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Qualität in
Psychiatrie und Psychotherapie
aus Sicht der Klinik
Leiter des Arbeitsbereich PsychosenKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zentrum für Psychosoziale Medizin
Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf
Direktor: Prof. Dr. Dieter Naber
Prof. Dr. Martin LambertGewinner
des RFH-
Hospital-
Innovation-
Preis 2008
Gesund-
heitsregion
der Zukunft
Netzwerk
psychische
Gesundheit
2011-2014
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Qualität von Psychiatrie und Psychotherapie
aus Sicht der Klinik
...natürlich sollten...
Struktur und Intervention in psychiatrischen Kliniken
qualitätsgesichert und leitliniengerecht sein,
die Atmosphäre betroffenengerecht sein,
psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen in der
Klinik von hoher Qualität sein,
alle Mitarbeiter psychiatrischer Klinik ständig qualifiziert fortgebildet
werden,
etc., etc.
aber...
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1-Jahres und Lifetime-Prävalenzen für
psychische Erkrankungen in Deutschland
(N=4181)
1
4,5
9,9
17,1
16,2
18,4
42,6
0,8
2,6
4,5
10,7
11
14,5
31,1
0 10 20 30 40 50
Bipolare Erkrankung
Alle psychotischenErkrankungen
Suchterkrankungen
Unipolare Depression
PsychosomatischeErkrankungen
Angststörungen
Gesamt
1-Jahres Prävalenz (in %)
Lebenszeit-Prävalenz (in %)
Jacobi F et al. Psychol Med 2004; 34: 597-611.
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Anteil von (noch) nicht erkannten
psychischen Erkrankungen
Thornicroft G. Lancet 2007; 370(9590): 807-8.
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Behandlungsverzögerungen bei
psychischen Erkrankungen (in Jahren)
Wang PS et al. Arch Gen Psychiatry 2005; 62: 603 – 613.
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Altersrange, in dem sich die psychischen
Erkrankungen manifestieren (N=9282)
Kessler et al. Arch Gen Psychiatry 2005; 63: 593-602.
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Das Problem der psychiatrischen
Kliniken im Gesamtversorgungssystem
Kliniken haben einen großen Anteil an den jährlichen
Gesamtversorgungskosten, sind aber zumeist nicht
wirklich an der Gesamtversorgung und deren Qualität
beteiligt.
Im Gegenteil werden Kliniken für qualitativ schlechte
ambulante Behandlung sogar finanziell entlohnt.
Im Prinzip gibt es in Deutschland keine(n)
Verantwortlichen für eine schlechte (oder gute)
psychiatrische / psychotherapeutische
Gesamtbehandlung.
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Relative Veränderung der Krankenhaus-
verweildauern in 6 ICD-10 Kapiteln (GEK)
Im Vergleich zu
1990 sind die
Verweildauern
bis 2009 um
53% gestiegen!
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Verweildauerkürzung und Zunahme der
stationären Wiederaufnahmen
Mittlere Verweildauer
pro stationärem
Aufenthalt
Mittlere Zahl
Wiederaufnahmen
innerhalb von 365 Tagen
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Ambulante psychiatrische Versorgung
Leistungserbringer Fallanteile in % Ausgabenanteile in %
Niedergelassene Psychiater
Psychologische Psychotherapeuten
Psychiatrische Institutsambulanzen
Ärztliche Psychotherapeuten
64.9%
16.9%
10.3%
8.2%
74.9%
25.1%
23.3%
43.9%
11.3%
65.3%
21.4%
34.6%
Fachärztliche Psychiatrie: Für 3/4 der Fälle 1/3 der Honorare
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Behandlungsfrequenz und -dauer
pro Patient im Quartal (N=902)
67,159,5
0
20
40
60
80
100
1 Termin alle 1-3Monate im
Quartal
Dauer von 5 bis30 Minuten pro
Termin
DurchschnittlicheBehandlungsfrequenzund -dauer für 902 Psychose Erkranktepro Quartal
Befragung von 902 Psychosepatienten auf Psychose.de
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Jemals erhaltene Therapien bei
Psychose Betroffenen (N=902)
Befragung von 902 Psychosepatienten auf Psychose.de
4,2
7,9
8,1
9,4
11
14,3
22,4
22,5
24,3
36,1
78,3
0 20 40 60 80 100
Suchttherapie
Familienintervention
Zuhausebehandlung
Selbsthilfegruppen
Soziales Kompetenztraining
Tiefenpsychologische Therapie
Psychoedukation
Verhaltenstherapie
Ergo-/Arbeitstherapie
Gesprächstherapie
Medikation
Jemals erhaltene
Therapien (in %; N=902)
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Psychotherapie bei Psychose Betroffenen in
Abhängigkeit vom Schweregrad
Befragung von 902 Psychosepatienten auf Psychose.de und Ergebnisse Hamburger Modell
12
30
8
0
10
20
30
40
50
Patienten mit Erhaltaller evidenz-
basiertenInterventionen
Alle Patienten mitPsychotherapie(VT, Gesprächs
oder TP)
SchwererkranktePatienten mit
Psychotherapie
%-Anteil bei Psychose Betroffenen
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Nicht umgesetzte, aber notwendige
Versorgungs- und Qualitätsstrukturen
‚Managed Care‘ Ansatz mit Überwindung der Schnittstellen-
problematik (v.a. ambulant / stationär) und Case-Management
Modell
Balancierte und pragmatische Mischung aus ambulanter und
stationärer Versorgung mit dem Primat der wohnortnahen
aufsuchenden Hilfe inklusive Home treatment und Assertive
Community Treatment (ACT)
Populationsbezogene Gesamtversorgungsnetzwerke unter
Einbindung aller Anbieter mit Behandlungsmandat und
Früherkennung (inkl. SGB 5 / 12 etc.) mit
Ausrichtung und Finanzierung des Gesundheitssystems nach
Schwere der psychischen Erkrankungen bzw. Verhinderung von
Zunahme der Krankheitsschwere (v.a. Stepped-Care Modelle)
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Allgemeine Anforderungen
Managed Care (MC) = Integrated CareDef.: Strukturprinzip, um die Qualität und Effizienz der medizinischen Versorgung durch eine
systematische Steuerung von Versorgungsprozessen zu steigern
Assertive Community
Treatment (ACT)Def.: Aufsuchende
langfristige Behandlung für
Menschen mit chronischen
und schweren psychischen
Erkrankungen
Hometreatment (HT)Def.: Gemeindenahe
Akutbehandlung
psychischer Erkrankungen,
zur Vermeidung einer
stationären Behandlung
Case Management
(CM)Def.: CM soll in einem
fragmentierten Gesund-
heitssystem, die Versorgung
der Patienten sektor- und
schnittstellenübergreifend
organisieren, koordinieren
und überwachen
Die wesentlichen IV-Ansätze in der Psychiatrie setzen MC & CT / HT
(TK Modell) oder MC & ACT / HT / CT (Hamburger Modell) um.
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Integrierte Versorgung Psychose
Teilnehmende Krankenkassen:
DAK
HEK
IKK Classic
AOK Rheinland / Hamburg
Beginn 2011
Techniker Krankenkasse
(UKE Modell)
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FragestellungenDas Hamburger Modell im Überblick
Managed Care Modell mit ‚Capitation‘-Finanzierung
(Jahrespauschale)
Therapeutisches
Modell des Assertive
Community
Treatment (ACT)
Psychosen
Spezialambulanz des
UKE (SPA)
Psychosen Spezialstation
und Akutstation des
UKE (PS II & PS EG)
Tagesklinik und
Krisen-Tagesklinik und
TK-Arbeitstherapie
des UKE
20 niedergelassene
Nervenärzte /
Psychiater
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RFH-Hospital-Innovation-Preis 2008
Auswertung IV-Psychose
1.5.2007-31.3.2011
N=147
Begleitforschung 1021 Tage / 146 Wochen / 2.8 Jahre
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Skalen und MesszeitpunkteFragestellungenGesamtbehandlungsabbruch
6,3
23,2
12,8
4,1
0
10
20
30
40
UKE ACCESS-Studie (1-Jahr)
RISSENACCESS-Studie
(1-Jahr)
UKE IV-Evaluation(3.1 Jahre;praktischeGründe)
UKE IV-Evaluation(3.1 Jahre; nicht-
praktischeGründe)
Service Disengagement (Abbruchder Gesamtbehandlung in %)
p
-
46,547,149,550,5
52,355,255,9
80,4
40
50
60
70
80
90
Aufnahme Monat 6 Monat 12 Monat 18 Monat 24 Monat 30 Monat 36 Monat 42
BPRS Gesamt (alle Patienten)
Veränderung über Zeit: p
-
3,43,43,43,3
3,23,23,3
3,23
2,2
2222
1,8
1
2
3
4
Aufnahme 6 Wochen Monat 3 Monat 6 Monat 12 Monat 18 Monat 24 Monat 30 Monat 36 Monat 42
Alle KK Integrierte Versorgung
ACCESS-Studie = Regelversorgung
Skalen und MesszeitpunkteFragestellungenQ-LES-Q-18
Verlauf Lebensqualität
Veränderung über Zeit: p
-
3,2
3,33,2
3,2
33,2
3,2
3,23
1,9
1
2
3
4
Auf
nahm
e
6 W
oche
n
Mon
at 3
Mon
at 6
Mon
at 1
2
Mon
at 1
8
Mon
at 2
4
Mon
at 3
0
Mon
at 3
6
Mon
at 4
2
Alle KK
Skalen und MesszeitpunkteFragestellungen
Patientenzufriedenheit mit der Behandlung (CSQ-8P; Werte von 1=
schlecht bis 4= exzellent ))
Angehörigenzufriedenheit mit der Behandlung (CSQ-8A; Werte von 1=
schlecht bis 4= exzellent )
3,2
3,23,2
3,3
3,1
3,2
3,2
3,23,1
1,9
1
2
3
4
Auf
nahm
e
6 W
oche
n
Mon
at 3
Mon
at 6
Mon
at 1
2
Mon
at 1
8
Mon
at 2
4
Mon
at 3
0
Mon
at 3
6
Mon
at 4
2
Alle KK
CSQ-8 Verlauf
Veränderung
über Zeit: p
-
Skalen und MesszeitpunkteFragestellungenZwangseinweisungen
43,8
34,9
7,5
0
10
20
30
40
50
Alle Patienten (N=147)
Zwangseinweisungen Lifetime
Zwangseinweisungen in den letzten 2 Jahren vor Aufnahme
Zwangseinweisungen in der IV innerhalb von 2.8 Jahren
-
Kontakte gesamt und nach Art (N=142)
28094
21078
51041912
0
8000
16000
24000
32000
Gesamt ACTKontakte
PIAKontakte
NNKontakte
Stand: 31.12.2010Durchschnittliche
Behandlungsdauer: 912 Tage / 2.5 Jahre
ACT = Assertive Community Treatment TeamPIA = Psychiatrische InstitutsambulanzNN = Niedergelassene Nervenärzte
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Psychotherapie (N=82/142)
7,3
57,7
0
10
20
30
40
50
60
70
Vor Beginn IV Psychose Nach Beginn IV Psychose
Prozentualer Anteil Patienten mitPsychotherapie vor und nach BeginnIV-Psychose
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Beispiel Behandlungsnetzwerk
Hamburg / Eimsbüttel
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Beispiel Behandlungsnetzwerk
Hamburg / Eimsbüttel
Netzwerk unter Einbindung aller Interessengruppen
Beteiligung von Betroffenen und Angehörigen
Gesteuerte Behandlung am Beispiel von Psychosepatienten im
Netzwerk
Implementierung von CM, HT und ACT mit einem „Managed Care
Ansatz“ mit Integrierter Versorgung inklusive Psychotherapie und
Stepped Care Ansatz
Implementierung von strukturierter Früherkennung mit
Behandlungsmandat
Implementierung von Aufklärung über Psychosen
Ausweitung auf andere Diagnosen
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Zusammenfassung
Die Qualität von Psychiatrie und Psychotherapie in der Klinik
kann sich heute nicht mehr nur an der Klinikbehandlung
orientieren, sondern an der Effizienz der
Gesamtbehandlung.
Dies kann nur in Behandlungsnetzwerken mit
Populationsauftrag mit klarer bedarfsgerechter
Strukturierung unter Einschluss von Früherkennung,
Aufklärung und Bildung passieren.
Nur so kann der Fragmentierung der psychiatrischen
Versorgung verbessert entgegen gewirkt und die Qualität
der Gesamtbehandlung verbessert werden.