Prävention, Diagnose und Management von Kieferosteonekrosen (ONJ)
während einer osteoprotektiven Therapie onkologischer Patienten
Prof. Dr. med. Ingo J. Diel
Facharzt für Gynäkologie und
Geburtshilfe – Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie
Praxisklinik am Rosengarten Mannheim
PD Dr. Dr. med. Sven Otto
OberarztKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgiedes Klinikums der Universität
München
PD Dr. med. Tilman Todenhöfer
OberarztKlinik für Urologie
Universitätsklinikum Tübingen
Inhalte
Kieferosteonekrosen – Definition, Kriterien und Symptome
Inzidenz – allgemein sowie unter Bisphosphonaten und Denosumab
Pathophysiologie und Risikofaktoren
Prophylaxe/Prävention und Zahnextraktion unter osteoprotektiver Therapie
Behandlung von Kieferosteonekrosen
Empfehlungen für die Praxis
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Kieferosteonekrosen –Definition, Kriterien und Symptome
Nekrosen der Kieferknochen (Osteonecrosis of the Jaw, ONJ) sind seit langer Zeit bekannt. Erstbeschreibung 1674 durch H. Brandt aus Hamburg1
Seit 1833 wurden Zündhölzermit weißem Phosphor produziertinsb. in England, Österreich undDeutschland. Erste Beobachtungenvon ONJ bei Zündholzarbeiternstammen aus den Jahren 1839 bis 1843
In der Anfangszeit der Strahlentherapie waren Knochennekrosen relativ häufig. Mit Verbesserung der Bestrahlungstechniken nahm die Häufigkeit ab. Seit den 1990er Jahren nimmt die Häufigkeit wieder zu. Mögliche Ursache dieser Zunahme ist die Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie4
Nekrosen der Kieferknochen (ONJ) –eine „altbekannte“ Nebenwirkung
1 Erna Lesky in: Wiener klinische Wochenschrift 1966; 37:601-604 2 Case of Dr John P. Andrews, The Occupational Diseases, W Gilman Thompson, D Appleton & Co, New York, 19143 London Hospital Medical College Museum4 J. Freyschmidt: Skeletterkrankungen: Klinisch-radiologische Diagnose und Differentialdiagnose. Ausgabe 3, Springer, 2008, ISBN 3-540-45529-9, S. 140
Phosphornekrose:A Deformation durch
Knochennekrose des Unterkiefers und Periostentzündung2
B Resezierter Unterkiefer3
Eine Medikamenten-assoziierte Kieferosteonekrose (MRONJ) ist eine seltene Nebenwirkung, die bei der Verwendung der osteoprotektiven/antiresorptiven Wirkstoffe (Bisphosphonat und Denosumab) zur Prävention skelettbezogener Ereignisse bei Patienten mit Krebs und Knochenmetastasen oder zur Behandlung von Riesenzelltumoren des Knochens auftreten kann.1
Medikamentenabhängige Kiefernekrosen –Definition und Kriterien
1 Khan AA et al. J Bone Miner Res 2015;30:3–232 Ruggiero SL et al. J Oral Maxillofac Surg. position paper on medication-related osteonecrosis of the jaws—2014 update
Exponierter nekrotischer oder sondierbarer Knochen für mehr als 8 Wochen
Laufende oder frühere Einnahme von osteoprotektiven (Bisphosphonate/Denosumab) oder antiangiogenetischen Medikamenten
Keine stattgehabte Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich, keine Metastasierung
Kriterien nach der American Association für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie AAOMS 2007, 2009 und 2014 (Update):2
!
Medikamentenabhängige Kiefernekrosen –Symptome
1 Aljohani S et al. J Oral Maxillofac Surg. 46 (2018) 1515-15252 Mast G et al. J Oral Maxillofac Surg. 40 (2012) 568-5713 Otto S et al. J Oral Maxillofac Surg. 40 (2012) 303-309
Oft asymptomatisch! Sämtliche Entzündungszeichen,
u. a. Schmerzen, Schwellung derGingiva, Gingivaerythem,Fistelbildungen, Infiltrationen imWeichgewebe bis Logenabszess
Halitosis (Mundgeruch) Fehlende bzw. verzögerte Heilung
nach Zahnextraktionen, Ulcera der Gingiva
Symptome durch Nervenreizungen(Kälte, Wärme, Klopfen, Druck)
Lockere Zähne (Spätstadium)
Symptome1-3:
Entzündung der KH (Sinusitis maxillaris2), aber auch MAV (Mund-Antrum-Verbindung) – also eine Eröffnung der KH (durch Erkrankung oder aber posttherapeutisch)
Besondere Symptome im Oberkiefer (OK):
Sensibilitätsstörung im Bereich der Unterlippe (sog. Vincent-Zeichen –aber Cave: DD Metastase bei maligner Grunderkrankung), pathologische UK Fraktur (nur im Spätstadium)
Besondere Symptome im Unterkiefer (UK):
Inzidenz – allgemein sowie unter Bisphosphonaten und Denosumab
Inzidenz – allgemein
Bis zu 70 % der Patientinnen und Patienten mit Mamma-Ca oder Prostata-Ca leiden im fortgeschrittenen Stadium ihrer Krankheit an Skelettmetastasen. Auch Tumore der Lungen, des Magens, der Harnblase und des Kolons metastasieren oft in die Knochen1
Der Einsatz von Bisphosphonaten oder Denosumab bei soliden Tumoren und beim Multiplen Myelom ist heute ein akzeptierter Standard2
Beim Einsatz von Antiresorptiva bei Tumorerkrankungen ist das ONJ-Risiko deutlich höher als beim Einsatz im Rahmen der Osteoporose3,4,5
Bei > 60 % der Patienten ging Zahnextraktion einer ONJ voraus6
Gleichzeitige Gabe von Angiogenese-Inhibitoren oder Glukokortikoiden erhöht ONJ-Risiko7
1 Roodman GD. N Engl J Med 2004 Apr 15;350(16):1655-642 Bartl, R., E. Tresckow and C. Bartl (2006). Bisphosphonat-Manual Wirkungen -Indikationen –Strategien, Springer-Verlag.3 Cummings, S.R., et al., N Engl J Med, 2009. 361(8): p. 756-65 4 Stopeck AT et al. J Clin Oncol, 20105 Fizazi K et al.6 Stopeck et al. Support Care Cancer 20167 Christodoulou, C., et al., Oncology, 2009 76(3): p. 209-11
Lancet, 2011. 377 (9768): p. 813-22. Jan;24(1):447-55
Inzidenz – Bisphosphonate
Deutlich höheres Risiko für ONJ bei Patienten, die intravenöse Bisphosphonate (BPs) erhalten verglichen zu oralen BPs1
Erhöhtes Risiko mit zunehmender Dauer der Behandlung(vor allem bei Behandlung > 4 Jahre)1
Patienten, die ein ONJ entwickeln, wurden öfter lang mit BPs behandelt2
Risiko für ONJ bei Anwendung von Zoledronsäure höher als bei Anwendung von Pamidronat3
Kein signifikanter Unterschied in ONJ-Raten bei Anwendung im 4- oder 12-Wochen-Intervall (2,0 % vs. 1,0 %)4
Nicht-Aminobisphosphonate (z. B. Clodronat) verursachen im Gegensatz zu Amino-BPs signifikant weniger Kieferosteonekrosen5
1 Bamias et al. J Clin Oncol 2005; 23:85802 Hoff et al., J Bone Min Res. 2008, 23:8363 Durie et al. NEJM 2005 353:994 Himelstein et al. JAMA 2017 317:485 Diel IJ et al. Crit Rev Haematol Oncol 2007;64:198-207
Mit Denosumab behandelte Patienten bleiben eine signifikant längere Zeit (8,2 Monate) ohne skelettbezogene Komplikationen als mit Zoledronsäurebehandelte Patienten.1
Zunehmendes Risiko mit zunehmender Dauer der Behandlung:2
− Im ersten Jahr: 0,7–1,4 %− Nach mehr als einem Jahr: 2,0–3,4 %
Bei Anwendung zur Osteoporosetherapie oder Behandlung des tumortherapie-induzierten Knochendichteverlustes CTIBL (Dosis von 60 mg alle 6 Monate) deutlich niedrigere Raten an ONJ (< 1 %)5
Bei soliden Tumoren: 1,9 % für Denosumab gegenüber 1,2 % für Zoledronsäure (p = 0,08) Multiples Myelom: 4,1 % für Denosumab gegenüber 2,8 % für Zoledronsäure Mediane Zeit bis zum Auftreten: 15 bis 16 Monate
Inzidenz – Denosumab
1 Lipton A, et al. Eur J Cancer 2012; 48:3082-92
3 Raje et al., Abstract 8005, ASCO 20174 Qi et al. Int J Clin Oncol 2014, 19:4035 Patel et al. Br Dent J 2018; 224:74
2 Stopeck et al. Support Care Cancer 2016 Jan;24(1):447-55
Im Vergleich zu Zoledronsäure nicht signifikant höhere Rate an ONJ:1,2,32,3,4 !
Pathophysiologie und Risikofaktoren
Im gesunden Knochen herrscht ein Gleichgewicht zwischen Osteoblasten-(Knochenaufbau) und Osteoklastenaktivität (Knochenabbau)
Tumorzellen können Botenstoffe abgeben, welche die Osteoblasten zur Ausschüttung von RANK-Liganden anregen. Dadurch wird die Heranreifung und Aktivität von Osteoklasten gesteigert, der Knochen wird vermehrt abgebaut, was wiederum das Freisetzen von Wachstumsfaktoren bewirkt, die das Tumorwachstum antreiben
Bisphosphonate reduzieren die Aktivität der Osteoklasten durch Hemmung der Signaltransduktion und der Zellfunktion. Denosumab maskiert den RANK-Ligand und unterbindet dadurch den überschüssigen Knochenabbau durch die Osteoklasten
Der Teufelskreis der Knochenzerstörung bei Knochenmetastasen1
1 Stopeck et al. Support Care Cancer 2016 Jan;24(1):447-55
Bisphosphonate haften lange am Knochen2 und sorgen auch nach Absetzen weiter für eine reduzierte Resorption. Denosumab hat mit ca. 4 Wochen eine deutlich kürzere Halbwertszeit und erlaubt ein kontrolliertes Absetzen.
!
Therapie von Knochenmetastasen –antiresorptive Therapie1-5
1 Nach: Boyle WJ et al., Nature 423:337–42, 20032 Roodman GD. N Engl J Med 350(16):1655–64, 20043 Green JR. Oncologist 9(Suppl 4):3–13, 2004 4 Mundy GR. Nat Rev Cancer ;2:584–93; 20025 McClung MR, et al. N Engl J Med 2006;354:821–31
RANK-Ligand
Osteoblast
Tumorzelle
Osteoklast
Bisphosphonate
Osteoblasten und andere Knochenzellen erhöhen die Expression von RANK-Ligand
2
Tumorzellen: Sekretion von Faktoren, die Osteoblasten zur Sekretion von RANK-Ligand anregen
1
Überexpression von RANK-Ligand: verstärkte Bildung und Funktion sowie längeres Überleben von Osteo-klasten -> übermäßige Knochenresorption
3
Knochenresorption: Freisetzung von Wachstumsfaktoren aus der Knochen-matrix, die die Tumoraktivität fördern
4
Denosumab fängt freien RANK-Ligand ab und hemmt dadurch Bildung, Funktion und Überleben der Osteoklasten.
Bisphosphonate werden bei der Knochenresorption von den Osteoklasten aufgenommen und wirken erst dort. Sie hemmen Enzymwege und induzieren eine Inaktivierung oder Apoptose der Osteoklasten.
Im Kieferknochen wurde die höchste Knochenumbaurate und die stärkste Akkumulation von Bisphosphonaten innerhalb des Skeletts festgestellt 1
Der überwiegende Teil der MRONJ-Fälle ist mit dentoalveolären Eingriffen (Zahnextraktion, Wurzelspitzenresektion, Implantation) assoziiert. MRONJ treten ebenso beim Vorhandensein von Prothesendruckstellen auf 2
Bakterielle und entzündliche Prozesse spielen für die Entstehung und Ausprägung der MRONJ ebenso eine Rolle, da diese oft ursächlich für die Notwendigkeit dentoalveolärer Eingriffe sind 3
Während antiresorptive Medikamente im Achsenskelett osteoprotektiv wirken und das Fortschreiten von Osteoporose oder osteolytischen Knochenmetastasen reduzieren, können diese Wirkstoffe im Kieferbereich zum Auftreten von nekrotischen Arealen führen.
Kieferosteonekrosen – Pathophysiologie
1 Huja, F. et al. 2006 2 Walter, Grötz et al. 2007 3 Ruggiero, Dodson et al.
Anat Rec A Discov Mol Cell Evol Biol 288(12): 1243-1249Supportive Care in Cancer15(2): 197-202
Medication-Related Osteonecrosis of the Jaw - 2014 Update. A.A.o.O.a.M. Surgeons.
Obwohl die exakte Pathogenese der MRONJ noch nicht geklärt ist,wurden einige Hypothesen entwickelt:
!
1 Otto S,et al. Cancer Treat Rev. 2018 Sep;69:177-187
MRONJ-Risikofaktoren1 – wenn eins zum anderen kommt
entzündliche Erkrankungen der Zähne und des Zahnhalteapparates
(marginale und apikale Parodontitis), dento-alveoläre Eingriffe,
auslösende Ereignisse, hoher Druck insb. UK,
schlechte Durchblutung
Zahnstatus/Mundhygiene
z. B. Applikationsart (i.v.), Dosis, Dauer und
Frequenz der Behandlung mit Bisphosphonaten,
Denosumab, Angiogenesehemmer
Medikamenten-abhängige Faktoren
z. B. Diabetes mellitus, Rheuma,
Niereninsuffizienz, genetische Faktoren, Immunsuppression,
Kortikosteroidtherapie
Systemische Faktoren
MRONJ
++
Zahnsanierung vor einer Bisphosphonat- bzw. Denosumabtherapie, falls möglich (LoE 2b)
Information der Patienten über ONJ-Risiko und Instruieren über Frühsymptome
Bei hohem ONJ-Risiko Anwendung oraler Bisphosphonate
Gute Zahnhygiene, nur mäßiger Alkoholkonsum sowie Nikotinverzicht
Unter Bisphosphonat- bzw. Denosumabtherapie Vermeidung elektiver zahnärztlich chirurgischer Eingriffe mit Knochenexposition. Falls unvermeidbar wird der prophylaktische Einsatz von Antibiotika empfohlen (LoE 2b)
Empfehlungen für die Prävention von Kieferosteonekrosen (ONJ)
* Oxford-Evidenzniveau LoE: 4 - Nur nicht randomisierte Kohortenstudien mit historischen Kontrollen liegen dazu vor;LoE 2b - Randomisierte Studien mit hohem falsch-negativen Ergebnis (niedrige Studienpower) liegen dazu vor; Oxford-Empfehlungsgrad GR: C - Fallserien, schlechte Kohorten- und Fall-Kontrollstudien AGO-Empfehlungsgrad: +, unter den Möglichkeiten: -, +/-, +, ++https://www.ago-online.de/de/infothek-fuer-aerzte/leitlinienempfehlungen/mamma/ Blatt: Osteoonkologie und Knochengesundheit
Die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie bewertetOxford LoE: 4 GR: C AGO: + *
Prophylaxe/Prävention und Zahnextraktion
unter osteoprotektiver Therapie
Vorstellung bei Zahnarzt/Oral- oder Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgvor dem Beginn der antiresorptiven Therapie:
ASORS-Laufzettel1
Klinische und radiologische Ausgangsuntersuchung
Zeitliche Abstimmung mit dem notwendigen Beginn einer Osteoprotektion
Beratung, Risikoaufklärung und Patienteninstruktion
Prophylaxe – vor antiresorptiver Therapie
1 K. A. Grötz, Wiesbaden, im Auftrag der ASORS; www.onkosupport.de ASORS-Laufzettel empfohlen durch die S3-Leitlinie BP-ONJ (007.091; www.awmf.de)
Invasive Maßnahmen vor antiresorptiver Therapie
Einbinden in regelmäßiges Recall
Zielsetzung – Erkennung und Eliminierung entzündlicher Zustände: !
Zahnärztliche Evaluation vor Einleitung einer Therapie:
Prophylaxe – ASORS-Laufzettel1
1 K. A. Grötz, Wiesbaden, im Auftrag der ASORS; www.onkosupport.de ASORS-Laufzettel empfohlen durch die S3-Leitlinie BP-ONJ (007.091; www.awmf.de)
Zahnärztliche Evaluation vor Einleitung einer Therapie:
Prophylaxe – ASORS-Laufzettel1
1 K. A. Grötz, Wiesbaden, im Auftrag der ASORS; www.onkosupport.de ASORS-Laufzettel empfohlen durch die S3-Leitlinie BP-ONJ (007.091; www.awmf.de)
Aufklärung der Patienten über Maßnahmen zur Risikoreduktion (Mundhygiene), regelmäßige PZR und Frühzeichen einer ONJ
Behandlung aktiver Infektionen vor Einleitung der Therapie
Abwarten der osteoprotektiven Therapie bis Mukosa über Extraktionswunde1
Ggf. Erniedrigung des Risikos durch 3-monatliche Vorstellung beim Zahnarzt2
Reduktion von Alkohol und Nikotinkonsum3
Prophylaxe – vor antiresorptiver Therapie
1 Vandone et al. Ann Oncol 2012, 23:1932 Mücke et al. J Craniomaxillofac Surg 2016; 44:16893 Vescovi et al. Minerva Stomatol 2010;59:181
Gute Prophylaxe ließ das Auftreten von ONJ um 82 % senken2 !
Regelmäßige intraorale Untersuchung: Patientenaufklärung Mundhygieneinstruktion Früherkennung MRONJ
Konservative Behandlung von entzündlichen Zuständen: Professionelle Zahnreinigung, systemische Parodontaltherapie Endodontische Behandlungen, Eliminierung von Prothesendruckstellen
Invasive Maßnahmen: Nur wenn notwendig, möglichst atraumatische OP-Technik Antibiotische Prophylaxe: Amoxicillin/Clindamycin Plastische Deckung der Wunden und Kontrolle bis zur vollständigen Abheilung
Prophylaxe – unter osteoprotektiver Therapie1-4
1 Leitlienien DGZMK: Grötz K et al. 2012 S3 Leitlinie Stand 04/2012 – neue LL 20182 Diel IJ et al. 20073 Khosla S et al. 2007 4 Otto S,et al. Cancer Treat Rev. 2018 Sep;69:177-187
J Bone Miner Res. 2007 Oct;22(10):1479-91.
Leitlinien der DGMKG zu Zahnextraktionen/dentoalveolär chirurgischen Eingriffen bei Bisphosphonat- und osteoprotektiver Therapie:
Prolongierte perioperative systemische Antibiose
Atraumatische Operation mit sparsamer Periost-Denudierung
Abtragung scharfer Knochenkanten und plastische Deckung
Zahnextraktionen – unter osteoprotektiver Therapie1-3
1 Leitlienien DGZMK: Grötz K et al. 2012 S3 Leitlinie Stand 04/2012 – neue LL 20182 Yarom N, Fedele S. J Oral Maxillofac Surg. 2010 Mar;68(3):7053 Otto S Medication-Related Osteonecrosis of the Jaws: Bisphosphonates, Denosumab and New Agents. Springer 2015
Frage: Stellen die Empfehlungen eine effektive Prophylaxe für die Entstehung einer MRONJ bei Zahnextraktionen dar?
?
Zahnextraktionen unter osteoprotektiver Therapie –retrospektive Kohortenstudie (2007–2013):1
Ergebnisse: 67 von 72 Patienten reizlose Abheilung (93,1 %) 209 von 216 Alveolen reizlos abgeheilt (96,8 %) 3 Patienten mit ONJ in Extraktionslokalisation (Stadium I) Tendenz zu verzögerter weichgewebiger Wundheilung (Naht-ex 10d+)
72 Patienten:− 53 weiblich− 19 männlich
91 Eingriffe 216 extrahierte Zähne:− 119 Oberkiefer− 97 Unterkiefer
Ø Nachkontrollzeit: 14,9 Monate
20 auffällige Befunde zum Zeitpunkt der Extraktion (partiell devitalisierter Knochen) – ABER Abheilung!
1. Otto S, et al. J Craniomaxillofac Surg 2015 Jul; 43(6): 837-846
Grunderkrankung:− Osteoporose 29 (40,3 %)− Tumoren 43 (59,7 %)
Bisphosphonat-Applikation:− oral: 27 (37,5 %)− intravenös: 41 (67,0 %)− kombiniert: 4 (5,5 %)
Ø Einnahmedauer: 36,2 Monate
!
Fallbeispiel aus der Kohortenstudie unter Bisphosphonattherapie:
65-jährige Patientin mit Osteoporose
Orale Bisphosphonattherapie mit Alendronat seit 4 Jahren
Antibiotische Prophylaxe (Amoxicillin/Clavulansäure oder Clindamycin)
Zahnextraktionen OK und UK, plastische Deckung der Wunden
Knochendefekt unter Zähnen 33, 34
Extraktion und Deckung 33, 34
Zahn 15 defektExtraktion und Deckung 15Status nach ca. 6 Wochen
Zahnextraktionen unter osteoprotektiver Therapie –Fallbeispiel aus der Kohortenstudie:1
1 Otto S, et al. J Craniomaxillofac Surg 2015 Jul; 43(6): 837-846
Status nach ca. 6 Wochen
Zahnextraktionen unter osteoprotektiver Therapie –Kohortenstudie:1
1 Otto S, et al. J Craniomaxillofac Surg 2015 Jul; 43(6): 837-846
Zahnextraktionen (Ex) können entsprechend der geltenden Leitlinien bei Patienten unter antiresorptiver (AR) Therapie sicher durchgeführt werden
WICHTIG für Anamnese, dass der Zahnarzt weiß, dass der Patient AR nimmt
Die auffälligen histopathologischen Befunde zum Zeitpunkt der Ex belegen die Relevanz einer Infektion bei MRONJ
Bei Einhalten der Leitlinien besteht nur für Hochrisikopatienten (langjährige AR-Applikation in onkologischer Dosierung) ein relevantes Risiko
Wichtigste Risikoprophylaxe: exakte Anamnese!
Zahnextraktion (operatives Trauma) nicht per se Ursache für MRONJ
Fazit !
Behandlung von Kieferosteonekrosen
Konservative Therapie – nur Antibiose und Absetzen der Antiresorptiva:
Van den Wyngaert et al.1: 53 % zeigten eine Symptomverbesserung
Badros et al. 2: 62 % zeigten eine Symptomverbesserung
Nicolatou-Galitis et al. 3: 14,9 % (7/47 Patienten) zeigten schleimhäutige Abheilung
Chirurgische Therapie:
Stanton et al.4: 86 % zeigten schleimhäutige Abheilung
Carlson and Basile et al. 5: 87 % zeigten schleimhäutige Abheilung
Voss et al. 6: 90,5 % zeigten schleimhäutige Abheilung
Therapie MRONJ
1 Van den Wyngaert et al. Ann Oncol. 2009 Feb;20(2):331-6 2 Badros et al. J Clin Oncol. 2008 Dec 20;26(36):5904-93 Nicolatou-Galitis et al. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod. 2011 Aug;112(2):195-2024 Stanton et al. J Oral Maxillofac Surg. 2009 May;67(5):943-505 Carlson and Basile et al. J Oral Maxillofac Surg. 2009 May;67(5 Suppl):85-956 Voss et al. Odontology 2017 Oct;105(4):484-493
Fazit: Die Erfolgsraten einer chirurgischen Therapie sind deutlich höher, vorhersehbarer und schneller.
1
2
!
Fallbeispiel: Chirurgischer Eingriff entsprechend der Leitlinie
Adäquate Indikationsstellung und Aufklärung des Patienten
Abwägung Nutzen einer drug holiday
Antibiotische Prophylaxe (Amoxicillin/Clavulansäure oder Clindamycin)
Plastische Deckung der Wunden
1. Status vor OP; Entfernung der Zähne 33 und 34
2. Entfernung nekrotischer Knochen; Knochenglättung; plastische Deckung
3. Verschließen der Wunde
4. Zum Vgl. Röntgenbefund nach Entfernung, noch unvollständige Remodellierung Alveolen
5. Status ca. 6 Wochen
Chirurgische Therapie MRONJ unter Denosumabtherapie
Chirurgische Therapie MRONJ –Fluoreszenz-orientierte Nekroseabtragung:1
Exzitation: 400–460 nmFilter bei: 540 nm
Fluoreszenzlampe
1 Pautke C et al. J Oral Maxillofac Surg. 2011 69 (1), 84-91
Vitales Gewebe leuchtet unter Fluoreszenzlicht hellgrün
Präoperativ verabreichtes Tetrazyklin-Präparat kann intraoperativ als ein wertvoller Marker zur Unterscheidung von vitalem und nekrotischem Knochen genutzt werden
Auch Knochenautofluoreszenz kann genutzt werden
Chirurgische Therapie MRONJ –Fluoreszenz-orientierte Nekroseabtragung
vor OP intra-OP Nekroseabtragung und Knochenglättung
Röntgenbild nach vollständiger
Entfernung
vollständig abgeheilt –
Aufnahme ca. 6 Wochen nach OPhomogen grünliche
Fluoreszenz des vitalen Knochens
(Auslöschung durch Blut/Hämoglobin)
nekrotischer Knochen
zeigt keine Fluoreszenz
1. Otto S. et al. J Craniomaxillofac Surg 2016 Aug;44(8):1073-80
Ergebnisse prospektive Untersuchung:1,2
54 Patienten mit 65 MRONJ-Läsionen
Ergebnisse Fluoreszenz-orientierte Nekroseabtragung: 47 von 54 Patienten (87,0 %) vollständige schleimhäutige Abheilung 58 von 65 Läsionen (87,4 %) vollständige schleimhäutige Abheilung
Bei 4 Patienten mit 6 Läsionen war ein zweiter chirurgischer Eingriff notwendig
Ergebnisse nach zweitem Eingriff: 51 von 54 Patienten (94,4 %) vollständige schleimhäutige Abheilung 62 von 65 Läsionen (95,4 %) vollständige schleimhäutige Abheilung
Chirurgische Therapie MRONJ –Fluoreszenz-orientierte Nekroseabtragung
1. Otto S. et al. J Craniomaxillofac Surg 2016 Aug;44(8):1073-802. Pautke C. Treatment of Medication-related osteonecrosis of the jaw. In Otto S. Medication-Related Osteonecrosis of the Jaw: Bisphosphonates, Denosumab and New Agents.
Springer 2015:79-92
Fazit: Aktuelle Therapiemethoden ermöglichen eine sichere Behandlung der Kieferosteonekrosen.
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Empfehlungenfür die Praxis
Empfehlungen zum Umgang mit Kieferosteonekrosen
Informationsaustausch zwischen behandelndem Arzt und Zahnarzt, Kieferchirurgen und -orthopäden
Anamnese bezüglich Zahn-, Kiefer- und Zahnfleischerkrankungen, ggf. mit Inspektion der Mundhöhle
Eine Osteoprotektion in der Onkologie ist eine Langzeitbehandlung: deshalb zuvor Sanierung des Gebisses
Anleitung des Patienten zur Zahnpflege vor und während osteoprotektiverTherapie
Bei Kieferosteonekrose ohne Metastasen: ein Absetzen des Präparates je nach Risiko evaluieren
Bei Kieferosteonekrose mit Metastasen die Therapie pausieren (Halbwertzeit des Osteoprotektivums beachten) und nach der Behandlung mit geeigneter Osteoprotektion fortfahren
Zusammenfassung
Kieferosteonekrosen (ONJ) sind eine „altbekannte“ Nebenwirkung Osteoprotektive Wirkstoffe Bisphosphonat bzw. Denosumab können MRONJ begünstigen
Otto S, et al.Cancer Treat Rev. 2018 Sep;69:177-187
Bakterielle und entzündliche Prozesse im Mundraum und die daher inzidierten dentoalveolären Eingriffe
Vorhandensein von Prothesendruckstellen Medikamentenabhängige Faktoren/systemische Faktoren
Risiko-faktoren
Anamnese ist die beste Prophylaxe Patienteninfo über ONJ und Frühsymptome Vorstellung beim Zahnarzt (ASORS-Laufzettel) Zahnsanierung möglichst vor Therapiebeginn Beachtung der DGMKG-Leitlinien bei Extraktion
Prophylaxevor/unter
antiresorptiver Therapie1
Chirurgische Therapie deutlich erfolgreicher als konservative Therapie Vermeidung entzündlicher Zustände im Kieferbereich! Richtige Indikationsstellung und Aufklärung bei invasiven Eingriffen und
plastischer Deckung
Behandlung Kiefer-
osteonekroseMRONJ1