Wiederherstellung artenreicher mesophiler Wiesen durch Mähgut-Übertragung:
Bedingungen, Ergebnisse, Perspektiven
R. Buchwald, T. Rosskamp, L. Steiner, R. Wolf
Internationale Jahrestagung 2008 des Arbeitskreises Renaturierungsökologie der Gesellschaft für Ökologie
(03. - 06. April 2008)
Warum (Wieder-) Herstellung artenreicherMähwiesen in intensiv genutzten Landschaften?
• Standorte hinsichtlich kennzeichnender ökologischer Faktoren irreversibel verändert (v.a. hydrologische, bodenphysikalische Faktoren)
• Hohe Konzentrationen an Nährionen im Oberboden nach jahr(zehnt)elanger Intensivnutzung
• Typische Grünlandarten teilweise mit kurzlebiger und/oder individuenarmer Diasporenbank
• Typische Grünlandarten teilweise mit geringer Keimrate in situ• Unzureichende Aktivierung der Diasporenbank und Etablierung
wegen fehlender Vegetationslücken• Spenderpopulationen von Grünlandarten individuenarm und/oder in
weiter Entfernung• Fehlende Ausbreitungsvektoren (Überschwemmungen, Weidetiere,
landwirtschaftliche Fahrzeuge u.a.)
Voraussetzungen des Restitutionsprojektes
• naturschutzfachliches Interesse an Entwicklung der Empfänger-fläche
• Vorhandensein einer geeigneten Spenderfläche desselben Grünlandtyps in derselben naturräumlichen Einheit
• geringe Entfernung zwischen Spender- und Empfängerfläche• Kooperation mit lokalen, erfahrenen Landwirten (oder Lohnunter-
nehmern), Naturschutzbehörden und ggf. weiteren Behörden• kein Oberbodenabtrag• Einbettung in Vertragsnaturschutz
Vorgehensweise bei der Durchführung der Maßnahmen
• Auswahl der Empfängerfläche• Auswahl der Spenderfläche• Bodenchemische Analyse der Empfängerfläche vor der Maßnahme
(C/N-Verhältnis, P, K, pH)• Bestandsaufnahme der Flora/Vegetation von Spender- und
Empfängerfläche vor der Maßnahme• Partielle oder vollständige Bodenbearbeitung der Empfängerfläche• Mahd der Spenderfläche und Übertragung des Mähgutes in
frischem Zustand• Ein oder zwei Säuberungsschnitt(e) im Herbst• Anlage von Dauerprobeflächen; Monitoring in den Folgejahren der
Maßnahme
Vielfalt der Mähgut-Übertragungen
I. Spenderflächen (n = 19)• Extensiv genutzte mesophile Wiese (Arrhenatheretalia - Basal-
gesellschaft)• Salbei-Glatthaferwiese (Arrhenatheretum salvietosum)• Typische Glatthaferwiese (Arrhenatheretum typicum)• Mädesüß-Glatthaferwiese (Arrhenatheretum filipenduletosum)• Goldhaferwiese (Polygono – Trisetetum)• Goldhaferwiese (Polygono – Nardetum) / Borstgrasrasen (Nardetum)• Wassergreiskraut-Wiese (Senecioni – Brometum)• Extensiv genutztes Hochmoor-Grünland (Molinietalia - Agrostietalia -
Basalgesellschaft)• Extensiv genutztes Niedermoor-Grünland (Molinietalia - oder
Calthion - Basalgesellschaft)• Sandtrockenrasen (Armerion elongatae)• Halbtrockenrasen (Onobrychido – Brometum)
Vielfalt der Mähgut-Übertragungen
II. Empfängerflächen (Nutzung vor Maßnahme; n = 21)• Getreide- oder Maisacker• Ackerbrache• Wiesen-Einsaat• Bergwiese mit herbstlicher Nachbeweidung• Artenarmes Intensiv- oder Extensivgrünland mäßig
feuchter Hochmoor-Standorte• Artenarmes Intensivgrünland der Flussmarschen• Jüngst umgebrochenes Feuchtgrünland• (Vegetationsfreier Rohboden)• Artenarmes Extensivgrünland frischer Standorte
Vielfalt der Mähgut-Übertragungen
III. Boden-chemische Daten von 20 Mähgut-Aufbringungsflächen in NW- und SW-Deutschland
Angegeben ist jeweils das arithmetische Mittel aus 3 (bisherige Äcker) bzw. 6 (bisherige Wiesen) Einzelwerten.
pH
(C
aC
l 2)
C/N
-Ve
rhä
ltnis
K2O
(mg
*10
0g -
1 )
P2O
5 (m
g*1
00
g -1
)
N 1 Duntzenwerder 4,8 9,1 30,6 29,1
N 3 Jaderkreuzmoor 5,2 10,8 33,4 18,4
N 4 Moorplacken-Süd 4,0 19,1 42,6 79,9
N 5 Moorplacken-Nord 4,6 13,3 116,7 72,2
N 12 Austen 4,7 15,1 21,4 24,3N 13 Spaschen 1 4,2 11,0 23,3 32,3N 16 Wasserwerk Ol 6,0 3,6 8,0 4,1S 1 Mattfeld 1 4,1 9,5 12,2 10,6
S 2 Mattfeld 2 4,5 9,3 18,4 13,8S 3 Mattfeld 3 4,5 6,9 22,7 22,1
S 4-1 Tüllinger Berg 1 7,5 21,2 78,2 28,0S 4-2 Tüllinger Berg 2 7,4 17,1 114,3 68,7S 4-3 Tüllinger Berg 3 7,4 11,9 98,4 102,2S 7 Zienken 6,1 11,6 38,2 18,9
S 8 Mattfeld 4 4,5 7,5 19,5 16,4S 9 Steinenstadt 4,1 10,2 24,0 19,1
S 11 Hohtann-Belchen 4,5 12,3 12,0 1,9S 12 Gisiboden 4,1 10,0 14,0 9,2
S 14 Umkirch 1 6,0 11,1 17,6 8,4S 15 Eberfingen 7,3 30,4 18,9 56,3
Fragestellungen (I) im Projekt„Wiederherstellung und Neuschaffung artenreicher Mähwiesen durch Mähgut-Aufbringung - ein Beitrag
zum Naturschutz in intensiv genutzten Landschaften“
• Welche Wiesentypen lassen sich leicht wiederherstellen oder neu schaffen, welche weniger leicht?
• Aus welchen Nutzungstypen der Empfängerflächen lassen sich artenreiche Wiesenbestände herstellen, aus welchen kaum oder gar nicht?
• Welche Artenzahlen und –zusammensetzungen müssen artenreiche Wiesen aufweisen, um als Spenderflächen geeignet zu sein?
• Welche spezifischen und allgemeinen Grünland-Arten werden häufig, selten oder gar nicht übertragen?
• Gibt es zu hohe oder zu niedrige Boden-Gehalte von Stickstoff, Phosphor oder wesentlichen Kationen (Ca, Mg, K), die eine Arten-Anreicherung auf bisherigen Intensiv- oder Extensivwiesen oder Äckern unmöglich machen?
Versuchsdesign:Sechs Varianten der Mähgut-Aufbringung
am Beispiel der Empfängerfläche Belchen-Hohtann(intensiv genutztes Geranio – Trisetetum) Osten
Mit Bodenbearbeitung Ohne Bodenbearbeitung A Doppelte Schichtdicke
B Einfache Schichtdicke C Null-Fläche
Hangneigung
A
B
C
Spenderfläche Mattfeld SpenderflächeEmpfängerfläche
Mahd mit Kreiselmähwerk (Mittel-schwadablage)
Abtransport per Silierwagen mit Schneidewerk
Abladen des Mähgutes auf der vorbereiteten Fläche
Verteilen des Mähguts mit dem Zetter
Mähgut-Übertragung von einerSalbei-Glatthaferwiese auf eine Ackerfläche
im Juni 2006 (Mattfeld; Stadt Weil am Rhein)
Mähgut-Übertragung auf extensiv genutztes,artenarmes Hochmoor-Grünland (dominant: Holcus lanatus, Deschampsia cespitosa, Juncus effusus)
Gewinnung des Mähguts mit Häcksler und Miststreuer auf der Spender-fläche (Bornhorster Wiesen).
Verteilung des Mähguts mit Mist-streuer auf der Fläche „Moorplacken-Süd“.
Fragestellungen (II) im Projekt„Wiederherstellung und Neuschaffung
artenreicher Mähwiesen durch Mähgut-Aufbringung – ein Beitrag zum Naturschutz in intensiv
genutzten Landschaften“
• Zu welchem Zeitpunkt sollten Mahd der Spenderfläche und Übertragung des Mähgutes erfolgen?
• Welche Art der Bodenbearbeitung (u.a. mit welchem Gerät) ist vorteilhaft für die Vorbereitung unterschiedlicher Empfängerflächen?
• Sollte der Boden bestehender Wiesen/Weiden und Brachen streifenweise oder flächig bearbeitet werden?
• Welche Technik und welches Gerät sind für Übertragung und Aufbringung des Mähgutes zu empfehlen?
• In welcher Schichtdicke sollte das Mähgut aufgebracht werden?
Ergebnisse I:Entwicklung der Gesamtartenzahlen von
2004 (Zeitpunkt der MGA) bis 2007 und der mittleren Artenzahlen in den Dauerquadraten (DQ) 2006 bis 2007
in drei Flächen am Tüllinger Berg
Gebiet 2004 2005 2006 2007 2006 2007
Tüllingen 1 12 27 32 30 16 19
Tüllingen 2 11 30 34 34 18 23
Tüllingen 3 14 26 33 36 20 26
Mittelwert 12 28 33 33 18 23
Gesamtartenzahl mittl. Artenzahl in DQ
Artenentwicklung in der FlächeTüllingen III von 2004 (MGA) bis 2007
Die Zielarten der Salbei-Glatthaferwiese sind hervorgehoben.Art 2004 2005 2006 2007Elymus repens ● ● ● ●Cirsium arvense ● ● ● ●Convolvulus arvensis ● ● ● ●Brachypodium pinnatum ● ● ● ●Trifolium pratense ● ● ● ●Veronica chamaedrys ● ● ●Amaranthus retroflexus ● ●Chenopodium album ● ●Echinochloa crus-galli ● ●Sonchus arvensis ● ●Potentilla reptans ● ●Equisetum arvense ● ●Brassica napus ●Achillea millefolium ● ● ●Centaurea jacea agg. ● ● ●Dactylis glomerata ● ● ●Galium album ● ● ●Poa pratensis ● ● ●Sanguisorba minor ● ● ●Rhinanthus alectorolophus ● ● ●Festuca pratensis ● ● ●Festuca rubra agg. ● ● ●Medicago lupulina ● ● ●Salvia pratensis ● ● ●Taraxacum officinale ● ● ●Glechoma hederacea ●
Art 2004 2005 2006 2007Arrhenatherum elatius ● ●Daucus carota ● ●Medicago sativa ● ●Onobrychis viciifolia ● ●Helicotrichon pubescens ● ●Convolvulus sepium ●Knautia arvensis ● ●Tragopogon pratensis ● ●Trifolium repens ● ●Vicia angustifolia ●Bellis perennis ● ●Leucanthemum ircutianum ● ●Rumex obtusifolius ● ●Poa trivialis ● ●Bromus erectus ●Holcus lanatus ●Leontodon hispidus ●Prunella spec. ●Ranunculus acris ●Trifolium dubium ●Zielarten 0 3 5 6weitere Grünlandarten 2 10 17 20Acker-, Ruderal- und Saumarten
9 9 5 5
Sonstige 2 3 5 4Artenzahl 13 25 32 35
18%
18%
9%
55%
Zielarten
weitere Grünlandarten
Differentialarten
Saumarten, Stickstoffzeiger
Arten Acker-, Schlammfluren
Sonstige
Artenzusammensetzung Tüllingen III
2004
15%
0%
39%31%
0%15%
2005
12%
40%
0%20%
16%
12%
2006
16%
52%
0%
13%
3%
16%
2007
17%
58%
0%
11%
3%
11%
Ergebnisse II:Anzahl der übertragenen Arten ein Jahr
nach der Mähgut-Aufbringung (2005/2007)
0
5
10
15
20
25
Standort
Art
en
zah
l
übertrageneArten
übertrageneGrünlandarten
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Auste
n
Duntze
nwer
der
Jade
rkre
uzm
oor
Spasc
hen
Moo
rplac
ken-
Nord
Moo
rplac
ken-
Süd
Was
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erk
Belche
n-Hoh
tann
Mat
tfeld
I
Mat
tfeld
II
Mat
tfeld
III
Steine
nsta
dt
Tülling
er I
Tülling
er II
Tülling
er II
I
Umkir
ch
Zienke
n
Standort
Art
enza
hl
Arten Spenderfläche
auf Empfängerfläche potentiell übertragbare Arten
übertragene Arten
nicht übertragene Arten
in die Empfängerfläche spontan etablierte Arten
Herkunft und Verbleibverschiedener Artengruppen in Spender- und Empfängerfläche ein Jahr nach Übertragung
Herkunft und Verbleib der Grünland-Artengruppen in Spender- und
Empfängerflächen ein Jahr nach Übertragung
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
Auste
n
Duntz
enwer
der
Jade
rkre
uzm
oor
Spasc
hen
Moo
rpla
cken
-Nor
d
Moo
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Was
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Belche
n-Hoh
tann
Mat
tfeld
I
Mat
tfeld
II
Mat
tfeld
III
Steine
nsta
dt
Tülling
er I
Tülling
er II
Tülling
er II
I
Umkir
ch
Zienke
n
Standort
Art
en
zah
l
Grünlandarten Spenderfläche
auf Empfängerfläche potentiell übertragbareGrünlandartenübertragene Grünlandarten
nicht übertragene Grünlandarten
in Empfängerfläche spontan etablierteGrünlandarten
FlächedSD (n=3)
eSD (n=3)
Null-Flächen (n=2-3)
vorläufige Übertragungs-
rate
Mattfeld 1 17 14 8 sehr hochMattfeld 2 8 7 3 geringMattfeld 3 16 14 1 sehr hochSteinenstadt m.B. 3 3 0,5 sehr geringSteinenstadt o.B. 4 3 0 sehr geringZienken 1 14 13 3 (sehr) hochBelchen-Hohtann m.B. 6 5 4 geringBelchen-Hohtann o.B. - 5 4,5 gering
Angegeben ist jeweils die mittlere Anzahl der Pflanzenarten in Dauerquadraten (DQ) mit doppelter (dSD) und einfacher (eSD) Schichtdicke (n=3 DQ) sowie in Null-Flächen ohne Mähgut-Auftrag (n=2-3 DQ); für Steinenstadt und Belchen-Hohtann werden die DQ mit (m.B.) und ohne (o.B.) Bodenbearbeitung unterschieden.
Ergebnisse III: Durchschnittliche Übertragung von Pflanzenarten durch
Mähgut-Transfer in 6 südwest-deutschen Empfängerflächen
Mittlere Dichte verschiedener Artengruppen in je3 Dauerquadraten mit doppelter (dSD) und
einfacher (eSD) Schichtdicke sowieohne Auftrag von Mähgut (Nullfläche)
Artengruppen (Anzahl Arten) dSD (n=3) eSD (n=3) Nullfläche
Mattfeld 1 (ehemaliger Acker)
Zielarten (4) 1,8 2,0 0,8
allgemeine Grünlandarten (27) 2,0 1,7 1,1
Acker-, Ruderal- und Saumarten (8) 0,7 0,6 1,5
Sonstige (8) 0,4 0,6 0,6
Moorplacken Süd (Hochmoor-Grünland)
Zielarten (3) 2,7 1,7 -
allgemeine Grünlandarten (15) 2,2 1,7 -
Acker-, Ruderal- und Saumarten (8) 1,1 0,8 -
Sonstige (9) 1,1 1,0 -
Projekt Bremgarten (pSC-Gebiet):Verbesserung des Erhaltungszustandes (B,C)
durch internen Mähgut-Transfer (von A,B)
Fazit: Vorläufige Erfahrungen aus 2(4) Jahren Restitution artenreicher mesophiler Wiesen
• Auf ehemaligen Ackerflächen ist bereits ein Jahr nach Impfung der entstehende Wiesencharakter zu erkennen, während bei einigen Wiesen noch kaum eine Artenanreicherung stattgefunden hat.
• Probleme traten v.a. durch unzureichende Kenntnisse und mangeln-des Interesse einzelner Landwirte/Lohnunternehmer, das Fehlen geeigneter Spenderflächen sowie eine starke Vernässung der Empfängerfläche zum Zeitraum beabsichtigter Übertragungen auf.
• Gute Erfolge wurden in erster Linie dort erzielt, wo die vorbereitende Bodenbearbeitung und die Aufbringung/Verteilung des Mähgutes sehr sorgfältig durchgeführt wurden und sowohl die Mahd der Spen-der- als auch die regelmäßige Mahd und der Säuberungsschnitt der Empfängerfläche zu einem günstigen Zeitpunkt stattfanden.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Ergebnisse III: Gesamtartenzahl (2007) derverschiedenen Varianten in 6 südwest- und 7 nordwest-
deutschen Untersuchungsgebieten mit Übertragung in 2006
mit ohneGebiet Bodenbearb. Bodenbearb. dSD eSD Null dSD eSD Null
Mattfeld 1 64 - 39 44 45 - - -Mattfeld 2 51 - 31 37 28 - - -Mattfeld 3 60 - 34 44 30 - - -Steinenstadt 57 73 45 49 26 64 53 32Zienken 1 65 - 49 54 28 - - 29Belchen-Hohtann 35 26 32 30 26 - 25 23
Moorplacken Nord 23 22 - - - - - -Moorplacken Süd 36 24 31 23 13 - - -Duntzenwerder 29 24 - - - - - -Wasserwerk Ol 31 - - - - - - -Jaderkreuzmoor 15 16 - - - - - -Spaschen 1 40 - 28 22 27 - - -Austen 37 - - 32 21 - - -
mit Bodenbearbeitung ohne Bodenbearbeitung
dSD = doppelte Schichtdicke; eSD = einfache Schichtdicke; Null = ohne Mähgut-Auftrag