D A S O R C H E S T E R D E R E L B P H I L H A R M O N I E
B6: Do, 09.02.2012, 20 Uhr | A6: So, 12.02.2012, 11 Uhr | Hamburg, Laeiszhalle
Andris Nelsons Dirigent
Håkan Hardenberger Trompete
Antonín Dvořák Heldenlied – Sinfonische Dichtung op. 111
Rolf Martinsson „Bridge“ – Konzert für Trompete und Orchester Nr. 1 op. 47
Richard Strauss Aus Italien – Sinfonische Fantasie G-Dur op. 16
»Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen – dieses Lisztsche Grundprinzip wurde mir der Leitfaden für meine eigenen sinfonischen Arbeiten ...«
Richard Strauss in seinen Erinnerungen
Dirigent:
Solist:
Antonín Dvořák
(1841 – 1904)
Rolf Martinsson
(*1956)
Richard Strauss
(1864 – 1949)
Donnerstag, 9. Februar 2012, 20 Uhr
Sonntag, 12. Februar 2012, 11 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal
Andris NelsonsHåkan Hardenberger Trompete
Heldenlied
Sinfonische Dichtung op. 111
(1897)
„Bridge“
Konzert für Trompete und Orchester Nr. 1 op. 47
(1998)
Pause
Aus Italien
Sinfonische Fantasie G-Dur op. 16
(1886)
I. Auf der Campagna
Andante
II. In Roms Ruinen. Fantastische Bilder entschwundener
Herrlichkeit, Gefühle der Wehmut und des Schmerzes
inmitten sonnigster Gegenwart
Allegro molto con brio
III. Am Strande von Sorrent
Andantino – Più mosso – Tempo I
IV. Finale. Neapolitanisches Volksleben
Allegro molto – Presto
Einführungsveranstaltung mit Habakuk Traber am 09.02.2012 um 19 Uhr
im Großen Saal der Laeiszhalle.
NDR SINFONIEORCHESTER
3
Das Konzert am 12.02.2012 wird live
auf NDR Kultur gesendet
Die Konzerte des NDR Sinfonieorchesters hören Sie auf NDR Kultur
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NDR SINFONIEORCHESTER
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Håkan Hardenberger ist „der brillanteste,
subtilste Trompeter der Welt“ (The Times).
Neben seinen herausragenden Aufführungen
klassischen Repertoires ist er einer der be-
kanntesten Botschafter für neue Musik. Håkan
Harden berger gibt Konzerte mit den führenden
Orchestern der Welt, darunter das New York
Philharmonic und Chicago Symphony Orchestra,
die Wiener Philharmoniker, das Symphonie-
orchester des Bayerischen Rundfunks, Swedish
Radio Symphony, London Symphony sowie
NHK Symphony Orchestra. Er arbeitet mit
Dirigenten wie Pierre Boulez, Alan Gilbert,
Daniel Harding, Paavo Järvi, Ingo Metzmacher,
Esa-Pekka Salonen und David Zinman
zusammen.
Die bemerkenswerte Liste der Werke, die für
Håkan Hardenberger geschrieben und von ihm
uraufgeführt wurden, hat längst in das Stan-
dardrepertoire für Trompete Eingang gefunden,
darunter Kompositionen von Harrison Birtwistle,
Hans Werner Henze, Rolf Martinsson, Olga
Neuwirth, Arvo Pärt, Mark Anthony Turnage
und HK Gruber. In die Saison 2011/12 fällt
Hardenbergers 50. Geburtstag. Zu den Höhe-
punkten rund um diesen besonderen Anlass
gehört sein Debüt beim Boston Symphony
Orchestra, bei dem das Trompetenkonzert von
Turnage zum ersten Mal in den USA aufgeführt
wird. Eine Geburtstags-Tournee mit der Academy
of St. Martin in the Fields führt durch Skandi-
navien. Das Programm beinhaltet Arrangements
von Film- und Popmusik, die auch auf CD ver-
öffentlicht werden. Weitere Konzerte fi nden
u. a. mit dem City of Birmingham Symphony
Orchestra unter der Leitung von Andris Nelsons,
mit dem Tonkünstler-Orchester und dem Or-
questra de Valencia unter John Storgårds statt.
Danach kehrt Hardenberger für mehrere Kon-
zerte mit den Wiener Symphonikern zum Musik-
verein zurück. Hardenberger ist in dieser Saison
außerdem „Artist in Residence“ beim WDR
Sinfonieorchester, mit dem er u. a. die Urauf-
führung von Rolf Wallins Trompetenkonzert un-
ter der Leitung von Jukka-Pekka Saraste spielt.
Geboren in Malmö (Schweden), begann
Hardenberger im Alter von acht Jahren mit
dem Spiel der Trompete, zunächst unterrichtet
von Bo Nilsson. Später studierte er an der
Pariser Musikhochschule bei Pierre Thibaud
sowie in Los Angeles bei Thomas Stevens. Er
ist Professor am Konservatorium von Malmö
und am Royal Northern College in Manchester.
Håkan HardenbergerTrompete
Andris Nelsons ist einer der international
gefragtesten jungen Dirigenten, der sowohl an
Opern- als auch an Konzerthäusern einen ex-
zellenten Ruf genießt. In den kommenden Jahren
wird er die Zusammenarbeit mit Orchestern
wie den Berliner Philharmonikern, den Wiener
Philharmonikern, dem Concert gebouworkest
Amsterdam, dem Symphonie orchester des
Bayerischen Rundfunks, der Staatskapelle
Berlin, dem Boston Symphony Orchestra, dem
New York Philharmonic, dem Philharmonia
Orchestra und dem Tonhalle-Orchester Zürich
fortsetzen. Kürzlich ist er während einer Tour-
nee mit den Wiener Philharmonikern zum ersten
Mal in Japan aufgetreten. In der aktuellen Sai-
son debütiert er beim Gewandhausorchester
Leipzig. Andris Nelsons ist regelmäßig am Royal
Opera House Covent Garden, an der Metropo-
litan Opera New York, der Wiener Staatsoper
und der Staatsoper Berlin zu Gast. Im Sommer
2011 kehrte er zu den Bayreuther Festspielen
zurück und übernahm erneut die musikalische
Leitung von „Lohengrin“ in der Inszenierung
von Hans Neuenfels. 2012 wird er ebenfalls
in Bayreuth dirigieren.
Nelsons ist seit 2008 Music Director des City of
Birmingham Symphony Orchestra und hat für
seine bisherigen Spielzeiten höchstes Lob
erhalten. Mit dem CBSO unternimmt er welt-
weit ausgedehnte Tourneen mit regelmäßigen
Auftritten bei Sommerfestivals wie dem Lucerne
Festival, den BBC Proms und den Berliner
Festspielen. Außerdem arbeiten Nelsons und
das CBSO an einer kompletten Einspielung der
Orchesterwerke von Tschaikowsky und Richard
Strauss. Über ihre erste CD schrieb die Times,
es sei eine der „opulentesten und kultiviertes-
ten Interpretationen von ‚Ein Heldenleben’, die
je auf CD erschienen ist“. Über die Hälfte von
Andris Nelsons’ bisherigen Einspielungen wurde
mit einem „Preis der Deutschen Schallplatten-
kritik“ ausgezeichnet. Im Oktober 2011 erhielt
Nelsons den ECHO Klassik in der Kategorie
„Dirigent des Jahres“ für seine mit dem CBSO
entstandene Aufnahme von Strawinskys
„Feuervogel“ und der Psalmensymphonie.
1978 als Kind einer Musikerfamilie in Riga
geboren, begann Andris Nelsons seine Karriere
als Trompeter im Orchester der Lettischen
Nationaloper, bevor er Dirigieren studierte.
Von 2006 bis 2009 war er Chefdirigent der
Nordwestdeutschen Philharmonie in Herford
und von 2003 bis 2007 musikalischer Leiter
der Lettischen Staatsoper.
Andris NelsonsDirigent
„Mir hat natürlich mehr ein Künstler vorgeschwebt…“: Dvořáks „Heldenlied“
Sieben Tage, nachdem Antonín Dvořák mit dem
Streichquartett As-Dur op. 105 sein letztes
kammermusikalisches Werk komponiert hatte,
begann er Anfang Januar 1896 mit der Arbeit
an seinen ersten drei Sinfonischen Dichtungen
„Der Wassermann“, „Die Mittagshexe“ und
„Das Goldenene Spinnrad“ op. 107 bis op. 109,
die bereits gegen Ende April fertiggestellt
waren. Fünf Monate später schrieb er mit der
„Waldtaube“ sein viertes Stück jenes Programm-
Genres, wobei alle balladesken Sujets jener
Werkgruppe der Gedichtsammlung „Kytice z
pověstí národních“ („Blumenstrauß nationaler
Sagen“) des tschechischen Historikers und
Schriftstellers Karel Jaromír Erben entnommen
sind. In den vier Werken zeichnet Dvořák die
ausgewählten Schauergeschichten in zum Teil
ausgeprägter musikalischer Realistik nach –
ein Verfahren, das die Tondichtungen mit ihren
bestechenden, oft impressionistisch anmuten-
den Orchesterfarben zu „Dramen ohne Szene“
bzw. zu „Musik ohne Sänger“ macht, wie der
Rezensent des Wiener „Fremden-Blatts“ Ludwig
Speidel treffend bemerkte. Allerdings ließen
die Stücke den Eindruck aufkommen, der
Komponist habe „seit seinem ‚Wassermann‘ die
primitive Methode gewonnen, Stück für Stück,
Tact für Tact, Zeile für Zeile die Musik neben
dem Programm fortzuschieben“. Das jedenfalls
kritisierte Robert Hirschfeld in seiner Bespre-
chung der am 20. März 1898 in Brünn uraufge-
führten „Waldtaube“ in der „Wiener Abendpost“,
die nach der von Gustav Mahler am 3. Dezem-
ber 1899 geleiteten Wiener Erstaufführung des
Werkes erschien. (Auch Mahler war laut den
Erinnerungen Natalie Bauer-Lechners von dem
„Machwerk“ wenig begeistert.) Dvořák scheint
sich der Problematik, die ein „musikalisches
Nacherzählen“ in sich birgt, frühzeitig bewusst
geworden zu sein, weshalb er seinem zwischen
August und Oktober 1897 entstandenen
„Heldenlied“ op. 111 keinen Märchenstoff
Erbens mehr zugrundelegte. Über den pro-
grammatischen Gehalt des Werkes schrieb der
Komponist an Hirschfeld anlässlich der für den
NDR SINFONIEORCHESTER
76
Dass Richard Strauss mit seinen Tondichtun-
gen zum Begründer eines neuen realistischen
Stils in der sinfonischen Musik werden und sich
an die Spitze der „Neudeutschen Bewegung“
stellen sollte, war ihm wahrlich nicht in die
Wiege gelegt. Sein Vater, exzellenter (wenn auch
aufgrund seiner unerbittlich verfochtenen
konservativen Kunstanschauung mancherorts
gefürchteter) Hornist im Münchner Hofopern-
orchester, versuchte mit Werken von Bach bis
Spohr seinem Sprössling die Ideale eines von
den aktuellen Kunstströmungen enthobenen
Klassizismus’ zu vermitteln. Der musikalisch
frühreife Sohn, dem im Gegensatz etwa zu
Johannes Brahms das ehrfürchtige und läh-
mende Überwältigt-Sein von der Tradition völlig
abging, entzog sich allerdings nach und nach
den vom Vater gesetzten Vorbildern. Dabei
wandte sich Strauss von ihnen ab, ohne sie zu
„überwinden“ – indem er, nach früher Orientie-
rung an Mendelssohn, Schumann und Brahms,
die Wiener Klassiker und ihre romantischen
Nachfolger in eine ferne, gewissermaßen über-
zeitliche „Klassizität“ entrückte und die ihm
näher stehenden Komponisten mit aller pole-
mischen Härte als akademische Fossilien be-
schimpfte. Sprachrohr dieser „Fossilien“ war
der mit Brahms eng befreundete Kritiker
Eduard Hanslick, der die Autonomie des mu-
sikalischen Kunstwerks forderte: „Der Inhalt
der Musik sind tönend bewegte Formen.“
In Wien waren die Fronten zwischen den An-
hängern „absoluter“ Sinfonik und den Vertretern
der als „fortschrittlich“ geltenden Programm-
musik derart verhärtet, dass eine Vermittlung
zwischen den beiden Positionen unmöglich
erschien. Noch 1894 klagte Gustav Mahler in
einem Brief an seine Schwester Justine, dass
er „unter den heutigen Musikern ganz allein
dastehe. Unsere Ziele gehen auseinander.
Ich von meinem Standpunkt kann überall nur
entweder altclassischen oder neudeutschen
Zopf erkennen. […] Strauss vornehmlich ist ganz
Pope, Papst! Aber immerhin ein lieber Kerl.“
An den Peripherien des europäischen Musik-
lebens ging man mit dem Thema gelassener
um: Nicht nur ein Komponist wie Tschaikowsky
schrieb unbekümmert Sinfonien und Sinfoni-
sche Dichtungen, auch der mit Brahms eng
befreundete Antonín Dvořák begab sich 1896,
nachdem er neun Sinfonien und eine Vielzahl
kammermusikalischer Werke geschrieben hatte,
„ins Lager der refl ectierenden Programm-
Componisten“, wie Theodor Helm in seiner
Besprechung von Dvořáks vierter Sinfonischer
Dichtung „Die Waldtaube“ im Leipziger Musi-
kalischen Wochenblatt überrascht feststellte.
Ob eine derartige Unterscheidung für den
1956 geborenen Schweden Rolf Martinsson
noch von Bedeutung ist, mag bezweifelt werden.
Ohnehin bezieht sich der Titel seines Trompe-
tenkonzertes „Bridge“ auf nichts Außermusika-
lisches, sondern auf die intern-musikalische
Formdisposition, da zwei Trompetenkadenzen
die drei Binnenabschnitte des einsätzigen
Werkes wie eine Brücke miteinander verbinden.
„Entweder altclassischer oder neudeutscher Zopf“?Zu den Werken von Dvořák, Martinsson und Strauss
Antonín Dvořák (1894)
die Malmöer Musikakademie berufen.
Führende Orchester und Chöre haben bei
Martinsson Werke in Auftrag gegeben, u. a.
die Orchester von Göteborg und Malmö, das
Finnish Radio Symphony Orchestra, das Royal
Stockholm Philharmonic Orchestra, das nie-
derländische Radiosinfonieorchester und der
Schwedische Radiochor. Das rund 25-minütige
Trompetenkonzert „Bridge“ entstand 1998
im Auftrag des Trompetenvirtuosen Håkan
Hardenberger. ,,Hardenbergers Musikalität,
seine wundervolle Klangfarbenpalette und seine
technische Virtuosität“, so der Komponist,
„waren beim Schreiben des Soloparts eine
Hauptinspirationsquelle, aber auch die Ge-
spräche, die wir über das Werk führten – als
Ganzes sowie über Details bei der Ausformu-
lierung der Solostimme. Dies hatte großen
8 9
NDR SINFONIEORCHESTER
4. Dezember 1898 vorgesehenen Uraufführung
in Wien, die auch unter Mahlers Leitung statt-
fand: „Es ist mir recht schwer, in einem Briefe
alles das zu sagen, was mir beim Nieder-
schreiben des ‚Heldenliedes‘ eigentlich vor-
geschwebt hat […] Vor allem muß ich sagen,
daß schon der Titel aus dem Böhmischen
schwer zu übersetzen ist. Es heißt ‚Bohatýrsá
Píseň‘ (adjectivum). ‚Bohatýr‘ (substantivum)
ist eigentlich ein spez[ifi sch] slawischer Name,
die Griechen nannten solche Helden ‚Rhapso-
den‘. Mir hat natürlich mehr ein Geistesheld,
ein Künstler vorgeschwebt, und so glaube ich,
daß gleich mit dem ersten Thema der Held
angedeutet wäre. Es ist Energie, Entschlossen-
heit und Kraft (Molto vivace). Mit dem zweiten
Thema (Adagio, quasi marcia) bmoll tritt
Schmerz, Wehklagen etc. ein, mit dem Desdur
Hoffnung, Tröstung etc. Dann erster Kampf.
Mit dem Edur, 2/4 Takt, neue Freuden und
Hoffnungen in glücklichere Zukunft und zum
Schluß Stürme und endlicher Sieg der Idee.“
Die außermusikalischen Implikationen von
Dvořáks „Heldenlied“, bei dem es sich, wie
Hanslick mit einer gewissen Genugtuung fest-
stellte, um „eine ‚Symphonische Dichtung‘ i[m]
Sinne Liszts“ handelt, weisen überraschende
Ähnlichkeiten zu anderen programmatischen
Werken des 19. Jahrhunderts auf – man denke
nur an Liszts „Ideale“ mit ihren Abschnitten
„Aufschwung“, „Enttäuschung“, „Beschäftigung“
und „Apotheose des Dichters“, an Gustav
Mahlers ursprünglich mit „Titan“ überschrie-
bene Erste Sinfonie oder an Richard Strauss’
(erst 1898 vollendetes) „Heldenleben“, dessen
Satzüberschriften „Der Held“, „Des Helden
Widersacher“, „Des Helden Gefährtin“, „Des
Helden Werkstatt“, „Des Helden Friedenswerke“
und „Des Helden Weltfl ucht und Vollendung“
lauten. Möglicherweise ging es auch Dvořák in
seinem „Heldenleben“ um die emotionsgela-
dene Glorifi zierung des eigenen Künstlertums.
Die Tatsache, dass es sich bei dem Stück um
sein letztes Orchesterwerk überhaupt handelt,
mag hierfür sprechen.
Kongeniale Zusammenarbeit:„Bridge“ von Rolf Martinsson
Rolf Martinsson ist einer der international be-
kanntesten Gegenwartskomponisten Schwe-
dens. Sein musikalisches Œuvre – er schrieb
neben Chor- und Orchesterwerken auch Kon-
zerte, Kammermusik, Solostücke und Musik
für Radiotheater – wird weltweit von Dirigenten
wie Alan Gilbert, Sakari Oramo, Leif Segerstam,
Bertrand de Billy oder Andrew Manze aufge-
führt. 1956 im nordschwedischen Glimåkra
geboren, studierte Martinsson an der Musik-
akademie von Malmö Komposition u. a. bei Hans
Erklund, Sven-Erik Bäck, Brian Ferneyhough
und Sven-David Sandström. 1980 war er einer
der Mitbegründer der Komponistenvereinigung
FUTIM, vier Jahre später leitete er das Young
Nordic Music Festival in Malmö. 1986 wurde
Martinsson zum Mitglied des Schwedischen
Komponistenverbandes ernannt. Seit 2002 ist
er Composer in Residence und Artistic Advisor
des Malmö Symphony Orchestra, vier Jahre
später wurde er als Kompositionsprofessor an
Rolf Martinsson
10 11
NDR SINFONIEORCHESTER
Einfl uss auf mein Komponieren, und es stellt
eine Arbeitsweise dar, die ich höchst kongenial
fi nde.“ In dem Werk verbindet sich der klar
konturierte Trompetenton oft mit zarten Klang-
wolken des Orchesters, wobei sich das Solo-
instrument zuweilen auch auf den Wogen üppi-
ger Klanglichkeit tragen lässt. Das effektvolle
und streckenweise an den Hollywood-Stil der
1930er Jahre gemahnende Konzert, das am
29. April 1999 in Göteborg mit Hardenberger
und dem Göteborger Sinfonieorchester unter
der Leitung von Neeme Järvi überaus erfolg-
reich uraufgeführt wurde, setzt sich aus drei
Abschnitten zusammen, die durch zwei Solo-
kadenzen der Trompete – eine lyrische und eine
dramatische – miteinander verbunden werden.
Das melodische Material greift u. a. auf vermin-
derte Skalen mit abwechselnd großen und
kleinen Sekunden, Chromatik sowie Terzketten
zurück, wobei die Bandbreite von einer ge-
zackten, jazzigen Linienführung bis hin zu einer
bluesartigen Lyrik reicht, deren Thematik
zuweilen an Gershwin denken lässt.
Zu Beginn des ersten Abschnitts tritt die
Trompete mit den verschiedenen Instrumenten-
gruppen nacheinander in einen konzertieren-
den Wettstreit, was die Virtuosität aller Betei-
ligten herausfordert. Im Anschluss an diese
abwechslungsreiche Introduktion breitet sich
ein längerer dramatischer sinfonischer Ab-
schnitt aus, der seinen thematischen Ausgang
in einem musikalischen Anagramm nimmt,
das dem Namen Håkan Hardenbergers nach-
gebildet ist. Den teilweise bluesartigen Mittel-
teil bestimmen sich langsam und wellenartig
ausbreitende Klangvaleurs, in denen unge-
wöhnliche orchestrale Effekte auffallen. Der
Schlussteil, ein sehr schnelles, mitreißendes
Presto, stellt erneut höchste Anforderungen
sowohl an den Solisten als auch an das Or-
chester. „Bridge“, das u. a. mit einem ASCAP
Award ausgezeichnet wurde, ist eine der er-
folgreichsten Kompositionen Martinssons.
Seit der Uraufführung wurde das Konzert mit
Hardenberger als Solisten weltweit mehr als
fünfzig Mal aufgeführt, wodurch es zu einem
der bekanntesten zeitgenössischen Werke
aus Nordeuropa avancierte.
„Die Empfi ndungen beim Anblick der herrlichen Naturschönheiten Roms“: Strauss’ „Aus Italien“
Im April 1886 gab Richard Strauss die Leitung
der Meininger Hofkapelle auf, um am 1. August
desselben Jahres das Amt des 3. Kapellmeis-
ters an der Münchner Hofoper anzutreten, wo
er fortan jenes Orchester leitete, in dem sein
Vater seit 1847 als Erster Hornist tätig war.
Die vier freien Monate nutzte der seinerzeit
22-Jährige zu einer längeren Bildungsreise
durch Italien, wo er u. a. Venedig, Bologna,
Florenz, Rom, Neapel, Pompeji und Capri be-
suchte. Die Sinfonische Fantasie „Aus Italien“,
eine Art Mischung aus Suite und Sinfonischer
Dichtung, entstand während dieser Zeit, wobei
Strauss die Partitur nach seiner Rückkehr am
12. September 1886 in München vollendete.
An Hans von Bülow, den Widmungsträger des
Werkes, schrieb der junge Komponist, er habe
„nie so recht an eine Anregung durch Natur-
schönheit geglaubt“, sei aber „in den römischen
Ruinen […] eines besseren belehrt worden“.
Die Uraufführung des Werkes fand am 2. März
1887 unter Leitung des Komponisten im
Münchner Odeon statt. „Ich kann die Angst
und Aufregung meines Vaters gar nicht be-
schreiben“, erinnerte sich Strauss’ Schwester
Johanna später. „Schon lange vorher übte er
zu Hause die schweren, kühnen Stellen des
Waldhorns […]. Die ersten drei Sätze wurden
mit Beifall aufgenommen, aber beim letzten
Satz war der Applaus geringer, ja es kam sogar
von verschiedenen Seiten Zeichen der Ab-
lehnung und Pfi ffe.“ Strauss nahm den Wider-
spruch gelassen. An seine Jugendliebe Lotti
Speyer schrieb er: „Das Werk ist ziemlich neu
und revolutionär, und der letzte Satz hat bei
den alten und jungen Zöpfen große Opposition,
zum mindesten Kopfschütteln hervorgerufen.“
Und weiter: „Mein Stolz war ungeheuer; das
erste Werk, das auf Opposition des großen
Haufens gestoßen ist; da muß es doch nicht
unbedeutend sein.“ Im Januar 1888 folgten,
ebenfalls unter Strauss’ Leitung, Aufführungen
in Köln, Frankfurt und Berlin. Vor allem im letz-
ten Konzert hatte „Aus Italien“ durchschlagen-
den Erfolg: „Das Philharmonische Orchester“,
schrieb Strauss seinem Vater, „ist das intelli-
genteste, famoseste und frischeste Orchester,
das ich kenne. […] Ich glaube nicht, daß ich je
meine Fantasie schöner hören werde […].“
Rückblickend hat Strauss „Aus Italien“ als
„erste[n], schüchterne[n] Versuch“ auf dem
Weg zu jenem Lisztschen „Grundprinzip“ be-
zeichnet, nach dem sich neue musikalische
Gedanken neue Formen suchen müssten.
Doch während er in seinen Erinnerungen von
einer „poetischen Idee“ spricht, ist in einem
Brief des Dreiundzwanzigjährigen an den Kriti-
ker Karl Wolf noch von einem „poetischen In-
halt“ die Rede, was einen marginal wirkenden,
aber entscheidenden Unterschied ausmacht.
Dessen ungeachtet beklagte Strauss, dass die
deskriptiven Passagen programmatischer
Werke den Blick des Publikums auf einen jen-
seits der tonmalerischen Darstellung liegenden
Richard Strauss (1888)
12 13
NDR SINFONIEORCHESTER
Gehalt der Musik – „die Empfi ndungen beim
Anblick der herrlichen Naturschönheiten Roms
und Neapels, nicht Beschreibungen derselben“ –
verdecke. Dementsprechend heißt es auch in
einer von Strauss 1889 für die „Allgemeine
Musikzeitung“ verfassten Beschreibung des
Werkes, der erste Satz, „Auf der Campagna“,
gebe die Stimmung wieder, „die der Kompo-
nist beim Anblick der weiten, in Sonnenglut
getauchten römischen Campagna, von der
Villa d’Este in Tivoli aus gesehen, empfand.“
Zum zweiten Satz, „In Roms Ruinen“, der
inmitten der Ruinen der Caracalla-Thermen
skizziert wurde, bemerkte der Komponist:
„Fantastische Bilder entschwundener Herrlich-
keit, Gefühle der Wehmut und des Schmerzes
inmitten sonnigster Gegenwart.“ Mit „Am
Strande von Sorrent“ folgt ein geniales, im-
pressionistisch angehauchtes Orchestertab-
leau, das von größter klanglicher Sensibilität
zeugt. „In diesem Satz“, so Strauss, „ist der
Versuch gemacht, die zarte Musik der Natur,
die das innere Ohr im Säuseln des Windes in
den Blättern, in dem Gesang der Vögel und
allen den feinen Naturstimmen, in dem fernen
Rauschen des Meeres, von dem ein einsamer
Gesang an’s Ufer schallt, vernimmt, tonmale-
risch darzustellen.“ Das Finale ist mit dem
Titel „Neapolitanisches Volksleben“ betitelt.
Strauss zitierte hier Luigi Denzas zeitgenössi-
schen Schlager „Funiculì, funiculà“, den er für
ein „bekanntes neapolitanisches Volkslied“
hielt. Außerdem griff er in der Coda auf eine
Tarantella zurück, die er in Sorrent gehört hatte:
„Nach einigen lärmenden Eingangstakten
beginnt das Hauptthema, von Bratschen und
Celli vorgetragen, diesen tollen Orchesterspuk,
der in einem lustigen Durcheinander von
Themen das bunte Treiben Neapels schildern
will; die anfangs nur von Ferne erklingende
Tarantella gewinnt gegen Ende des Satzes
immer mehr die Oberhand und bildet den
Abschluß dieser Humoreske. Einige Anklänge
an den ersten Satz mögen die Sehnsucht
nach der Ruhe der Campagna ausdrücken.“
Harald Hodeige
Was Richard Strauss in seiner Musik einfangen wollte, bannte Carl Johann Baehr auf die Leinwand:
Die Landschaft der römischen Campagna (Öl-Gemälde von 1834/35)
Die Ruinen der Caracalla-Thermen in Rom. Hier skizzierte
Strauss den 2. Satz seiner Sinfonischen Fantasie „Aus Italien“
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KAMMERKONZERT
Sonderkonzert im Rahmen der Ausstellung
„Ferdinand Hodler und Cuno Amiet“ *
So, 26.02.2012 | 20 Uhr
Bucerius Kunst Forum
MUSIK DES SYMBOLISMUS
Brigitte Lang Violine
Alexandra Psareva Violine
Jan Larsen Viola
Aline Saniter Viola
Fabian Diederichs Violoncello
Katharina Kühl Violoncello
N. N. Klavier
Arnold Schönberg
Verklärte Nacht op. 4
César Franck
Klavierquintett f-Moll
*Die Ausstellung ist zwischen 19 und 19.45 Uhr
exklusiv für Konzertbesucher geöffnet.
In Kooperation mit dem Bucerius Kunst Forum
NDR FAMILIENKONZERT
Sa, 25.02.2012 | 14.30 + 16.30 Uhr
So, 26.02.2012 | 14.30 Uhr
Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio
GABRIELI UND DER TAKT
Cornelius Trantow Dirigent
NDR Chor
Grundschule Schnuckendrift, Hamburg
Musik von Giovanni Gabrieli, Györgi Ligeti,
Philip Glass, John Cage
Eine taktvoll-bewegte Geschichte
ab 6 Jahren
Eine Kooperation von NDR Chor und NDR Das Alte Werk
Konzertvorschau
NDR SINFONIEORCHESTER
C3 | Do, 23.02.2012 | 20 Uhr
D5 | Fr, 24.02.2012 | 20 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle
L5 | Sa, 25.02.2012 | 19.30 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Michael Gielen Dirigent
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 8 c-Moll
23.02.2012 | 19 Uhr
24.02.2012 | 19 Uhr
Einführungsveranstaltungen
Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus,
Tel. 0180 – 1 78 79 80 (bundesweit zum Ortstarif,
maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz),
online unter ndrticketshop.de
B7 | Do, 01.03.2012 | 20 Uhr
A7 | So, 04.03.2012 | 11 Uhr
Hamburg, Laeiszhalle
Herbert Blomstedt Dirigent
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 5 B-Dur
01.03.2012 | 19 Uhr: Einführungsveranstaltung
NDR CHOR
Abokonzert 3
Sa, 19.02.2012 | 18 Uhr
Hamburg, St. Johannis-Harvestehude
VENEZIA
Philipp Ahmann Dirigent
NDR Brass
Werke von
Giovanni Gabrieli
Claudio Monteverdi
Franz Liszt/Clytus Gottwald
Niccolò Castiglioni
Richard Wagner/Clytus Gottwald
Hans Werner Henze
Herbert Blomstedt
Michael Gielen
Herausgegeben vom
NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK
PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK
BEREICH ORCHESTER UND CHOR
Leitung: Rolf Beck
Redaktion Sinfonieorchester:
Achim Dobschall
Redaktion des Programmheftes:
Julius Heile
Der Einführungstext von Dr. Harald Hodeige
ist ein Originalbeitrag für den NDR.
Fotos:
Marco Borggreve (S. 4, S. 5)
culture-images | Lebrecht (S. 7)
Mats Bäcker (S. 9)
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Hervè Champollion | akg-images (S. 13)
Jacques Lévesque (S. 14 links)
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ImpressumSaison 2011 / 2012