Einspeisung von Strom aus Anlagen, die Erneuerbare Energien nutzen, wird es für konventionelle Erzeugungsanlagen immer schwieriger, auf die notwendige Benutzungsstundenzahl zu kommen, um ihre Kosten zu decken. Zudem drückt der Strom aus ErneuerbarenAnlagen, der in den meisten Fällen zu Grenzkosten nahe null erzeugt wird, die am Spot wie auch am Terminmarkt zu erzielenden Erzeugungsmargen deutlich nach unten.
Andererseits sind konventionelle Kraftwerke auch in einem Erzeugungsmarkt, der von ErneuerbarenAnlagen bestimmt wird, weiter notwendig, um dann, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, eine sichere Versorgung mit Strom aufrechtzuerhalten.
Deshalb wird seit einiger Zeit über die Installation von sogenannten Kapazitätsmechanismen diskutiert. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen für Kapazitätsmechanismen. Sie sollen sicherstellen, dass Leistung entsprechend ihrem Wert entlohnt wird und dass genügend Anreize gesetzt werden, damit Bestandsanlagen weiterbetrieben und Investitionen in neue Anlagen vorgenommen werden. Viele dieser Modelle weisen aber Defizite in Bezug auf die Effektivität und ihre Effizienz auf.
Der BDEW hat deshalb allgemeine Anforderungen formuliert, die an einen Kapazitätsmechanismus gestellt werden müssen, der auch langfristig die Versorgungssicherheit auf dem Strommarkt sicherstellen kann.
kriterien für kapaZitätsMärkte
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ein Markt sorgt für leistung
strEitfragEn!-spEzial Marktdesign14
Im gegenwärtigen Energy Only Markt (EOM) wird allein Arbeit, das heißt die Lieferung von Strom, vergütet. Kraftwerke, die für den Fall bereitgehalten werden, dass nicht genügend Strom aus ErneuerbarenAnlagen ins Netz eingespeist wird, kommen wegen des Einspeisevorrangs Erneuerbarer Energien und dadurch sinkender Betriebsstunden und Margen am Strommarkt zunehmend weniger bis nicht mehr ins Geld.
Abhilfe soll ein dezentraler Leistungsmarkt schaffen. Er beruht auf einem umfassenden Kapazitätsmarkt, der alle Anbieter von gesicherter Leistung umfasst. Das sind konventionelle Kraftwerke, KraftWärmeKopplungsanlagen, Speicher, aber beispielsweise auch steuerbare ErneuerbareEnergienAnlagen. Diese Kraftwerke können auf einem Leistungsmarkt gesicherte Leistung anbieten. Auf der anderen Seite des Marktes stehen die Vertriebe beziehungsweise. Bilanzkreisverantwortlichen (zum Beispiel große Industriebetriebe mit eigener Strombeschaffung), die verpflichtet werden, gesicherte Leistung nachzufragen. Aus dem Angebot von gesicherter Leistung und der Nachfrage nach gesicherter Leistung ergibt sich ein Preis für gesicherte Leistung.
stroMkunden fragen leistung nacH
Der Anbieter gesicherter Leistung kann Versorgungssicherheitsnachweise verkaufen. Die Gültigkeit der Versorgungssicherheitsnachweise gilt dabei für einen längeren Zeitraum, zunächst ein Quartal. Längere und kürzere Fristigkeiten werden sich aus dem Markt heraus in Analogie zum Absicherungsbedarf der Vertriebe ergeben. Kraftwerke, die auf dem Leistungsmarkt auftreten, können neben den Erlösen aus dem EOM zusätzliche Erlöse aus dem Verkauf von gesicherter Leistung erwirtschaften. Auf diese Weise können – insbesondere bei Knappheiten – der wirtschaftliche Betrieb ermöglicht und gegebenenfalls Impulse für neue Kapazitäten gesetzt werden.
Der Anbieter von Leistung ist verpflichtet, in Knappheitssituationen Leistung in Höhe der von ihm ausgegebenen Versorgungssicherheitsnachweise auch zu erbringen. Kann er das nicht, muss er Leistung anderswo einkaufen, um auf diese Weise seinen Verpflichtungen nachzukommen. Anderenfalls wäre eine erhebliche Strafzahlung fällig.
Vertriebe, deren Stromkunden ein Interesse an gesicherter Leistung haben, treten auf dem Leistungsmarkt als Nachfrager auf. Sie kaufen Versorgungssicherheitsnachweise in Höhe der gesicherten Leistung ihrer Kunden, die sie zum Zeitpunkt der Jahreshöchstlast für notwendig halten. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich beispielsweise je nach Fristigkeit unterschiedliche Produkte für gesicherte Leistung herausbilden.
keine Zentrale stelle notwendig
Nachfrager, die in der Lage und/oder bereit sind, in Engpasssituationen ihren Stromverbrauch einzuschränken oder durch eigene Erzeugung zu ersetzen, sind indirekt auch Anbieter auf dem Leistungsmarkt. Sie benötigen in Höhe ihres angebotenen Lastabwurfs beziehungsweise ihrer Eigenerzeugung weniger Versorgungssicherheitsnachweise. Das ermöglicht die unterschiedlichsten Vertragsgestaltungen zwischen Vertrieben und Kunden und so auf ideale Weise die Hebung der Innovations und Flexibilitätspotenziale auf der Nachfrageseite.
Im Gegensatz zu vielen anderen Modellen für einen Kapazitätsmechanismus, bei denen eine zentrale Stelle die Höhe der Kapazitätsreserve festlegt und den Markt reguliert, will der Vorschlag eines dezentralen Leistungsmarktes die Versorgungssicherheit auf Marktbasis lösen. Dabei treffen sich zahlreiche Anbieter und Nachfrager auf einem Markt für gesicherte Leistung und legen auf diese Weise einen Preis für dieses „Gut“ fest. Dieses Modell ist eine ideale Ergänzung des EOM. Es setzt auf ihm auf, ohne die Preisbildung für normale Stromlieferungen entscheidend zu beeinflussen.
Das Konzept eines dezentralen Leistungsmarktes ist eine Antwort auf die Frage, wie viel gesicherte Leistung die Kunden haben wollen. Benötigen die Kunden mehr Leistung als der Energy Only Markt (EOM) bereitstellen kann, sorgt der Leistungsmarkt für Ausgleich.
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Die Einführung eines dezentralen Leistungsmarktes trägt neben weiteren Mechanismen mittel und langfristig zum Gelingen der Energiewende in Deutschland bei und ist allein deshalb von den Energieversorgungsunternehmen zu begrüßen. Wir sind in der Erzeugung vor allem bei Erneuerbaren Energien ohne gesicherte Leistungsabgabe aktiv, zukünftig würde so beispielsweise auch der weitere Zubau von BHKW für uns attraktiver. Chancen sehen wir vor allem in neuen Produktfeldern für den Vertrieb im Bereich der Beratung von Industriekunden mit hohem Stromverbrauch. Auch das Contracting von BHKW sowie PortfolioDienstleistungen im Zusammenhang mit Versorgungssicherheitsnachweisen für Industriekunden stellen perspektivisch interessante Tätigkeitsfelder dar. Risiken eines dezentralen Leistungsmarktes sind darin zu
sehen, dass dem Strompreis ein weiterer von uns nicht beeinflussbarer Faktor für die erforderlichen Zertifikate hinzugerechnet werden muss. Bereits heute können wir nur etwa 30 Prozent des Preises überhaupt beeinflussen. Da die Preisschilder der Versorgungssicherheitsnachweise noch ungewiss sind, ist das Risiko von Investitionen in Anlagen zur Leistungsbereitstellung schwer abzuschätzen. Für ein Gelingen muss sichergestellt werden, dass ein energiewirtschaftlich ganzheitliches System entsteht, und der Verwaltungsaufwand im richtigen Verhältnis zum Nutzen steht. Insgesamt bedarf es einer vernünftigen und vorausschauenden Planung unter Einbeziehung aller Beteiligten.
peter blatZHeiM ist Geschäftsführer der Stadtwerke Troisdorf GmbH
welcHe cHancen und welcHe risiken gibt es für kleine und Mittlere unterneHMen der energiewirtscHaft, wenn in deutscHland ein deZentraler leistungsMarkt etabliert wird?
fragen und antworten ZuM leistungsMarkt
› Vertreter kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie Mitglieder der Arbeitsgruppe Kapazitätsmechanismen /Marktdesign im BDEW geben Antworten auf die drängenden Fragen zum dezentralen Leistungsmarkt.
strEitfragEn!-spEzial Marktdesign16
Der BDEW hat mit seinem Positions papier einen Entwurf zur Ausgestaltung eines dezentralen Leistungsmarktes vorgelegt. Hintergrund dieses Vorschlags ist, dass bei unveränderter Fortführung des Energy Only Marktes (EOM) die Versorgungssicherheit und die Kosteneffizienz des Gesamtsystems zunehmend gefährdet sind. Unstrittig ist aufgrund dieser Sachlage deshalb, dass sich die künftige Stromversorgung aus der Lieferung elektrischer Arbeit und aus der Bereitstellung von gesicherter Leistung zusammensetzen muss. Die Frage ist, ob die im Entwurf des BDEW vorgeschlagenen Mechanismen einen transparenten und liquiden Markt für die Sicherstellung elektrischer Leistung herstellen können und zu einer marktgerechten Gesamtkostensituation für elektrische Arbeit und gesicherte Leistung führen. Dies muss meiner Ansicht nach
noch genauer validiert werden, wobei hier auch die Wechselwirkung bei der Preisbildung an den jeweiligen Börsen für elektrische Arbeit und gesicherte Leistung zu eruieren ist.
Vorausgesetzt, die Vorschläge des BDEW erfüllen die noch genauer zu validierenden Punkte, dann sehe ich für den Vertrieb bei den KMUs durchaus interessante Möglichkeiten zur Produktentwicklung und entsprechende Geschäftschancen. Ohne attraktive Angebote mit Arbeits und Leistungspreisen kann kein Demand SideManagement erfolgen und auch die Entwicklung eines Smart Grid braucht diesen preislichen Anreiz.
rudolf kastner ist Vorstandsvorsitzender der EGT AG, Triberg
Dass der Energiemarkt ein neues Design benötigt, ist unstrittig, und dass Leistung einen Wert gewinnen muss, ist selbstverständlich. Der aktuelle Vorschlag orientiert sich aber zu sehr an einseitigen Interessen. Ich sehe ein hohes Gefährdungspotenzial für Vertriebe, insbesondere diejenigen von KMUs und auch für die Branche insgesamt. Aus der Fülle der Fragen seien einige wenige herausgegriffen.
Die aktuelle Strompreisdiskussion ist ohnehin aufgeladen. Höhere Preise durch die Branche selbst und nicht durch öffentlich rechtliche Umlagen werden bei Politik und Verbraucherschutz sofort reflexhaft zu Rufen nach Lieferantenwechsel führen. Die Gefahr besteht auch, dass Vertriebe in Grauzonen gezielt zu wenige Zertifikate kaufen und so seriöse Vertriebe unterbieten.
Das Modell erlaubt, dass Kraftwerke aller Erzeugungsarten im In und Ausland Versorgungssicherheitsnachweise ausstellen dürfen. Damit sind nicht nur CO2
arme Kraftwerke Nutznießer dieses Systems, sondern auch Kohle und Braunkohlekraftwerke, die zudem noch im Geld sind. Auch ausländische Kernkraftwerke sind in das System integriert. Hier ist die hohe Gefahr einer politisch negativen Diskussion zu sehen.
Jeder Erwerber eines Terminmarktproduktes kauft sich gesicherte Leistung über einen bestimmten Zeitraum. Das Modell sieht aber vor, dass zusätzlich die gleiche Leistung nochmals durch Versorgungssicherheitsnachweise gesichert werden muss, das einzelne Megawatt muss also zweimal erworben werden. Der Einstieg in ein neues Marktdesign ist notwendig und richtig, er muss aber ausgewogen sein und er muss einer öffentlichen Diskussion über die Folgen auch im Detail standhalten.
tHoMas MaHlbacHer ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Fellbach
Die Implementierung eines dezentralen Leistungsmarktes in einem neugestalteten Energiemarkt halte ich grundsätzlich für eine gute Idee. Auf diese Art wird die notwendige Finanzierung von Kapazitäten vom Markt gesteuert und nicht behördlich reguliert. Der Vertrieb von Versorgungssicherheitsnachweisen stellt sicherlich eine Herausforde
rung dar, bietet kompetenten Vertrieben aber auch Chancen, sich gegen Billiganbieter abzugrenzen. Wichtig dabei ist aber eine Ausgestaltung, die einen Missbrauch ausschließt.
dietMar canis ist Geschäftsführer der Stadtwerke GmbH Bad Kreuznach
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durcH einen deZentra-len leistungsMarkt wird die koMplexität beiM vertrieb sicHerlicH Zu-neHMen. ist dies für klei-ne und Mittlere energie-versorger überHaupt leistbar?
Versorgungssicherheitsnachweise werden grundsätzlich nach den gleichen Regeln wie Energie beschafft. Von daher ist kein großer Mehraufwand zu erwarten.
andreas sautter Thüga AG
wer garantiert, dass iM gesaMtMarkt die not-wendige leistung iM ernstfall tatsäcHlicH Zur verfügung steHt? die vorgese Hene pönale trifft ja nur den ein-Zelnen leistungsanbieter.
Im Ernstfall ist der Strompreis hoch. Dadurch hat jedes Kraftwerk ein Interesse daran, in diesen Zeiten verfügbar zu sein. Die Pönale aus dem Leistungsmarkt verstärkt diesen Anreiz und sie schafft auch noch zusätzliche Anreize, sich mit Backup Kraftwerken gegen unvorhergesehene Ausfälle zu versichern.
cHristopH lang RWE AG
wer soll aM deZentralen leistungsMarkt teilneH-Men – stroMlieferanten bZw. deren vertriebe, grossverbraucHer, Händler?
Neben Anbietern von gesicherter Erzeugungskapazität, wie Kraftamen am dezentralen Leistungsmarkt Stromver triebe, Stromhändler und sehr große Stromver braucher teil.
andreas sautter Thüga AG
sollen aM leistungs-Markt auf der erZeu-gungsseite alle kraft-werke teilneHMen können?
Jedes Kilowatt gesicherte Leistung ist für die Versorgungssicherheit gleich wichtig. Ein einheitlicher Preis sorgt für einen fairen Wettbewerb zwischen allen Optionen, gesicherte Leistung bereitzustellen.
cHristopH lang RWE AG
erfüllt ein deZentraler leistungsMarkt die anforde-rungen an wettbewerbsneutralität oder besteHt das risiko, dass sicH einZelne vertriebe MöglicHerweise nicHt Mit versorgungssicHerHeitsnacHweise eindecken und daMit wettbewerbsvorteile erlangen?
Ein dezentraler Leistungsmarkt wird über die Pönale bei Unterdeckung mit Versorgungssicherheitsnachweise gesteuert. Eine angemessen hohe Pönale und Nachweispflichten vermeiden wettbewerbswidriges Verhalten der Betriebe.
stepHan eidt Stadtwerke München
investoren in neuanlagen recHnen Mit eineM stabilen casH flow über die wirtscHaftlicHe laufZeit des kraftwerks. Mit den versorgungssicHerHeitsnacH-weisen aber koMMt eine volatile grösse in die kalku-lation, die das investitionsrisiko erHöHt. wird daMit der leistungsMarkt nicHt ein wenig konter kariert?
Es ist nicht das vorrangige Ziel eines Kapazitätsmarktes, einen stabilen Cash Flow für Investoren sicherzustellen. Investoren benötigen vielmehr einen lang fristig verlässlichen Rahmen, um Chancen und Risiken des Marktes einzuschätzen zu können. Im dezentralen Leistungsmarkt kann der Investor davon ausgehen, dass die Nachfrage nach dem Produkt „gesicherte Leistung“ langfristig relativ stabil ist.
nina scHolZ E.ON SE
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01was versteHen sie unter ei-neM „deZentralen leistungs-Markt“?
Eine wesentliche Herausforderung der Energiewende ist die Frage, wie groß der Kraftwerkspark sein muss, um in den Stunden der „dunklen Flaute“ – also dann, wenn gleichzeitig keine Sonne scheint und der Wind nicht weht – die Leistungsnachfrage zu decken. Das Marktmodell, das mit minimalem staatlichem Eingriff das Verhältnis von Nachfrage und Angebot an gesicherter Leistung in diesen Stunden ausgleicht, ist zu bevorzugen, denn es wird die volkswirtschaftlich geringsten Kosten auslösen. In einem dezentralen Leistungsmarkt entscheidet der Kunde selbst über die Höhe der von ihm benötigten Versorgungssicherheit. Damit nimmt der Kunde eine aktive Rolle bei der Umsetzung der Energiewende ein.
02welcHe effekte versprecHen sie sicH von der einbindung der nacHfrageseite?
Durch die Einbindung der Nachfrageseite kann der Endkunde auf Basis eines Vertrages mit seinem Vertrieb die Höhe seiner gesicherten Leistung selbst bestimmen. Wie vorhin beschrieben, gibt es rund 1 000 Stunden im Jahr, in denen weder Wind noch Sonne zur Verfügung stehen.
Die zentrale Frage dabei ist, wie groß der Kraftwerkspark bemessen sein muss. In diesen Stunden sind dann alle gesicherten Erzeugungsanlagen mehr oder weniger in Volllastbetrieb, weil sie die Versorgungssicherheit übernehmen.An dieser Stelle ist es daher wichtig, dass die Verbraucher einbezogen und in eine aktive Rolle versetzt werden. So werden sie nicht zu „Gefangenen“, sondern zu Gestaltern der Energiewende.
Konkret sollten wir zum Beispiel den Industriekunden fragen, denn von seiner Entscheidung hängt ab, wie viel gesicherte Kraftwerksleistung wir für ihn in diesen Stunden vorhalten. Und in dem Moment, wo der Kunde diese Leistungsbevorratung nach dem Motto „Wer bestellt, bezahlt!“ vergüten muss, stellt er sich sofort die Frage der Wirtschaftlichkeit und damit nach möglichen Handlungsalternativen.
Hat er zum Beispiel das ganze Jahr über eine Leistungsaufnahme von 100 Kilowatt, so ist er unter Berücksichtigung der aktuellen Preise gegebenenfalls bereit, in den 1 000 Stunden der „Knappheit“ seine Leistungsaufnahme auf 50 Kilowatt zu beschränken, weil er damit auch nur die Vorhaltung für 50 Kilowatt und nicht für 100 Kilowatt bezahlen muss. In einer solchen Situation kann es für den Industriekunden zum Beispiel betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, seine Lagerbestände abzubauen. Es kann aber für ihn gegebenenfalls auch eine Alternative sein, für diese Stunden eine eigene Leistungsreserve vorzuhalten, wie zum Beispiel ein Blockheizkraftwerk (BHKW). So können Kunden nicht nur über ihren Verbrauch, sondern auch über die von ihnen bestellte Mindestleistung unmittelbar Einfluss auf die Höhe ihrer Strompreise nehmen.
03ist das konZept für den de-Zentralen leistungsMarkt aus gereift? was MacHt sie ZuversicHtlicH, dass dieser funktionieren wird?
Natürlich sind mit einem solchen Systemwechsel weitere Fragen und Ausgestaltungsdetails zu klären.
Wir sind sicher, dass der Kunde eine solche Systematik schnell versteht und nutzt. Eine Leistungsvorhaltung nach dem Prinzip „Wer bestellt, bezahlt!“ ist grundsätzlich vergleichbar mit einem heute bestellten Fahrplan. Übrigens haben wir im Erdgasmarkt über viele Jahre eine solche Mechanik erfolgreich mit den Kunden gelebt. Kunden, die bei Knappheit Flexibilitäten bieten konnten, haben davon erheblich profitiert. Zum Teil auch über saisonale Steuerungen, wie Ziegelbrennereien im Sommerbetrieb. Klar ist aber auch, dass ein solches Marktdesign sicherlich Zeit braucht, um sich zu etablieren und zu entwickeln. Wir sollten uns in den nächsten Wochen eingehend damit beschäftigen, wie ein solches Modell idealerweise eingeführt werden kann, was dabei zu beachten ist und wie die Kommunikation mit den Kunden erfolgen sollte.
drei fragen an cHristopH kaHlen, tHüga ag
cHristopH kaHlenist Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Thüga AG, München
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startscHuss für ein neues eeg
Harald noske
ist Mitglied des Vorstands der Stadtwerke Hannover AG und Vorsitzender des Lenkungs kreises Stromerzeugung des BDEW.
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Die Förderung der Erneuerbaren Energien läuft aus dem Ruder. Der ungebremste Ausbau überfordert das bestehende Energieversorgungssystem, die von allen Stromverbrauchern zu zahlende Förderumlage belastet zunehmend Unternehmen und untere Einkommensgruppen. Mit der Entwicklung eines Zielmodells zur Integration der Erneuerbaren Energien gibt der BDEW einen wichtigen Impuls im politischen Prozess zur Reform der EE-Förderung.
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Warum hat der Verband dieses Zielmodell entwickelt?
Harald noske Wir sind mit allen Produkten und mit allen Wertschöpfungsstufen von der Energiewende betroffen. Uns bleibt deshalb gar nichts anderes übrig, als uns mit dem Thema zu befassen. Es ist ja auch aufs Engste verwoben mit der konventionellen Stromerzeugung.
dr.Martin bauMert Es geht um Energieversorgung, es geht um Energieversorgungssicherheit, es geht darum, diese Energieversorgungssicherheit in erster Linie mit Erneuerbaren Energien zu gewährleisten. Das ist unser Kernthema. Wir wollen die Energiewende positiv begleiten. Wir stoßen dabei auf neue Technologien. Wir wissen, dass wir uns in unseren Geschäftsmodellen komplett verändern müssen. Wir wollen aber, dass es funktioniert.
dr.Martin bauMert
ist Geschäftsführer der Naturwatt GmbH in Oldenburg, eines der ersten ÖkostromAnbieter in Deutschland. Er ist zugleich Mitglied der ProjektgruppeMarktdesign im BDEW.
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Ohne aber zu wissen, wie der Weg genau sein wird.
bauMert Die Zukunft kennt in der Tat keiner. Es gibt kein Land bisher, das diesen Weg einer fundamentalen Umstellung der Energieversorgung gegangen ist. Wir glauben aber, dass wir das können. Dafür benötigen wir nun jedoch auch richtige Rahmenbedingungen. Wir haben mit dem Modell weit voraus gedacht, ohne genau festzulegen, wie das System künftig aussehen soll. Wir sind im Aufbruch.
Also ein Zielmodell ohne genaues Ziel?
bauMert Uns geht es darum, dass wir heute, morgen und übermorgen eine funktionierende Energiewirtschaft haben. Wir gehen davon aus, dass wir den richtigen Weg auf dieser Reise am besten unter marktwirtschaftlichen Bedingungen erkennen können, und sind davon überzeugt, dass wir am Ende die optimale Energieversorgungsstruktur nur bei fairen wettbewerblichen Bedingungen für alle Beteiligten finden werden. Die Erneuerbaren Energien wurden durch gezielte Sonderregelungen in den Markt eingeführt. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Erneuerbaren für den Wettbewerb fit gemacht werden.
noske Unser Ziel als Branche ist immer die Betrachtung aller drei wesentlichen Elemente des energiewirtschaftlichen Dreiecks: Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit. Wenn man versucht, dieses im Gleichgewicht zu halten, kann man recht gut prognostizieren, wie es weitergehen muss. In den letzten Jahren ist durch den rasanten, aber ungesteuerten Ausbau der Erneuerbaren Energien der Fortschritt beim Klimaschutz überbetont worden. Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit wurden vernachlässigt. Das energiewirtschaftliche Dreieck ist in Schieflage geraten.
Zu den Forderungen des Zielmodells gehört die ver-pflichtende Direktvermarktung des Stroms aus Erneuer-baren Energien.
noske Wind und Sonne sind volatile Energieträger. Deshalb muss die Direktvermarktung so ausgestaltet sein, dass diese Energieträger entsprechend ihrer Prognostizierbarkeit konkret day ahead und intra day in die Versorgungsaufgabe eingebaut werden. Die verbleibende Residuallast müssen dann die konventionellen Kraftwerke übernehmen. Es geht um das Zusammenfügen von erneuerbaren und konventionellen Kraftwerken über die explizite Verknüpfung im Strommarkt.
Was heißt das jetzt konkret?
noske Erneuerbare Energien sollen einen Teil ihrer Erlöse am Energy Only Markt erzielen, benötigen darüber hinaus aber noch eine ganze Weile eine Förderung. Diese Förderung muss im Zeitverlauf so ausgestaltet werden, dass die Ausbauziele bei moderater ZubauGeschwindigkeit erreicht, aber zum Beispiel Überförderung vermieden wird. Wir schlagen deshalb eine stufenweise steigende Übernahme von Marktrisiken für die Erneuerbaren vor. Das kann in Form einer Marktprämie geschehen, die einem Investitionszuschuss entspricht und als Aufschlag auf den Marktpreis gezahlt wird, den ein Anbieter bei der Direktvermarktung erzielt.
Soll die Marktprämie technologieoffen oder technolo-giespezifisch sein?
bauMert Derzeit sind wir der Ansicht, dass wir so unterschiedliche Technologien am Markt haben, dass wir die Förderung technologiespezifisch ausgestalten müssen. Wir sehen andererseits inzwischen aber auch eine sehr große Komplexität von Fördertatbeständen. Wir gehen davon aus, dass man künftig die vielen unterschiedlichen Fördertatbestände bündelt.
Und keine regionalspezifische Komponente?
bauMert Wir müssen Netzausbau und ErneuerbareEnergienAusbau synchronisieren. Der Aufbau einer EE-Anlage an einem Standort ohne oder nur mit sehr teurem Netzanschluss ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Wir haben daher Vorschläge erarbeitet, wie man mit Netzengpasssituationen umgehen kann.
noske Es darf auf keinen Fall eine direkte regionale Spezifizierung geben in dem Sinne, dass für die gleiche Anlage je nach Standort eine unterschiedliche Förderung vorgesehen ist. Unser Ansatz im BDEW ist, dass die Förderung im Sinne der oben genannten Marktprämie nicht fix über 20 Jahre, sondern für eine bestimmte Produktionsmenge gezahlt wird. Dann wird eine Anlage an der Küste ihre Fördersumme beispielsweise schon nach 16 Jahren, eine Anlage im Binnenland vielleicht erst nach 25 Jahren abgearbeitet haben. Dadurch steigt die Fördereffizienz.
Herr Baumert, können Sie mit dem jetzt vorgeschlage-nen BDEW-Modell leben?
bauMert Wir gehen mit dem Modell einen sehr großen Schritt in Richtung Marktwirtschaft. Aktuell sehen wir hier die dringendsten Probleme auf der Angebotsseite, sprich in der Erzeugung und im Netz. Ein nachhaltig funktionierender Markt benötigt aber auch eine aktive Nachfrageseite. Hier liegen in meinen Augen noch erhebliche Potenziale, die wir in dem Modell aber noch nicht im Fokus hatten. Sollte sich das Modell umsetzen, dann schaffen wir jetzt aber einige Voraussetzungen dafür, dass die Potenziale in der Zukunft besser gehoben werden können.
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Herr Noske, und wie sieht es bei Ihnen aus?
noske Das Modell ist dann tragfähig, wenn bei der notwendigen Reform des EEG, also quasi ein EEG 2.0, der Energy Only Markt mit einem Markt für Versorgungssicherheit, also beispielsweise einem Leistungsmarkt, kombiniert wird. Kraftwerke, die als BackupKraftwerke für die volatilen Erneuerbaren dienen und ihre notwendigen Einnahmen nicht allein aus der Produktion von Strom generieren können, müssen für ihre Verfügbarkeit entlohnt werden. Damit wird die Versorgungssicherheit gewährleistet und das Gleichgewicht im energiewirtschaftlichen Dreieck wiederhergestellt.
Was passiert mit dem Zielmodell jetzt?
noske Alle Wertschöpfungsstufen haben sich im BDEW auf ein gemeinsames, wirtschaftlich tragfähiges Konzept verständigt. Dieses muss so schnell wie möglich nach der Wahl an den verschiedensten Stellen in die politische Diskussion eingebracht werden. Über die BDEW-Organisation haben wir die Möglichkeit, auf allen politischen Ebenen und in allen interessierten Kreisen – zum Beispiel zahlreichen NGOs – die Debatte über die künftige Richtung der Energiewende mit unserem Modell voranzubringen.
Wie haben Sie es geschafft, die angesprochenen unter-schiedlichsten Wertschöpfungsstufen auf einen Nenner zu bringen?
bauMert Die Energiewende stellt die bisherige Energiewirtschaft auf den Kopf. Am Anfang herrschte eine Phase der drückenden Ratlosigkeit, wie und über was sich angesichts der komplexen Herausforderungen der Energiewende die vielfältigsten Wertschöpfungsstufen auf ein gemeinsames Konzept verständigen könnten. Da ist sehr viel und sehr intensiv diskutiert worden. In einer zweiten Phase zeichneten sich verschiedene Wege ab. Hier kamen die zahlreichen, auch gegensätzlichen Interessen ins Spiel, die teilweise noch nicht einmal eindeutig zu erkennen waren. Das war für mich eine sehr spannende Phase. In einer dritten Phase war dann aber deutliche Konsensbereitschaft spürbar, weil wir erkannt hatten: Wir hängen alle an einer Leitung.
noske Der Prozess ist von allen Beteiligten sehr konstruktiv gefördert worden. Die kleinen, hakeligen Momente zum Schluss sind in erster Linie entstanden, weil sehr unterschiedlich gesteuerte Bereiche zusammengekommen sind – regulierte Sparten wie die Netze und Sparten, die wettbewerblich aufgestellt sind. Der nun vorgelegte Vorschlag stellt aber eine fundierte Kompromisslösung dar, bei der alle mitgehen können.
»wir Hängen alle an einer leitung.«
»Das MoDEll ist Mit EinEM EEg 2.0 tragfähig.«
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Der Erfolg der Energiewende hängt auch von einem leistungsfähigen Netz ab. Erlaubt das gegenwärtige Regulierungsregime die notwendigen Investitionen?
dr. ronald HeinZe Wir haben unseren Netzausbau weit gehend abgeschlossen. Ohne die Regulierungsbehörde wäre es sicherlich schneller, kostengünstiger und besser gegangen.
dr. joacHiM nissen Die Verteilnetze müssen – insbesondere in der Fläche – in den nächsten Jahren massiv ausgebaut werden, damit sie den Strom aus den EE-Anlagen aufnehmen können. Die Regulierung ist bislang dazu ausgelegt, ein bestehendes System zu optimieren, nicht aber auszubauen oder einen Systemwechsel zu beherrschen. Da müssen die Regulierungsregeln sicherlich noch angepasst werden, die jetzt erfolgte Anpassung war dabei ein Schritt in die richtige Richtung.
jan fuHrberg-bauMann In städtischen Bereichen steht der einspeiserbedingte Netzausbau noch bevor. Hier haben wir relativ wenige Photovoltaik und praktisch keine Windanlagen. Der Ausbaubedarf wird erst dann kommen, wenn MikroBHKWs und BrennstoffzellenAnlagen in großem Umfang Einzug halten.
dr. klaus von sengbuscH In den vergangenen Jahren ist im Bereich der Übertragungsnetze schon viel erreicht worden. Aber es gibt immer noch Detailfragen zu klären, um sicherzustellen, dass die Risiken des Ausbaus der Übertragungsnetze auch zur Eigenkapitalrendite eines Über tragungsnetzbetreibers passen.
Damit sind wir schon bei den Finanzen. Derzeit wird von verschiedenen Seiten eine stärkere Leistungskompo-nente für die Netznutzung gefordert. Begrüßen Sie diese Forderung?
› Vier Netzexperten diskutieren über die Anforder ungen, die künftig auf die Netze zukommen.
neue rolle für die netZe
dr. joacHiM nissen
ist Leiter Netzwirtschaft der RWE Deutschland AG, Essen, Mitglied der Projektgruppe Marktdesign und Mitglied des Lenkungskreises Energienetze im BDEW.
dr.-ing. ronald HeinZeist Geschäftsführer der Stadtwerke Rhede und Mitglied des Lenkungskreises Energie und Umwelt politik im BDEW.
jan fuHrberg-bauMannist Geschäftsführer der Netz Leipzig GmbH, Mitglied der Projektgruppe Marktdesign und Vorsitzender des Lenkungskreises Energienetze im BDEW.
dr. klaus v. sengbuscHist Leiter Energiewirtschaft der 50Hertz Transmission GmbH.
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HeinZe Eine Leistungskomponente halte ich für unbedingt notwendig. Es ziehen sich immer mehr Eigenverbraucher aus der solidarischen Bezahlung des Netzes zurück. Ich kann mir sogar vorstellen, dass man aus allen Kunden mit Standardlastprofilabrechnung (SLP), also die normalen Haushaltskunden, Kunden mit registrierender Leistungsmessung macht.
fuHrberg-bauMann Generell stellt der Netzbetreiber ein Netz bereit, unabhängig von der jeweiligen konkreten Inanspruchnahme. Deshalb gibt es schon länger den Vorschlag einer Flatrate für die Netznutzung. Den Vorschlag, aus allen Kunden leistungsgemessene zu machen, halte ich aus Netzbetreibersicht für problematisch und in der praktischen Umsetzung auch für viel zu teuer.
nissen Die SLP-Kunden zahlen nur einen sehr geringen Grundpreis. Das führt zu Schieflagen. Denn das Netz hat zwei Funktionen: Es liefert Strom, wenn der Kunde ihn benötigt, also die Transportfunktion. Es ist aber zweitens auch dann da, wenn der Kunde keinen Strom bezieht. Das ist, wenn Sie so wollen, die Bereitschaftsfunktion. Diese wird heute bei vielen Kunden nicht angemessen vergütet.
Wollen Sie mehr Geld?
nissen Wir wollen, dass die Vorhaltung von Leistung angemessen vergütet wird. Es findet bei einer stärkeren Leistungsbemessung nur eine Umverteilung statt. Ob man bei den SLP-Kunden einen generellen Systemwechsel hin zu einem Leistungspreis vornimmt oder nur den Grundpreis erhöht, muss man noch einmal diskutieren. Man muss das in jedem Fall mit sehr viel Augenmaß machen.
fuHrberg-bauMann Die Leistungskomponente ist ein notwendiger und richtiger Weg. Wir müssen das Netz vorhalten für den Fall, dass es benötigt wird, es muss nicht nur für die Zeit da sein, in der es tatsächlich in Anspruch genommen wird.
Mit einem neuen Marktdesign könnten die Netzbetrei-ber in eine ganz neue, aktivere Rolle zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit gedrängt werden. Sind Sie auf diese Rollen vorbereitet?
von sengbuscH Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sind durchaus offen für neue Rollen. Die müssen aber umsetzbar und klar abgegrenzt sein.
Würden Sie auch in Kraftwerke investieren und diese vielleicht sogar betreiben?
von sengbuscH Das sehen wir nicht als Aufgabe des Übertragungsnetzbetreibers. Wir streben an, dass die erforderlichen Kraftwerke im freien Markt und damit im Wettbewerb errichtet und betrieben werden. Voraussetzung dafür sind ein geeignetes Marktdesign und starke Übertragungsnetze, die wir mit Hochdruck realisieren. Doch wenn es zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität in einem Übergangszeitraum notwendig sein sollte, sind auch solche Maßnahmen nicht ausgeschlossen. nissen Auf dem Elektrizitätsmarkt sind die Preise derzeit
so tief im Keller, dass sich einige Kraftwerksbetreiber überlegen, ihre Anlagen stillzulegen. Im BDEW erarbeiten wir derzeit Lösungen, um wieder zu einem kostendeckenden Betrieb von Kraftwerken zu kommen. Wenn das realisiert ist, kann sich der Übertragungsnetzbetreiber auch wieder auf seine Systemverantwortung, auf seine Regeltätigkeit zurückziehen und muss nicht Reserve kaufen, wie in den vergangenen Wintern.
von sengbuscH Das sehen wir auch so. Wir erwarten, dass mit den künftigen Marktregeln und einem starken Übertragungsnetz möglichst wenige Eingriffe in den Kraftwerksmarkt durch die Übertragungsnetzbetreiber notwendig werden.
nissen In Zukunft wird es immer mehr Erzeugung im Verteilnetz geben. Damit wird der Verteilnetzbetreiber eine immer stärkere unterstützende Rolle für den Übertragungsnetzbetreiber spielen müssen. Wenn beispielsweise der ÜNB aus Gründen der Systemstabilität Erzeugung im Verteilnetz ansteuern will, dann muss es technisch auch möglich sein.
» Wir WollEn, Dass DiE vorhaltung von lEistung angEMEssEn vErgütEt WirD.«
»DiE üBErtragungs-nEtzBEtrEiBEr sinD Durchaus offEn für nEuE rollEn.«
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Das läuft auf ein Smart Grid hinaus?
nissen In der Vergangenheit waren die Verteilnetze weitgehend passiv und verteilten nur die Energie, die aus dem vorgelagerten Netz kam. Künftig muss die verteilt eingespeiste Energie aufgenommen werden, so dass sich die Flussrichtung in den Netzen zeitweise auch umdreht. Damit man das so effizient wie möglich leisten kann, benötigen wir intelligente Netze. Die Netze müssen eine stärkere Überwachungsfunktion haben und die Möglichkeit zum regelnden Eingriff bieten.
Bedeutet das auch, dass dargebotsabhängige Erzeugung und preisabhängige Nachfrage besser aufeinander abge-stimmt werden können?
nissen Das ist das Thema Smart Market. Da geht es unter anderem darum, dass der Kunde seine Stromnachfrage auch nach dem aktuellen Preis orientiert. Da spielen dann Fragen wie Speichermöglichkeit, Verlagerung von Verbrauch und so weiter eine Rolle. Ehrlicherweise aber muss man sich fragen: Wie groß sind die Möglichkeiten eines Haushaltskunden, seinen Stromverbrauch zu verlagern?
Eine Netzampel soll signalisieren: Das Netz ist kurz vor der Belastungsgrenze, bitte den Stromverbrauch etwas einschränken.
nissen Das ist eine Weiterentwicklung des heutigen Zustands. Wir haben – im übertragenen Sinne – heute praktisch immer eine grüne Ampel. Und wir haben jetzt schon die rote Ampel, die bei Überlastung – übertragen gesprochen – aufleuchtet und zur Abschaltung von Netzteilen führt.
Eine Ampel hat auch eine gelbe Phase. Was soll die denn leisten?
nissen Die Überlegung dahinter ist, dass der Netzbetreiber den Vertrieben signalisiert, dass in einer Straße, in einer Stadt, einem Bezirk – das muss sicherlich noch diskutiert werden – die Gefahr einer Überlastung besteht. Die Vertriebe haben dann bestimmte Kunden oder Kundengruppen, die sie dann abschalten können, um eine Netzüberlastung zu vermeiden. Dafür müssen wir aber noch die entsprechende Technik entwickeln, die Verträge müssen geändert werden, auch die Bereitschaft der Kunden muss vorhanden sein.
fuHrberg-bauMann Wir haben eine kleine Anzahl von Kunden, die das in der Vergangenheit mitgemacht haben, weil sie ihre Prozesse entsprechend gestalten konnten. Wir haben aber auch viele Kunden, die das wohl nicht mitmachen werden.
Kann denn ein zügiger Netzausbau über die Grenzen hinweg viele Probleme lösen, die auf das deutsche Netz zukommen wird?
von sengbuscH Der innerdeutsche Netzausbau ist aus unserer Sicht Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende …
nissen … der innerdeutsche Netzausbau würde auch die Kuppelstellen an den Grenzen entlasten…
von sengbuscH … und in Kombination mit lastflusssteuerenden Elementen kann man dann schon viele der derzeitigen netztechnischen Probleme lösen. Zweitens: Mit einer Verstärkung der internationalen Verbindungen können wir bei einem weiteren kräftigen Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland den notwendigen, aber sehr teuren Speicherausbau in Deutschland auf ein Minimum begrenzen. Drittens: Mit einem großen internationalen Netz können wir perspektivisch die dargebotsabhängigen Energieerzeuger dort nutzen, wo sie den größten Ertrag bringen, also Wind beispielsweise in Irland und Sonne in den Mittelmeerländern.
» DiE lEistungskoMpo-nEntE ist Ein notWEn-DigEr unD richtigEr WEg.«
» Es ziEhEn sich iMMEr MEhr EigEnvErBrauchEr aus DEr soliDarischEn BEzahlung DEs nEtzEs zurück.«
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In der EU wird ein gemeinsamer Bin-nenmarkt für Energie angestrebt. Macht es da Sinn, nationale Konzepte für einen Kapazitätsmechanismus zur Gewährleistung der nationalen Ver-sorgungssicherheit zu entwickeln?
cHristopH Maurer Rein nationale Konzepte zur Kapazitätsabsicherung würden in jedem Fall erhebliche Risiken mit sich bringen. Einerseits gefährden sie die Effizienz solcher Mechanismen, was dann auch zu höheren Kosten führt. Eine ausschließlich nationale Betrachtung vernachlässigt nämlich den Beitrag ausländischer Erzeugungskapazitäten zur Ka pazitätsabsicherung im eigenen Land. Andererseits besteht auch die Gefahr, dass ein ausschließlich nationaler Mechanismus sein wesentlichstes Ziel verfehlt und die Versorgungssicherheit gar nicht gewährleisten kann. Tritt nämlich gleichzeitig zum auslegungsrelevanten Höchstlastfall im eigenen Land auch noch Knappheit im Ausland auf, dann kommt es aufgrund der zumindest in der zentralwesteuropäischen Region schon sehr weit integrierten Märkte eventuell zu Exporten aus Deutschland. Eine Bemessung des Kapazitätsbedarfs an der nationalen Höchstlast würde dann also gar nicht ausreichen. Ein koordiniertes Vorgehen zwi schen den europäischen Nachbarn bei der Implementierung von Kapazitätsmechanismen wäre also in jedem Fall dringend anzuraten.
Welches Potenzial besteht in der EU oder zumindest in der zentralwest-europäischen Region für einen über-regionalen Kapazitätsmarkt? Welche Rolle können die osteuropäischen EU-Mitgliedsländer hier spielen?
Maurer Die Frage nach dem Potenzial hat letztlich zwei Dimensionen. Zum einen stellt sich die Frage, in welchem grundsätzlichem technisch erschließbarem Umfang Effizienzvorteile einer überregional koordinierten Kapazitätsvorhaltung tatsächlich in der Region Zentralwesteuropa einschließlich Schweiz und Österreich bestehen. Und da zeigt sich – natürlich immer abhängig von getroffenen Annahmen – dass nach aktuellen Prognosen zum Beispiel von ENTSO-E bis 2020 vor allem in den Niederlanden und Österreich Kapazitätsüberschüsse in der Größenordnung von etwa Zehn Gigawatt bestehen, die in den anderen Ländern dieser Region genutzt werden könnten. Ein zusätzlicher Beitrag kommt dann noch mal dadurch zustande, dass die Höchstlasten in den Ländern der Region nicht gleichzeitig auftreten und auch die Durchmischung der Erzeugung aus Erneuerbaren Energien zunimmt. Da kommt noch einmal ein Beitrag im einstelligen GigawattBereich zusammen. Die andere Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist dann aber sehr viel schwieriger zu beantworten: Nämlich inwiefern es politischen Willen für eine Zusammenarbeit in diesem Bereich gibt. Da eine solche Zusammenarbeit immer auch mit einer Abgabe von bis
her nationalen Kompetenzen einhergeht, sind Fortschritte hier sicherlich nicht von einem Tag auf den anderen zu erzielen. Und was Osteuropa anbelangt – perspektivisch ergibt sich auch dort sicherlich Potenzial zur Zusammenarbeit, allerdings ist die Integration dieser Län der, sowohl mit Blick auf die technischen Transportkapazitäten als auch mit Blick auf die Marktstrukturen, im Verhältnis zum Beispiel zum Gebiet des sogenannten Pentalateralen Forums (Deutschland, Frankreich und Benelux) deutlich weniger weit fortgeschritten.
Sind die technischen Voraussetzun-gen für einen überregionalen Kapa-zitätsmarkt gegeben?
Maurer Natürlich können die Grenzkuppelstellen das Austauschpotenzial zwischen den Ländern beschränken, wie schon für die Situation in Osteuropa angemerkt. Überschlägige Abschätzungen von uns zeigen aber, dass das in den Erzeugungsparks in der Region Zentralwesteuropa aktuell erkennbare Potenzial zur grenzüberschreitenden Gewährleistung von Versorgungssicherheit mittelfristig auch vollständig genutzt werden könnte, ohne dass die Grenzkuppelstellen hier limitierend wirken würden. Das gilt umso mehr, wenn die geplanten Ausbauten in den Übertragungsnetzen auch tatsächlich umgesetzt werden.
Welche Folgen sehen Sie, wenn es zur unabgestimmten Etablierung natio-naler Kapazitätsmärkte kommt?
»rein nationale konZepte bringen risiken«
› Christoph Maurer, Geschäftsführer der Consentec GmbH, plädiert für eine Öffnung eines deutschen Kapazitätsmodells nach Europa.
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Maurer Im besten Fall wird es einfach nur für alle teurer, weil jedes Land versucht, sich national abzusichern, und wir die skizzierten durchaus erheblichen Potenziale der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht nutzen.
Es gibt aber darüber hinausgehende Risiken. Dazu zählt zum Beispiel das sogenannte FreeRiding. Nachbarländer könnten sich etwa mit Blick auf die eigene Versorgungssicherheit auf in Deutschland als Reserve zusätzlich vorgehaltener Erzeugungskapazität ausruhen, ohne sich an den Kosten für diese Reserve zu beteiligen. Noch weiter gedacht entstehen aus solchen nationalen Mechanismen, die die Realität des vorhandenen Strombinnenmarktes ignorieren, wiederum neue Marktverzerrungen. Dann steht nicht nur die Effizienz, sondern die Wirksamkeit des Mechanismus auf dem Spiel. Letztendlich ist die Gewährleistung von Versorgungssicherheit rein national nicht dauerhaft erfolgreich zu bewerkstelligen.
Welche Voraussetzungen müssen be-stehen, damit ein überregionaler Ka-pazitätsmarkt funktionieren kann?
Maurer Zunächst einmal wäre es erforderlich, dass man sich auf ein abgestimmtes Vorgehen bei der Ermittlung des erforderlichen Kapazitätsbedarfs einigt. Dabei ist dann zu klären, wie man mit eventuellen absehbaren Kapazitätsüberschüssen wie defiziten in einzelnen Ländern umgeht, wie man die Beschränkungen durch Grenzkuppelstellen berücksichtigt oder etwa, wie man Möglichkeiten der Nachfragesteuerung berücksichtigt und Hemmnisse beseitigt, um diese zu nutzen. In einem zweiten Schritt müsste eine generelle Übereinkunft zwischen den Gesetz und Verordnungsgebern in den verschiedenen betroffenen Ländern er
reicht werden, dass bei Änderungen des Strommarktdesigns auch die grenzüberschreitenden Wirkungen gemeinsam bewertet und in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Welche Empfehlungen geben Sie?
Maurer Nach wie vor gilt: Kein Kapazitätsmechanismus weist im Vergleich zum heutigen Marktdesign nur Vorteile auf. Daher wäre meine erste Empfehlung, zunächst einmal Maßnahmen zu ergreifen, die die Funktionsfähigkeit des Energy Only Marktes stärken und heute dort noch vorhandene Hemmnisse beseitigen. Das wäre auch als Ergänzung zur Einführung von Kapazitätsmechanismen sinnvoll. Darüber hinaus sollten wir versuchen, die Debatte um Kapazitätsmechanismen in einigen europäischen Ländern gewissermaßen zu kanalisieren. Auch wenn ein gemeinsamer, harmonisierter Mechanismus insgesamt der wünschenswerteste Ansatz wäre, so ist das kurzfristig wahrscheinlich eher unwahrscheinlich. Dann sollte man sich aber in jedem Fall auf einen gemeinsamen Rahmen bei der Einführung von Kapazitätsmechanismen verständigen. Nur so können die grenzüberschreitenden Potenziale zumindest teilweise genutzt und aufgeführte negative Effekte vermieden werden.
Mit welchem Zeithorizont muss man rechnen, bis ein überregionaler Kapazitätsmarkt etabliert ist?
dr. cHristopH Maurerist promovierter Ingenieur und diplomierter Wirtschaftsingenieur. Seit 2007 ist er Gesellschafter und Geschäftsführer der Consentec GmbH.
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HerausgeberBDEW Bundesverband derEnergie und Wasserwirtschaft e. V.Reinhardtstraße 3210117 [email protected]
Maurer Ganz schnell wird das sicher nicht gehen. Aber, wie bereits erwähnt, sollten wir sowieso nicht im ersten Schritt den umfassenden paneuropäischen Kapazitätsmarkt anstreben. Stattdessen gibt es viele kleine Koordinationsschritte, zum Beispiel bei der Ermittlung des Kapazitätsbedarfs oder bei der Abstimmung von Änderungen des Marktdesigns, die sicherlich auch kurzfristiger, das heißt. im Verlaufe der nächsten eins bis drei Jahre, umzusetzen wären.
Unternimmt die EU-Kommission genügend Anstrengungen, um mög-lichst bald einen überregionalen Kapazitätsmarkt in der Gemein-schaft zu etablieren?
Maurer Die Priorität der EU-Kommission lag in der Vergangenheit sicherlich hauptsächlich bei der Vollendung des Binnenmarktes für Energie, nicht bei der Etablierung eines – in Brüssel nicht für zwangsläufig gehaltenen – überregionalen Kapazitätsmarktes. Aktuell beschäftigt sich die Kommission damit, dass nationale Kapazitätsmärkte nicht den Binnenmarkt unterhöhlen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Kommission auf lange Sicht auch im Bereich von Kapazitätsmärkten das Heft des Handelns in die Hand bekommen möchte. Mit Blick auf die diskutierten Probleme nationaler Mechanismen macht das auch Sinn.
RedaktionMathias Bucksteeg Sven Kulka
Konzept und RealisierungKuhn, Kammann & Kuhn GmbH, unter redaktioneller Mitarbeit von WolfDieter Michaeli. Ricarda Eberhardt und Meltem Walter (Bildwelt), BDEW.
Druck und VerarbeitungDruck Center Drake + Huber, Bad Oeynhausen
BildnachweisRoland Horn: S. 01 – 14. Werner Schüring: S. 20. Gavni: Titelseite
Redaktionsschluss:September 2013
Herausgeber BDEW BunDEsvErBanD DEr EnErgiE- unD WassErWirtschaft E. v.