Rheumaliga SchweizBewusst bewegt
Polymyalgiarheumatica
Rheuma
Impressum:Autor Dr. med. Andreas Krebs
Rheumatologie und Innere Medizin FMH, Kloten
Arbeitsgruppe Dr. med. Thomas Langenegger, Zuger Kantonsspital, Baar
Dr. med. Adrian Forster,
Klinik St. Katharinental, Diessenhofen
CI-Layout Wirz Identity AG, Zürich
Realisation Atelier Jean Daniel Baer, Grafi ker SGD, Dübendorf
Herausgeber © by Rheumaliga Schweiz
6. überarbeitete Aufl age 2011
Arthritis, Arthrose, Osteoporose, Rückenschmerzen und Weichteilrheuma
sind rheumatische Erkrankungen. Zu Rheuma gehören 200 verschiedene
Krankheitsbilder, die Rücken, Gelenke, Knochen, Muskeln, Sehnen und
Bänder betreffen.
Diese Broschüre der Rheumaliga Schweiz ist von Expertinnen und Experten
der Rheumatologie für Sie geschrieben. Informationen über andere rheuma-
tische Erkrankungen sowie Medikamente, Gelenkschutz, Hilfsmittel für den
Alltag und Möglichkeiten der Prävention fi nden Sie bei uns:
Rheumaliga Schweiz, Tel. 044 487 40 00, [email protected],
www.rheumaliga.ch
Inhalt
Polymyalgia rheumaticaEntzündliches Muskelrheuma bei älteren Menschen
Symptome
Wie häufi g ist die Polymyalgia rheumaticaund wer kann davon betroffen werden?
Was ist die Ursache dieser Erkrankung?
Wie wird die Diagnose gestellt?
Riesenzellen-Arteriitis: eine verwandte Erkrankung
Andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen
Therapie der Polymyalgia rheumatica
Tabellen
Über die Rheumaliga
Weitere Literatur
Nützliche Kontakte
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4 Polymyalgia rheumatica
Entzündliches Muskelrheuma bei älteren MenschenDie Polymyalgia rheumatica (aus dem
Griechischen: poly = viele, myalgia =
Muskelschmerz) ist eine nicht so sel-
tene entzündlich-rheumatische Er-
krankung des älteren Menschen.
Hauptsymptome sind entzündliche
Muskelschmerzen im Schulter- und
Beckengürtel. Die Diagnose stützt
sich auf die typischen Beschwerden,
erhöhte Entzündungszeichen im Blut
und den Ausschluss anderer Krank-
heiten, die ähnliche Symptome verur-
sachen. Behandelt wird die Polymyal-
gie mit Kortisonpräparaten.
Abbildung 1: Mikroskopisches Bild eines Querschnittes durch eine Schläfenarterie
bei Riesenzellenarteriitis mit deutlicher Wandverdickung durch Entzündungszellen.
5
Die häufi gsten Symptome dieser
Erkrankung sind Muskelschmerzen,
typischerweise in der Nacht und
frühmorgens, im Schultergürtel und
in den Oberarmen, in der Gesäss-
und Beckenmuskulatur und in den
Oberschenkeln. Oft bestehen nicht
nur Schmerzen, sondern auch eine
Steifi gkeit und eine Schwäche in die-
sen Muskeln, sodass die Patienten
Schwierigkeiten haben, am Morgen
die Arme zu heben oder etwa Trep-
pen zu steigen; gelegentlich ist es
Symptome
auch schon mühsam, aus dem Bett
zu kommen oder von einem Stuhl
aufzustehen. Weitere Symptome kön-
nen sein: Nackenschmerzen, gele-
gentlich auch leichte Schwellungen
der Hand- und einzelner Fingerge-
lenke. Weiter können auch allge-
meine Krankheitssymptome wie
Fieber, Abgeschlagenheit, Nacht-
schmerzen, Appetitlosigkeit oder
auch eine depressive Verstimmung
bestehen.
Abbildung 2: Gut sichtbare entzündliche Verdickung der Schläfenarterie bei
einem Patienten mit Riesenzellen-Arteriitis.
Wie häufi g ist die Polymyalgiarheumatica und wer kann davonbetroffen sein?
6
Die Polymyalgie ist eine Erkrankung
des älteren Menschen. Sie befällt in
aller Regel Patienten über 50 Jahre;
das Durchschnittsalter liegt bei 60 bis
70 Jahren. Frauen sind doppelt so
häufi g betroffen wie Männer. Die
Prävalenz (Häufi gkeit) wird auf etwa
1 von 200 Einwohnern geschätzt.
Was ist die Ursache dieser Erkrankung?Die Ursache ist – wie bei vielen ent-
zündlich-rheumatischen Erkrankun-
gen – unbekannt. Auf Grund der Be-
schwerden, der Laborbefunde und
des Ansprechens der Erkrankung auf
Cortison handelt es sich sicher um
eine Entzündung. Angenommen wird
ein Autoimmunprozess (Auslöser bis
heute unklar), der sich möglicher-
weise in den Blutgefässen abspielt,
wie dies bei verwandten Krankheiten
(rheumatische Gefässentzündungen)
nachgewiesen werden kann. Zum
Teil können auch entzündliche Verän-
derungen in den Hüft- und Schulter-
gelenken oder in den benachbarten
Schleimbeuteln nachgewiesen wer-
den. Hingegen gelang es bis heute
nicht, in der Muskulatur (die ja ei-
gentlich schmerzt und der Erkran-
kung den Namen gab) eine Entzün-
dung nachzuweisen.
Wie wird die Diagnose gestellt?Es gibt keinen sicheren Untersu-
chungsbefund und keinen spezifi -
schen Test im Blut oder ein typisches
Röntgenbild, um die Polymyalgie mit
Sicherheit diagnostizieren zu können.
Die Diagnose beruht daher vor allem
auf der Schilderung der Beschwer-
den durch die Patienten (und allen-
falls gezielter Nachfrage nach ty-
pischen Symptomen durch den Arzt).
Bei der körperlichen Untersuchung
kann bei der Polymyalgia rheumatica
kein spezieller Befund erhoben wer-
den; sie ist aber wichtig, um andere
Riesenzellen-Arteriitis:eine verwandte Erkrankung
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Erkrankungen abgrenzen zu können.
Ein wesentlicher Mosaikstein in der
Diag nose ist eine Blutuntersuchung,
da bei der Polymyalgie in aller Regel
eine stark erhöhte Blutsenkungsreak-
tion (und oft auch eine Erhöhung des
C-reaktiven Proteins) besteht. Weiter
können auch eine leichte Blutarmut
oder eine leichte Erhöhung der Le-
berwerte gefunden werden. Gleich-
zeitig müssen allenfalls im Labor
andere Erkrankungen, die diffuse
Muskelschmerzen verursachen, aus-
geschlossen werden. Röntgenbilder
tragen, wie gesagt, nichts zur Dia-
gnose bei; gelegentlich müssen aber
andere Erkrankungen damit ausge-
schlossen werden (siehe Tabelle 1
auf Seite 10). Schliesslich bestätigt
dann auch die meist sofortige und
durchschlagende Besserung der
Symptome auf die Steroidbehandlung
die Diagnose weiter.
Wie erwähnt ist es bei der Diagnose
einer Polymyalgia rheumatica (weil es
eben keinen spezifi schen Untersu-
chungsbefund für diese Erkrankung
gibt) oft wichtig, an andere Krankhei-
ten, die ähnliche Beschwerden verur-
sachen, zu denken und diese soweit
möglich auszuschliessen.
Riesenzellen-Arteriitis: Dies ist eine
verwandte Erkrankung, die sich oft
auch mit einem polymyalgischen Syn-
drom äussert. Es handelt sich dabei
um eine Entzündung der grösseren
Blutgefässe, die zum Kopf bezie-
hungsweise zu den Augen, zum Ge-
sicht und Hirn führen. Zusätzliche
typische Symptome (die bei der Poly-
myalgia rheumatica nicht vorkom-
men) sind hier etwa: neu aufgetre-
tene Kopfschmerzen, unter anderem
im Schläfenbereich (mit oft tastbarer
Verdickung der Schläfenarterie –
siehe Abbildung 2 auf Seite 5), Seh-
störungen oder Kieferschmerzen
beim Kauen. Da diese Erkrankung
ohne Behandlung lebensgefährlich
verlaufen oder zur Erblindung führen
kann, darf die Diagnose nicht ver-
passt werden. Im Gegensatz zur Po-
lymyalgia rheumatica kann hier bei
Andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen
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der mikroskopischen Untersuchung
der Schläfenarterie (was gefahrlos in
einem kleinen ambulanten Eingriff er-
folgt) die Gefässwandentzündung
nachgewiesen werden (siehe Abbil-
dung 1 auf Seite 4).
Arthrose der Halswirbelsäule: die
häufi gste Ursache von Nacken-
schmerzen bei Patienten über 50
Jahren. Im Gegensatz zur Polymyalgie
sind im Blut keine Entzündungszei-
chen vorhanden.
Sehnenentzündungen oder -abnüt-zungen des Schultergelenkes: die
häufi gste Ursache von Schulter-
schmerzen. Im Gegensatz zur Poly -
myalgie meist nur einseitig und eben-
falls Normalbefunde bei der Blut-
untersuchung.
Fibromyalgie: diese Erkrankung geht
auch mit diffusen Muskel- (und Ge-
lenk-)schmerzen einher. Sie kann
aber in der Regel gut von einer Po-
lymyalgia rheumatica abgegrenzt
werden (siehe Tabelle 2 auf Seite 10).
Rheumatoide Arthritis (Alterspoly-arthritis): im Gegensatz zu jüngeren
Patienten, wo die rheumatoide Arthri-
tis v.a. die kleinen Gelenke betrifft,
zeigt diese Krankheit beim älteren
Pa tienten oft etwas andere Erstsym-
ptome, die gelegentlich nur schwer
von einer Polymyalgia rheumatica ab-
gegrenzt werden können.
Andere internistische Erkrankungen, die allenfalls – gerade auch bei etwas
atypischer Präsentation – erwogen
werden müssen, sind etwa: Schild-
drüsenunterfunktion; chronische In-
fektion, zum Beispiel Herzklappen-
entzündung; bösartige Erkrankungen.
Polymyalgisches Syndrom bei jün-geren Patienten: unter 50 Jahren
ist eine Polymyalgia rheumatica eine
Rarität, und es muss hier an andere
Diagnosen gedacht werden, insbe-
sondere an (seltene) Gefässentzün-
dungen (Vaskulitis).
Therapie der Polymyalgia rheumatica 9
Behandelt wird die Polymyalgie mit
Corticosteroiden (Cortisonbehand-
lung). Die am häufi gsten verwende-
ten Medikamente sind Prednison®,
Prednisolon® oder Spiricort®. In aller
Regel tritt innert weniger Tage nach
Therapiebeginn eine durchschla-
gende, sowohl den Patienten («ich
bin wie neu geboren») als auch den
Arzt beeindruckende Besserung der
er wähnten Symptome ein. Parallel
dazu kommt es auch bald zu einem
Rückgang der erhöhten Entzün-
dungswerte in der Blutunter suchung.
Dieses dramatische An sprechen der
Beschwerden auf eine mittlere Stero-
iddosis (etwa 20 mg Prednison pro
Tag) ist so charakteristisch für die
Polymyalgia rheumatica, dass dieser
Umstand auch als diagnostisches
Element betrachtet werden kann.
Umgekehrt muss beim Ausbleiben ei-
ner deutlichen Beschwerdebesse-
rung nach einigen Tagen Prednison-
Behandlung die Diagnose in Frage
gestellt werden. Nach einigen Wo-
chen wird dann die Prednisondosis
über die folgenden Monate in kleinen
Schritten – angepasst an allfällige
Symptome und an die Blutsenkungs-
reaktion – ganz allmählich reduziert
(«so viel wie nötig, so wenig wie
möglich»), wobei bei einem Rückfall
die Dosis wieder etwas erhöht wer-
den muss. So kommt die Erkrankung
bei einem grösseren Teil der Pati-
enten etwa nach einem Jahr zur Aus-
heilung; bei etwa einem Drit tel der
betroffenen Patienten muss die Ste-
roidbehandlung (in niedriger Dosis)
aber oft länger fortgesetzt werden.
Wie immer bei einer länger dau-
ernden Steroidbehandlung ist natür-
lich eine Osteoporoseprophylaxe (im
Minimum genügende Zufuhr von Cal-
cium und Vitamin D) obligatorisch;
zudem sollte im Verlauf eine Kno-
chendichtemessung durchgeführt
werden, um eine allfällig schon be-
stehende Osteoporose zu erkennen
und entsprechend zu be handeln.
Eine Alternative zur Cortisonbehand-
lung ist bis heute nicht bekannt, und
im Gegensatz zu den meisten ande-
ren entzündlich-rheumatischen
Er krankungen wie etwa der rheuma-
toiden Arthritis ist es nur selten
möglich, mit sogenannten Ba sis -
medi kamenten wie zum Beispiel Me-
thotrexat® den Cortisonbedarf zu
reduzieren.
Tabellen10
Tabelle 1Polymyalgia rheumatica –
Diagnostische Kriterien
1. Alter über 50 Jahren
2. Seit mindestens einem Monat
Schmerzen und Morgen-
steifi gkeit an mindestens zwei
der folgenden Stellen:
– Schultern und Oberarme
– Hüfte und Oberschenkel
– Nacken und Oberkörper
3. Blutsenkungsreaktion über
40 mm/Stunde
4. Ausschluss einer anderen
Erkrankung
Tabelle 2 Unterschiede Polymyalgia rheumatica Fibromyalgie
Patientenalter über 50 J unter 50 J
Schmerzlokalisation Schulter-/Beckengürtel diffus, auch peripher
Schmerzmaximum nachts und morgens meist zunehmend im Tag
Steifi gkeit der Muskeln häufi g selten
Abnorme Laborbefunde ja nein
Besserung auf Steroide sofort und durchschlagend keine Besserung
Tabellen10
Tag
11Über die Rheumaliga
Die Rheumaliga setzt sich für
Menschen mit einer rheumatischen
Erkrankung ein und fördert die
Gesundheit. Sie erbringt ihre
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richtet sich damit an Betroffene,
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Die Rheumaliga Schweiz ist eine
Dachorganisation mit Sitz in Zürich
und vereinigt 20 kantonale/regiona-le
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Patientenorganisationen. Sie
besteht seit 1958 und trägt das
ZEWO-Gütesiegel für gemeinnützige
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■ Bewegungskurse
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förderung
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