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Regelenergie – Musterbeispiel mit Herausforderungen
Dr. Uwe Kratzsch, Referent, Beschlusskammer 6
10. Göttinger Energietagung
Göttingen, 15. März 2018
Themenübersicht
Regelenergie – Grundlagen
Beschaffung von Regelleistung per Ausschreibung
Herausforderungen
Ausblick
Fazit
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Regelenergie – Grundlagen
Regelenergie – Grundlagen (1/2)
Gewährleistung der Systemstabilität gehört zu den Kernaufgaben der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB)
ÜNB erfüllen diese Aufgabe mithilfe von Systemdienstleistungen, u. a. Leistungs-Frequenzhaltung
Aufrechterhaltung der Leistungsbilanz und Frequenz des Elektrizitätsversorgungssystems (Erzeugung = Abnahme) durch Vorhaltung und Einsatz der drei Regelleistungsarten:
Primärregelleistung (PRL),
Sekundärregelleistung (SRL),
Minutenreserveleistung (MRL)
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Regelenergie – Grundlagen (2/2)
Anbietern von Regelenergie wird für die gesicherte Vorhaltung der Erzeugungs- oder Verbrauchseinheit seitens der ÜNB ein Leistungspreis (€/MW) gezahlt
Ein tatsächlicher Abruf wird durch die ÜNB mit dem Arbeitspreis (€/MWh) vergütet
Kosten der Vorhaltung von Regelleistung fließen in die Netzentgelte ein
Eingesetzte Regelarbeit wird von den ÜNB in Form von Ausgleichsenergie mit den Leistungsungleichgewichte verursachenden Bilanzkreisverantwortlichen (Händler, Lieferanten) abgerechnet, diese zahlen den Ausgleichsenergie-preis (reBAP)
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Beschaffung von Regelleistung per Ausschreibung
Beschaffung von Regelleistung (1/9)
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Beschaffung von Regelleistung durch die ÜNB erfolgt über Ausschreibungen – seit 2006/2007 gemäß konkretisierender Vorgaben der Bundesnetzagentur
2006 Festlegung zu Ausschreibungsbedingungen und Veröffentlichungspflichten bei der MRL, 2007 analoge Festlegungen zu PRL und SRL
Ziele:
Erhöhung der Wettbewerbsintensität im Regelleistungsmarkt durch Erleichterung des Marktzutritts und durch Erhöhung der Transparenz
Langfristige Absenkung der Regelenergiekosten (Vorhaltekosten wesentlicher Kostenblock in Netzentgelten, Abrufkosten Basis für Ausgleichsenergiepreis)
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Zentrale Punkte der Festlegungen 2006/2007:
einheitliche Ausschreibungen aller ÜNB auf einer gemeinsamen Internetplattform
reduzierte Mindestangebotsgrößen
verkürzte Ausschreibungszeiträume und einheitliche Produktzeitscheiben je Regelleistungsart
anonymisierte Veröffentlichung aller (bezuschlagten) Angebote im Anschluss an die Ausschreibungen
Bezuschlagung auf Basis und in Reihung der Leistungspreise, Abruf von SRL und MRL auf Basis und in Reihung der Arbeitspreise bezuschlagter Angebote
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Beschaffung von Regelleistung (2/9)
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Beschaffung von Regelleistung (3/9)
Ausweitung des Netzregelverbunds auf ganz Deutschland gemäß Festlegung der Bundesnetzagentur 2010:
Vermeidung gegenläufiger Aktivierung von SRL und MRL in verschiedenen Regelzonen durch physikalische Saldierung von Leistungsungleich-gewichten
Gemeinsame, regelzonenübergreifende Dimensionierung von SRL und MRL
Gemeinsame Beschaffung auch von SRL (MRL bereits seit 2006)
Kostenoptimaler Abruf von SRL und MRL aus deutschlandweiten Abruflisten (MRL seit 2012)
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Beschaffung von Regelleistung (4/9)
Weiterentwicklung des deutschen Regelleistungs-marktes durch Festlegungen zu PRL, SRL und MRL im Jahr 2011:
Ziel: Förderung neuer Marktzutritte und Öffnung des Marktes für weitere Technologien, z. B. zu- und abschaltbare Verbraucher sowie Stromspeicher
Umstellung von einer monatlichen auf eine wöchentliche Ausschreibung der PRL und SRL
Reduzierung der Mindestangebotsgröße von 5 auf 1 MW bei PRL, von 10 auf 5 MW bei SRL und von 15 auf 5 MW bei MRL
Regelungen zur Besicherung und zur Poolung von Anlagen
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Beschaffung von Regelleistung (5/9)
11
20
23
27 28 28
35 36
40
42
47
52
5 5 6
9
11
15
20
27
31
35
37
5 5 6
7 8
14 14
21 21
23 24
0
10
20
30
40
50
60
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Präqualifizierte Anbieter für Regelleistung je Regelleistungsart
MRL
SRL
PRL
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Beschaffung von Regelleistung (6/9)
12
826
741
778
810 825
697
588
417
594
437
316
198
-
100
200
300
400
500
600
700
800
900
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Entwicklung der Vorhaltekosten für Regelleistung in Mio. €
Vorhaltung MRL
Vorhaltung SRL
Vorhaltung PRL
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Beschaffung von Regelleistung (7/9)
13
270
33
468
91 88
74
-
100
200
300
400
500
600
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Entwicklung der Vorhaltekosten für Regelleistung nach Regelleistungsart in Mio. €
Vorhaltung MRL
Vorhaltung SRL
Vorhaltung PRL
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Beschaffung von Regelleistung (8/9)
Internationale PRL-Kooperation:
gemeinsame PRL-Ausschreibung der deutschen ÜNB mit internationalen Partnern
2012 Beitritt Swissgrid (CH), 2014 TenneT NL
2015 Kopplung der PRL-Kooperation D-CH-NL mit der PRL-Ausschreibung von APG (A) und Swissgrid
2016 Beitritt ELIA (B), 2017 RTE (F)
europaweit größter PRL-Markt mit Gesamtbedarf von ca. 1.400 MW
Erkenntnisse: Einsparungen aufgrund von gestiegenem Wettbewerb, Angleichung der Preise der Kooperationspartner (Rückgang der Preise für kleine Märkte), Reduktion von Preisschwankungen
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Beschaffung von Regelleistung (9/9)
Internationaler Netzregelverbund:
kontinuierliche Ausweitung von Modul 1 des Netzregelverbunds (Vermeidung gegenläufiger Aktivierung von SRL und MRL) auf benachbarte ausländische Regelzonen
Beitritte von Dänemark (2011), Niederlande (2012), Schweiz (2012), Tschechien (2012), Belgien (2012), Österreich (2014) und Frankreich (2016)
Beitritte von Spanien und Portugal geplant
Erkenntnisse: Reduktion der Abrufmengen bei SRL und MRL (Kosteneinsparungen von bereits über 140 Mio. € für D), Rückgang der Vorhaltung von SRL und MRL, Senkung der Beschaffungskosten
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Herausforderungen
Herausforderung 1 (1/2)
Erbringung von Regelleistung durch Erneuerbare Energien (EE):
Bereitstellung von Regelleistung bisher vor allem durch konventionelle Kraftwerke, in zunehmendem Maße durch Batteriespeicher
Angebot von Regelleistung durch Biogas- und Wasserkraftanlagen, Pilotprojekt der ÜNB zur Erbringung von MRL aus Windenergieanlagen
Weiter wachsender Anteil von EE an der Stromerzeugung: EE werden stärkere Verantwortung für die Stabilisierung der Stromversorgung übernehmen müssen
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Herausforderung 1 (2/2)
Festlegungen BK6-15-158/159 im Juni 2017:
Neuregelung der Ausschreibungsbedingungen und Veröffentlichungspflichten für SRL und MRL, um flexiblen Erzeugern die Teilnahme an den Regelleistungsmärkten zu erleichtern
SRL: Wechsel von einer wöchentlichen zu einer kalendertäglichen Ausschreibung, Verkürzung der Produktzeitscheiben auf vier Stunden
MRL: Umstellung von einer werktäglichen auf eine kalendertägliche Ausschreibung (Harmonisierung Ausschreibungszyklus mit SRL)
neue Regelungen zur Mindestangebotsgröße und zur Besicherung von SRL und MRL
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Herausforderung 2 (1/3)
Auftreten hoher Arbeitspreise, die nicht auf (erwartete) Knappheiten an den Strommärkten zurückzuführen sind:
Bezuschlagung von MRL-Geboten mit hohen Arbeitspreisen (>10.000 €/MWh) bereits seit 2015
erstmaliger Abruf am 17.10.2017 im Zeitraum 19:15-19:45 Uhr -> Ausgleichsenergiepreise in Rekordhöhe von 20.614,97 €/MWh (19:15-19:30 Uhr) und 24.455,05 €/MWh (19:30-19:45 Uhr)
hohe Arbeitspreise anfangs nur von wenigen Unternehmen mit geringer Angebotsmenge geboten, im Zeitverlauf jedoch immer tieferes Eindringen in die Abruflisten
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Herausforderung 2 (2/3)
20
-
10.000
20.000
30.000
40.000
50.000
60.000
70.000
80.000
90.000
100.000
0 85 291 381 451 521 598 668 738 803 873 943 1.013 1.083
Abrufliste für positive MRL am 17.10.2017, 16:00 - 20:00 Uhr
Arbeitspreis in €/MWh Grenze der Abrufmenge
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Herausforderung 2 (3/3)
Harmonisierung des technisch zulässigen Arbeitspreises für SRL und MRL mit dem Intraday-Markt (9.999 €/MWh) im Januar 2018
Eröffnung von Festlegungsverfahren zur Änderung der Ausschreibungsbedingungen und Veröffentlichungspflichten von SRL und MRL im Februar 2018:
Änderung des Zuschlagsmechanismus: Berücksichtigung des Arbeitspreises beim Zuschlag
Maßnahme zur kurzfristigen Etablierung von Wettbewerb um die Arbeitspreise (bis zur Einführung von Regelarbeitsmärkten)
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Ausblick
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Implementierung des neuen Zuschlagsverfahrens noch im 1. Halbjahr 2018
Umsetzung der neuen Ausschreibungsbedingungen aus den Festlegungen BK6-15-158/159 zum 12.07.2018 (Regelungen zur Besicherung zum 12.07.2019)
Einbettung der internationalen PRL-Kooperation und des internationalen Netzregelverbunds in den Rahmen der Verordnung (EU) 2017/2195 (Electricity Balancing Guideline)
Gemeinsame Beschaffung von SRL durch die deutschen ÜNB und APG ab Oktober 2018 über eine gemeinsame Ausschreibung geplant
Ausblick
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Fazit
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Ausschreibungen von Regelenergie funktionieren
geeignetes Mittel zur Etablierung von Wettbewerb unter den Anbietern
positive Auswirkungen auf Preise und Kosten
Voraussetzung: Bereitstellung eines homogenen Gutes – Standort der Anlagen ist i. d. R. nicht entscheidend
vom Erfolg bei der Regelenergie sollte nicht ohne Weiteres auf andere Systemdienstleistungen geschlossen werden, z. B. Redispatch: keine wettbewerbliche Bereitstellung möglich, da zur Beseitigung lokal begrenzter Engpässe nur wenige Akteure (oder sogar nur einer) in Frage kommen
Fazit
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