GESELLSCHAFTSFORSCHUNGA k t u e l l e T h e m e n u n d N a c h r i c h t e n
PRESSESCHAU Wissenschaftler des MPIfG in den Medien 02
INTERVIEW Blogs sind eine Art öffentlicher Zettelkasten 07
(L. Dobusch, P. Mader, S. Quack)
SCHWERPUNKT
AUS DER FORSCHUNG Ende der Debatte? Die gesellschaftliche 12
Akzeptanz marktbasierter Unternehmens
kontrolle (H. Callaghan)
FORSCHERPORTRAIT Der Ideenretter: Sascha Münnich 16
NACHRICHTEN Evaluation bescheinigt MPIfG 20
exzellente Leistungen
NEUERSCHEINUNGENBücher, Journal Articles, Discussion Papers 23
VERANSTAlTUNGEN Konferenzbericht und Vorträge 2013 29
Impressum 31
SCHWERPUNKTMarktinteressen und politischer DiskursFinanzmarktliche Prinzipien sind in Wirtschaft und Gesellschaft weltweit seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch.
Der Protest dagegen wird immer schwächer – außer in Zeiten akuter Krise. Dabei hat beispielsweise die Praxis
feindlicher Übernahmen selbst in guten Jahren klare verteilungspolitische Auswirkungen. Warum regt sich gegen
diese und andere Formen der Finanzialisierung tendenziell immer weniger Widerstand? 12
1 13
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PRESSESCHAU Wissenschaftler des MPIfG in den Medien
Jens Beckert
Ist die Erbschaftssteuer gerecht?
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung | 30.06.2013
Ralph Bollmann beleuchtet das Für und Wider der
Erbschaftssteuer vor dem Urteil des Verfassungs
gerichts. Sie ist so unpopulär wie keine andere Abgabe
in Deutschland: 65 Prozent der Deutschen sprechen
sich gegen eine Besteuerung des „unverdienten Vermö
gens“ aus, wie Jens Beckert, Direktor des MaxPlanck
Instituts für Gesellschaftsforschung, die Erbschaftssteu
er nennt, und das, obwohl der Großteil der Deutschen
sie nie wird zahlen müssen. In liberal geprägten Gesell
schaften ist es umgekehrt: Hier wird das träge Vermö
gen, das soziale Besitzstände zementiert und wirtschaft
liche Dynamik eher hemmt, stark besteuert.
http://tinyurl.com/BeckertFAS
Jens Beckert
Erbschaften werden zum sozialen Sprengstoff
WirtschaftsWoche | 21.06.2013
„Die Institution des Erbens ist streng genommen ein
Überbleibsel aus der Vormoderne. Es widerspricht dem
Versprechen der Aufklärung: dass nämlich über den Er
folg in dieser Welt nicht durch die Geburt entschieden
werde, sondern durch die eigenen Leistungen“, so argu
mentiert Journalist Ferdinand Knauß in seinem Artikel
für die WirtschaftsWoche. Er bezieht sich darin auch
auf das neue Buch „Erben in der Leistungsgesellschaft“
von Jens Beckert, Direktor des MaxPlanckInstituts für
Gesellschaftsforschung.
http://tinyurl.com/BeckertWiWo
Leonhard Dobusch, Philip Mader, Sigrid Quack
Critical readings on microfinance – a collection
of excellence
microDINERO.com | 17.05.2013
Die Blogger von microDINERO würdigen die Ver
öffentlichung einer Reihe von Beiträgen des Blogs
„Governance Across Borders“ in Form des gleichna
migen Blogbuches. Dank der Auswahl und Neugrup
pierung verschiedener Einträge gelinge es dem Leser
besser, die einzelnen Argumentationslinien nachzu
vollziehen. Zugleich seien das Blog und das nach ihm
benannte Buch die ersten Medien außerhalb Indiens
gewesen, die über die Entwicklung der Mikrofinanz
Krise in Andhra Pradesh berichteten.
http://tinyurl.com/QuackMicro
Wolfgang Streeck
Mit links raus aus dem Euro
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung | 26.05.2013
Ralph Bollmann erklärt den Gewissenskonflikt der
SPD zwischen Europafreundlichkeit und Euroskepsis.
Ihm zufolge bekommen die parteilinken Euroskeptiker
Unterstützung des MPIfGDirektors Wolfgang Streeck,
der sich zuletzt gegen das „markttechnokratische
Durchregieren der Eurofanatiker und die endgülti
ge Institutionalisierung des Konsolidierungsstaates“
wandte.
http://tinyurl.com/StreeckFAS
3
PRESSESCHAU
Wolfgang Streeck
Angst vor dem „Schwelen einer Dauerkrise“
dradio Kultur | 23.01.2013
Wolfgang Streeck sieht für die Weltwirtschaft die
Gefahr einer Dauerkrise, die die Aufmerksamkeit der
Politik ständig beanspruchen wird. Denn auch die
„Berechenbarkeit der nächsten Ereignisse ist radikal
geschrumpft oder auch nur der Glaube an die Be
rechenbarkeit“ – so schwelt die Krise vor sich hin.
http://tinyurl.com/Streeckdradio
Wolfgang Streeck
Der große Demografie-Bluff
WirtschaftsWoche online | 09.01.2013
„Für alle reichen Länder … gilt, dass Frauen oder Paare
umso mehr Kinder haben, je mehr freie Zeit ihnen
gewährt … wird.“ Wolfgang Streeck sieht auch hierzu
lande die Abkehr vom „Vollzeitregime“ als Kern einer
neuen Bevölkerungspolitik an. Die neue Demografie
strategie der Bundesregierung entpuppt sich daher als
Mogelpackung.
http://tinyurl.com/StreeckWiWo
Wolfgang Streeck
How did Germany become the new champion
of Europe?
The Observer | 02.06.2013
As the rest of the eurozone – along with Britain –
labours under the yoke of austerity, Germany has
been basking in the glow of international success. For
a country described as “the new sick man of Europe”
in the late 1990s, Germany appears to have made a
superhuman recovery. Where did it all go right? MPIfG
Director Wolfgang Streeck explains that during “the
dotcom boom, Germany remained a manufacturing
economy, true to its artisanal roots … Germany’s
economy was highly regulated. Power was locally held.
… This much mocked business environment proved a
blessing in disguise.”
http://tinyurl.com/StreeckGuard
Wolfgang Streeck
Das böse Spiel
Die Zeit | 16.05.2013
Deutschlands Intellektuelle streiten in einer Kontro
verse, die endlich die Geister scheidet. In der Zeitschrift
„Blätter für deutsche und internationale Politik“ liefern
sich MPIfGDirektor Wolfgang Streeck und der Phi
losoph Jürgen Habermas einen Schlagabtausch (Heft
4 und 5/13), der den Leser mit glasklaren Alternativen
konfrontiert.
http://tinyurl.com/StreeckHaber
Wolfgang Streeck
Demokratie in Krisenzeiten
Deutschlandfunk Studiozeit | 11.04.2013
Die Sozialwissenschaft debattiert das prekäre Verhältnis
von Wirtschaft, Demokratie und Sozialstaat. Neben
Claus Offe und Christoph Butterwegge zeigt sich Wolf
gang Streeck sehr beunruhigt, da „diese Krisen immer
schwerwiegender geworden sind, 2008 ist jetzt fast fünf
Jahre her – die amerikanische Wirtschaft stockt vor
sich hin, und im Mittelmeerraum ist es nun wirklich
dramatisch geworden.“
http://tinyurl.com/Streeckdfunk
4
PRESSESCHAU
Neuerscheinungen in den Medien
Gekaufte Zeit: Die vertagte Krise des
demokratischen Kapitalismus
Wolfgang Streeck
Berlin: Suhrkamp, 2013
Wie der Kapitalismus die Demokratie zerstört
Deutschlandfunk, Büchermarkt | 17.07.2013
Nach wie vor wird um den Euro heftig diskutiert, meist
aber nur darüber, wie man ihn retten kann. MPIfG
Direktor Wolfgang Streeck spricht sich hingegen in
seinem neuesten Buch „Gekaufte Zeit. Die vertagte
Krise des Demokratischen Kapitalismus“ für seine
Abschaffung aus. „Die Forderung nach einem Rückbau
der Währungsunion … unterscheidet sich fundamen
tal von nationalistischen Forderungen nach einem
Ausschluss von Schuldnerländern aus dem Euroland;
Ziel ist nicht die Bestrafung, sondern die Befreiung und
Rehabilitierung von Ländern.“
http://tinyurl.com/Buechermarkt
Alleine ist man weniger zusammen
The European | 22.06.2013
In seiner Rezension des Buchs „Gekaufte Zeit“ lobt Po
litologe und Volkswirt Björn Hacker Wolfgang Streecks
Analyse der neoliberalen Demontage des Wohlfahrts
staates: „Streecks Identifizierung dreier sich ablösen
der Transformationsphasen mit den Merkmalen der
Inflation, der steigenden Staatsverschuldung und der
rapiden Privatverschuldung überzeugt.“
http://tinyurl.com/StreeckEuropean
Die Krise der Demokratie
dradio Kultur, Lesart | 09.06.2013
Wolfgang Streeck analysiert in seinem Buch „Gekaufte
Zeit“ eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, „deren
Beginn ich auf das Ende der 1960erJahre datiere und
die ich von heute aus gesehen als Prozess der Auflösung
des Regimes des demokratischen Kapitalismus der
Nachkriegszeit beschreibe“. Dieser Logik folgend, wird
in absehbarer Zeit nicht der Kapitalismus, sondern die
Demokratie am Ende sein.
http://tinyurl.com/StreeckLesart
Die kalten Augen Europas
Der Tagesspiegel | 04.06.2013
In seinem Buch „Gekaufte Zeit“ kommt Wolfgang
Streeck zu dem Schluss, dass das Bündnis zwischen Ka
pitalismus und Demokratie längst aufgekündigt wurde.
Der Neoliberalismus triumphiert. „Eine beeindrucken
de Kritik der herrschenden Verhältnisse im Geist der
Aufklärung“, urteilt Hans Monath.
http://tinyurl.com/StreeckTages
Im Bann der Falschheit: Wolfgang Streecks
Wiederaufnahme der Kapitalismuskritik
theorieblog.de | 17.05.2013
Laut Alban Werner schafft es Wolfgang Streeck mit
seinem neuen Buch „Gekaufte Zeit“, „die Krisen und
Krisenlösungen der vergangenen Jahrzehnte in ein
plausibles Narrativ einzubetten, das in doppelter Weise
eine Frontstellung bezieht“.
http://tinyurl.com/Theorieblog
Die Welt im Wandel
Potsdamer Neueste Nachrichten | 08.05.2013
„Das ist ein atemberaubend gutes Buch“, fand die
Historikerin Annette Vowinckel, die im Rahmen des
„Historischen Quartetts“ mit Kollegen des Zentrums
für Zeithistorische Forschung das Buch „Gekaufte Zeit“
von Wolfgang Streeck diskutierte.
http://tinyurl.com/StreeckPNN
5
PRESSESCHAU
Elmshorner Gesprächsabend über Demokratie
und Kapitalismus
Elmshorner Nachrichten | 07.05.2013
Wolfgang Streeck diskutierte die praktische Bedeutung
seines neuen Buches „Gekaufte Zeit“ mit Vertretern
aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Gastgeber Reinhard
Ueberhorst kann sich gut vorstellen, dass Streecks Buch
in zehn Jahren einmal als das Werk gewürdigt wird,
von dem die wichtigsten Impulse für eine Entwick
lung gesellschaftlicher demokratischer Politikfähigkeit
ausgegangen sind.
http://tinyurl.com/StreeckElmshorn
Wenn politische Beschlüsse durch weltweite
Marktwirtschaft ersetzt werden
Deutschlandfunk, Andruck | 22.04.2013
Wolfgang Streeck bereichert seine Analyse mit empiri
schem Material und prognostiziert einen weiteren Ab
bau des Sozialstaats in den Mitgliedsstaaten der EU, ja,
er warnt sogar vor der „Diktatur einer kapitalistischen
Marktwirtschaft“. Der Soziologe hat eine wichtige Ver
teidigungsschrift der Demokratie gegen den Kapitalis
mus vorgelegt – zwei Gesellschaftsmodelle, die für den
Wissenschaftler nicht miteinander vereinbar sind.
http://tinyurl.com/StreeckAndruck
Buying time and running out
The Current Moment | 11.04.2013
Above all Streecks analysis of capital as a collective
player capable of acting with guile (Williamson) to
ensure capitalism remains in its better interests – intel
lectual traces of Streeck’s days as a scholar of collective
bargaining, perhaps – is clearly one of the most innova
tive approaches to understanding the class dimension
of the political economy of the present crisis.
http://tinyurl.com/StreeckCurrent
Die Finanzminister mussten jemanden
im Süden bluten lassen
Falter | 27.03.2013
Im Interview erklärt Wolfgang Streeck die Dimensio
nen der aktuellen ZypernKrise und erläutert die Kern
thesen seines Buches „Gekaufte Zeit“. Hierin beschreibt
er die Ursprünge der gegenwärtigen Finanzkrise als ein
Resultat der langen neoliberalen Transformation des
Nachkriegskapitalismus.
http://tinyurl.com/StreeckFalter
Macht neben dem Souverän
taz – die tageszeitung | 15.03.2013
„Man muss Streecks Skepsis nicht teilen, aber sie ist wohl
begründet. Seinem Buch sind viele Leser zu wünschen“,
so beurteilt Steffen Vogel von der taz „Gekaufte Zeit“.
http://tinyurl.com/Streecktaz
Kapitalismus zerstört Demokratie
Kölner StadtAnzeiger | 15.03.2013
Wirtschaft und Politik sind in der Krise, Kapitalismus
und Demokratie zerstören sich gegenseitig. Im Inter
view mit dem Kölner StadtAnzeiger spricht Wolfgang
Streeck über dieses Spannungsfeld. Von einer fried
lichen Koexistenz oder gar Symbiose kann im Euro
Zeitalter keine Rede mehr sein.
http://tinyurl.com/Streeckksta
Die Litanei vom Schicksal
Der Tagesspiegel | 13.03.2013
„Noch nie blühte die Kapitalismuskritik so wie heute“,
urteilt Gregor Dotzauer und vergleicht in seinem Essay
die derzeitige Kapitalismuskritik – von Frank Schirr
machers Kampfschrift „Ego“ bis zu Wolfgang Streecks
Krisenstudie „Gekaufte Zeit“.
http://tinyurl.com/StreeckTagesspiegel
Wir haben eine Diktatur der Finanzmärkte
TagesAnzeiger | 12.03.2013
Wolfgang Streeck diskutiert im Interview mit Martin
Ebel die Thesen seines neuen Buches „Gekaufte Zeit“.
Darin gibt er zu denken, dass sich die europäischen
Regierungen zu sehr an den Interessen des Marktes
orientieren und fordert die Abschaffung des Euro und
höhere Steuern für Reiche und Unternehmen.
http://tinyurl.com/StreeckTagesAnzeiger
6
PRESSESCHAU
Krise: Wie der Kapitalismus die Demokratie zerstört
Frankfurter Rundschau | 11.03.2013
„Nicht nur die Wirtschaft, auch die Politik ist in einer
Krise. Die friedliche Koexistenz zwischen Kapitalismus
und Demokratie ist zu Ende“, sagt Wolfgang Streeck
im Gespräch mit Michael Hesse von der Frankfur
ter Rundschau. Streeck beschreibt in seinem Buch
„Gekaufte Zeit“, wie sich das Finanzkapital seit den
1970erJahren zum mächtigen Gegenspieler des demo
kratischen Staates etabliert hat.
http://tinyurl.com/StreeckFR
Wenn Kapitalismus und Demokratie
sich trennen müssen
dradio | 04.03.2013
„Es gibt Bücher, die lassen einen atemlos, wenn man sie
liest – dies ist so ein Buch!“ So kommentiert Journalis
tin Liane von Billerbeck in ihrer Besprechung das Werk
„Gekaufte Zeit“.
http://tinyurl.com/StreeckKritik
Jenseits des Neoliberalismus: Ein Plädoyer
für soziale Gerechtigkeit
Colin Crouch
Wien: Passagen, 2013
„Die europäische Sozialdemokratie muss
wachgerüttelt werden“
Der Standard | 18.06.2013
Im Interview mit Hans Rauscher von der österrei
chi schen Zeitung Der Standard stellt Colin Crouch,
Aus wärtiges wissenschaftliches Mitglied des MPIfG,
sein neues Buch „Jenseits des Neoliberalismus“ vor. Er
spricht über den Neoliberalismus in Österreich und
diskutiert seine These, nur eine reformierte Sozialde
mokratie könne den Neoliberalismus zügeln.
http://tinyurl.com/CrouchStandard
Gemeinsam gegen den Kasinokapitalismus
Deutschlandfunk, Andruck | 13.05.2013
„Ein Plädoyer für soziale Gerechtigkeit ist nicht nur
eine Frage der Verteilung des Einkommens und der
Güter, sondern auch eine der Macht, also eine Frage
der Demokratie.“ In seinem neuen Buch „Jenseits des
Neoliberalismus“ beschwört Colin Crouch ein Wieder
aufleben der Sozialdemokratie.
http://tinyurl.com/CrouchAndruck
Thatcher ist Schuld an der Krise
Kölner StadtAnzeiger | 16.04.2013
„Es waren Frau Thatcher und ihre Genossen in der
britischen Politik und im Finanzsektor, die den Prozess
der Deregulierung der finanziellen Märkte in Gang
setzten. Die aktuelle Krise ist eine direkte Folge dieser
Deregulierung.“ Colin Crouch spricht im Interview
über die Auswirkungen der Politik Margaret Thatchers
und künftige britische Perspektiven.
http://tinyurl.com/Crouchksta
Dem Kapitalismus fehlt der Feind
Cicero online | 05.02.2013
„Der heute existierende Neoliberalismus ist keine reine
Marktwirtschaft, sondern eine Wirtschaft der großen,
quasi monopolistischen Konzerne, was vollkommen
marktwidrig ist.“ Colin Crouch äußert sich im Inter
view über verfehlten Liberalismus, falsche Griechen
landPolitik und die siechende FDP.
http://tinyurl.com/CrouchCicero
Diese und weitere aktuelle Beiträge unter
www.mpifg.de/aktuelles/mpifg_medien_de.asp
7
INTERVIEW „Blogs sind eine Art öffentlicher Zettelkasten“
Ein Gespräch mit Leonhard Dobusch, Philip Mader und Sigrid Quack, Betreiber des Weblogs „gover
nance across borders“, über Open Access, das sozialwissenschaftliche Arbeiten im Web 2.0 und Kon
zepte zwischen Blog und Buch.
Moderation: Ursula Trappe, Forschungskoordinatorin am MPIfG
Ursula Trappe: Ihr Blog gibt es bereits seit Januar
2009. Wie war die Stimmung, als es gestartet ist, und
wie hat das Blog sich seitdem entwickelt?
Leonhard Dobusch: Das Blog hat Experimentcharak
ter. Wir haben nicht gewusst, ob wir durchhalten, und
wir haben nicht gewusst, wer überhaupt schreibt. Auch
waren wir uns nicht sicher, ob unsere stark interdiszip
linäre Forschungsgruppe ein kohärentes Blog ermög
licht. Es hat sich schnell herausgestellt, dass für Einzel
ne das Bloggen eine Form ist, die der oder demjenigen
sehr liegt. Für Phil und mich gilt das auf jeden Fall, für
andere weniger. Wir haben nicht viele Vorbilder gehabt,
international zum Beispiel das Blog Orgtheory.
Philip Mader: Wir schreiben über Urheberrecht, Mi
krofinanzen, Arbeitsstandards, Umweltstandards und
mehr – da frage ich mich manchmal, wie unsere Leser
das aushalten. Doch dass das Blog seit vier Jahren
so viel Zuspruch erhält, heißt doch, dass auch diese
heterogene Art zu schreiben ankommt.
Sigrid Quack: Nach einer anfänglichen Aufbruchstim
mung gab es auch Durststrecken, wir sind ja keine
hauptberuflichen Blogger. Wenn unsere Hauptblogger
in viele andere Projekte involviert waren, ging die Ver
öffentlichungsrate auf dem Blog herunter. Aber dann
Leonhard Dobusch ist seit 2012 Juniorprofessor für
Management, insbesondere Organisationstheorie, an
der Freien Universität Berlin. Nach Aufenthalten als
Gastwissenschaftler an der Stanford Law School sowie
zwischen 2008 und 2009
als Stipendiat am MPIfG
war er dort zuvor als
Postdoc tätig. Dobusch
studierte Betriebswirt
schaft und Rechts
wissenschaft in Linz
und promovierte am
DFGGraduiertenkolleg
„Pfade organisatorischer
Prozesse“ zum Thema
„Windows versus Linux: Markt – Organisation – Pfad“
an der Freien Universität Berlin. In seinen Forschungs
projekten widmet er sich der privaten Regulierung
und Standardisierung, insbesondere im Bereich des
Urheberrechts, sowie den Herausforderungen beim
Management digitaltransnationaler Gemeinschaften.
kamen neue Doktoranden, die ihre ersten Beiträge ge
schrieben haben, und das Blog wurde wieder lebendig.
Wir haben im Lauf der Zeit gelernt, dass es wichtig ist,
potenzielle Autoren anzusprechen und sie dann beim
ersten Blogeintrag zu begleiten und zu motivieren.
8
INTERVIEW
Leonhard Dobusch: Es gibt Vor und Nachteile: Der
theorieblog hat von Anfang an Rubriken für Calls
for Papers oder Nachrichten gehabt und sich damit
innerhalb kürzester Zeit zur zentralen Anlaufstelle
etwa für Calls for Papers im Bereich Politische Theo
rie und Philosophie entwickelt. Dadurch sind sie ein
echtes Service blog geworden, die ganze Disziplin aus
Deutschland schaut auf dieses Blog. Andererseits aber
kämpfen sie um mehr Autorenbeiträge. Wir haben das
umgekehrt gemacht und versucht, Substanz zu liefern.
Aus dem theorieblog kann man kein Buch machen,
aus governance across borders sehr wohl.
Ursula Trappe: Was ist das Besondere am Schreiben
für ein Blog?
Philip Mader: Es ist eine Fähigkeit, die man erst ent
wickeln muss: einen Gedankengang oder ein Argu
ment, sobald man es gefasst hat, ziemlich schnell und
ohne allzu großen Aufwand fertigzustellen und dann
vorzustellen.
Sigrid Quack: Wir wollten das Blog anfangs in erster
Linie für uns machen – um Gedanken, die sich noch
in der Anfangsphase befinden, auszuformulieren –,
jedoch nicht wie im eigenen Notizheft, sondern
schon in einer Form, die man anderen zeigen kann.
Ein Blogeintrag sollte so anschaulich, prägnant und
so auf den Punkt gebracht sein, dass er nicht nur für
Wissenschaftler, sondern auch für Praktiker und jeden
anderen verständlich ist.
Leonhard Dobusch: Blogs sind eine Art öffentlicher
Zettelkasten: Wenn ich etwas so gut ausformuliert
habe, dass ich mich traue, es einer Weltöffentlichkeit
zu präsentieren, dann habe ich gleichzeitig erreicht,
dass es nicht verlorengeht. Deshalb ist es auch wichtig,
dass man den Wert des Blogs nicht nur von seiner
Rezeption her denkt, sondern sehr stark auch aus der
Sicht derer, die darin schreiben.
Ursula Trappe: Es erscheint zunächst paradox, ein
Blog dann doch als Buch zu veröffentlichen …
Philip Mader ist seit Juni 2012 PostdocStipendiat
am MaxPlanckInstitut für Gesellschaftsforschung.
Er hat Volkswirtschaft
und Entwicklungsfor
schung an der University
of Sussex, Brighton,
studiert und seinen
Master in Entwick
lungsforschung an der
University of Cambridge
gemacht. 2012 wurde
er an der Universität zu
Köln promoviert. Seine
Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen
Wirtschaftsentwicklung und Zivil gesellschaft, Ein
bettung von Märkten sowie Mikrofinanzierung und
institutioneller Wandel.
Ursula Trappe: Was würden Sie heute anders machen
als im Januar 2009?
Sigrid Quack: Ich glaube, gar nichts. Das Blog ist ein
Format, das sich weiterentwickeln kann. Und es hat
sich weiterentwickelt: Wir nehmen Gastblogger mit
auf, und auch Calls for Papers oder Nachrichten. Die
Sprachfrage ist immer spannend, gerade wenn man
auch transdisziplinär mit Medien, Öffentlichkeit
und Praktikern kommunizieren will: Deutsch oder
Englisch? Es wäre vielleicht manches besser in eine
deutsche Leserschaft zu transportieren, wenn wir es
auf Deutsch schreiben würden. Andererseits haben
unsere Arbeiten eine größere Reichweite, wenn wir
auf Englisch schreiben. Darum haben wir uns damals
für Englisch entschieden.
Philip Mader: Wir haben unser Blogformat inkre
mentell entwickelt. Beispielsweise entstand die Rubrik
„BordercrossingBooks“, in der wir Bücher rezensie
ren, spontan nach einer kurzen Absprache zwischen
Leonhard und mir. Anschließend hat sie sich einfach
verselbstständigt.
9
INTERVIEW
Sigrid Quack: Unter den Menschen, die wir erreichen
wollen – Wissenschaftler ebenso wie Praktiker, Me
dienvertreter oder Vermittler zwischen Wissenschaft
und Praxis –, gibt es Personen, die regelmäßig Blogs
lesen. Andererseits gibt es aber auch ein breites Publi
kum, das dies nicht unbedingt tut. Deshalb haben wir
Beiträge, die eine längere zu erwartende Lebensdauer
haben, in einem Blogbuch zusammengefasst.
Philip Mader: Zu unserer Überraschung bestätigten
die Nutzungsstatistiken des Blogs, dass viele Beiträge
Monate, teilweise sogar Jahre nach ihrer Veröffent
lichung immer noch regelmäßig gelesen werden.
Diese Beiträge sind dann natürlich im Buch, da sie
offensichtlich Informationsbedürfnisse von Lesern
bedienen – und zwar lange über die Zeit hinaus, zu
der wir uns Gedanken darüber gemacht haben.
Leonhard Dobusch: Das Blogbuch ist gewissermaßen
auch ein „Best of“. In der Rückschau lässt sich besser
beurteilen, ob ein Beitrag eine Einsicht hervorbrachte,
die es wert ist, in solch ein Buch aufgenommen zu
werden.
Ursula Trappe: Die Beiträge wurden nicht nur
gelesen, sondern auch kommentiert. Durchschnittlich
gab es mehr als zwei Kommentierungen pro Eintrag.
War es nicht möglich, zumindest eine Auswahl an
Kommentierungen zu veröffentlichen?
Leonhard Dobusch: Das Buch ist ein eigenes Format.
Kommentare und die laufende Diskussion, die man
ja auch nach Monaten noch weiterführen kann, sind
Merkmale des Blogs. Wer einen einzelnen Beitrag spä
ter noch kommentieren oder weiter diskutieren will,
kann sich auf dem Blog einbringen. Im Buch kann ich
lesen – wenn ich mit anderen in Konversation treten
will, dann muss das online passieren. Dann können
andere nämlich auch wieder darauf reagieren.
Ursula Trappe: Ihr Blog verweist auf mehr als zwan-
zig weitere Blogs, und Sie laden auch Gastblogger ein.
Wie funktioniert digitale Forschungskooperation?
Leonhard Dobusch: Mit dem theorieblog verbindet
uns so etwas wie eine Blogfreundschaft. Thorsten
Thiel vom theorieblog und ich haben vor einem Jahr
gemeinsam bei der Konferenz republica eine Session
zum Thema wissenschaftliches Bloggen in Deutsch
land angeboten, unter anderem zusammen mit dem
Demokratieblog der Universität Göttingen. Viele
andere Wissenschaftsblogger haben sich beteiligt.
Einige Wissenschaftsblogs sind über eine Mailingliste
vernetzt, den Anstoß dafür hat ein Workshop des
Sigrid Quack ist seit 2007 Leiterin der Forschungs
gruppe „Grenzüberschreitende Institutionenbildung“
am MPIfG und seit 2008 außerplanmäßige Professo
rin an der Wirtschafts und Sozialwissenschaftlichen
Fakultät der Universität
zu Köln. Im Oktober
2013 übernimmt sie den
Lehrstuhl für Sozio
logie, insbesondere
Gesellschaftsvergleich
und Transnationalisie
rung, an der Universität
DuisburgEssen. In ihren
aktuellen Forschungs
projekten am MPIfG, die
sie als assoziierte Wissenschaftlerin fortführen wird,
befasst sie sich mit politikfeldspezifischen Verläufen
transnationaler Governance und Wechselwirkungen
zwischen globaler Regelsetzung und lokaler Imple
mentierung.
Leonhard Dobusch: Es war wichtig, dass wir der strikt
chronologischen Ordnung des Blogs eine strikt the
matische Ordnung des Buches entgegensetzen. Durch
die Neuordnung im Buch haben die gleichen Beiträge
einen anderen Charakter und können zusammenhän
gend gelesen werden.
Ursula Trappe: Nach welchen Kriterien haben Sie
die 127 der bis dato schon 214 Blogeinträge für die
Publikation ausgewählt?
Sigrid Quack: Auswahlkriterien waren die inhaltliche
Breite und die erwartete Relevanz über den Zeitpunkt
der Veröffentlichung hinaus.
10
INTERVIEW
theorieblog gege ben. Es ent stehen auch neue Kontakte
zu Wissenschaftlern, die uns über das Blog finden.
Philip Mader: Unsere Klicks kommen überwiegend
aus den USA, Großbritannien und Indien.
Leonhard Dobusch: Es ist gut, dass deutsche For
schung durch das Blog auch international wahr
genom men wird. Gerade die Soziologie und auch die
verwandten Disziplinen sind einfach noch sehr auf
Deutschland ausgerichtet. Dass unser Blog englisch
sprachig ist, hat allerdings dazu geführt, dass wir in
der deutschen Wissenschaftsblogosphäre eher rand
ständig sind. Ich habe oft das Gefühl, dass wir zu einer
deutschen Szene nicht unbedingt dazugehören.
Ursula Trappe: Kommunikation 2.0 in der Soziolo-
gie – welche Formate gehören noch dazu?
Leonhard Dobusch: Da ist die Frage relevant, wie
Leser ein Blog finden. Wir haben Stammleser, das ist
aber eher eine Minderheit, und wir haben Leser, die
uns zufällig finden, über das Googeln von Fachbegrif
fen etwa. Einen großen Teil unserer Leser erreichen
wir über soziale Netzwerke. Wir haben einen Twitter
Account für das Blog, aber auch über unsere persön
lichen Accounts auf Facebook und Twitter verbreiten
wir neue Artikel. Beispielsweise gehörten wir damals
bei den Erfolgen der PiratenPartei zu den Ersten, die
über diese politischen Wahlerfolge auch auf Englisch
gebloggt haben. Nach dem Erfolg der Partei in Berlin
habe ich noch in der Nacht den Blogeintrag geschrie
ben. Er ist binnen kürzester Zeit auf der ganzen Welt
verbreitet worden, der sechste oder siebte Retweet war
schon von einem brasilianischen Blogger. Das war
extrem schnell und nur im Zusammenspiel aus Blog
und sozialen Medien zu erreichen.
Sigrid Quack: Bei einem Beitrag, den ich während der
Finanzkrise über FairValueAccounting geschrie
ben habe, hat uns alle die große Zugriffshäufigkeit
überrascht.
Philip Mader: Das ist immer noch unser „Bestseller“!
Sigrid Quack: Damals kam der Großteil der Zugriffe
von Personen, die im Zusammenhang mit der G20
Verlautbarung, Accounting sei auch eine Ursache der
Finanzkrise, nach „Fair Value“ gegoogelt haben. Ein
technischer Gegenstand wie Rechnungslegung war
Das Blog governance across borders wurde 2009 von der Forschungsgruppe „Grenzüberschreitende Institutio-
nenbildung“ am MPIfG unter der Leitung von Sigrid Quack ins Leben gerufen. Die Mitglieder der Forschungs-
gruppe und Gäste diskutieren hier Ideen, Konzepte und Beispiele alter und neuer Formen transnationaler Regu-
lierung in Bereichen wie Urheberrecht, Mikrofinanzen, Arbeits- und Umweltstandards. Inzwischen erschienen
hier rund 220 Beiträge, von denen ein Teil 2013 im gleichnamigen Buch veröffentlicht wurde.
www.governancexborders.com
Herausgeber: Sigrid Quack, Leonhard Dobusch, Philip Mader
11
INTERVIEW
auf einmal auf der Weltbühne der großen Politik. In
einem solchen Fall führt das Timing dazu, dass man
eine enorme Verbreitung erzielt und auch andere
Öffentlichkeiten, nicht nur die wissenschaftliche,
erreicht.
Philip Mader: Es gibt eine ganze Bandbreite von
Blogkonzeptionen – von Blogs, in denen Professo
ren posten, wenn sie ein neues Paper veröffentlicht
haben, bis hin zu Blogs, die essayistisch verfasst sind,
oder solchen, die neue Forschungsergebnisse bekannt
machen. Das ist eine große Medienlandschaft für sich,
die man, wenn man in seinem Forschungsfeld „up to
date“ bleiben will, nicht vernachlässigen sollte.
Ursula Trappe: Ihr Statement zum Thema Open
Access?
Leonhard Dobusch: Nun, das Buch ist Open Access,
das Blog ist Open Access, beide sind CreativeCom
monslizenziert. Also ich würde sagen, wir reden nicht
nur, wir machen. Hinzu kommt, dass wir in unserem
Blog über Open Access als Thema schreiben, weil es
auch in unser Forschungsfeld fällt.
Sigrid Quack: Der Druck auf die wissenschaftlichen
Verlage wird durch die Beschlüsse der EU und der
nationalen Regierungen größer. Aber auch den Wis
senschaftlern selbst kommt eine entscheidende Rolle
gegenüber den Verlagen zu. Nicht unbedingt den
jüngeren, denn die sind in einer schwierigen Position,
aber den Senior Researchers und denen, die in Edito
rial Boards sind: ein Thema, zu dem ich noch einen
Blogbeitrag schreiben will.
Inhalt
www.mpifg.de/pu/
books_wz/2013/
wz_quack_20131.
asp
Leonhard Dobusch, Philip Mader and Sigrid Quack (eds.)
Governance across Borders: Transnational Fields and Transversal Themes
Berlin: epubli GmbH, 2013 | 367 Seiten
ISBN 9783844248241 | 36,99 Euro
ISBN 9783844248234 | 3,99 Euro (eBook)
Open Access
Governance crosses and blurs borders: disciplinary, geographical, thematic, con
ceptual. This collection of 127 articles from fourteen different authors assembles
incisive contributions on a variety of urgent questions of our age. What is global
and what is local in contemporary capitalism? What makes markets tick? How can
we regulate finance? Who owns knowledge? What makes expertise? How can we
protect the environment and fight poverty? And many more. Structured around
different themes, the book invites readers to browse and delve deeper into the is
sues researched and analyzed over the course of four years on the governance across
borders blog.
12
AUSDERFORSCHUNG
Aktionäre kontrollieren Manager mithilfe von Marktmechanismen.
Helen Callaghan
Im Zuge der Finanzkrise wird auf den Straßen Europas wieder vermehrt demonstriert. Die Men schen schei
nen wachgerüttelt, aber ist die Empörung auch von Dauer? Helen Callaghan bezweifelt das. Ihr Projekt
zeigt, dass Finanzia lisie rung – die zunehmende Priorisierung finanzmarktlicher Interessen – eine Reihe von
Prozes sen auslöst, die den Widerstand gegen ihre Fortsetzung untergraben. Der allmähliche Akzeptanz
gewinn feindlicher Übernahmen in den entwickelten Industrienationen seit den 1950erJahren veranschau
licht diese Prozesse.
Übernahmeangebote als Motor der Finanzialisierung
Übernahmeangebote sind ein wesentlicher Schritt im Prozess der Finanzialisierung, da sie es Aktionären ermög
lichen, Manager mithilfe von Marktmechanismen zu kontrollieren. Im Gegensatz zu Fusionen, die von den Ma
nagern der betroffenen Unternehmen nach oft langwierigen Verhandlungen einvernehmlich beschlossen werden,
richten sich öffentliche Übernahme
angebote direkt an die Aktionäre. Der
potenzielle Käufer bietet dabei an, alle
Aktien des Zielunternehmens zu einem
fixen, über dem Marktpreis liegenden
Preis zu kaufen. Einzige Bedingung
ist, dass die Zahl der zu diesem Preis
erwerbbaren Aktienstimmrechte es er
laubt, die Kontrolle über das Zielunter
nehmen zu übernehmen.
Eine einflussreiche volkswirtschaftliche
Theorie sieht die Möglichkeit solcher
Übernahmen als effektives Mittel, um
Manager zur Maximierung des Aktien
wertes (ShareholderValue) zu zwingen.
In der Theorie funktioniert dies wie
folgt. Unternehmen, die keine Gewinn
maximierung betreiben, werden am Aktienmarkt niedrig bewertet. „Unterbewertete“ Unternehmen sind nun at
traktive Übernahmekandidaten, weil die Käufer mit ihnen Gewinn erzielen können. Das heißt, sie erwerben diese
Unternehmen recht günstig und bringen sie dann auf Gewinn maximierungskurs, indem sie das Management
austauschen. Aus Sorge um ihre Arbeitsplätze versuchen Manager der Theorie zufolge, solche Übernahmen zu
verhindern – unter anderem dadurch, dass sie antizipierend Gewinnmaximierung betreiben.
Während der schlichten Theorie einige Vorbehalte entgegengebracht werden, zeigt die Praxis, dass Unterneh
men in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, dort wo Übernahmeangebote am häufigsten auftreten, im
Vergleich zu Unternehmen in anderen Ländern einen größeren Anteil ihrer Gewinne als Dividende und einen
Ende der Debatte? Die gesellschaftliche Akzeptanz marktbasierter Unternehmenskontrolle
Alle Proteste umsonst: Nach zähen Verhandlungen schluckte Kraft Foods
2010 die britische Traditionsmarke Cadbury.
13
AUSDERFORSCHUNG
geringeren als Löhne auszahlen. Einer
Studie zu den einhundert größten euro
päischen Unternehmen zufolge betrug
der Anteil der Arbeitnehmer entgelte
an der Nettowertschöpfung im Jahr
1995 in Großbritannien nur 68 Pro
zent im Vergleich zu rund 89 Prozent in
Deutschland.
Angesichts dieser Tatsachen stellt sich
die Frage, warum der politische Wi
derstand gegen die Vermarktlichung
von Unternehmenskontrolle in vielen
Industrienationen abgenommen hat.
Es gab Zeiten, in denen die Übernah
meregulation politisch hart umkämpft
war. Auf europäischer Ebene erfuhr bei
spielsweise ein Richtlinienvorschlag zur
Förderung von Übernahmeangeboten
dreißig Jahre lang heftigen Widerstand, bevor 2003 eine abgemilderte Version in Kraft trat. Auf nationaler Ebene
hielten sich viele europäische Länder – etwa Frankreich und Deutschland – bis in die 1980er und 1990erJahre
mit Maßnahmen zur Förderung aktiver Übernahmemärkte zurück. Das britische Parlament debattierte solche
Maßnahmen über fünf Jahrzehnte hinweg immer wieder kontrovers.
Um Übernahmeaktivitäten zu drosseln, haben Regierungen in der Vergangenheit die rechtlichen Möglichkeiten
des Managements zur Abwehr von Übernahmeangeboten gestärkt, den Zugang der Bieter zu Finanzmitteln be
schränkt, ihre Vetorechte ausgeübt oder Steueranreize genutzt, um Übernahmen weniger lukrativ zu gestalten. In
jüngster Zeit sind solche marktbeschränkenden Maßnahmen allerdings aus der Mode gekommen und werden
selbst von Oppositionsparteien immer weniger eingefordert.
Routinisierung, Adaption und Eliminierung dämpfen den Widerspruch
Der Rückgang des politischen Widerstands lässt sich anhand von Parlamentsdebatten seit den 1950erJahren do
kumentieren. Dabei spielen drei Aspekte eine wichtige Rolle: Welche Arten der politischen Intervention wurden
gefordert? Wie wurden diese Forderungen gerechtfertigt? Und welche sprachlichen Mittel kamen zum Einsatz,
um etwa Aktionäre, Bieter oder Profitstreben positiv oder negativ darzustellen? Die Zahl der relevanten Debatten
schwankt beträchtlich von Jahr zu Jahr. Je mehr Übernahmeangebote tatsächlich vollzogen werden, desto ausgiebi
ger wird diskutiert. Die Zahl der Übernahmeangebote variiert wiederum mit der Wirtschaftslage. Insgesamt aber
zeigt sich ein deutlicher Rückgang des politischen Widerstands entlang der genannten Untersuchungskriterien.
Bis in die 1990erJahre haben Regierungen die Übernahme aktivitäten gedrosselt.
Die feindliche Übernahme von Mannesmann durch Vodafone im Jahr
2000 war bis dato die größte in Deutschland. Nach monatelangen Ver
handlungen stimmte der MannesmannAufsichtsrat am 4. Februar 2000
der Übernahme zu.
14
AUSDERFORSCHUNG
Wie ist diese Entwicklung zu erklären?
Marktausdehnung – in diesem Fall des
Marktes für Unternehmenskontrolle –
löst selbst Prozesse aus, die den Wi
derstand gegen eine weitere Expansion
untergraben. Diese Prozesse sind: Rou
tinisierung, Adaption und Eliminie
rung. Ihnen ist gemein, dass sie stärker
werden, wenn die Zahl der Übernah
meangebote wächst. Sie ähneln damit
einem Schneeball, der an Schwung und
Masse gewinnt, während er den Berg
hinabrollt.
Routinisierung. Treten Übernahmen
erstmals auf, sorgen sie zunächst oft für
Schlagzeilen. Denn einerseits sind sie
ungewöhnlich, und andererseits begüns
tigt das Fehlen etablierter Regeln Skandale und Kontroversen, die wiederum einer reißerischen Berichterstattung
zuträglich sind. Dadurch rücken Übernahmen ins Bewusstsein auch jener Zeitungsleser und Nachrichtengucker,
die selbst nicht direkt betroffen sind. Mit der Zeit schwindet jedoch der Neuig keitswert und damit auch das öffent
liche Interesse – obwohl, und gerade weil, die Zahl der Übernahmen steigt.
Adaption. Treten Übernahmen erstmals auf, gibt es kaum Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.
Mit ihrer Verbreitung forcieren Übernahmen die Entwicklung eines ganzen Wirtschaftszweiges, bestehend aus
Investmentbankern, Anwälten und Beratern. Die Zahl der Nutznießer wächst, wenn der Markt sich ausdehnt.
Eliminierung. Treten Übernahmen erstmals auf, gibt es immer noch viele Unternehmen, bei denen die kurzfris
tige Maximierung des Aktienwertes einen niedrigeren Stellenwert hat als beispielsweise der Erhalt von Arbeits
plätzen in Krisenzeiten. Nach und nach verdrängt der expandierende Markt für Unternehmenskontrolle jedoch
solche stakeholderorientierten Unternehmen. Für deren Anhänger bleibt damit immer weniger Raum, für den es
sich gegen Übernahmen zu kämpfen lohnt.
Diese drei Prozesse lassen sich anhand der sich verändernden medialen Berichterstattung sowie der Positionen
und Lobbyversuche verschiedener Interessengruppen – wie etwa institutionelle Anleger, Banken, Manager und
Arbeitnehmer – nachweisen. Digitale Zeitungsartikel, wirtschaftshistorische Studien und Dokumente aus den
Archiven von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden dienen dabei als Quellen.
Politischer Widerstand schwindet mit der Zunahme der Übernahmeangebote.
Die Geschäftsführer von NYSEEuronext applaudie ren am Ende des
ers ten gemeinsamen Handelsta ges. Die Übernahme des französisch
belgischnie der län dis chen Börsenbetreibers Euronext durch die New
York Stock Exchange (NYSE) im Jahr 2006 erntete auch von politischer
Seite mehr Beifall als Protest.
15
AUSDERFORSCHUNG
Ein Beitrag zur Kapitalismusforschung
Das Forschungsprojekt leistet einen theoretischen Beitrag zu einer Schwerpunktverschiebung innerhalb der ver
gleichenden politischen Ökonomie. In den vergangenen zwei Jahrzehnten richtete sich das Hauptaugenmerk vie
ler Forscher auf den Vergleich unterschiedlicher Kapitalismusmodelle. Mittlerweile lohnt sich die Rückbesinnung
darauf, dass solche nationalen Modelle nicht auf Dauer gültig sind. Sie unterliegen vielmehr dynamischen Ent
wicklungsprozessen, die nur im Zeitverlauf sichtbar werden.
Bisher gehen Impulse zur sozialwissenschaftlichen Erschließung der Prozesse kapitalistischer Entwicklung vor
rangig von Soziologen aus – darunter Jens Beckert und Wolfgang Streeck. Der Fokus liegt dabei auf den Verhal
tensmerkmalen kapitalistischer Akteure und auf den Gesellschaftsstrukturen, die diese Verhaltensmerkmale, wie
etwa Gewinnstreben und Nutzenmaximierung, begünstigen. Ergänzend untersucht das Forschungsprojekt die
politische Dimension der Finanzialisierung. Um zu verstehen, wie sich Märkte ausbreiten, reicht es nämlich nicht,
allein die Antriebskräfte der Marktexpansion offenzulegen. Ebenso erklärungsbedürftig ist, warum politische Be
mühungen zur Gegensteuerung mit der Zeit schwächer werden.
Helen Callaghan
ist seit Januar 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin am MPIfG. Sie studierte Philosophie, Politik
und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten von Chicago und Oxford. 2006 promovierte
sie zum Thema „European Integration and the Clash of Capitalisms: British, French and German
Disagreement over Corporate Governance, 1970–2003“.
Forschungsinteressen: vergleichende politische Ökonomie; europäische Integration; Corporate
Governance; Präferenzbildung in Parteien und Interessengruppen; Veränderungen von Eigen
tumsstrukturen in Unternehmen und ihre Auswirkungen auf die Politik.
Zum Weiterlesen
Callaghan, H./Hees, A.:
Wirtschaftsnationalismus im Wandel der Zeit: Der
politische Diskurs um ausländische Unternehmens-
übernahmen in Großbritannien seit den 1950er-
Jahren. MPIfG Discussion Paper. Köln: Max-
Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, 2013.
Im Erscheinen.
Callaghan, H.:
Who Cares About Financialization? Explaining the
Decline in Political Salience of Active Markets for
Corporate Control. MPIfG Discussion Paper 13/4.
Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsfor-
schung, 2013.
www.mpifg.de/pu/mpifg_dp/dp13-4.pdf
Crouch, C.:
Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus.
Berlin: Suhrkamp, 2011.
Culpepper, P.:
Quiet Politics and Business Power: Corporate
Control in Europe and Japan. New York:
Cambridge University Press, 2011.
Streeck, W.:
Re-Forming Capitalism: Institutional Change in
the German Political Economy. Oxford: Oxford
University Press, 2009.
16
FORSCHERPORTRAIT
Die Schlagzeile „Er kann es“ prangt auf dem SpiegelTitel. Herbst 2011: Vom Cover des Nachrichtenmagazins
fixierten Helmut Schmidt und Peer Steinbrück die Leser. Der ehemalige SPDKanzler verlieh dem aktuellen
Kandidaten den Ritterschlag und empfahl ihn als Nachfolger Angela Merkels. Aber halt, bei dem reproduzierten
Spiegel hier im Regal stimmt etwas nicht. Die Gesichter wurden ausgetauscht. Rechts sitzt nun honorig mit
SchmidtStock Jens Beckert, Direktor des MaxPlanckInstituts für Gesellschaftsforschung, und links, dem
Altvorderen leicht zugeneigt, Sascha Münnich. Beim Abschied aus dem MPIfG, wo Münnich zuletzt als
wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war, haben Kollegen ihm das FakeCover im März 2013 geschenkt. Nun steht
es vor einer Reihe Bücher in seinem neuen Büro an der Universität Göttingen. „Hoffentlich erleide ich nicht das
gleiche Schicksal wie Peer Steinbrück“, sagt Münnich, schwarzgrauer Kinnbart, Pferdeschwanz.
Scheitern ist nie auszuschließen. Man sollte diese Variante einkalkulieren. Aber darauf, dass Sascha Münnich in
dieser Gefahr schwebt, deutet nichts hin. Mit 35 Jahren ist er kürzlich Juniorprofessor am Institut für Soziologie ge
worden. Nachdem er erst 2009 an der Universität zu Köln promovierte, darf er nun selbst Doktoranden begleiten.
Professorenstatus, Büro, Mitarbeiterinnen, eigenes Bud get – Münnich hat eine wissenschaftliche Hochgeschwin
digkeitskarriere hingelegt. Am früheren Göttinger Institut für Sozialpolitik bei Professorin Ilona Ostner schuf er
während des Studiums die Grundlage für sein Schwerpunktthema – die Erforschung des Wohlfahrtsstaats. Kaum
ein Jahrzehnt später hat der Professor in rotem TShirt und grünem Schlabberhemd nun ein Zimmer im selben
Gebäude bezogen, in dem seine ehemalige Professorin noch immer arbeitet. Mit seinem zweijährigen Sohn und
seiner Frau, die im Sommer 2013 das zweite Kind zur Welt brachte, ist Münnich kürzlich nach Göttingen überge
siedelt, wo er sich persönlich und familiär verwurzelt fühlt.
Der Ideenretter
war von 2005 bis 2013 zunächst Doktorand in der Inter-
national Max Planck Research School on the Social and Po-
litical Constitution of the Economy (IMPRSSPCE), danach
wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIfG. Für seine Dis
sertation „Die Entdeckung der Arbeitslosenversicherung:
Ideen, Interessen und die Entstehung wohlfahrtsstaatlicher
Institutionen“ wurde er 2010 mit der OttoHahnMedail
le der MaxPlanckGesellschaft ausgezeichnet. Seit April
2013 ist er Juniorprofessor für International Vergleichende
Soziologie an der GeorgAugustUniversität Göttingen. In
seiner Forschung beschäftigt er sich mit den sozialen und
kulturellen Bedingungen kapitalistischer Ökonomien und
der sie flankierenden Wohlfahrtsstaaten.
Er kann es!
Sascha Münnich
17
FORSCHERPORTRAIT
Aus seiner wissenschaftlichen Arbeit der vergangenen Jahre sind zwei Begriffe nicht wegzudenken: Interessen und
Ideen. Dieses Begriffspaar spielt die zentrale Rolle in Münnichs Dissertation über die „Entdeckung der Arbeitslo
senversicherung“. Diese Institution wurde im Deutschland der Weimarer Republik und in den USA im Rahmen
des New Deal Mitte der 1930erJahre gegründet. Münnichs Frage: Warum konnten Politik, Unternehmerverbände
und Gewerkschaften sich damals auf diesen Schritt verständigen,
während das vorher nicht möglich gewesen war?
Die Unterscheidung von Interessen und Ideen hilft Münnich bei der
Beantwortung. Der Begriff „Interesse“ ist im Sinne des materialisti
schen Grundsatzes „das Sein bestimmt das Bewusstsein“ zu verste
hen. Gesellschaftlich handelnde Personen, Gruppen oder Institutio
nen verfolgen demnach Anliegen, die ihre ökonomische und soziale
Lage widerspiegeln. Ideen hingegen lassen subjektive, kulturell be
stimmte und zeitgebundene Abweichungen von den objektiven In
teressenlagen zu.
Diese Unterscheidung nutzbar zu machen, gelingt Münnich am Bei
spiel der Genese der Arbeitslosenversicherung. Was vor dem ersten
Weltkrieg scheiterte, wurde zehn Jahre später realisiert, „weil sich der
Ideenhorizont verschoben hatte“. Die materielle Situation von Kapi
tal und Arbeit war grundsätzlich dieselbe, aber die Interpretationen änderten sich. „Es kam zur Neudefinition von
Interessen, weil bestimmte Ideen wirksamer wurden“, erklärt Münnich. Dazu gehörte die katholische Soziallehre,
deren Grundsätze Arbeitsminister Heinrich Brauns als Vertreter des Zentrums von 1920 bis 1928 kontinuierlich
in der Reichsregierung vertrat. In den guten Jahren der Weimarer Republik wandten sich entscheidende Akteure
mehr und mehr vom Klassenkampf ab und der Sozialpartnerschaft zu.
Dieser Ansatz enthält eine Erklärung dafür, warum gesellschaftliche Verhältnisse niemals starr sind, sondern
durch subjektive, kulturelle und vor allem auch diskursive Faktoren in Schwingung versetzt werden können. Ge
rade der letzte Aspekt ist wichtig: Ideen gewinnen Gestaltungsmacht, weil sie in der Kommunikation zwischen
gesellschaftlichen Akteuren formuliert, weiterentwickelt und schließlich mehrheitsstiftend werden. Individuen
und soziale Gruppen haben in dieser Betrachtungsweise Handlungsspielraum und werden durch die materiellen
Umstände, in denen sie leben, nicht vorherbestimmt – wenngleich letztere natürlich eine wichtige Rolle bei der
Herausbildung von Weltbildern spielen. „Es bestehen aber immer Entwicklungsmöglichkeiten“, so Münnich, „das
gibt Hoffnung.“
Trotz dieser optimistischen Betrachtungsweise war die Zeit der Promotion, wie für die meisten Doktoranden,
auch für Münnich eine Herausforderung. Besonders in der Endphase kommt man aus der gedanklichen End
losschleife des wissenschaftlichen Themas kaum heraus. Der Jungprofessor hat da jedoch einen Vorteil, weil er
regelmäßig Zuflucht in einer ganz anderen Sphäre findet.
In den guten Jahren der Weimarer Republik wandten sich ent scheidende Akteure mehr und mehr vom Klassenkampf ab und der Sozialpartnerschaft zu.
Auditorium der Universität Göttingen
18
FORSCHERPORTRAIT
Auftritt Sascha Münnich und die PmC Allstars: In ro
tem Hemd und schwarzem Anzug tritt der Sänger in
den Kegel des Spotlights. Applaus, das Publikum kennt
ihn. Mit SoulBass und ziemlich amerikanischem Ak
zent intoniert er „Georgia on my mind“, einen dieser
ewigen Jazzstandards aus den 1930erJahren. Eine Mi
schung aus Gottesdienst und Pop: Die Orgel legt den
Teppich, das Schlagzeug kommt dazu. Perfekte Musik,
die Münnich, spätestens seit er achtzehn Jahre alt ist,
nicht loslässt. „Ich habe immer in Bands gespielt.“ Zu
erst Keyboard, dann Bass, schließlich konzentrierte er
sich auf den Gesang. Hier beherrscht er verschiedene
Genres. Im gelbgrünen HawaiiHemd gibt er auch
gerne den hektischen Funksänger, der über die Büh
ne tigert und posiert. Seine neue Band heißt „Men in
Black“. Er beschreibt sie als „Soul Show Band“. Aufnah
men und Videos gibt es noch nicht. Angeblich erinnert
sie an die Blues Brothers. Man wird von ihr hören.
Erfrischend ist Musik, weil sie alle anderen Gedanken
wegbläst. Die Vermutung aber, dass sie gar nichts mit
Münnichs Hauptberuf zu tun habe, trifft dennoch
nicht zu. Die Antennen des Soziologen bleiben immer
ausgefahren – vielleicht nicht auf der Bühne, aber vorher und nachher. Es gab Tage, da sang Münnich erst bei
einer Gartenparty der steinreichen Adelsfamilie von Hardenberg und abends dann für die Ledermänner eines
HarleyDavidsonTreffens am EderStausee. Solche Einblicke in unterschiedliche soziale Milieus schärfen den
Blick für die Realitäten der Gesellschaft. Die semiprofessionelle Musikerkarriere hat Münnich davor bewahrt, „als
Wissenschaftler nur unter Wissenschaftlern zu verkehren“.
Als grundlegende Motivation seiner Tätigkeit beschreibt der Soziologe den Wunsch, einen „ehrlichen Blick auf die
Gesellschaft“ zu werfen. Geweckt wurde sein Interesse an sozialen, ökonomischen und politischen Entwicklungen
in den 1980erJahren von Lehrern am Gymnasium, die er als „stramm links“ bezeichnet. Die dieser Gesellschafts
kritik innewohnende Haltung findet Münnich als „Ausgangspunkt“ zwar auch heute noch richtig. Direkt anschlie
ßen müsse sich aber die kritische Auseinandersetzung mit dieser Art der Kritik. Arbeitsthesen, so Münnich, sollten
anhand konkurrierender Theorien und der Empirie immer sorgfältig überprüft werden. So arbeitet er sich auch
heute noch an „geschlossenen, mechanistischen Weltbildern“ ab, die die Menschen nicht entkommen lassen wollen.
Seine politische Einstellung bezeichnet er selbst als „linksliberal“. Dass der kapitalistische Markt die Herausfor
derung, materielle Güter zu produzieren und zu verteilen, bewältigen kann, stellt Münnich nicht in Abrede. Als
beherrschendes Ordnungsprinzip für die gesamte Gesellschaft eigne sich dieser Mechanismus aber nicht. „Der
Sascha Münnich bei einem Auftritt anlässlich des Emp
fangs zum 60. Geburtstag von Wolfgang Streeck 2006.
Die semiprofessionelle Musikerkarriere hat Münnich davor bewahrt, als Wissenschaftler nur unter Wissenschaftlern zu verkehren.
19
FORSCHERPORTRAIT
Markt ruft Wirkungen hervor, die politisch eingehegt werden müssen“, formuliert Martin Höpner, Forschungs
gruppenleiter am MPIfG in Köln, eine Grundannahme Sascha Münnichs.
Die „sozialen und ethischen Folgewirkungen wirtschaftlichen Handelns“, wie Höpner sagt, werden auch beim
nächsten großen Projekt des Juniorprofessors eine zentrale Rolle spielen. Erste Bestandteile hat Münnich in sei
nem Aufsatz „Von Heuschrecken und Bienen: Profit als Legitimationsproblem“ vorgelegt. Darin analysiert er die
Debatten in Deutschland und Großbritannien, die das verstärkte Auftreten von Hedgefonds und PrivateEquity
Firmen nach dem Jahr 2000 auslöste.
Politiker wie der damalige SPDChef Franz Müntefering bezichtigten diese Firmen damals, eine neue Form des
brutalen Finanzkapitalismus zu praktizieren, die mehr Schaden als Nutzen anrichte. Münnich nimmt diese De
batte als Anlass zu fragen, welchen Raum unterschiedliche Gesellschaften dem Kapitalismus bereit sind einzu
räumen. Am Beispiel Deutschlands und Großbritanniens erklärt er, wie verschiedene ethische Ansprüche an den
Markt begründet, kommuniziert und weiterentwickelt werden. Er plant, über die „Legitimation von Profit“ im
Laufe der kommenden Jahre sein nächstes Buch zu veröffentlichen. Hier zeige sich, wie Martin Höpner meint, ein
Wesenszug von Münnichs Soziologie. „Es geht ihm um die theoretische und gleichzeitig die empirische Brisanz
des Themas.“
Hannes Koch
Zum Weiterlesen
Münnich, S.:
Von Heuschrecken und Bienen: Profit als Legiti-
mationsproblem. In: Leviathan, Sonderband 27.
München: Nomos, 2012, 283–301.
Münnich, S.:
Interessen und Ideen: Die Entstehung der Arbeits-
losenversicherung in Deutschland und den USA.
Frankfurt a.M.: Campus, 2010.
Persönliche Homepage von Sascha Münnich an der GeorgAugustUniversität Göttingen
www.unigoettingen.de/de/430635.html
Der Markt ruft Wirkungen hervor, die politisch eingehegt werden müssen.
20
NACHRICHTEN
Evaluation bescheinigt MPIfG exzellente Leistungen in Forschung und Lehre
Der Fachbeirat des MPIfG hat in seinem Bericht die
wissenschaftliche Arbeit des MPIfG als weltweit füh
rend bewertet. Mit dieser Nachricht beglückwünschte
der Präsident der MaxPlanckGesellschaft (MPG) die
Direktoren des MPIfG. Die achtköpfige unabhängige
Gutachterkommission hatte Anfang November 2012
unter Vorsitz von Prof. David Stark (Columbia Uni
versity) die Arbeit des Instituts in den Jahren 2010 und
2011 eingehend geprüft. Der Fachbeirat evaluiert die
Forschungsarbeit des Instituts im zweijährigen Turnus
und berichtet dem Präsidenten der MPG über seine
Eindrücke. Seine Mitglieder werden für sechs Jahre
berufen und können der Kommission maximal zwei
Amtszeiten angehören.
Tagung zur „neuen Wirklichkeit“ am MPIfG
Historiker und Sozialwissenschaftler trafen sich am
23. und 24. Mai zur Tagung „Die neue Wirklichkeit:
Bezeichnungsrevolutionen, Bedeutungsverschiebun
gen und Politik seit den 1970erJahren“ am MPIfG.
Diskutiert wurde, ob und auf welche Weise sich zeit
geschichtliche Veränderungen im Sprachgebrauch
niederschlagen. Ziel dieses von Ariane Leendertz und
Wencke Meteling (Universität Marburg) organisierten
Treffens war, der zeitgeschichtlichen und sozialwis
senschaftlichen Diskussion um die Einschätzung der
jüngsten Vergangenheit neue Impulse zu verleihen und
den direkten Austausch zwischen beiden Disziplinen
zu fördern.
Vgl. Konferenzbericht S. 29.
Sigrid Quack nimmt Ruf an die Universität DuisburgEssen an
Sigrid Quack wird ab Oktober 2013 den Lehrstuhl für
Soziologie, insbesondere Gesellschaftsvergleich und
Transnationalisierung, an der Universität Duisburg
Essen übernehmen. Sigrid Quack ist seit 2007 Leiterin
der Forschungsgruppe „Grenzüberschreitende Institu
tionenbildung“ am MPIfG und seit 2008 außerplanmä
ßige Professorin an der Wirtschafts und Sozialwissen
schaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. In ihren
aktuellen Forschungsprojekten am MPIfG, die sie als
assoziierte Wissenschaftlerin fortführen wird, befasst
sie sich mit politikfeldspezifischen Verläufen transna
tionaler Governance und Wechselwirkungen zwischen
globaler Regelsetzung und lokaler Implementierung.
www.tinyurl.com/SoziologieUDE
Sabrina Zajak ist Juniorprofessorin an der RuhrUniversität Bochum
Im Juli 2013 hat Sabrina Zajak eine Juniorprofessur zu
„Globalisierungskonflikten, Arbeit und sozialen Bewe
gungen“ am Institut für Soziale Bewegungen der Ruhr
Universität Bochum angetreten. Zajak war von 2007 bis
2011 Doktorandin in der Forschungsgruppe „Grenz
überschreitende Institutionenbildung“ am MPIfG.
Fachbeirat des MPIfG
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NACHRICHTEN
Sascha Münnich Juniorprofessor an der Universität Göttingen
Sascha Münnich ist seit April 2013 Juniorprofessor für
International Vergleichende Soziologie an der Georg
AugustUniversität Göttingen. In seiner Forschung
beschäftigt er sich mit den sozialen und kulturellen
Bedingungen kapitalistischer Ökonomien und der sie
flankierenden Wohlfahrtsstaaten. Münnich war von
2005 bis 2013 zunächst Doktorand, danach wissen
schaftlicher Mitarbeiter am MPIfG.
Vgl. Forscherportrait S. 16–19.
Philip Mader erhält Studienpreis der KörberStiftung
Für seine Dissertation „Financialising Poverty: The
Transnational Political Economy of Microfinance’s
Rise and Crises“ erhält Philip Mader den mit 30.000
Euro dotierten ersten Preis in der Kategorie Sozialwis
senschaften des Deutschen Studienpreises 2013. Mader
behandelt in seiner Schrift Fragen von Legitimität und
Organisation in mikrofinanzierten Wasser und Sa
nitärprojekten. Er kommt darin zu dem Schluss, dass
Mikrofinanz nicht Armut abschafft, sondern eher aus
nutzt und festigt. Die KörberStiftung zeichnet jähr
lich Promovenden aus den drei Kategorien Sozialwis
senschaften, Geistes und Kulturwissenschaften sowie
Natur und Technikwissenschaften für Dissertationen
aus, die sich durch hohe wissenschaftliche Qualität
auszeichnen und deren Erkenntnisse von besonderer
gesellschaftlicher Bedeutung sind. Der Preis wird am
25. November 2013 im Rahmen einer Festveranstal
tung in Berlin vom Bundestagspräsidenten überreicht.
Philip Mader war von 2008 bis 2012 Doktorand und
ist seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIfG.
http://tinyurl.com/MaderStudie
http://tinyurl.com/KoerberPreis
Philip Mader erhält OttoHahnMedaille
Philip Mader wurde für seine Dissertation „Financiali
sing Poverty: The Transnational Political Economy of
Microfinance’s Rise and Crises“ mit der OttoHahn
Medaille der MaxPlanckGesellschaft (MPG) ausge
zeichnet. Diese Auszeichnung erhält jedes Jahr eine
kleine Zahl junger Wissenschaftlerinnen und Wissen
schaftler der MaxPlanckGesellschaft für herausra
gende wissenschaftliche Leistungen. Sie ist mit einem
Anerkennungsbetrag verbunden und soll besonders
begabte Nachwuchswissenschaftler zu einer späteren
Hochschul oder Forscherkarriere motivieren. Die
Medaille wurde während der Hauptversammlung der
MPG im Juni 2013 in Potsdam verliehen. Philip Ma
der war von 2008 bis 2012 Doktorand und ist seit 2012
PostdocStipendiat am MPIfG.
Damien Krichewsky erhält RIODDDissertationspreis
Für seine Dissertation
über Corporate Social
Res ponsibility von Unter
nehmen in Indien („Cor
porate Social Responsibi
lity: A MetaEmbedding
of Firms – An Analysis
of the Indian Case“) er
hielt Damien Krichewsky den Dissertationspreis 2013
des Réseau international de recherche sur les organi
sations et le développement durable (RIODD), einer
Forschungsorganisation für nachhaltige Entwicklung
mit Sitz in Paris. Mit ihrem Prix RIODDVigeo würdigt
die Organisation jährlich zwei herausragende Disserta
tionen in den Sozialwissenschaften, die sich mit Corpo
rate Social Responsibility oder nach haltiger Entwick
lung befassen. Damien Krichewsky, seit Oktober 2012
PostdocStipendiat am MPIfG, erhielt den Preis im Juni
2013 anlässlich des RIODDESEE Kon gresses in Lille.
22
NACHRICHTEN
Mehr Nachrichten aus dem MPIfG
www.mpifg.de/aktuelles/nachrichten_de.asp
Helen Callaghan erhält Zeitschriftenpreis
Im Rahmen des Institutstags wurde Helen Callaghan
für ihren Artikel „ConstrainThyNeighbor Effects as
a Determinant of Transnational Interest Group Cohe
sion“ (Comparative Political Studies 44[7]) mit dem
Zeitschriftenpreis 2012 des Vereins der Freunde und
Ehemaligen des MPIfG ausgezeichnet. Der Preis ist mit
750 Euro dotiert und wird für den besten Artikel einer
Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters des MPIfG in ei
ner begutachteten Fachzeitschrift vergeben.
Neue Reihe: MaxPo Discussion Papers
Das deutschfranzösische Max Planck Sciences Po Cen
ter on Coping with Instability in Market Societies (Max
Po) startet im Juli 2013 seine Publikationsreihe MaxPo
Discussion Papers. In der Reihe werden wirtschaftsso
ziologische Themen sowie Fragen der politischen Öko
nomie und Wirtschaftsgeschichte untersucht. Das erste
Discussion Paper „Moral Categories in the Financial
Crisis“ von Marion Fourcade, Philippe Steiner, Wolf
gang Streeck und Cornelia Woll behandelt Ansätze einer
moralischen Bewertung der Wirtschaft und fordert zu
einer systematischeren wissenschaftlichen Aufarbeitung
derselben auf. Die Beiträge entstanden bei der Podiums
diskussion zur Eröffnung des Centers im vergangenen
November.
http://www.maxpo.eu/publications.asp
Dominic Akyel gewinnt Fotopreis junger Akademien Europas
Mit seinem Foto „Shadow Society“ gewann Dominic
Akyel den zweiten Preis beim internationalen Foto
wettbewerb „Visions and Images of Fascination: Sci
ences and Humanities Visualized“. In diesem Gemein
schaftsprojekt sechs internationaler junger Akademien
haben Geistes und Naturwissenschaftler aus Deutsch
land, den Niederlanden, Russland, Schottland und
Schweden fotografische Antworten auf die Frage gefun
den, was sie an ihrer Forschung fasziniert und wie sich
diese Faszination visualisieren lässt. Dominic Akyel ist
seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIfG.
http://imagesoffascination.net
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NEUERSCHEINUNGEN Bücher, Journal Articles und Discussion Papers
MPIfG Bücher
Wolfgang Streeck
Gekaufte Zeit: Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus
Frankfurter AdornoVorlesungen 2012
Berlin: Suhrkamp, 2013 | 271 Seiten
ISBN 9783518585924 | 24,95 Euro
Die Krise hält uns in Atem und erzeugt zugleich ein diffuses Gefühl der Ratlosigkeit.
Auf schier unüberschaubare Problemlagen folgen Maßnahmen, die wie Notopera
tionen am offenen Herzen der westlichen Welt wirken – durchgeführt ohne Kenntnis
der Krankengeschichte. So ernst die Lage ist, so wenig scheinen wir zu verstehen, was
genau vor sich geht. Und wie es dazu kommen konnte. Wolfgang Streeck legt in seinen
Frankfurter AdornoVorlesungen die Wurzeln der gegenwärtigen Finanz, Fiskal und
Wirtschaftskrise frei, indem er sie als Moment der langen neoliberalen Transformation
des Nachkriegskapitalismus beschreibt, die bereits in den 1970erJahren begann. Im
Anschluss an die Krisentheorien der damaligen Zeit analysiert er, wie sich die Spannung
zwischen Demokratie und Kapitalismus über vier Jahrzehnte entfaltet hat und welche
Konflikte daraus zwischen Staaten, Regierungen, Wählern und Kapitalinteressen re
sultierten. Schließlich beleuchtet er den Umbau des europäischen Staatensystems vom
Steuer über den Schulden zum Konsolidierungsstaat und fragt nach den Aussichten
für eine Wiederherstellung sozialer und wirtschaftlicher Stabilität. Gekaufte Zeit zeigt,
dass der gegenwärtigen Situation etwas zugrunde liegt, das uns tief beunruhigen sollte:
die Transformation des Verhältnisses von Demokratie und Kapitalismus.
Jens Beckert and Christine Musselin (eds.)
Constructing Quality: The Classification of Goods in Markets
Oxford: Oxford University Press, 2013 | 368 pages
ISBN 9780199677573 | £ 55.00
How can we engage in a market relationship when the quality of the goods we want
to acquire is unknown, invisible, or uncertain? For market exchange to be possible,
purchasers and suppliers of goods must be able to assess the quality of a product in
relation to other products. Only by recognizing qualities and perceiving quality dif
ferences can purchasers make nonrandom choices, and price differences between
goods be justified. “Quality” is not a natural given, but the outcome of a complex
process of construction involving producers, consumers, and market intermediaries
engaged in judgment, evaluation, categorization, and measurement. The authors in
this volume investigate the processes through which the quality of goods is estab
lished, how product qualities are contested, and how they change over time. Cover
ing a broad range of markets in which quality is difficult to assess, the cases include
halal food, funeral markets, wine, labor, school choice, financial products, antiques,
and counterfeit goods. The book contributes to the sociology of markets and con
nects to the larger issue of the constitution of social order through cognitive pro
cesses of classification.
24
NEUERSCHEINUNGEN
Jens Beckert
Erben in der Leistungsgesellschaft
Frankfurt a.M.: Campus, 2013 | 246 Seiten
ISBN 9783593398679 | 34,90 Euro
Kaum eine Institution ist für die Reproduktion sozialer Ungleichheit so bedeutsam
wie die Vererbung von Vermögen. Doch Erbschaften widersprechen dem Leistungs
prinzip, mit dem in modernen Gesellschaften soziale Ungleichheit gerechtfertigt
wird. Wie gehen wir mit diesem Widerspruch um? Welche Kontroversen entspannen
sich um die Vermögensvererbung? Welche normativen Ansprüche werden im Erb
recht reguliert? Mit Bezug auf die Erbschaftssteuer, das Pflichtteilsrecht und die wirt
schaftlichen Folgen erbrechtlicher Regulierung diskutiert Jens Beckert diese Fragen.
Armin Schäfer and Wolfgang Streeck (eds.)
Politics in the Age of Austerity
Cambridge: Polity Press, 2013 | 240 pages
ISBN 9780745661681 | £ 60.00 (hardback)
ISBN 9780745661698 | £ 18.99 (paperback)
In a world of increasing austerity measures, democratic politics comes under pres
sure. With the need to consolidate budgets and to accommodate financial markets,
the responsiveness of governments to voters declines. However, democracy depends
on choice. Citizens must be able to influence the course of government through
elections and if a change in government cannot translate into different policies, de
mocracy is incapacitated. With contributions from leading scholars in the forefront
of sociology, politics and economics, this timely book will be of great interest to
students and scholars throughout the social sciences as well as general readers.
Tobias ten Brink
Chinas Kapitalismus: Entstehung, Verlauf, Paradoxien
Frankfurt a.M.: Campus, 2013 | 372 Seiten
ISBN 9783593398808 | 34,90 Euro
Das chinesische Wirtschaftswachstum der letzten dreißig Jahre stellt mittlerweile je
den anderen langen Aufschwung der neueren Geschichte in den Schatten. Wie konn
te sich diese Entwicklung in einem Land vollziehen, in dem die uneingeschränkte
Herrschaft der Kommunistischen Partei gilt? Tobias ten Brink untersucht die poli
tische Ökonomie Chinas erstmals systematisch anhand von Erkenntnissen aus der
vergleichenden und internationalen Kapitalismusforschung. Seine Analyse der Dy
namiken dieses eigentümlichen Wirtschaftstyps zeigt zudem, dass der chinesische
Kapitalismus eine paradoxale Entwicklung durchläuft, die den Aufstieg Chinas zur
Weltmacht beeinträchtigen könnte.
25
NEUERSCHEINUNGEN
Dominic Akyel
Die Ökonomisierung der Pietät:
Der Wandel des Bestattungsmarkts in Deutschland
Frankfurt a.M.: Campus, 2013 | 239 Seiten
ISBN 9783593398785 | 32,90 Euro
Ben Clift and Cornelia Woll (eds.)
Economic Patriotism in Open Economies
Journal of European Public Policy Series
London: Routledge, 2013 | 160 pages
ISBN 9780415624749 | £ 85.00
Leonhard Dobusch, Philip Mader and Sigrid Quack (eds.)
Governance across Borders: Transnational Fields and Transversal Themes
Berlin: epubli GmbH, 2013 | 367 pages
ISBN 9783844248241 | 36,99 Euro
ISBN 9783844248234 | 3,99 Euro (eBook)
Vgl. Interview S. 7–11.
Ulrich Dolata
The Transformative Capacity of New Technologies:
A Theory of Sociotechnical Change
London: Routledge, 2013 | 140 pages
ISBN 9780415626934 | £ 80.00
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NEUERSCHEINUNGEN
Daniel Seikel
Der Kampf um öffentlich-rechtliche Banken:
Wie die Europäische Kommission Liberalisierung durchsetzt
Frankfurt a.M.: Campus, 2013 | 259 Seiten
ISBN 9783593398792 | 29,90 Euro
MPIfG Journal Articles
Alexandre Afonso and Yannis Papadopoulos
Europeanization or Party Politics? Explaining Government Choice for
Corporatist Concertation. In: Governance 26(1), 2013, 5–29.
Jens Beckert
Imagined Futures: Fictional Expectations in the Economy.
In: Theory and Society 42(3), 2013, 219–240.
Jens Beckert and Jörg Rössel
The Price of Art: Uncertainty and Reputation in the Art Field.
In: European Societies 15(2), 2013, 178–195. (Special Issue: Focused Issue: Art
Markets and Sociology of Culture)
Jens Beckert and Frank Wehinger
In the Shadow: Illegal Markets and Economic Sociology.
In: SocioEconomic Review 11(1), 2013, 5–30.
Juan J. Fernández and Mark Lutter
Supranational Cultural Norms, Domestic Value Orientations and the Diffusion
of Same-sex Union Rights in Europe, 1988–2009.
In: International Sociology 28(1), 2013, 102–120.
Kristen Hopewell
New Protagonists in Global Economic Governance: Brazilian Agribusiness
at the WTO. In: New Political Economy 18(4), 2013, 603–623.
Abstracts und
Download
www.mpifg.de/pu/
journal_articles_
de.asp
27
NEUERSCHEINUNGEN
Philip Mader
Rise and Fall of Indian Microfinance: The Andhra Pradesh Crisis in Perspective.
In: Strategic Change 22(1–2), 2013, 47–66.
Matias E. Margulis
The Regime Complex for Food Security: Implications for the Global
Hunger Challenge. In: Global Governance 19(1), 2013, 53–67.
Matias E. Margulis, Nora McKeon and Saturnino Borras Jr.
Land Grabbing and Global Governance: Critical Perspectives.
In: Globalizations 10(1), 2013, 1–23.
Matias E. Margulis and Tony Porter
Governing the Global Land Grab: Multipolarity, Ideas and Complexity in
Transnational Governance. In: Globalizations 10(1), 2013, 65–86.
Lucia Quaglia, Fabio Serricchio and Myrto Tsakatika
Euroscepticism and the Global Financial Crisis.
In: Journal of Common Market Studies 51(1), 2013, 51–64.
MPIfG Discussion Papers
Simone SchillerMerkens
Framing Moral Markets: The Cultural Legacy of Social Movements
in an Emerging Market Category. MPIfG Discussion Paper 13/8.
Wolfgang Streeck
The Politics of Public Debt: Neoliberalism, Capitalist Development,
and the Restructuring of the State. MPIfG Discussion Paper 13/7.
Francesco Boldizzoni
On History and Policy: Time in the Age of Neoliberalism.
MPIfG Discussion Paper 13/6.
Martin Höpner
Die Verschiedenheit der europäischen Lohnregime und ihr Beitrag zur
Eurokrise: Warum der Euro nicht zum heterogenen Unterbau der Eurozone
passt. MPIfG Discussion Paper 13/5.
Abstracts und
Download
www.mpifg.de/pu/
discpapers_de.asp
28
NEUERSCHEINUNGEN
Helen Callaghan
Who Cares about Financialization? Explaining the Decline in Political Salience
of Active Markets for Corporate Control. MPIfG Discussion Paper 13/4.
Maria Markantonatou
Diagnosis, Treatment, and Effects of the Crisis in Greece: A “Special Case”
or a “Test Case”? MPIfG Discussion Paper 13/3.
Renate Mayntz
Erkennen, was die Welt zusammenhält: Die Finanzmarktkrise
als Herausforderung für die soziologische Systemtheorie.
MPIfG Discussion Paper 13/2.
Philipp Degens
Alternative Geldkonzepte – ein Literaturbericht. MPIfG Discussion Paper 13/1.
MaxPo Discussion Papers
Lisa Kastner
Transnational Civil Society and the Consumer-friendly Turn
in Financial Regulation. MaxPo Discussion Paper 13/2. Im Erscheinen.
Marion Fourcade, Philippe Steiner, Wolfgang Streeck and Cornelia Woll
Moral Categories in the Financial Crisis. MaxPo Discussion Paper 13/1.
Neue Serie
Download
www.maxpo.eu/
publications.asp
Aktuelle Publikationen des MPIfG
http://www.mpifg.de/pu/mpifg_pub_de.asp
29
VERANSTAlTUNGEN Konferenzbericht und Vorträge 2013
Die neue Wirklichkeit
Be zeich nungsrevolutionen, Bedeu tungsverschiebungen und Politik seit den 1970erJahrenTagung, 23. und 24. Mai 2013
In der Zeitgeschichte haben seit einigen Jahren
Forschungs ansätze Konjunktur, die sich den 1970erJah
ren als einer vielschichtigen Umbruchphase in der Ge
schichte moderner Gesellschaften zuwenden. Sie versu
chen, die Zeit ab 1970 im geschichtlichen Verlauf des 20.
Jahrhunderts als eigenständige Epoche zu markieren, als
Anfang heutiger Probleme, Phänomene und Wirklich
keiten. Über den Zäsurcharakter der 1970erJahre
herrscht unter den Spezialisten dabei weitgehend Einig
keit. Jedoch ist die Zeitgeschichte weiterhin auf der Su
che nach neuen Deutungsmitteln – sogenannten Inter
pretamenten – und Erzählungen, die die Vielfältigkeit
der Transformationsprozesse in unserer heutigen politi
schen, ökonomischen und kulturellen Wirklichkeit sinn
stiftend integrieren können. Etablierte Interpretamente
für die frühe Geschichte der Bundes republik, wie das der
Verwestlichung oder der Liberalisierung, reichen zur Er
klärung der jüngsten Vergangenheit jedenfalls nicht hin.
Vor diesem Hintergrund fand am 23. und 24. Mai 2013
am MPIfG eine interdisziplinäre Tagung zum Thema
„Die neue Wirklichkeit. Bezeichnungsrevolu tionen, Be
deutungsverschiebungen und Politik seit den 1970er
Jahren“ statt. Sie richtete sich an Historikerinnen und
Historiker sowie an Sozialwissenschaftlerinnen und
Sozialwissenschaftler, denen es um die Interpreta tion
der jüngsten Vergangenheit als Vorgeschichte der Ge
genwart geht. Nach der Leitthese der Tagung könne
die vielfach konstatierte Transformationsphase seit
den 1970erJahren auch als Phase des Wandels von
Semantiken und Metaphoriken der politischsozialen
Sprache begriffen werden, welche die Wirklichkeit der
Zeitgenossen strukturierten. Der inhaltliche Fokus der
Tagung lag entsprechend auf dem Sprachgebrauch, auf
dem Wandel von Leitbegriffen und Metaphern sowie
auf der Frage, wie und unter welchen Bedingungen
sich in einem solchen semantischen Wandel eine „neue
Wirklichkeit“ abzuzeichnen begann.
In ihrem Eröffnungsvortrag reflektierten die beiden
Veranstalterinnen Ariane Leendertz (MPIfG, Köln) und
Wencke Meteling (Universität Marburg) die aktuellen
zeitgeschichtlichen Forschungstendenzen. Die Tagung
sollte neue Erkenntnisse zum semantischen Wandel
zu Tage fördern und neue Forschungsperspektiven für
das Verhältnis zwischen Zeitgeschichte und Soziologie
eröffnen, gerade was den Umgang mit Konzepten und
Zeitdiagnosen der Sozialwissenschaften der 1970er
und 1980erJahre betrifft. Im Anschluss näherten sich
die Referenten aus Bielefeld, Darmstadt, Erlangen, Frei
burg, Gießen, Jena, Köln und Marburg auf verschiede
nen Wegen der Frage nach dem semantischen Wandel
des politischsozialen Sprachgebrauchs.
In den regen Zwischendiskussionen und der Abschluss
diskussion wurde deutlich, wie eng die verschiedenen
Themen der Vorträge auf der Ebene der Semantik mit
einander verschränkt sind. Vor allem Begriffe aus dem
Feld der Systemtheorie und der Kybernetik scheinen
die semantischen Transformationen in den 1970er
Jahren in verschiedenen Bereichen und unterschied
lichen gesellschaftlichen Milieus angeleitet zu haben.
Die Leitthese der Tagung, dass sich die Umbruchphase
der 1970erJahre auch als eine Phase grundlegenden
semantischen Wandels von Begriffen und Metaphern
der politischsozialen Sprache fassen lasse, hat durch
den inhaltlichen Ertrag der Vorträge und Diskussionen
starke Bestätigung gefunden.
Sebastian Haus
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VERANSTAlTUNGEN
Scholar in Residence Lectures 2013
Governing Mobile SocietiesPatrick Le Galès
In his lecture series “Governing Mobile Societies,” Patrick
Le Galès contributed to the research agenda on gover
nance that has been pioneered and developed at the
MPIfG. He looked at three different dimensions in the
governance of mobile societies. In his first lecture he dis
cussed the question of who is being governed, i.e. what
happens to European middle classes when they become
more transnational and how the European urban bour
geoisies combine exit and voice. In the second lecture he
addressed the question of how European socie ties are be
ing governed and used policyinstrument data to analyze
policy change and modes of governance. In his final lec
ture he explored what is and isn’t being governed, using
the example of the metropolis to think about the limits
of governance, the dark side of governance, and the dis
continuities of governance.
Dienstag, 19. März 2013
Globalizing European Urban Bourgeoisie?
Transnationalization and Rootedness of Managers
in Four European Cities
Dienstag, 26. März 2013
Governing by Instruments? Comparing Two
Policies, Three Countries and the European Union
over Thirty Years
Dienstag, 2. April 2013
Governing the Large Metropolis: What Is Governed
and Not Governed?
Vorträge im Sommer semester 2013
Donnerstag, 2. Mai 2013
Global Legislators: Producing Commercial Laws
for Global Markets
Terence C. Halliday
Donnerstag, 16. Mai 2013
Markets and Pricing in Higher Education
Christine Musselin
Donnerstag, 6. Juni 2013
The Evolution of German Industrial Relations:
Softening Institutions, Hardening Growth Model
Lucio Baccaro, Chiara Benassi
Donnerstag, 11. Juli 2013
Welche Krise? Spekulation, Korruption und Staat
in den wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen
in der Zeit der Großen Depression
Martin H. Geyer
Aktuelle Veranstaltungen am MPIfG
www.mpifg.de/aktuelles/veranstaltungen_de.asp
31
IMPRESSUM
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staltungen und vieles mehr aus dem MPIfG informiert.
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Köln, August 2013
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Als eine Einrichtung der Spitzenforschung in den Sozi
alwissenschaften betreibt es anwendungsoffene Grund
lagenforschung mit dem Ziel einer empirisch fundier
ten Theorie der sozialen und politischen Grundlagen
moderner Wirtschaftsordnungen. Im Mittelpunkt steht
die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen öko
nomischem, sozialem und politischem Handeln. Das
Institut schlägt eine Brücke zwischen Theorie und Po
litik und leistet einen Beitrag zur politischen Diskus
sion über zentrale Fragen moderner Gesellschaften.
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Das Jahrbuch erscheint alle zwei Jahre und informiert
mit anschaulichen Artikeln über aktuelle Forschungs
projekte. Die neue Ausgabe berichtet z.B. über die Auf
holjagd Chinas zur zweitgrößten Volkswirtschaft der
Welt, die negativen Auswirkungen der Mikrokredite
im globalen Süden und die Reproduktion sozialer Un
gleichheit durch die Vererbung von Vermögen. In einem
Interview skizzieren die beiden Direktorinnen des Max
Planck Sciences Po Center on Coping with Instability in
Market Societies in Paris, Marion Fourcade und Corne
lia Woll, ihre Forschungsvisionen und geben Einblicke
in die interkulturelle Zusammenarbeit des Centers.