Nach der WahlSteuerpolitikfür den Standort Deutschland
Ein Positionspapier des Wissenschaft-lichen Beirats Steuern von EY für die neue Legislaturperiode ab 2017.
3EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
SpecialFo
to : D
irk K
ruel
l / la
if
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Wähler haben entschieden und die Abgeordneten sind gewählt, die im Deutschen Bundestag die Geschicke unseres Landes in den kommenden vier Jahren bestimmen. Besonders wichtig sind die ersten Wochen, in denen die Verhand lungsführer und Fachleute einen
Koalitions vertrag ausarbeiten, der quasi ein Drehbuch für das Regierungshandeln in der 19. Legislaturperiode ist.
Die deutsche Wirtschaft befindet sich derzeit in solider Verfassung. Doch seit der letzten großen Unternehmensteuerreform 2008 fällt Deutschland im steuerlichen Standortwettbewerb allmählich zurück. Es ist eine große Aufgabe für die neue Koalition, diesen Negativtrend umzukehren. Eine kluge Steuerpolitik kann entscheidend dazu beitragen, den Standort Deutschland zu stärken, ein wachstumsförderndes Investitionsklima zu schaffen sowie Arbeitsplätze und Steueraufkommen zu sichern.
Als Anregung hat der Wissenschaftliche Beirat Steuern von EY zehn Empfehlungen für eine nachhaltige Steuerpolitik erarbeitet. Der Beirat ist seit langem ein enger Begleiter der deutschen und internationalen Steuerpolitik. Er bündelt das Wissen von Ökonomen und Juristen aus Wissenschaft, Finanzverwaltung und Rechtsprechung mit dem Erfahrungsschatz von EY, Deutschlands größter Steuerberatungsgesellschaft.
Wir wünschen den Abgeordneten des 19. Deutschen Bundestags und der neuen Bundesregierung eine segensreiche Hand in den kommenden vier Jahren.
Martina Ortmann-BabelVorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats Steuern von EY
Editorial
Die Autoren Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats Steuern von EY
Ewald Dötsch OFD Koblenz a. D.Prof. Dr. Clemens Fuest ifo InstitutProf. Dr. Johanna Hey Universität zu KölnProf. Dr. Hans-Joachim Kanzler BFH a. D.Dr. Michael Kempermann BFH a. D.Prof. Dr. Christoph Spengel Universität Mannheim
Weitere Verfasser von EY
Ute Benzel, Hermann Ottmar Gauß, Dr. Cornelia Kindler,Prof. Dr. Stefan Köhler, Roland Nonnenmacher,Martina Ortmann-Babel, Prof. Dr. Michael Schaden
4 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
D ie steuerpolitische Debatte im Wahlkampf konzentrierte sich in Deutschland stark auf Privathaushalte und die Einkommensteuer. Die Politik muss
jedoch die steuerlichen Rahmenbedingungen des Investi-tionsstandorts Deutschland insgesamt im Blick behalten.
Derzeit profitiert Deutschland von einer guten Wirtschaftslage, stimuliert durch insbesondere einen sehr niedrigen Eurokurs und noch niedrigere Zinssätze. Es ist aber nicht selbstverständlich, dass die Rahmenbedingungen so bleiben – gerade vor dem Hintergrund eines steigenden Eurokurses und erwarteten Zinserhöhungen in den USA und dem Euro-Raum.
In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt der Steuerpolitik bei Verschärfungen der Unternehmens-besteuerung, einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen im Rahmen von BEPS, der Verschärfung bei der Mantelkaufregelung oder steigenden Hebesätzen bei der Gewerbesteuer und ihren Kostenbestandteilen. Mit dieser Entwicklung fällt Deutschland als Investitionsstandort zurück. Es ist an der Zeit gegenzusteuern, um künftiges Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden und Abwanderungen vorzubeugen. Die Spielräume dafür sind in den öffentlichen Haushalten vorhanden, auch über eine Senkung der Einkommensteuer hinaus.
Im Folgenden beschreiben wir die Entwicklung der steuer lichen Bedingungen für Investitionen in Deutschland seit 2008 und schlagen ein Zehn-Punkte-Programm für eine Verbesserung der steuerlichen Standortbedingungen vor. Dabei geht es vor allem darum, Benachteiligungen innovativer, aber damit besonders riskanter Investitionen abzubauen, überflüssige Komplexität im Steuersystem zu reduzieren, prozyklisch wirkende sowie krisenverschärfende Elemente im Ertragsteuersystem zurückzudrängen und deutsche und europäische Interessen im Bereich der internationalen Besteuerung zu wahren, um damit auch zukünftig eine starke wirtschaftliche Entwicklung und ein entsprechendes Steueraufkommen zu sichern.
Wettbewerbskraft in Gefahr
Das Weltwirtschaftsforum erhebt den Global Competitiveness Report. Deren Hauptindex misst die Wettbewerbsfähigkeit von 138 Volkswirtschaften und prognostiziert Wachstum und Wohlstand. Gebildet wird er aus drei Subindices zu Grund-bedürfnissen, Effizienzsteigerung und Innnovation.
Wo wir stehen
Global Competitiveness Report2007 – 2017
5 5 DEU
8 8 JPN
3 USA
6 6 SWE
1 1 CHE
2 2 SGP
7 7 GBR
10 FIN10
4 4 NLD
12
9 9 HKG
5EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
D ie Unternehmensteuerreform 2008 sollte die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen stärken, den Standort Deutschland attraktiver machen
sowie Rechtsform- und Finanzierungsneutralität schaffen.
Von den umgesetzten Maßnahmen war allerdings lediglich die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 15 Prozent klar zielführend. Das erhöhte die Wettbewerbsfähigkeit und führte auch zu einem höheren Steueraufkommen. Mittlerweile liegt Deutschland wieder in der Gruppe der hochbesteuernden Staaten. Zwar sind die Tarifsätze bei der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer seit 2008 unverändert geblieben. Für Kapitalgesellschaften ergibt sich allerdings ein Anstieg des effektiven Ertragsteuersatzes von 30,95 (2009) auf 31,51 Prozent (2015). Das liegt an den zahlreichen Verschärfungen im gesamten Unternehmensteuerrecht. So ist der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz von 432 auf 448 Prozent (2015) angestiegen.
Hinzu kommen die Nichtabzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe sowie die vermehrte Hinzu-rechnung von vielen Entgelten, außerdem die Verschärfung der Mantelkaufregelung, die Einführung einer gleichfalls umstrittenen Zinsschranke oder die scharfe Besteuerung von Funktionsverlagerungen ins Ausland. Die unilaterale Ausweitung der Quellenbesteuerung führt zu unvermeidbaren Doppelbesteuerungen, die dem Steuerstandort Deutschland schaden.
Die Nachbesserungen durch Thesaurierungs rücklage und Gewerbesteueranrechnung waren und sind nur bedingt taugliche Ausgleichmaßnahmen im Standortwettbewerb. Bei Personenunternehmen kommt es zu einem zunehmenden gewerbesteuerlichen Anrechnungsüberhang, da die Anrechnung des Gewerbesteuermessbetrags auf die Einkommensteuer nur auf einen Hebesatz von 380 Prozent (400 inklusive Solidaritäts-zuschlag) ausgerichtet war.
Das heutige Unternehmensteuerrecht benachteiligt insbesondere Kapitalgesellschaften mit geringer Profitabilität, niedriger Eigenkapitalquote und hoher Kapitalintensität. Dieser Trend zur Verschlechterung der steuerlichen Standortbedingungen hat sich gerade in der jüngsten Vergangenheit verstärkt. Angesprochen seien hier z. B. die zu einer Doppelbesteuerung führende Lizenzschranke ( § 4j EStG ) sowie die Probleme, die sich in der anhaltenden Niedrigzinsphase aus den unveränderten, hohen Diskontierungsfaktoren bei den Rückstellungen ergeben.
Diese wachsende Belastung steht im Widerspruch zu den Entwicklungen in einer Vielzahl anderer Staaten, darunter viele EU-Mitgliedstaaten, die seit 2009 ihre Körperschaftsteuersätze zum Teil drastisch gesenkt haben. Die gegenläufigen Trends in Deutschland und dem Ausland veranschaulicht die Abbildung.
Während in Deutschland die effektive Steuerbelastung seit dem Jahr 2009 um etwas mehr als zwei Prozent angestiegen ist, ist beim EU-15 Durchschnitt (ohne Deutschland) eine merkliche Verringerung der effektiven Steuerbelastung um fünf Prozent festzustellen. Die Reduktion beim EU-25 Durchschnitt (ohne Deutschland) fällt etwas geringer aus, bleibt aber auch signifikant.
Der internationale Trend zu niedrigeren Unternehmensteuern setzt sich – Stand Herbst 2017 – fort. Gerade die angekündigte US-Steuerreform, die eine Senkung des US-Körperschaftsteuersatzes von 35 auf bis zu 15 Prozent in Aussicht stellt, ist mit Aufmerksamkeit zu verfolgen. Dagegen sorgen hierzulande die anstehende Umsetzung der Richtlinie zur Bekämp fung von Steuer-vermeidungspraktiken (ATAD) sowie die anhaltende Debatte um ein auch öffentliches Country-by-Country-Reporting für eine zusätzliche standortschädliche Verunsicherung und Verkomplizierungen des Steuerrechts.
Die Reform von 2008 und ihre Folgen
Entwicklung der Effektivsteuerbelastungen für Kapitalgesellschaften von 2009 bis 2015Normalisierte Steuerbelastung in Prozent
2009
94
96
98
100
102
104
2011 2013 2015
Deutschland
EU-25 Durchschnitt ohne Deutschland ( Bulgarien, Rumänien und Kroatien fehlen )
EU-15 Durchschnitt ohne Deutschland
6 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
12345
Reformbedarf bei der Verlust berücksichtigungSeite 9
Gewerbesteuer : Hinzurechnung von Kosten abschaffenSeite 11
Rechtsformneutralität wieder mehr Bedeutung gebenSeite 12
Rechtssicherheit bei der LizenzschrankeSeite 13
Steuerliche Förderung von Forschung & EntwicklungSeite 14
Steuerpolitik für den Standort DeutschlandDas Zehn-Punkte-Programm
7EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
6789
10
Marktnahe Verzinsung im SteuerrechtSeite 16
Anstieg der Grunderwerbsteuer begrenzenSeite 17
Außensteuerrecht entschlackenSeite 18
Öffentliches CbCR : Steuergeheimnis wahrenSeite 20
Anzeigepflicht : Viel Aufwand, wenig NutzenSeite 21
Special
9EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Foto
: Rai
ner J
ense
n / d
pa
D ie steuerliche Berücksichtigung von Verlusten ist ein Grundelement einer leistungsgerechten und entscheidungsneutralen Besteuerung. Beschrän
kungen des Verlustausgleichs und Verlustvortrags, die über berechtigte Missbrauchsbekämpfung hinaus gehen, behindern unternehmerische Entscheidungen. Will der Staat die Gewinne von Unternehmen besteuern, darf er unternehmerisches Risiko nicht steuerlich durch das Abschneiden von Verlustabzügen sanktionieren.
Trotzdem hat der Gesetzgeber in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein kaum noch durchschaubares Geflecht von Verlustverrechnungsbeschränkungen geschaffen, die nur wie die allgemeine Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG und § 8c KStG rein fiskalische Ziele verfolgen und gerade in ihrem Zusammenspiel wirtschaftliches Handeln massiv behindern. Punktuelle Rückausnahmen, die der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren geschaffen hat, zeichnen sich durch hohe Komplexität aus und laufen Gefahr, von der europäischen Beihilfe aufsicht verworfen zu werden.
Die gute Finanzsituation des Staates würde es erlauben, das Chaos der Verlustverrechnungsbeschränkungen zu entflechten und im Rahmen einer grundlegenden Reform, die auch die allgemeine Mindestbesteuerung umfassen müsste, auf reine Missbrauchsbekämpfung zurückzuführen, das RegelAusnahmeSystem wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen und mit prinzipienbasierter Systematik Rechts- und Innovationssicherheit zu schaffen.
§ 8c KStG droht eine verfassungs-rechtliche Verwerfung
Mit dem Systemwechsel 2008 von der Mantelkaufregelung, die schwerpunktmäßig auf der Ebene der Gesellschaft ansetzt, zum System des schädlichen Gesellschaf- terwechsels, der ausschließlich auf der Anteilseigner-ebene ansetzt, wurden alte Probleme beseitigt, aber nach der Entwicklung und den Anpassungs erfordernissen über die letzten neun Jahre viele Probleme neu geschaffen. Komplexität und Restriktion sind überschießend. Die 2008 empfohlene Evaluation wurde nie durchgeführt.
Verfassungsrechtliche Verwerfung bei Anteilseignerwechsel < 50 %
Ein seit Jahren angekündigtes BMF-Schreiben kann aufgrund andauernder Rechts- und Gesetzeskorrekturen bisher nicht abgeschlossen werden. Zwingend ist der Handlungsbedarf insbesondere bei den körper-schaftsteuerlichen Verlustregelungen der §§ 8c, 8d KStG. Denn nachdem das Bundesverfassungs gericht § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung aufgefordert hat ( Beschluss vom 29. März 2017, 2 BvL 6 /11), wird auch die Frage zu prüfen sein, ob die neu geschaffene Regelung des § 8d KStG geeignet ist, die Verfassungswidrigkeit des § 8c KStG zu beseitigen. Das BVerfG hat die Entscheidung dazu offen gelassen.
Korrektur durch § 8d KStG ungeeignet
Die Regelung des § 8d KStG ist ungeeignet, ein Über-schießen von § 8c KStG auf nicht missbräuchliche Fälle zu vermeiden, weil das Tatbestandsmerkmal der
Reformbedarf bei der Verlustberücksichtigung1
Die Regelungen zur Berücksichtigung von Verlusten sind hoch komplex, gehen zu sehr über das ursprüng-liche Ziel einer Missbrauchsvermeidung hinaus und sind verfassungsrechtlich wie EU-beihilferechtlich mit hoher Rechtsunsicherheit belastet. Das schadet gerade Unternehmensgründungen wie Start-ups etc.
Der Wissenschaftliche Beirat spricht sich für eine grundlegende Reform der Vorschrift zum Verlust abzug bei Körperschaften ( 8c KStG ) unter Wegfall der Neu-regelung zum fortführungsgebundenen Verlust vortrag (§ 8d KStG ) aus. Er empfiehlt, die Neuregelung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen (§ 3a EStG ) anzupassen und aus der Mindestbesteuerung (§ 10d EStG ) schrittweise auszusteigen, zumindest aber eine gesetzliche Normierung bei der Behandlung finaler Verluste.
10 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
Unterhaltung desselben Geschäftsbetriebs als Voraussetzung für den Erhalt des Verlustvortrags viel zu eng gefasst ist. § 8d KStG sanktioniert wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen bei der Fortführung des Geschäftsbetriebs nach Anteilseignerwechsel, wenn die Körperschaft dadurch Gefahr läuft, den Verlustvortrag zu verlieren. Damit ist die Vorschrift gerade für die StartupFälle, für die sie gedacht ist, ungeeignet, weil es hier nach dem Einstieg neuer Investoren einer besonderen Flexibilität bedarf. § 8d KStG ist zudem, da die Vorschrift derzeit ersichtlich auf sehr spezielle Fälle zugeschnitten ist, einem erheblichen beihilferechtlichen Risiko ausgesetzt.
Verfassungsrechtliches Risiko bei Anteilseignerwechsel > 50 %
Die bis Ende 2018 erforderliche Reform muss sich auf beide Varianten des § 8c Abs. 1 KStG beziehen und damit auch die 50-Prozent-Fälle erfassen. Um das Einsteigen neuer Investoren zu ermöglichen, benötigen die Beteiligten im Zeitpunkt des Unternehmenskaufvertrags Rechtssicherheit. Der Verlustuntergang in § 8c KStG sollte wieder als Ausnahme von der Grundregel des Verlustabzugs formuliert werden, weil sich nur so zuverlässig beihilferechtliche Probleme vermeiden lassen.
Zu hohe Mindestbesteuerung
Die gute Haushaltslage würde es grundsätzlich ermöglichen, die Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG zu reformieren. Der Gesetzgeber sollte hierzu nicht eine Entscheidung des BVerfG über die Richtervorlage des 1. Senats des Bundesfinanzhofes ( Vorlagebeschluss vom 26. Februar 2014, I R 59 /12; BVerfG, 2 BvL 19/14 ) zur Behandlung finaler Verluste abwarten. Jenseits der Frage der Verfassungsmäßigkeit behindert die Mindestbesteue-rung die Investitionskraft gerade innovativer Unternehmen, die oft über mehrere Jahre Anlaufverluste hinnehmen müssen, bis sie Gewinne erwirtschaften, dann aber
durch die Mindestbesteuerung getroffen werden. Hier wäre die Rückführung der Mindestbesteuerung eine sehr sinnvolle Ergänzung zu einer Förderung von Forschung und Entwicklung (F & E) durch eine Steuergutschrift.
Vorschläge für einen sukzessiven Ausstieg aus der Mindestbesteuerung, durch die sich die staatlichen Mindereinnahmen einer solchen Maßnahme steuern lassen, liegen vor. Will der Gesetzgeber an der Mindestbesteuerung jedoch grundsätzlich festhalten, sollte er eine Regelung zur Behandlung finaler Verluste treffen. Denkbar wäre zudem eine Erhöhung der Verrechnungsquote von heute 60 Prozent auf z. B. 80 Prozent.
Sanierungsgewinne
Die Neuregelung der Steuerbefreiung des Sanierungs-gewinns ist grundsätzlich zu begrüßen. Handlungs bedarf ergibt sich aber vor allem im Hinblick auf die in § 3a Abs. 3 EStG enthaltene Regelung zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung. Richtig ist, dass der Sanierungsgewinn vorrangig zur Reduktion von Verrechnungs-potenzial genutzt werden muss. Indes schießt der vorgesehene Mechanismus zum Teil über das Ziel hinaus:
• Dringend korrekturbedürftig ist die Regelung zur ertragsteuerlichen Organschaft. Nach § 15 Satz 1 Nrn. 1, 1a KStG i. V. m. § 3a Abs. 3 Satz 2 ff. EStG fallen Verlustvorträge des Organträgers auch dann weg, wenn die Organschaft im Zeitpunkt der Sanierung bereits beendet war, soweit das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger innerhalb der letzten fünf Jahre zugerechnet wurde. Diese Regelung macht den Verkauf von Organgesellschaften nahezu unmöglich, weil sie auch dann greift, wenn die Organgesellschaft während des Bestehens der Organschaft stets profitabel war und die zur Sanierung führenden Ver-luste erst nach dem Verkauf entstanden sind.
• Über das Ziel, eine Doppelbegünstigung zu verhindern, schießt § 3a Abs. 3 EStG auch hinaus, wenn der Sanierungsertrag mit den Verlusten „aus allen Einkunftsarten“ verrechnet wird und auch die Verluste des zusammenveranlagten, nicht am Unternehmen beteiligten Ehegatten zu berücksichtigen sind. Schließlich ist auch die Einbeziehung der Gesellschafter-ebene in die Verlustverrechnungsbeschränkung dann unverhältnismäßig und kaum folgerichtig, wenn der Sanierungsgewinn nur in der Gesellschaft anfällt.
• Ferner ist die Regelung in § 3a Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach steuerliche Wahlrechte im Sanierungs und Folgejahr gewinnmindernd auszuüben sind, zu unbestimmt und zu weitgehend. Sie sollte auf gewinn-ermittlungsbezogene Wahlrechte begrenzt werden. Denn nur hier besteht ein sachlicher Zusammenhang mit den Sanierungserträgen und nur insoweit lässt sich eine folgerichtige Regelung des Ausübungszwangs rechtfertigen.
Verlustverrechnungsbeschränkungen in den EU-Staaten
Verlustrücktrag Verlustvortrag
Möglich Zeitlich und betragsmäßig unbegrenzt
Zeitlich unbegrenzt, jedoch Mindest-besteuerung
Zeitlich begrenzt, aber betrags mäßig unbegrenzt
Sowohl zeitlich als auch in der Höhe beschränkt
DEU BEL DNK BGR SVK
FRA EST DEU FIN POL
IRL IRL FRA GRC PRT
NLD LVA ITA HRV HUN
GBR LUX LTU NLD
MLT AUT CZE
SWE SVN ROU
GBR ESP CYP
HUN
Quelle : Bundesministerium der Finanzen
11EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
D ie deutsche Gewerbesteuer ist ein Unikum in der Welt der Unternehmensteuern. Seit vielen Jahren bestehen berechtigte Forderungen nach einer
grundlegenden Reform oder Abschaffung der Gewerbesteuer. Geeignete Reformvorschläge liegen dazu vor ( u. a. Stiftung Marktwirtschaft ). Aus steuersystematischer und wirtschaftspolitischer Sicht spricht viel für eine vollständige Abschaffung, denn die Gewerbesteuer führt aufgrund der von den Kommunen festzusetzenden Hebesätze zu signifikanten Steuerkraftunterschieden zwischen den Gemeinden und zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Deutschlands. Zudem ist sie stark konjunkturabhängig und als Beitrag zur stetigen Finanzierung der Gemeindehaushalte wenig geeignet. Die Gewerbesteuer benachteiligt schließlich deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Trotzdem wurde die
Gewerbesteuer insbesondere durch die Unternehmensteuerreform 2008 noch ausgebaut. Die gewerbesteuer-lichen Hinzurechnungen von Kosten sind kritisch zu hinterfragen.
Verstoß gegen Nettoprinzip
Mehrere Kostengruppen, die nach allgemeinen Grundsätzen den Gewinn eines Gewerbebetriebs mindern („Nettoprinzip“ ), werden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags anteilig nicht zum Abzug zugelassen. Besonders gravierend ist das Abzugsverbot für Zinsen sowie für Miet- und Pachtzinsen für bewegliches und unbewegliches Anlage-vermögen (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e GewStG ), die mit einem ( fiktiven ) Finanzierungsanteil bei der Gewerbeertragsermittlung hinzugerechnet werden. Gerade bei stark fremdfinanzierten Unternehmen kann die Gewerbesteuerbelastung aus den Hinzurechnungsvorschriften in Verlustjahren oder bei geringen Gewinnen zu einer eklatanten Substanzbesteuerung führen. Damit wird Gewerbe- betrieben dringend benötigte Liquidität entzogen.
Anachronismus Objektsteuer
Die Begründung, die Gewerbesteuer knüpfe als Objektsteuer an den Gewerbebetrieb als solches und nicht an die an ihm beteiligten Personen an und sorge für eine finanzierungsunabhängige Besteuerung, überzeugt nicht. In der Realität besteht nämlich keineswegs immer die freie Wahl zwischen Fremd- oder Eigenfinanzierung, ebenso wie auch die Anmietung von Anlagevermögen in bestimmten Branchen unverzichtbar ist. So leidet beispielsweise die Tourismusbranche unter der unangemessenen gewerbesteuerlichen Belastung durch die Hinzurechnung von Mietentgelten in ganz erheblichem Ausmaß.
Die Finanzverwaltung legt § 8 GewStG in der Praxis sehr weit aus und sorgt damit immer wieder für Streit und Kosten. Dazu tragen auch unklare Definitionen der hinzurechnungspflichtigen Entgelte bei, die erhebliche Abgrenzungsprobleme verursachen. Weiterhin ist die teilweise Doppelerfassung bestimmter Aufwendungen, z. B. von Lizenzzahlungen, beim Empfänger und beim Zahlungspflichtigen nicht hinnehmbar.
Gewerbesteuer : Hinzurechnung von Kosten abschaffen
Der Wissenschaftliche Beirat fordert ein Ende der Substanzbesteuerung durch eine ( weitest gehende ) Abschaffung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen von Kosten wie Mieten, Zinsen, Pachten, Lizenzen. Zumindest sollte der Katalog der anteilig nicht abzugs-fähigen Kosten stark reduziert werden. Der Freibetrag von 100.000 Euro ist signifikant zu erhöhen.
2
Annahmen : Hebesatz 400 %, Messzahl 3,5 %, Freibetrag überschritten
Betriebs-ausgaben
fiktiver Zinsanteil
Zinsanteil hinzu-zurechnen
( 25 % )
GewSt- Belastung
Zinsen, Renten, dauernde Lasten, Gewinnanteile stiller Gesellschafter 100,00 € 100 % 100,00 € 25,00 € 3,50 €
Entgelte für die Überlassung von Lizenzen und Konzessionen 100,00 € 25 % 25,00 € 6,25 € 0,88 €
Mieten, Pachten & Leasingraten für bewegliche Wirtschaftsgüter 100,00 € 20 % 20,00 € 5,00 € 0,70 €
Mieten, Pachten & Leasingraten für unbewegliche Wirtschaftsgüter 100,00 € 50 % 50,00 € 12,50 € 1,75 €
Quelle : EY „Die Unternehmensteuerreform 2008“, S. 209, Rz. 376 – aktualisiert
Übersicht über die Kostenbelastung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen
12 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
Der Wissenschaftliche Beirat empfiehlt die Überarbei-tung der Thesaurierungs begünstigung für Personen-gesellschaften. Als Alternative kommt ein Optionsrecht zur Körperschaftsbesteuerung infrage.
3
G ewinne von Kapitalgesellschaften unterliegen auf Gesellschaftsebene der Körperschaft steuer, beim Anteilseigner erfolgt die Einkommens-
besteuerung erst bei Ausschüttung. Bei Personengesellschaften sind die Gewinne hingegen von den Gesellschaftern – unabhängig von einer tatsächlichen Entnahme – sofort zu versteuern. In der Konsequenz kommt es selbst bei thesaurierenden Personengesellschaften früher zu einer (höheren) Endbesteuerung.
Zur Abmilderung dieses Nachteils wurde 2008 die Thesaurierungsbegünstigung für nicht entnommene Gewinne eingeführt (§ 34a EStG ). Sie ermöglicht Gesellschaftern von Personengesellschaften und Einzel-unternehmern auf Antrag einen besonderen Steuer
tarif von 28,25 Prozent auf einen Teil der im Unternehmen verbleibenden Gewinne anzuwenden. Die geltende Begünstigung kann jedoch wegen des anhaltenden Zins-tiefs und ihrer Abhängigkeit von der Höhe des persönlichen Einkommensteuersatzes die Benachteiligung der Personenunternehmen nicht ausreichend kompensieren. Zudem zeigt die Praxis, dass die sehr komplexe Regelung nur schwer zu administrieren ist.
Um Belastungsnachteile bei einbehaltenen Gewinnen von Personenunternehmen gegenüber Kapitalgesell schaften auszugleichen, müsste in erster Linie der Umfang der Thesaurierungsbegünstigung erweitert werden – und zwar um die ermäßigten Steuerzahlungen selbst, da diese Steuerzahlung entnommen werden muss und daher nicht der Thesaurierungsbegünstigung unterliegt.
Mehrere Alternativen
Eine Gleichbehandlung mit Kapitalgesellschaften sollte auch bei einer späteren Entnahme der zunächst thesau-rierten Gewinne stattfinden. Das Risiko der zeitnahen Nachversteuerung wird von Steuerpflichtigen als ein Hauptargument (sowie die resultierende Umwandlungssperre) gegen die Inanspruchnahme der Thesaurierungs-begünstigung genannt. Eine Möglichkeit wäre, den Gesellschaftern von Personenunternehmen neben dem pauschalen Nachversteuerungssatz von 25 Prozent das Recht zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens einzuräumen, wie dies auch bei persönlich geführten Kapitalgesellschaften möglich ist.
Eine weitergehende Lösung, die auch die mit der Gewerbe steuer verbundene Belastungsungleichheit zur Schaffung von Rechtsformneutralität systematisch lösen würde, wäre es, Personenunternehmen ein Optionsrecht zu gewähren, um sich wahlweise statt nach den Regelungen für Mitunternehmerschaften nach denen für eine Kapitalgesellschaft besteuern zu lassen. Regelungstechnisch ließe sich dies durch einen fiktiven Formwechsel entsprechend § 25 UmwStG relativ leicht bewerkstelligen. Die Einführung eines solchen Optionsrechts könnte die komplizierte und ungeliebte Regelung des § 34a EStG überflüssig machen.
Rechtsformneutralität wieder mehr Bedeutung geben
Annahmen : Besteuerung auf Ebene der Gesellschaft, Gewerbesteuer-Hebesatz 400 %, Gewerbesteuer Messbetrag 3,5 % (§ 11 Abs. 2 GewStG ), GewSt-Satz 14 % ( Hebesatz × Messbetrag ), Anrechnung : das 3,8-fache des Messbetrags (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG ), SolZ 5,5 %, ESt-Satz nicht begünstigt 42 %, ESt-Satz begünstigt 28,25 % (§ 34a Abs. 1 EStG ). / Summenabweichungen durch Rundungen
Personengesellschaft Kapital-gesellschaft
Theoretische minimale
Thesaurierungsbelastung, wenn
100 % thesauriert werden
Praktische minimale Thesaurierungsbelastung unter
Berücksichtigung der nicht begüns
tigungs fähigen GewSt
Thesaurierungsbelastung bei
Entnahme ESt und SolZ des Gesell
schafters
Begünstigungsfähig für Thesaurierungs begünstigung 100,00 € 86,00 € 65,18 € —
Gewinn 100,00 € 100,00 € 100,00 € 100,00 €
Gewerbesteuer 14,00 € 14,00 € 14,00 € 14,00 €
Gewerbliche Einkünfte 100,00 € 100,00 € 100,00 € 100,00 €
Einkommensteuer 28,25 € 30,18 € 33,04 € —
Abzgl. GewSt-Anrechnung 13,30 € 13,30 € 13,30 € —
ESt nach Anrechnung 14,95 € 16,88 € 19,74 € 15,00 €
Solidaritätszuschlag 0,82 € 0,93 € 1,09 € 0,83 €
GewSt + ESt + SolZ 29,77 € 31,80 € 34,82 € 29,83 €
13EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
D er neue § 4j EStG regelt, dass Aufwendungen für Rechteüberlassungen an eine nahe stehende Person i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG nicht oder nur
zum Teil abziehbar sind, wenn die korrespondierende Einnahme aufgrund eines aus deutscher Sicht als schädlich einzustufenden Präferenzregimes ( u. a. sogenannte
„Lizenz-, Patent- oder IP-Box“ ) mit weniger als 25 Prozent besteuert wird.
Die Neuregelung, welche als ein unilateraler Vorstoß gegen die von Deutschland unterstützten Vereinbarungen des Aktionspunktes 5 im BEPS-Projekt der OECD ange-
sehen werden kann, benachteiligt deutsche Unternehmen vorzeitig und einseitig im internationalen Wettbewerb. Die Lizenzschranke ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht umstritten : Es könnte ein Verstoß gegen das Nettoprinzip vorliegen, da die steuerliche Leistungsfähigkeit des deutschen Lizenznehmers nicht ansteigt, wenn der auslän dische Lizenzgeber weniger Steuern zahlt.
Eingrenzung auf Exekutivebene
In Ausführung der gesetzlichen Regelungen sollte zumindestens die Exekutivebene die von der OECD vorgegebene Einschätzung schädlicher Präferenz-systeme übernehmen und damit ein Mindestmaß an Rechtssicherheit im Umgang mit der Lizenzschranke schaffen. Insbesondere wäre auch klarzustellen, dass andere allgemeine Präferenzregelungen, wie etwa die Schweizer gemischte Gesellschaft oder niedrigere Steuer sätze in chinesischen Sonderwirtschaftszonen, nicht Gegenstand der Regelung sind.
Vorbildfunktion
Angesichts der internationalen Initiative gegen aggressive Steuervermeidung und Gewinnverlagerungen ( BEPS ) oder der Richtlinie zur Bekämp fung von Steuer-vermeidungspraktiken ( ATAD) sollte der deutsche Steuer gesetzgeber nicht der Versuchung erliegen, mit darüber hinausgehenden Abwehrmaßnahmen zusätzliches Steuer substrat abschöpfen zu wollen. Es heißt in der EU-Richtlinie ausdrücklich : „Die Vorschriften sollen somit nicht nur Steuervermeidungspraktiken unterbinden, sondern auch verhindern, dass Markthemmnisse wie Doppelbesteuerung entstehen.“
Deutschland sollte vorbildlich, mit Augenmaß und ausgewogen vorgehen. Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung einerseits, aber genauso Vermeidung von Höher- und Doppelbesteuerungen. Dies dient der langfristigen Aufrechterhaltung des internationalen BEPS-Konsens und einer möglichen Einbindung möglichst vieler Nicht-OECD-Länder in einen internationalen Standard. Alleingänge wie der einer deutschen Lizenzschranken regelung sind unzweckmäßig.
Rechtssicherheit bei der Lizenzschranke4
Der Wissenschaftliche Beirat regt an, die Vermeidung von steuerlichen Präferenzsystemen im Einklang mit den OECD- und EU-Ansätzen zu verfolgen und die natio nal und überschießende einseitige Lizenz-schranke bis dahin zu suspendieren. Zumindest sollte der Regelsteuersatz herabgesetzt werden, eine sub-stanzielle Geschäftstätigkeit muss im Einklang mit internationalen Vorgaben zur Verschonung führen.
Anstieg zu erwartenVerständigungsverfahren sollen verhindern, dass Unternehmen abkommenswidrig besteuert werden. Als antrags gebundene und zwischenstaatliche Verwaltungs-verfahren werden diese auch die Klärungs
plattform sein, wenn die neue deutsche Lizenzschranken regelung eigenmächtig über das Ziel der OECD hinausschießt und so in Ländern auf Widerstand stößt, die mit Augenmaß der BEPS-Initiative folgen.
Offene Verständigungsverfahren in ausgewählten OECD-Ländern
OECD gesamt
33
328
CHEBEL
81
632476
1.147
DEU
430
998
USA
254566
FRA
52
319
ITA
2.352 2006
6.176 2015
Quelle : OECD
14 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
F orschung und Entwicklung ( F& E ) von Unternehmen sind ein wesentlicher Faktor für technologischen Fortschritt und anhaltendes Produktivitäts
wachstum in einer Volkswirtschaft. In Deutschland unterstützt der Staat F& E-Tätigkeiten traditionell durch direkte Projektförderung. Dieses System hat bekannte Schwächen : Es ist selektiv, intransparent und benachtei-ligt systematisch kleine und mittlere Unternehmen ( KMU ). Dagegen bleibt die international weit verbreitete steuerliche Förderung von F& E, welche die Nach teile der Projektförderung vermeidet, in Deutschland bislang ungenutzt.
Breite Wirkung
Die gesamtwirtschaftliche Rendite von F& E- Investitionen liegt nachweislich über der Rendite, die private Inves-toren damit erzielen. In Deutschland ist die gesamtwirt-schaftliche Rendite nahezu doppelt so hoch wie die private Rendite. Zu niedrige Renditen privater Investoren führen zu weniger Investitionen in F& E.
Von einem innovativen Wirtschaftsklima und SpillOverEffekten würden zudem auch Dritte proftieren. Dies sorgt über die jeweiligen Unternehmen hinaus für Innovation, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Ergänzend zur Projektförderung sollte daher Deutschland unbedingt eine steuerliche F& E-Förderung in Betracht ziehen. Bei der konkreten Ausgestaltung ist allerdings Augenmaß geboten.
Patent- und Lizenzboxen sind kein Anreiz für F& E vor Ort
Spill-Over-Effekte entstehen durch die F& E-Tätigkeit, also beim F& E-Input. Davon abzugrenzen ist der F& E- Output. Bei den sogenannten Patent- oder Lizenzboxen werden die F& E-Erträge begünstigt ( also Output-orientiert ), üblicherweise durch ermäßigte Steuersätze auf Erträge aus erfolgreicher Verwertung von geistigem Eigentum, z. B. in Form von Lizenzerträgen. Die Effektivität dieses Instruments, d. h. der Nutzen von Patent-Boxen auf die Ansiedlung von F& E-Aktivitäten, konnte bislang in wissenschaftlichen Studien nicht nachgewiesen werden. Es ist fraglich, ob Patentboxen überhaupt einen positiven Einfluss auf die Forschungsaktivität von Unter-nehmen haben. Deswegen gibt es in Deutschland auch keine ernstzunehmenden politischen Initiativen zur Einführung einer Patentbox.
Steuergutschriften besser als erhöhter Betriebsausgabenabzug
Ökonomisch sinnvoll ist dagegen die steuerliche Förderung des F& E-Inputs, d. h. die Förderung der Innovation selbst. Das senkt bei den forschenden und innovativen Unternehmen die Kosten und schafft Anreize für zusätzliche F& E-Investitionen. Als Instrumente kommen ein erhöhter Betriebsausgabenabzug oder eine Steuer-gutschrift für F& E-Aufwendungen in Betracht. Innovationspolitisch, aber auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsformneutralität sind F& E-Steuergutschriften vorzuziehen. Zudem sind Steuergutschriften sehr ziel-wirksam : Ein Euro Steuergutschrift erhöht empirischen Studien zufolge die F& E-Ausgaben eines Unternehmens in der Regel um mehr als einen Euro.
Steuerliche Förderung von Forschung & Entwicklung5
Der Wissenschaftliche Beirat spricht sich für eine Ergänzung der reinen Projektförderung aus, insbe-sondere für eine Steuergutschrift. Die Einführung einer Patentbox wäre dagegen nicht zielführend.
Vielfältige F& E-FörderungAnzahl existierender steuerlicher F& E-Förderinstrumente in der OECD und der EU
Quelle : OECD 2016
OECD 41
EU-28 30
16
9
4
1
3
2
8
10
3
2
7
6
Größenabhängige Steuer gutschriften
Partielle Steuer gutschriften
Hybrides Steuer gutschriftssystem
Größenabhängige Freibeträge
Hybride Freibetrags systeme
Befreiungen in Lohnsteuer und Sozialabgaben
15EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
Vorschlag der Expertenkommission
Erstrebenswert wäre eine allgemeine steuerliche F& E-Förderung, die allen Unternehmen zugutekommt. Allerdings wird eine steuerliche F& E-Förderung in Deutschland in Ergänzung zur direkten Projektförderung zunächst mit einem überschaubaren Budget auskommen müssen, sie sollte außerdem Mitnahme effekte vermeiden und administrierbar bleiben. Hier ist der Vorschlag der Expertenkommission Forschung und Innovation ( EFI ) besonders erwähnenswert : Er sieht eine mit der Lohnsteuer verrechenbare Steuergutschrift vor, welche auf KMU begrenzt sein soll und ausschließlich die F& E- Personalausgaben begünstigt, nicht hingegen weitere F& E-Aufwendungen.
Sofortiger Effekt
Der sofortige Liquiditätseffekt, der ausgelöst wird durch die unmittelbare monatliche Verrechnung mit der Lohnsteuer, hilft insbesondere forschenden Unternehmen mit geringen finanziellen Mitteln und solchen – oft Startups, die noch keine Gewinne erwirtschaften und damit keine Ertragsteuer zahlen. Falls KMU im Fokus der F& E-Förderung lägen, sollte dies indirekt durch Staffelgrenzen oder Begrenzungen der F& E-Steuergutschrift erfolgen. Von einer ausschließlichen KMU-Begrenzung aus rein fiskalischer Erwägung ist hingegen abzuraten.
0,130,19HUN 0,325.
0,260,11FRA 0,373.
0,120,15AUT 0,277.
0,160,07IRL 0,239.
0,020,39RUS 0,412.
0,200,10BEL 0,306.
0,090,25SVN 0,344.
0,070,19USA 0,268.
0,180,03CAN 0,2110.
0,08DEU 0,0825.
1. 0,18 0,24KOR 0,42
0,060,12CZE 0,1811.
0,150,02NLD 0,1712.
0,060,10ISL 0,1613.
0,080,08GBR 0,1614.
0,130,03JPN 0,1615.
0,130,02AUS 0,1516.
0,14ISR 0,1417.
0,14SWE 0,1418.
0,050,08NOR 0,1319.
0,060,07CHN 0,1320.
…
…
Wie der Staat Forschung & Entwicklung in Unternehmen fördert2015, in Prozent des BIP
Direkte staatliche Förderung von F& E
Indirekte Förderung von F& E durch Tax Incentives
Quellen : OECD, R & D Tax Incentive Indicators, www.oecd.org/sti/rdtax-stats.htm and Main Science and Technology Indicators Database, www.oecd.org/sti/msti.htm 12, June 2015
16 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
I n der Eurozone sind die Zinsen auf ein historisches Tief gesunken, bei der Europäischen Zentralbank liegt der Zinssatz seit März 2016 bei 0,0 Prozent. Die
Marktzinsen sind zum Teil sogar negativ. Die anhaltende Niedrigzinsphase sorgt seit geraumer Zeit für zwingenden Handlungsbedarf bei der steuerrechtlichen Bewertungsregelung und steuergesetzlichen Zinstypisierungen.
Nachforderungen und Erstattungen
Die Verzinsung von Steuernachforderungen folgt dem Grundgedanken, beim Steuerpflichtigen den liquiditätsbedingten Nutzungsvorteil abzuschöpfen. Derzeit werden Steuernachforderungen und erstattungen gem. §§ 233a i. V. m. 238 Abs. 1 AO mit 0,5 Prozent monatlich, also sechs Prozent pro Jahr verzinst. Wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung Mehrsteuern für Vorjahre festgesetzt werden, kommen in der Praxis häufig bis zu 30 Prozent des jeweiligen Steuerbetrags allein durch Nachzahlungszinsen dazu. Diese sind bereits seit längerem nicht durch den Marktzins begründbar und bedeuten faktisch eine Strafbesteuerung.
Pensionsverpflichtungen
Dringender Handlungsbedarf besteht ebenfalls bei der steuerlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen gem. § 6a EStG. Der kapitalmarktferne Diskontierungszins von sechs Prozent (§ 6a Abs. 3 Satz 3 EStG ) für die Abzinsung von Pensionsrückstellungen führt zu massiven Unterbewertungen ( „stille Lasten“ ) in den Steuerbilanzen betroffener Unternehmen, damit zu massiven ( Schein-) Gewinnen und in der Folge zu einer massiven, mutmaßlich verfassungswidrigen Besteuerung. Das Problem ist nicht auf Pensionsverpflichtungen begrenzt. Der steuerliche Abzinsungszinssatz liegt für Rückstellungen und Verbindlichkeiten mit 5,5 Prozent auf annähernd
gleichem Niveau (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a Buchst. e ) EStG ). Faktisch müssen fast alle Unternehmen durch die völlig überhöhten Abzinsungszinssätze Steuern auf Gewinne zahlen, die sie nicht erzielt haben. Das ist ein Verstoß gegen das Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Gegensatz zum Handelsrecht
Im Handelsrecht hat der Gesetzgeber 2016 den Betrachtungszeitraum für den für Rückstellungen für Alters-vorsorgeverpflichtungen zugrundeliegenden rollierenden Durchschnittszins von bislang sieben auf zehn Jahre erhöht, um die negativen Auswirkungen der Niedrigzins-phase abzumildern (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB ). Eine gleichlaufende Anpassung des steuerlichen Rechnungszinses wäre folgerichtig. Es geht nicht an, dass der Fiskus in größerem Maße finanzielle Ansprüche gegen die Unternehmen definiert als die Anteilseigner. Eine Absenkung des marktfernen § 6a EStG-Zinssatzes von sechs Prozent ist auf jeden Fall dringend geboten.
Marktnahe Verzinsung im Steuerrecht6
Der Wissenschaftliche Beirat spricht sich für einen realitätsnahen steuer lichen Zinssatz aus, insbeson dere bei der Bewertung von ( Pensions-) Rückstellungen sowie Verbindlichkeiten.
Zinsraten im Vergleich
1 Pro Monat 0,5 % ( = 6,0 % p. a. )
2 Bis 2002 Habenzinsen für Spareinlagen mit Mindest-/ Grundverzinsung und dreimonatiger Kündigungsfrist, ab 2003 Effektivzins im Neugeschäft für Einlagen privater Haushalte mit Kündigungsfrist bis 3 Monate
Quellen : GDV, Deutsche Bundesbank
1961 20170
3
6
9
12
5,9 %
0,2 %
15
Einheitlicher Zinssatz der Finanzbehörden ¹
Konsumentenkredite Spareinlagen ²
Pensions -verpflichtungen der DAX 30 in Mrd. Euro
Quellen : Geschäftsberichte, eigene Recherche
6,0 %
2003 177
2005 2352007 210
2009 222
2010 249
2016 3852015 3642014 3722013 3022012 3112011 257
17EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
S eit der Föderalismusreform 2006 können die Länder den Grunderwerbsteuersatz autonom festlegen. Davon machen sie regen Gebrauch.
So haben 14 der 16 Bundesländer den Steuersatz mehrfach erhöht und damit teilweise Rekordein nahmen erzielt. Nicht zuletzt ist dieser „Grunderwerbsteuer-erhöhungswettbewerb“ auch der Anreizregelung im Finanzausgleichsgesetz geschuldet. So folgt aus § 7 Abs. 1 Satz 2 bis 4 Finanzausgleichsgesetz (FAG), dass Mehreinnahmen verglichen mit Einnahmen aus dem bundesdurchschnittlichen Steuersatz nicht über den Länderfinanzausgleich nivelliert werden müssen. Für die Länder ist es folglich attraktiv, Haushaltskonsolidierung über die Anhebung der Grunderwerbsteuer
zu betreiben. So haben bereits viele Bundesländer den Grunderwerbsteuersatz auf bis zu 6,5 % erhöht. Die Tendenz zu Steuererhöhungen steigt, wenn zunehmend mehr Länder ihr Besteuerungspoten zial stärker ausnutzen. Die Folge : Steigende Immobilienpreise, die sowohl Eigentümer als auch Mieter belasten.
Die derzeitige Situation erschwert die politisch gewollte Bildung von Wohneigentum in weiten Kreisen der Bevölkerung sowie die betriebliche Reorganisation unter Einbeziehung von Betriebsgrundstücken massiv.
Dem Grunderwerbsteuererhöhungswettbewerb ist dringend entgegenzuwirken. Eine Anpassung der Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes ist daher anzuraten. Zudem müssen die Steuersätze auf ein für eine Verkehr steuer gebotenes und vor allem investitionsunterstützendes Maß gedeckelt werden.
95-Prozent-Grenze ist systemkonform
Die geltenden Regelungen zu Share Deals sind systemkonform und ausreichend, um tatsächlich missbräuchliche Gestaltungen zu vermeiden. Ein nicht fast vollständiger Erwerb einer Beteiligung (also weniger als 95 Prozent) kann und darf nicht mit dem Erwerb eines Grundstücks gleichgesetzt werden und kann daher auch nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine parlamentarische Anfrage ( BT-Drs. 18 /11919) ging hervor, dass der Anteil der Share Deals unter allen Wohnungstransaktionen im Zeitraum von 1999 bis 2016 lediglich 32 Prozent betrug und nur 18 Prozent unter die 95-Prozent-Grenze fielen.
Anstieg der Grunderwerbsteuer begrenzen7
Der Wissenschaftliche Beirat hält es für geboten, der stetigen Erhöhung der Grunderwerbsteuersätze in den Bundesländern Einhalt zu gebieten und diese auf ein für eine Verkehrsteuer gebotenes Maß zurück-zuführen. Niedrigere Grunderwerbsteuersätze würden maßgeblich dazu beitragen, einer breiteren Bevölke-rungsschicht den Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen und steigenden Mieten langfristig ent-gegenzuwirken. Im Unternehmensbereich würde eine Ausweitung der Grunderwerbsteuer auf Share Deals zu einem größeren Investitions- und Umstrukturie-rungshindernis werden.
Berlin begannEntwicklung des Grunderwerbsteuersatzes in den Bundesländern
3,5 % 4,5 % 5,0 % 5,5 % 6,0 % 6,5 %
2007 2011 2013
2017
Aufkommen aus der GrunderwerbsteuerAngaben in Milliarden Euro
Quelle : Bundesministerium der Finanzen
2000 5,0
2010 5,3
2015 11,3
2016 12,42017 13,02018 13,42019 13,72020 14,02021 14,3
18 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
D ie geltenden Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung stammen in wesentlichen Teilen noch aus dem Jahr 1972. Sie sind vor dem Hin
tergrund der wirtschaftlichen Entwicklungen (Globalisierung, Digitalisierung ) dringend reformbedürftig. Auch durch die jüngsten Vorgaben der ATAD, die in Umsetzung des BEPS-Aktionspunktes 3 einen europaweiten Mindeststandard festsetzt, besteht Änderungsbedarf.
Die stetige Fortentwicklung (und Verschärfung) des deutschen internationalen Steuerrechts sowie generell des internationalen wirtschaftlichen Geschehens ohne flankierende Anpassung und Modernisierung der Hinzurechnungsbesteuerung haben zwischenzeitlich zu erheb-lichen und unsystematischen Besteuerungswirkungen sowie insbesondere Überschneidungen zu den Regelungen der Verrechnungspreise geführt.
Ziel der Reform des Außensteuergesetzes muss es sein, die Höherbelastung von Auslandsachverhalten durch eine unsystematische höhere oder mehrfache Besteuerung gegenüber reinen Inlandsfällen zu vermeiden.
Die Hinzurechnungsbesteuerung sollte daher insbeson-dere um Elemente aus dem Bereich der Verrechnungspreise entschlackt, der Aktivitätskatalog aktualisiert sowie die Niedrigsteuergrenze an die geltenden Steuer-sätze bzw. das aktuelle Steuerniveau angeglichen werden, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren, ungerechtfertigte Steuervorteile aus niedrigbesteuerten, substanzarmen Strukturen einzuebnen. Im Einzelnen sind folgende Kernpunkte der Fortentwicklung besonders reformbedürftig :
a) Die nicht mehr zeitgemäße Schwelle der Niedrig-besteuerung ist dringend anzupassen, um einer möglichen Übermaßbesteuerung entgegenzuwirken. Eine Absenkung der in § 8 Abs. 3 Satz 1 AStG festgeschriebenen Niedrigsteuergrenze zumindest auf den Körper-schaftsteuersatz von 15 % würde auch in Überein-stimmung mit den Richtlinienvorgaben der EU stehen.
b) Dividenden, Veräußerungsgewinne sowie Umwandlungsfälle sollten entweder in Übereinstimmung mit der ATAD ( Art. 7 Abs. 1 b – Vergleich zur gegebenen inländischen Steuerbelastung ) als generell hoch besteuert eingestuft werden oder aber im Rahmen der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags hierauf die Regelungen des § 8b KStG zur Anwendung gelangen, da auch im vergleichbaren Inlandsfall keine höhere Besteuerung erfolgt und es andernfalls zu einer Übermaßbesteuerung käme.
c) Der Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG ist zu straffen und zu modernisieren sowie die Gesetzes technik umzustellen. Es sind in Übereinstimmung mit der ATAD positiv die zu erfassenden passiven Einkünfte – und nicht mehr die nicht zu erfassenden aktiven Einkünfte – zu beschreiben. Eine Abkehr von der Negativ-abgrenzung hin zur positiven Definition der passiven Einkünfte würde zu Flexibilisierung und Zukunfts-festigkeit der Vorschrift beitragen.
Außensteuerrecht entschlacken8
UK wird DrittlandDer Brexit erhöht den Druck auf das deutsche Außensteuerrecht ebenfalls. So greift die Substanz-ausnahme für dort ansässige Unternehmen nicht mehr. Auch findet die mit der Wegzugs besteuerung im Zusammenhang stehende Gewährung einer zinslosen Stundung dann keine Anwendung.
Deutschland muss wegen der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken ( ATAD ) seine Hinzu-rechnungsbesteuerung anpassen. In diesem Zusammen-hang sollten weitere Schritte zur Reformierung und Entschlackung des Außensteuerrechts erfolgen.
19EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
d) Die Besteuerung sollte nur bei tatsächlicher relevanter Einflussnahme ( möglichkeit ) und daher ab einer Beteiligung von mindestens 10 % erfolgen ( ATAD verlangt Aufgriff sogar erst bei > 50 % – Art. 7 Abs. 1a). Entsprechend sind hierfür auch nur nahestehende Personen zusammenzurechnen. Unterhalb dieser Grenze besteht auch kein Handlungsbedarf mehr. Aufgrund der Abgeltungsteuer unterliegen Private ohnehin mit sämtlichen Einkünften aus einer Beteiligung einer Steuerbelastung von i. d. R. 25 %. Durch § 8b Abs. 4 KStG n. F. können darüber hinaus auch Kapitalgesellschaften unterhalb der Beteiligungsgrenze von 10 % keine steuerfreien Dividenden mehr beziehen.
e) Bei einem Substanz-Nachweis ( lokaler Einsatz von Personal, Räumen und Sachausstattung – tatsäch
liche wirtschaftliche Tätigkeit ) kommt es zu keiner Hinzurechnungsbesteuerung. Dieser allgemeine, unionsrechtliche vom EuGH vorgegebene Substanz-/ Aktivitätstest, den auch die ATAD übernimmt, ersetzt zielgerichtet ( weil treffsicherer und im Zeitablauf flexibler als Beurteilungskriterium geeignet ) die bisherigen typisierenden Vermutungen schädlicher Tat bestände ( wie z. B. Mitwirkung, Bedienen etc. ), die entsprechend entfallen können.
Ziel bleibt die Einebnung ungerechtfertigter Steuer-vorteile aus der Ausnutzung des internationalen Steuer-gefälles. Zugleich ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu wahren. Eine Übermaßbesteuerung gilt es daher gleichfalls zu ver-meiden.
24
22
22
21
19
20
20
20
20
20,65
15
19
19
24
24
Diese Länder sind aus Sicht des deutschen Fiskus ein NiedrigsteuerlandSteuersatz für Körperschaften in Prozent
Quellen : EY Worldwide Corporate Tax Guide 2017, Eigene Berechnungen nach dem deutschen AStG, Bundesministerium der Finanzen Schweiz ( Zürich )
NOR
SWE FIN
EST
LVA
DNK
GBR
12,5 IRL
CHE
SVN
ITA
PRT
TUR
ISR
CZE
ISL
20 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
S eit April 2016 liegt ein EU-Richtlinienvorschlag vor, der ein öffentliches Country-by-Country-Reporting ( CbCR ) vorsieht. Im Kern sollen Unter
nehmen, die über mindestens eine EU-Niederlassung verfügen und einen konsolidierten Konzernumsatz von mehr als 750 Millionen Euro erzielen, zur Veröffentlichung eines länderbezogenen Ertragsteuerinformationsberichts verpflichtet werden. Dies solle zu mehr Transparenz führen, für eine öffentliche Kontrolle sorgen und eine weitere Informationsquelle für die Finanzverwaltung bilden.
Kein Erkenntnisgewinn für den Fiskus
Eine besondere Hilfestellung für die Finanzverwaltung ist in einer Veröffentlichung der Daten nicht zu erkennen. Da die Finanzverwaltung ohnehin bereits das umfassen-dere, nicht öffentliche CbCR erhält, ergibt sich aus einem öffentlichen CbCR im Sinne der EU-Richtlinie kein Erkenntnisgewinn.
Ob die Öffentlichkeit in der Lage ist, aus spezifischen, länderbezogenen Darstellungen substantiierte und fachlich zutreffende Schlüsse zu ziehen, ist zu bezweifeln. Dagegen könnten Konkurrenten durch die auf-geschlüsselten Informationen die Profitabilität einzelner Stand orte bestimmen und daran ihre eigene Unternehmensstrategie ausrichten.
Fehlinterpretationen und Missverständ-nisse sind die Folge
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Veröffentlichung der Daten kaum zu einem Mehrwert an Informationen führen dürfte, sondern eher zielgerichtete Argumen tationen bestimmter wirtschaftskritischer Interessengruppen begünstigen würde. Nichtregierungsorganisationen könnten die Deutungshoheit über Art und Ausgestaltung der Steuererhebung übernehmen und verstärkt öffentlichen Druck auf Regierungen, Gesetzgeber und Finanzverwaltungen ausüben. Dies könnte zu steuerpolitischen Entscheidungen führen, die eine unabgestimmte Doppel besteuerung und Schädigung der Unternehmen zur Folge haben.
Ein Vorpreschen der EU würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Muttergesellschaften aus Drittstaaten werden im Zweifel nie die Information in dem Detaillierungsgrad liefern, erst recht nicht diejenigen, bei denen aggressive Steuerplanung ein Teil des Geschäftsmodells ist. Damit würden in der EU ansässige Konzerne einer anderen, kritischeren Öffentlichkeit unterliegen als Konzerne in Drittstaaten.
Öffentliches CbCR : Steuergeheimnis wahren9
Was die EU wissen willDer Brüsseler Vorschag zum öffentlichen CbCR umfasste folgende Positionen :
• Art der Tätigkeit,• Zahl der Beschäftigten,• Nettoumsatzerlöse ( mit fremden und nahe
stehenden Personen ),
• Gewinn vor Steuern,• länderbezogene geschuldete Ertragsteuern
aufgrund des Gewinns im laufenden Jahr,
• länderbezogene Steuerzahlungen in Bezug zum laufenden Jahr,
• Betrag der thesaurierten Gewinne.
Steuerdaten gehören nicht in die Öffentlichkeit. Die Sicherstellung der Besteuerung ist eine hoheit-liche Aufgabe, die durch das Steuergeheimnis geschützt wird. Der Wissenschaftliche Beirat lehnt eine Veröffentlichung von steuerlichen Kennzahlen ab. Die Politik darf ihre steuerpolitische Handlungs-fähigkeit nicht durch öffentliche ( Fehl-) Interpretation von Einzelfall-Steuer daten verlieren.
21EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
D ie EU-Kommission bereitet derzeit die Einführung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen vor. Auch auf nationaler Ebene wird an Regelungs-
vorschlägen gearbeitet.
Der von Aktionspunkt 12 des BEPS-Projekts der OECD inspirierte Vorschlag sieht entsprechende Informations- und Aufklärungspflichten für Steuerberater, Banken, Anwälte und andere Intermediäre gegenüber staatlichen Institutionen vor. Wenn der Intermediär ein EU- Ausländer ist, das nationale Berufsgeheimnis für Steuerberater und Rechtsanwälte entgegensteht oder es sich um vom Steuer pflichtigen selbst entwickelte Modelle handelt, soll dieser selbst meldepflichtig werden.
Unkontrollierte Datenmengen
Die Unbestimmtheit der meldepflichtigen Vorgänge wird die Verpflichteten dazu veranlassen, im Zweifelsfall immer eine Meldung abzugeben. Die Finanzverwaltun
gen werden sich dadurch einer Flut von Meldeeingängen ausgesetzt sehen. Die dafür erforderlichen zusätzlichen Personalressourcen wären jedenfalls bei rein nationalen Sachverhalten sinnvoller in den Betriebsprüfungsstellen eingesetzt. Schnellere und präzisere Prüfungen erhöhen für die Steuerpflichtigen die Rechtssicherheit und geben den Steuerverwaltungen ebenfalls Einblick in unerwünschte Gestaltungsmodelle, eine Informations-asymetrie besteht damit nicht. Die praktische Relevanz rein natio naler Steuersparmodelle ist zudem gering, was nicht zuletzt an der nie beschlossenen Entwurfsregelung zu § 138 AO aus dem Jahr 2008 erkennbar wird. Sämtliche dort genannten Fallkonstellationen betrafen grenzüberschreitende Sachverhalte.
Einen Mehrwert können die Meldungen dem Staat nur bringen, wenn er sich nicht damit begnügt, sie zu sammeln, sondern er sie auch inhaltlich auswertet. Es droht der stete Vorwurf, trotz Kenntnis nicht schnell genug reagiert zu haben.
Umsetzungs- statt Informationsdefizit
Aber auch im grenzüberschreitenden Kontext stehen Kosten und Nutzen der geplanten Maßnahmen in keinem angemessenen Verhältnis. Die Amtshilferichtlinie bietet den nationalen Finanzverwaltungen bereits in ihrer jetzigen Fassung genügend Möglichkeiten zum Informations austausch. Das Fehlen einer klar bestimmten Definition der zu meldenden Gestaltungen führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Der Abschreckungs-gedanke ist aus deutscher Sicht verfassungsrechtlich problematisch, weil er sich auf erlaubtes Verhalten erstreckt.
Im Übrigen wäre es nur recht und billig, wenn im Gegenzug zur Meldepflicht Anzeigen dazu führen, dass Rechtssicherheit geschaffen wird und insofern angezeigte und nicht widersprochenen Gestaltungen als zulässig angesehen werden können und in Betriebs prüfungen oder in Anfra gen auf verbindliche Auskünfte als akzeptiert gelten würden.
Anzeigepflicht : Viel Aufwand, wenig Nutzen10
Der Wissenschaftliche Beirat lehnt eine Anzeigepflicht von Steuergestaltungen ab. Insbesondere sollte diese im internationalen Kontext diskutierte Maßnahme nicht auf inländische Fallgestaltungen Anwendung finden.
Quelle : Jahresbericht Normenkontrollrat
Kostenaufwand für die Einhaltung rechtlicher RegelungenAngaben in Mrd. Euro
Oktober 2016 Juni 2017
2,11,7
0,40,009
Gesamt
Wirtschaft
Verwaltung
Bürger0
2
1
22 EY TAX & LAW Special | Nach der Bundestagswahl
Special
Foto
: Tim
Bra
kem
eier
dpa
/ lbn
Reformbedarf bei der Verlustberücksichtigung
Gewerbesteuer : Hinzurechnung von Kosten abschaffen
Rechtsformneutralität wieder mehr Bedeutung geben
Rechtssicherheit bei der Lizenzschranke
Steuerliche Förderung von Forschung & Entwicklung
Marktnahe Verzinsung im Steuerrecht
Anstieg der Grunderwerbsteuer begrenzen
Außensteuerrecht entschlacken
Öffentliches CbCR : Steuergeheimnis wahren
Anzeigepflicht : Viel Aufwand, wenig Nutzen
Innov
ation
:
Benac
hteil
igung
en ab
baue
n
Komple
xität
abba
uen
Krisen
versc
härfu
ng
abba
uen
DE / EU-In
teres
sen
wahren
Je größer der Kreis, desto ausgeprägter der zu erwartende Investitionsschub.
Investitionsschub durch kluge Steuerpolitik
10
9
8
7
6
5
4
3
21
Ute BenzelManaging Partner Tax / Germany Switzerland Austria
Die deutschen Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und Wohlstand am Standort Deutschland. Ein Verdienst aus vorausschauender Politik und engagierter Wirtschaft.
Kluge Steuerpolitik setzt Wachstumsimpulse und legt damit den Grundstein für auch künftig sprudelnde Steuereinnahmen. Unser ZehnPunkteProgramm eröffnet Möglichkeiten für weitere Investitionen in die Zukunft !
EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory
© 2017 Ernst & Young GmbH WirtschaftsprüfungsgesellschaftAll Rights Reserved.
GSA AgencyFWE 0917-024ED 25.09.2019
www.de.ey.com
EY ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Diese Publikation wurde CO2-neutral und auf FSC®-zertifiziertem Papier gedruckt, das zu 100 % aus Recycling-Fasern besteht.
Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität ; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschafts-prüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden.
Impressum
Herausgeber Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungs gesellschaft
Flughafenstraße 61, 70629 Stuttgart
T +49 711 9881 15572 [email protected]
Gestaltung Fuenfwerken Design AG, Wiesbaden / Berlin
Druck Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Frankfurt ( Main )