Mit Trommeln und Djemben für die Integration
Tagungsinitiative an der Universität Regensburg
Heterogenität im Musikunterricht und wie damit im Schulalltag umzugehen ist, diese
Frage berührt nicht nur in erster Linie die Sonderpädagogik, sondern geht im Kern
alle allgemein bildenden Schulformen an. Der Lehrstuhl für Musikpädagogik an der
Universität Regensburg unter Leitung von Prof. Dr. Magnus Gaul widmete sich mit
einer internationalen Tagungsinitiative „Der Heterogenität musikalisch begegnen“
dieser brisanten Fragestellung und zeigte in einem an der Fachpraxis orientierten
Workshop-Programm Wege und Hilfsprogramme für die Arbeit in den Klassen.
Zielgruppe waren neben Studierenden aller Schularten auch Lehrkräfte an allgemein
bildenden Schulformen. Die internationale Referentenbesetzung war mit Shirley Day-
Salmon (Salzburg/UK), Joseph Matare (Basel/Zimbabwe), Joseph Wasswa
(Uganda), Björn Tischler (Italien) u.a. hochkarätig.
Bereits am Vortag hatte der Meister afrikanischer Trommelsprache Joseph Matare im
Innenhof des Thon-Dittmer-Palais (Regensburg) unter freiem Himmel mit Schülern
der Clermont-Ferrand-Mittelschule sowie der Mittelschule Alteglofsheim seine
Begegnung mit Heterogenität musikalisch zelebriert. Mit großer Begeisterung
trommelten die Kinder afrikanische Rhythmen und tauchten in diese fremde
Klangwelt ein. Sinnfälliger Nebenschauplatz an diesem Tag war, wie sich später
herausstellte, die zeitgleich ebenfalls im Thon-Dittmer-Terrain stattfindende
Konferenz aller Schulleiter der Grund- und Mittelschulen Regensburgs. Selbstredend
konnte deren Konferenz mit Beginn des Trommelworkshops und des Einsatzes von
60 Djemben im Innenhof des Thon-Dittmer-Hofes quasi als beendet betrachtet
werden. Integration, letztendlich auch Inklusion, beginnt eben gerade dort, wo sie
kaum vermutet wird.
Am Kongresstag selbst war es zunächst der Sonderpädagoge Stephan Ellinger
(Würzburg), der in einem Impulsreferat mit seiner Betrachtung von Behinderung,
Einschränkung und Benachteiligung auf einen Weg aufmerksam machte, wie auch
die Musik im schulischen Fächerkanon zu positionieren ist und in der emotionalen
Befindlichkeit eines jeden Schülers ihren Platz behaupten kann. Ministerialrat Erich
Weigl erläuterte als Vertreter des Staatsministeriums die bekannten Initiativen der
Bayerischen Staatsregierung und bestärkte die anwesenden Lehrkräfte darin, auch
in persönlichen Impulsen, ihren Weg zu finden, ja selbst in Sache finanzieller
Zuwendungen tätig zu sein. In einem kurzfristig angeleiteten Mitspielsatz zeigte er in
beschwingter Weise eigene Wege einer möglichen Einbeziehung aller Schüler in den
Unterricht. In der anschließenden Podiumsrunde wurden notwendige Ergänzungen
diskutiert und Nachfragen zu den brisanten Fragestellungen ermöglicht. Die
Schulleiterin Ingrid Donaubauer schilderte aus ihrer Sicht Notwendigkeiten, die sich
aktuell aus der Schulpraxis ergeben und wies auf den Mangel notwendiger
Betreuungsangebote an Regelschulen hin. Lehrstuhlinhaber Magnus Gaul betonte,
dass in diesem Zusammenhang auch die Wege einer Musik-Sonderpädagogik
gefragt sind, um eine konkrete Verbindung von Elementen des Studiums mit der
Unterrichtspraxis zu verbinden und letztendlich inklusive Unterrichtsprozesse zu
ermöglichen. Die sich anschließende lebhafte Diskussion zeigte, dass die Lehrkräfte
Tagungsimpulse wie in Regensburg, die konkrete Wege aufweisen, gerne
aufnehmen und dringend benötigen.
Die Workshoporganisation am Nachmittag war so gestaltet, dass es jedem
Teilnehmer möglich war, alle angebotenen Kurse nacheinander wahrzunehmen und
somit einen Einblick in die individuellen Schwerpunktsetzungen zu erhalten. Tania
Schnagl (Regensburg) zeigte Einsatzmöglichkeiten einer im Workshop erstellten
Puppe an Liedern und tänzerischen Elementen. Diese tendenziell spielerische
Herangehensweise hat in der Sonderpädagogik einen weit tieferen Hintergrund,
wenn es um die Identifikation oder die Abgrenzung von einer anderen Identität geht
und die eigene Person im Rollenspiel in Kontakt gesetzt wird. Heterogenität kann für
die Betroffenen auf diese Weise neu erfahrbar gemacht werden. Im Kurs durften die
gebastelten Puppen zur Freude aller Teilnehmer/innen erste Tanzelemente
erproben.
„Der Marsch“ aus Kabalewskis „Die Komödianten“ war Dreh- und Angelpunkt in Björn
Tischlers Workshop „Musik kann Inklusion - aber wie!?“. Er veranschaulichte mit Hilfe
dieses Werkes die Funktionen von Musik im Sinne eines erlebnisorientierten Ansatzes,
nämlich Musik als Prinzip handlungs- und themenorientierten Erlebens (Erleben mit
Musik), Musik als Gegenstand fachorientierten Lernens (Erleben von Musik) und Musik
als Mittel entwicklungsorientierter Förderung (Erleben durch Musik). Und so tanzten,
spielten, zeichneten die Kursteilnehmer/innen, analysierten, begleiteten mit Stimme
und Instrumenten und nahmen wertvolle Ideen für die tägliche Unterrichtsarbeit mit
nach Hause.
Mit dem Ohrwurm „Dum Dum Daya“ nahm Shirley Day-Salmon alle Anwesenden mit
auf eine Reise quer durch die Welt der Lieddidaktik. Anhand des Spielliedes zeigte
sie, wie durch Singen, Bewegen, Instrumentalspiel und unterschiedlichste Materialien
vielseitig inklusiv gearbeitet und der Unterricht immer wieder neu gestaltet werden
kann. Besonders hilfreich waren ihre kleinen Tipps für die verschiedenen
herausfordernden Situationen im unterrichtlichen Alltag, die sie den aktiven
Lehrkräften und den Studierenden aus ihrem reichen Erfahrungsschatz mit auf den
Weg gab.
Etwas lauter wurde es bei Joseph Wasswas Workshop „Afrikanische Trommelklänge,
Rhythmen und Gesänge“. Mit Djemben, Congas und selbstgebauten afrikanischen
Körperrasseln erfuhren die begeisterten Kursteilnehmer neue Rhythmen
sprichwörtlich am eigenen Leib. Sowohl Spiele zur nonverbalen Kommunikation als
auch kleine, aber kraftvolle Arrangements zeigten Wege zum gemeinsamen
inklusiven Arbeiten auf, bei denen Kinder mit und ohne Handicap gemeinsam Musik
erleben dürfen.
Wie sich im Laufe des Fortbildungstages zeigte, ist das komplexe Thema gerade für
viele Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen eine terra incognita. Viele Lehrkräfte
sind in Sachen Heterogenität und Inklusion noch auf sich gestellt, und so nahmen die
Kolleginnen und Kollegen dankbar die inhaltlichen Weichenstellungen auf, die das
Fach Musik bietet. Jedoch sind in vielen Fällen gerade strukturelle Hilfestellungen
notwendig, z. B. in Form einer begleitenden Lehrkraft und der fachlichen Expertise.
Die Frage, wie mit Heterogenität umzugehen ist, bleibt eine der größten
Herausforderungen aktueller unterrichtlicher und schulpolitischer Entwicklungen.
Dass zur Beantwortung dieser Frage auch das Fach Musik seinen Beitrag leisten
kann, wissen Kenner der Szene nur zu gut.
Susanne Höglinger-Winter