Ueli Wyss, Agroscope
Posieux
PFLANZENBAU
Mutterkorn macht Kühe krank In der Westschweiz erkrankten im letzten Winter Kühe, die mit Mutterkorn belastetes Futter frassen. Der gefürchtete Pilz macht sich vor allem auf extensiven Flächen breit. Ein früher Schnitt könnte Vergiftungen verhindern.
! I n diesem Jahr wurde in extensiv ge-ö nutzten Wiesen auf verschiedenen .Z Gräsern im Juli und Oktober Mut-
terkornbesatz festgestellt. Betroffen waren insbesondere Flächen von J:liobetriebcn oder solche in Vernetzungsprogrammcn. Dort gilt die Empfehlung, be:.dehungsweise die Auflage, bei jedem Schnitt 5-10 % der Wiesenfläche als Hückzugsstre ifcn stehen zu lassen. Unter solchen Bedingungen, unterstützt von feucht-warmer Witterung, entwickelt sich der Mutterkorn-Pilz besonders gut. Mit der Ökologisierung der Wiesen und Weiden kann sich das Problem in Zukunft noch verschärfen.
Als Mutterkorn bezeichnet man die Dauerform des Pilzes Claviceps purpurea. Dieser befällt Getreide und Gräser all er Art. Anste lle eines Getreidekornes bildet sich in den infizierten Ähren ein dunkles Mutterkorn, das sogenannte Sklerotium. Skl erotien sind eine Dauerform des Mutter-
Mutterkorn verursacht verschiedene Krankheiten Grosse Mengen aufgenommener Mutterkornalkaloido wirken sich negativ auf Hirn und Rückenmark aus. Kleinere Mengen dagegen führen zu einer Verengung der Arterien. Die Folge sind Durchblutungsstörungen und Sauerstoffmangel in den Gliedmassen, den Ohren und dem Schwanz von Rindern.
Akute Krankheitserscheinungen (Hrgotismus convulsivus. beim Rind seltene Krankheitsform): Hautjucken, Muskelzucken bis hin zu l(rämpfen, Gefühllosigkeit der Ilaut, Läh-
korn-Pi lzes, die Kälte und Trockenheit widerstehen. Sie überleben im Boden etwa ein bis drei Jahre. Mutterkörner, die nach der Ernte auf dem Feld verbleiben, können im nächsten Frühjahr auskeimen. Der frische Keimling
mungserscheinungen, Bewusstseinsverlust.
Chronische Krankheitserscheinungen (Ergotismus gangraenosus, beim Rind häufigere Krankheitsform): Durch die Gefässverengung und den Sauerstoffmangel stirbt das Gewebe der oben genannten Körpertei.le ab. Die Haut wird brandig und rissig und löst sich vom Körper. Oft haben die Tiere eine erhöhte Körpertemperatur und reduzierte Milchleistung. Trächtige Tiere köllllen verwerfen.
bildet Pilzsporen, welche der Wind auf früh blühende Gräser und Getreide verschleppt.
Für die Entwicklung des Mutterkorns spielt das Wetter eine wichtige Rolle. Regnerisches Wetter während
So bekämpfen Sie den Pilz • Kontrollieren Sie vor dem Mäb en die Futterflächen auf Mutterkornbesatz. Weisen die Gräser einem sehr hohen Mutterkornbesatz auf, sollten Sie das Futter nicht mehr verfüttern, sondern entsorgen. • Sklerotien überleben nur etwa ein bis drei Jahre im Boden. Mit einer guten Fruchtfolge mit zwei bis drei Jahren Unterbruch zwischen anfälligen Kulturen können Sie den Zyklus w1terbrechen. • Wenn Sie pflügen, bringen Sie die Sklerotien tiefer als 4 cm in den Boden. Dort verfaulen sie, bevor sie keimen können.
Schneiden und beseitigen Sie diese daher vor der Getreideblüte. • Wiesen und Weiden soUten Sie vor der Blüte nutzen und schneiden. Dies steht jedoch im Widerspruch zu gewissen Vorsclu·iften für Biod i versitä tsfördertlächen. • Nach der Beweidung sollte eine Nachmahd erfolgen, damit möglichst wenige Halme stehen bleiben. • Eine leicht mit Mutterkorn befallene Wiese sollten Sie eher heuen und nicht silieren. Durch die Heubereitung fallen viele Sklerotien auf den Boden.
Die abgestuften Schnittzeitpunkte der verschiedenen Biodiversitätsförderflächen können Mutterkorn begünstigen.
• In!lzierte Gräser an Feldrändern oder im Getreidebestand sind gefährliche Inföktionsquellen.
• V rsuchen Sie, stark verseuchte Bestände zu silieren. Durch den Gärprozess bauen sich die giftigen Inhaltsstoffe teilweise ab. Setzen Sie bei altem Futter Siliermittel ein.
20 LANDfreund· 11/2016
der Gräser- und Getreideblüte ist besonders krit isch. I o niederschlagsreichen Jahren - wie h euer - ist daher mit einem stärkeren MutterkornbefaJI zu rech nen. Mutterkorn ist nicht nur für uns Menschen. sondern auch für unsere Nutzti ere gefährl ich.
Sklerotien überleben mehrere Jahre
Seien Sie besonders vorsichtig, wenn Sie Ökoflächen mit überständigen Gräsern bewei.den : Diese könnten stark mit Mutterkorn befallen sein w1d bei Ihren Tieren zu Problemen führen. Eine Ver giftung mit Heu aus Ökoflächen ist weniger wahrscheinlich, da die meisten Sklerntien bei de r Heuaufuereitung auf den Boden falle n. Doch diese Sklerotien auf dem Boden bilden eine Infektionsquelle für die Gräser in den fol genden Jahren.
Wenn Sie h ingegen silieren , b leiben mehr solche Dauersporen im Erntegut. Durch die Gärprozesse senkt sich der giftige Alkaloidgehalt deutlich ab. Setzen Sie Siliermittel ein, erhöht sich dieser Abbaueffekt. Mit altem, überständigem Futter können Sie aber praktisch keine qualitativ gute Silage herstellen.
Von 1993 bis 1996 fifürte Agroscope verschiedene Feldvers uche durch. Auf den extensiv bewir tschafteten Parzellen fand en wir auf
verschiedenen Gräsern den Mutte rkorn -Pilz. Die Auswertungen zeigten, dass nicht alle Gräserarten gleich stark mit Mutterkorn befal len waren. Ausserdem schwankte unter den Gräserarten die Dosis der giftigen Inhaltsstoffe.
Altes Futter war besonders stark befallen (Tabelle 1). Bereits 1884 starben in den USA zahl.reiche Rinder, weil sie Gräser mit starkem Mutterkornbesatz frassen. Damals wurde den LandwiTten ein einfacher Ratschlag erte ilt: Das Heu vor der Blüte zu schneiden. Genau dies ist aber bei ßiodivers itätsförderflächen nicht erwünscht w1d könnte noch vermehrt zu Problemen füh r en.
Fazit
• Bei feucht-warmer Witterung und einem späten Schnitt entwickelt sich der Mutterkornpilz auf verschiedenen Futtergräsern. • Nicht nm extensive. auch in tensive Bestände sind betroffen. • Die Sklerotien überleben ein bis drei Jahre im Boden. • Der Wind trägt die Sporen auf blühende Gräser und Getreide . • Mit Mutterkorn verschmutztes Futter kann zu Durchb I utu n gsstörungen führen. • Gegen Mutterkornbesatz hilft ein früher Schnittzeitpunkt. ....
Tabelle 1: Extensive Bewirtschaftung fördert den Mutterkorn-Pilz Aufwuchs Datum Alter des Mutter-
Futters kornbesatz
Tage g/kg TS
1. Aufwuchs II 1s. Juli 0, 5
2. Aufwuchs 7. September 76 0,52
2. Aufwuchs 27. September 84 1,55
2. Aufwuchs 8. Oktobe r 104 1,98
3. Aufwuchs 16. September 53 0,1 4
3. Aufw uchs 20. Oktober 89 0,28
Je älter das Gras, respektive je weniger häufig es geschnitten wurde, desto höher war der Mutterkornbesatz im Versuchsfeld .
PFLANZENBAU
<<Plötzlich fiel die Haut ab>> Landwirt Serge Baudet traute sich kaum noch in den Stall. Jeden Morgen befürchtete er, auf ein neues Tier mit geschwollenen Klauen zu stossen. Sein Bestandestierarzt Jacques Perrin fand die Ursache: Mutterkornvergiftung!
D er Horror . begann für Bauer Serge Baudet aus dem waadtländischen Gallion letzten De
zember. Einzelne Kühe begannen zu hinken - ohne dass Baudet einen triftigen Grund dafür gesehen hätte. Der vom Landwirt gerufene KlauenpQeger vermutete eine Pansenübersäuerung oder gar Mortellaro. Doch das Klauenhom war fest und normal. Ausserdem sieht die Krankheit Mortellaro anders aus.
Ab Mitte Februar hinkten bereits zwölf KW1 e. Sie hatten Schmerzen und lagen viel. «Plötzlich schwollen die Klauen an wie bei Panaritium», erklärt Baudet. Als sein Bestandestierarzt Jacques Perrin aus Reverolle wegen eines anderen Problems den Hof aufsuchte, zeigte der Landwirt ihm auch die geschwollenen Klauen. «Ich spritzte versuchshalber bei zwei Kühen Antibiotika - jedoch ohne Erfolg», erklärt Perrin. Bauer Ba udet versuchte gleichzeitig, die Hautrisse
mit Betadine und Alkohol zu desinfizeren. Doch die Klaue11 schwollen immer weiter an. Schliesslich fielen ganze Hautfetzen ab - ohne dass Blut oder Eiter geflossen wären. Bei zehn Kühen war jeweils eine Klaue hinten betroffen. Bei einer Kuh ein Vorderbein und bei der zwölften löste sich sogar die Haut am Bauch.
Tierarzt Perrin hatte bereits eine Vermutung und fragte im Tierspital sowie bei BerufskolJegen nach - jedoch ohne Gewissheit zu erlangen . Schliesslich lieferte ihm ein Foto im Internet die Bestätigung seines Verdachts: Mutterkornvergiftung!
Heilung dauert Monate
Das Foto stammte aus Amerika. Eine ähnliche Pilzart auf den überständigen Gräsern führte zur gleichen Krankheit bei den Rindern - dem sogenannten «fescue foot». Tatsächlich fand Perrin beim darauffolgenden Be-
Serge Baudets Kühe frassen mit Mutterkorn verseuchtes Futter von seinen ökologischen Ausgleichsflächen. Als Folge schwollen bei einigen Tieren die Klauen stark an und ganze Hautfetzen fielen ab.
22 LANDfreund · 11/2016
Dank des Mykotoxinbinders ist die Wunde an der Klaue bald verheilt.
such in den Feldern von Baudet Mutterkörner auf den Gräsern. Der schwarze, hundskrallenähnliche Pilz ragte bis zu 1 cm aus den Samenständern. Nun konnte Perrin sich auch die Symptome der Kühen erkl.ären. Ein Gift aus dem Pilz bewi rkt, dass die kleinsten Blutbalme11 in den Extremitäten , wie den Ohren oder Klauen, verstopfen . Als Folge stirbt das Ge-
~ webe ab. «Bis ganze Hautfetzen abfal~ len, muss das Tier über Monate solche B ~ Pilzgifte fressen. Ebenso lange dauert
der Heilungsprozess», erklärt Perrin. Gut möglich , dass sich die KWrn be
reits im vorherigen Herbst vergifteten . Bisher fehlen genaue Erkenntnisse, wie viel Gift über welchen Zeitraum ein Tier fressen muss, damit die genannten Symptome auftreten. Theoretisch können alle Wiederkäuer sowie Pferde betroffen sein. Doch woher stammt das Problem? Landwirt Baud et verfügt über 15 % Ökofläche. Entsprechend den Bw1desvorgaben schneidet er seine Wiesen abgestuft nach den von Biologen festge legten Schnittterminen.
Was möglicherweise den Insekten und Feldhasen hilft, erwies sich für Baudets Nutztiere als krankmachende Quelle: Auf einem Grossteil seiner spätgemähten ökologischen Ausgleichsflächen fand er Mutterkorn. Besonders schlimm verseucht waren jene Gräser, die er nach dem 15. August geschnitten hatte. Doch auch auf den Weiden sah der Landwirt den Pilz
aus den Gräsern rings um Kuhfladen wachsen. Das Heu von solchem Futter vergiftete vermutlich seine Kühe. Warum es nur zwölf traf und nicht auch noch die Kälber oder das Jungvieh, bleibt ungeklärt.
Die Milchmenge ging zurück, doch Fruchtbarkeitsstörungen oder Aborte traten keine auf. Zur Heilung setzte der Waadtländer einen Mykotoxinbinder ein. Er fütterte 200 Gramm pro Tag uod Tier. Der Hersteller rät, das Produkt mindestens zwei Monate lang zu verfüttern. Nach anderthalb Monaten ging es Baudets Küh en sichtlich besser. lm Moment ist nur noch eine Kuh leicht leidend. Trotzdem wagt der Landwirt nicht, den Mykotoxinbinder abzusetzen.
Dieses Jahr mit seinem wechselfouchten Wetter liefer te dem Mutterkorn-Pilz ideale Wachstwnsbedingungen. Und so fand Tierarzt Perrin den Pilz nicht nur auf extensiv, sondern auch auf intensiv geführten Wiesen . Für ihn ist das Problem daher nicht abgeschlossen. Perrin vermutet eine
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tickende Zeitbombe im diesjährigen Futter. Weitere Krankheitsvorfälle schliesst er nicht aus. Ausserdem könnten die Sklerotien im Boden im nächsten .Jahr die Bestände übermässig befallen. Der Tierarzt rät daher allen Bauern, ihr Futter nach Mutterkorn abzusuchen . «Leicht bis mittelstark betroffenes Futter sollten Sie mit anderen Futtermitteln strecken. Stark betroffenes Futter gehört entsorgt», erklärt Perrin.
Fazit
• Bei zwölf Kühen von Bauer Baud et schwollen plötzlich die Klauen an und Hautfetzen fie len ab . • Perrins Verdacht auf Mutterkornvergiftung bestätigte sich durch Bildern und Berichten aus den USA. • Auf den Feldern von Baudel wuchs Mutterkorn, besonders stark in den spätgemähten Ausgleichsflächen. • Ein Mykotoxinbinder brachte den Heilw1gsprozess in Gang.
Brnno Oehrli
Tierarzt Jacques Perrin vermutete Mutterkornvergiftung. Ein Foto aus den USA bestätigte seinen Verdacht.
Betriebsspiegel Moulin d'Amour (VD)
Betriebsleiter: Serge und Janique Baudet. Sohn David arbeitet auf dem Betrieb mit. LN: 42 ha, 15% Ökofläche (IP-Label) Tiere: 41 Milchkühe aller Rassen. neu ein SF-Stier, 15 Jungtiere, 300 Mastkälber pro Jahr
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