Schwierige Beratungssituationen in der Bildungsberatung Mit Widerständen aktiv umgehen lernen Ein Methodenhandbuch von und für Studierende
Franziska Enders Jana Heizmann
Nadine Starzmann
3
Inhalt
Methoden auf einen Blick .............................................. 5
Einleitung ...................................................................... 7
Was ist Bildungsberatung? .......................................... 11
Kommunikation in der Beratung .................................. 17
Gesprächstechniken ................................................ 17
GFK – Gewaltfreie Kommunikation .......................... 26
Kliententypen aus schwierigen Beratungssituationen .. 31
1. Der/ die forderndeKlient/ Klientin .......................... 32
2. Der/ die aggressive Klient/ Klientin ....................... 40
3. Der/ die wütend-tobende Klient/ Klientin .............. 47
4. Der/ die enttäuschte Klient/ Klientin ..................... 54
5. Klient/ Klientin mit Verständigungsproblemen ...... 61
6. Der Prinzipienreiter/ die Prinzipienreiterin ............ 67
7. Der/ die (besser-) wissende Klient/ Klientin .......... 74
8. Der/ die unehrliche Klient/ Klientin ....................... 82
9. Der/ die verzweifelte Klient/ Klientin ..................... 89
10. Der/ die Klient/ Klientin, der/ die sich beschwert..96
Psychohygiene .......................................................... 107
Fazit .......................................................................... 111
5
Methoden auf einen Blick
Brief an... (S. 59)
Entscheidungswege (S. 43)
Imagination / Schutzschild (S. 85)
Lösende Sätze (S. 70)
Piktogramme (S. 64)
Positionen nützen, Perspektiven wechseln (S. 72)
Positive Konnotation/ Warmer Regen (S. 99)
Problem- Lösungszirkel (S. 80)
Problemlösungs-Zwiebel (S. 94)
Problembild- Lösungsbild (S. 38)
Progressive Muskelentspannung (S. 50)
Raus damit (S. 45)
Ressourcenort , guter Ort – Ort der Kraft (S. 87)
Schattengestalten (S. 57)
SPOT- Analyse (S. 101)
Tischaufstellung mit Tieren (S. 78)
Überlaufendes Fass (S. 52)
Übersetzungs-Apps (S. 65)
Wunderfrage (S. 92)
Ziel- Interview (S. 36)
7
Einleitung
In den letzten Jahren hat der Bedarf an Beratung stetig
zugenommen. Hierbei wird von den Autorinnen die Hy-
pothese aufgestellt, dass das alltägliche und berufliche
Leben komplexer geworden und daher das Individuum
den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mehr ge-
wachsen ist. Diese Tendenzen zeigen sich ebenfalls im
Kontext der Bildungsberatung. Beratende treffen immer
häufiger auf überforderte und emotionsgeladene Klien-
ten, die ihrem Ohnmachtsgefühl mithilfe von Beratung
entgegenwirken möchten. Durch die Vielzahl und Kom-
plexität der Anliegen müssen Beratende einem hohen
Anspruch seitens der Klienten gerecht werden. Viele
Ratsuchende scheinen Beratung als eine reine Dienstlei-
tung zu betrachten, bei der sie die Lösung ihres Anlie-
gens wie auf einem Silbertablett präsentiert bekommen.
Dabei stoßen Beratende auf Klienten, die beispielsweise
keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen möch-
ten, aggressives Verhalten zeigen, verzweifelt oder ent-
täuscht sind. Neben der allgemeinen Beraterphilosophie
der „Hilfe zur Selbsthilfe“ bedarf es einem Blumenstrauß
an Methoden, um schwierige Beratungssituationen adä-
quat bewältigen zu können.
Dieses Methodenhandbuch unterstützt Beratende aus
8
der Praxis darin mit schwierigen Fällen besser umgehen
zu lernen. Dazu fokussiert sich das Werk auf schwierige
Situationen in der Bildungsberatung.
Im ersten Kapitel werden hierzu theoretisch-fundierte
Grundlagen zur Thematik „Bildungsberatung“ dargelegt.
Das dran anschließende Kapitel rund um die „Gespräch-
stechniken“, welches exemplarisch die „Gewaltfreie
Kommunikation“ herausstellt, dient dem Berater/ der
Beraterin als Stütze während des gesamten Beratungs-
prozesses. Das Hauptkapitel stellt „schwierige Klienten-
typen aus Beratungssituationen“ vor. Dabei werden ins-
gesamt zehn Klienten beschrieben, die jeweils ausführ-
lich mit fiktiven Fallbeispielen und Typbeschreibungen
skizziert sind. Darüber hinaus werden jedem Kliententyp
exemplarisch zwei Methoden zugeordnet, welche in Be-
ratungssettings Anwendung finden können. Das letzte
Kapitel zum Thema „Psychohygiene“ greift dabei Metho-
den auf, die dem Berater/ der Beraterin selbst bei des-
sen/ deren Umgang mit schwierigen Ratsuchenden
dient.
Das vorliegende Werk resümiert dabei Aspekte aus dem
Seminar „Schwierige Beratungssituationen im Kontext
der Bildungsberatung“. Dieses fand im Wintersemester
2015/2016 als ein Baustein des Mastermoduls Bildungs-
9
beratung an der Pädagogischen Hochschule in Lud-
wigsburg statt. Aus der theoretischen Seminareinheit
entwickelten drei Studierende, Franziska Enders, Jana
Heizmann und Nadine Starzmann, das vorliegende Me-
thodenhandbuch. Als Orientierungshilfe zur Systemati-
sierung diente daneben unter Anderem das fundierte
Werk „Das Beratungsgespräch: Skills und Tools für die
Fachberatung“ von Buchacher et. al (2012), welches an
dieser Stelle von den Autorinnen als literarische Ergän-
zung empfohlen wird.
Dieses Handbuch stellt für Beratende aus der Praxis
eine Möglichkeit dar, im Umgang mit schwierigen Situa-
tionen Methoden und theoretische Hintergründe zu er-
fahren. Dazu gilt es anzumerken, dass die darin enthal-
tenen Methoden lediglich eine Auswahl darstellen und
selbstverständlich ergänzt und auf andere Kliententypen
übertragen und eingesetzt werden können. Es ist das
verfolgte Ziel, eine Orientierungshilfe im Umgang mit
schwierigen Situationen vorzustellen, die individuell
durch die Beraterpersönlichkeit ergänzt werden können.
Studentinnen des Master Studiengangs
Erwachsenenbildung/ Weiterbildung im März 2016
11
Was ist Bildungsberatung?
Die Bildungsberatung gehört zu einem der primären
Handlungsfelder in der Erwachsenenbildung. Sie trägt
zur Realisation von Erwachsenbildungsprozessen bei
und fördert das Konzept des Lebenslangen Lernens.
Gerade in den letzten Jahren ist das Angebot an Weiter-
bildung stark gestiegen und bietet damit immer mehr
Möglichkeiten lebenslang zu lernen. Um die Fülle an
Informationsflut effektiv kompensieren zu können bedarf
es der Kompetenz, sein eigenes Lernen und Handeln
stetig zu reflektieren und dementsprechend neu auszu-
richten. Die Nachfrage für professionelle Beratung in
diesen Lebensbereichen erlebt einen regelrechten Boom
(vgl. Schlüter 2010, S. 9).
Die Bildungsberatung hat zum Ziel, dass die gesell-
schaftlichen Bedürfnisse weiterentwickelt werden und
das Individuum sich selbst verwirklichen kann. Der
Wunsch des Einzelnen nach Entscheidungs- sowie In-
formationshilfen stehen im Vordergrund. Auch sollte die
Bildungsberatung als Aufklärer unserer Gesellschaft
anerkannt werden, da die zunehmende Komplexität so-
wie die ständigen Veränderungen unseres Bildungs- und
Beschäftigungssystems für das Individuum immer un-
überschaubarer werden. Dies hindert den Einzelnen
12
daran seine Bildungs- und Berufschancen effektiv nut-
zen zu können (vgl. Bachmair et. al. 2014, S. 121).
Betrachtet man das Format der Bildungsberatung, so
wird deutlich, dass diese lediglich als Oberbegriff für
differenzierte Beratungsformen steht. Neben der Weiter-
bildungsberatung gibt es zum Beispiel die Schul- und
Hochschulberatung sowie die Job- und Karrierebera-
tung. Es zeichnet sich ab, dass die unterschiedlichen
Bildungsberatungsformate sich primär mit den Übergän-
gen der jeweiligen Bildungsprozesse befassen (vgl.
Schlüter 2010, S. 11 f.). Um die Unterschiede der ein-
zelnen Unterkategorien von Bildungsberatung deutlich
zu machen, hat Schlüter in ihrem Buch „Bildungsbera-
tung – Eine Einführung für Studierende“ folgende Bera-
tungsformate aufgeführt und beschrieben: Lernberatung,
Kursberatung, Karriereberatung, Coaching, Mentoring,
Kollegiale Beratung und Mediation. Diese sollen im Fol-
genden kurz umrissen werden.
Die Lernberatung möchte Lernblockaden beseitigen, um
den Prozess des Lernens wieder in Fluss zu bringen.
Dazu müssen Bildungsbarrieren aufgedeckt und Lösun-
gen für die Lernschwierigkeiten gefunden werden. Hier-
zu werden die bisherigen Lernerfahrungen reflektiert und
neue Lernstrategien gesucht, um das Lernen und seinen
13
Prozess wieder zu optimieren. Lernenden hilft es meist
schon zu hören, dass sie auf „ihrem richtigen Lernweg“
sind (Manz In: ebd. S. 73 ff.).
Bei der Kursberatung wird zwischen trägerabhängig und
trägerunabhängig unterschieden. Die trägerabhängige
Kursberatung findet in der jeweiligen Bildungseinrichtung
statt, die über ihr Kursangebot informiert. Ziel ist es dem
Teilnehmer/ der Teilnehmerin eine Teilnahme, Nicht-
Teilnahme oder Umorientierung für einen oder mehrere
Kurse zu ermöglichen. Bei der trägerunabhängigen
Kursberatung handelt es sich um eine Beratungseinrich-
tung, die keinem Bildungsträger unterliegt. Dort werden
die Interessierten über das gesamte Kursangebot der
Region informiert und nach ihrem Bedürfnis, ihrer finan-
ziellen Möglichkeiten usw. beraten (Justen In: ebd. S.
81).
Für den erfolgreichen Start in die Erwerbstätigkeit, ist
das Aufsuchen einer Karriereberatung genau richtig.
Diese neue Form der Bildungsberatung hat sich speziell
auf die Unterstützung von Studierenden, die einen er-
folgreichen Übergang in den Beruf forcieren, speziali-
siert. Vor allem der Glaube an die eigene Selbstwirk-
samkeit sowie eine positive Veränderung der Wahrneh-
14
mungsmuster bilden die zentrale Beratungsarbeit (Gir-
mes In: ebd. S. 88 ff.).
Mit Blick auf die Arbeitswelt, gibt es eine weitere res-
sourcenorientierte Beratungsform: das Coaching. Mit
diversen Konzepten, Modellen und Ansätzen verfolgt
Coaching das Ziel, die Berufsrolle sowie berufliche Le-
benswelt professionell in den Blick zu nehmen, ohne
dabei die Person an sich außer Acht zu lassen. Neben
beruflichen Krisen kann auch die Orientierung eines
neuen Arbeitsumfeldes Beweggrund für ein Coaching
sein. Je nach Anlass kann der Coachee entweder den
internen bzw. externen Coach oder die Führungskraft als
Coach aufsuchen (Manz In: ebd. S. 95 ff.).
Viele Unternehmen in Deutschland bedienen sich des
sogenannten Mentoring. Dabei unterstützt der Mentor
gezielt seinen Mentee, um dessen Ressourcen für seine
berufliche Laufbahn auszubauen. Neben den Karriere-
plänen des Mentees thematisiert der Mentor auch dro-
hende Schäden, zum Beispiel um den Mentee vor Mob-
bing am Arbeitsplatz zu schützen. Das erfolgreiche Ge-
lingen des Mentoring hängt von einem präzise ausgear-
beiteten Unternehmensgesamtkonzept ab, das u.a. ein
professionelles Training für Mentoren bereitstellt (ebd. S.
101 ff.).
15
Bei der kollegialen Beratung treffen sich gleichrangige
Personen, um sich gegenseitig zu beraten. In den meis-
ten Fällen läuft die kollegiale Beratung wie folgt ab: Es
gibt einen Fallgeber/ eine Fallgeberin, einen Moderator/
eine Moderatorin und gegebenenfalls einen Schriftführer/
eine Schriftführerin. Der Moderator/ die Moderatorin ist
dafür zuständig, dass die Regeln während der Beratung
eingehalten werden und der Beratungsverlauf ordnungs-
gemäß vonstatten geht. Der Fallgeber/ die Fallgeberin
schildert sein/ ihr Anliegen und die damit resultierende
Frage. Mit Hilfe diverser Methoden versuchen die ande-
ren Teilnehmer/ Teilnehmerinnen der kollegialen Bera-
tungssituation das Problem zu beleuchten und eine Lö-
sung zu generieren (Manz In: ebd. S. 107 ff.).
Das Verfahren der Mediation stammt ursprünglich aus
den USA. Es handelt sich dabei um eine gewaltfreie
Vermittlung sowie zukunftsorientierte Bearbeitung von
Konflikten. Ziel ist es, außerhalb der Justiz, eine einver-
nehmliche Lösung in Streitsituationen zu finden. Der
Mediator/ die Mediatorin schafft eine Ebene, auf der sich
die Streitenden Gehörverschaffen können, um dem Ge-
genüber die Hintergründe des Konflikts zu erläutern und
gegebenenfalls Verständnis erhalten. Das konstruktive
Gespräch soll dazu beitragen Lösungen zu entwerfen,
16
mit denen die beteiligten Parteien auf beiden Seiten ein-
verstanden sind (de Jong In: ebd. S. 115).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Bildungs-
beratung ein integrativer Ansatz ist, der dem/ der Ratsu-
chenden Unterstützung bietet, das eigene Handeln zu
reflektieren sowie zu optimieren. Neben dem Anleiten
und Informieren ist es in der Bildungsberatungsprofessi-
onalität unerlässlich das Prinzip der „Hilfe zur Selbsthil-
fe“ als zentrales Beratungsmerkmal zu praktizieren.
Hierzu gehört, dem Klienten/ der Klientin Orientierung zu
geben, sein/ ihr alternatives Denken zu fördern sowie
eine Anregung seiner/ ihrer Ziele und Visionen zu gene-
rieren (vgl. Knoll 2008; S. 28). Damit Beratung in der
Bildungslandschaft überhaupt funktionieren kann, haben
Bachmair et. al. (2014, S. 13 und 119) folgenden Leitge-
danken entwickelt, der den Abschluss dieses Kapitels
bildet:
„Die Persönlichkeit des Beraters der Beraterin,
sein ihr Menschenbild, die Beziehung zwischen
Berater Beraterin und Klienten Klientin, sowie
die ständige kritische Reflexion der Beraterrolle
bilden den Rahmen und die Grundlage für den
eigentlichen Beratungsprozess. Diese Grundla-
gen kommen vor jeder ‚Beratungstechnologie’“.
17
Kommunikation in der Beratung
Gesprächstechniken
Aufgrund der Fülle an Fachliteratur mit Tipps und Tricks
zur Gesprächsführung in Beratungssituationen soll im
Folgenden eine Zusammenfassung wichtiger Tools in
Beratungsgesprächen, insbesondere bei schwierigen
Beratungssettings, geschaffen werden. Hierbei wird der
Schwerpunkt nicht auf eine Vollständigkeit, sondern auf
einen schnellen Überblick wichtiger Eckpunkte in Bera-
tungsgesprächen gelegt. Gesprächstechniken können
stets nur Hilfsmittel sein, um ein Beratungssetting in be-
stimmte Bahnen zu lenken. Dies hängt maßgeblich von
der Person der Klientin/ des Klienten ab, individuell und
situativ sind hierbei die Schlagwörter, ein Patentrezept
für menschliche Kommunikation gibt es nicht.
Beraterinnen und Berater sollten sich stets empathisch
in bezüglich ihrer/ seiner Klientin/ ihres/ seines Klienten
verhalten, um sie/ ihn abzuholen und sich auf Augenhö-
he zu begegnen. Daher ist die grundlegende Frage für
Beratende: „Wer sitz mir hier als Ratsuchende/ Ratsu-
chender gegenüber? Was braucht sie/ er von mir?“ Da-
mit das Beratungsgespräch für beide Seiten befruchtend
wirkt, können die folgenden grundlegenden Gesprächs-
18
techniken ein erster Schritt in einen erfolgreichen Bera-
tungsprozess sein:
Ziele formulieren, Anliegen konkretisieren
Was soll im Beratungsprozess erreicht werden? Wo soll
es hingehen? Hierbei ist eine Ortsbegehung und Kon-
textklärung zu Beginn einer Beratung unausweichlich.
Klienten und Beratende müssen herausarbeiten, was
das Anliegen und die Fragestellung ist. Das Ziel des
Beratungsgesprächs sollte seitens der Klientin/ des Kli-
enten in Gestalt einer Frage formuliert werden. Es ist
wichtig, während des gesamten Beratungsprozesses
das Ziel/ die Frage/ das Anliegen nicht aus den Augen
zu verlieren, immer wieder darauf zurück zu kommen
und gegebenenfalls neu zu formulieren. Die Zielformulie-
rung sollte daher stets präzise und positiv sein, es benö-
tigt daher eine klare Vorstellung der Klienten, wohin die
Reise gehen soll (vgl. Wengel/ Hipp (o.A.), S. 1).
Verständlich sprechen
Grundsätzlich die Wortwahl zu bedenken, denn was ver-
standen wird, zählt. Einfache Wörter (unter Umständen
an die Alltagssprache des Klienten anpassen um eine
Kommunikation auf Augenhöhe und ein gegenseitiges
Verständnis zu ermöglichen), keine Verwendung von
Fachbegriffen, klare Satzstruktur (keine Schachtelsätze),
19
prägnante Aussagen treffen, Formulierungen anregend
beziehungsweise stimulierend durch Beispiele aus-
schmücken (vgl. Koeberle- Petzschner 2008, S. 28 f.).
Aktives Zuhören
Empathie als einfühlendes Verstehen. Hierbei wird die
Echtheit der Beraterin/ des Beraters durch eine positive
Wertschätzung des Gesagten unterstrichen, sie/ er hört
den Klienten aufmerksam zu, versucht nachzuvollziehen,
ohne ad hoc zu werten. Die Klienten fühlen sich ernst
genommen und verstanden, die Beratenden können sich
in die Perspektive des Gegenübers einfühlen. (vgl. Gies-
ecke 2000, S. 62 f.).
Paraphrasieren
Hierbei werden Klientenäußerungen wiederholt und zu-
sammengefasst. Beratende können durch paraphrasie-
ren abklopfen, ob sie wirklich das verstanden haben,
was die Ratsuchende/ der Ratsuchende ihnen mitteilen
wollte. Formuliert wird dies durch die eigenen Worte der
Beraterin/ des Beraters beziehungsweise die wörtliche
oder sinngemäße Äußerung der Klienten. Dieser Vor-
gang seitens der Beraterin/ des Beraters kann auch als
Echo bezeichnet werden. Hintergrund ist hierbei die An-
nahme, dass sich Klienten nicht immer über ihre Wort-
wahl und Äußerungen vollständig bewusst sind und Be-
20
ratende durch Wiederholung des Gesagten eine Be-
wusstwerdung beim Gegenüber hervorrufen. Einzelne
Sätze, die der Beraterin/ dem Berater während des Be-
ratungsgesprächs auffallen oder sich wiederholen, viel-
leicht auch wiedersprechen, können zum Gegenstand
der Problemlösung werden(vgl. ebd. S. 65 f.).
Ich- Botschaften, Spiegeln und Verbalisieren
Anschließend an die Technik des Paraphrasierens kön-
nen Beratende ihre Wahrnehmungen mit den Gefühlen
und Aussagen der Klienten verknüpfen. Was kommt wie
bei mir als Beratende/ Beratender an? Verstehe ich mei-
ne Klientin/ meinen Klienten richtig? Indem aufgenom-
mene Aussagen und Emotionen der Ratsuchenden/ des
Ratsuchenden in Ich- Botschaften verbalisiert werden,
können Beratende ihre von Klienten aufgenommene
Wirklichkeit äußern, ohne Vorgaben zu machen. Dies
ermöglicht einen Beratungs-/ Gesprächsspielraum: „Bei
mir kommt an…“ „Ich habe das Gefühl/ könnte mir vor-
stellen, dass…“. Für den Fall von Kritik an der Beraterin/
dem Berater oder störendem Verhalten können durch
Ich- Botschaften klare Grenzen gezogen werden, ohne
die Beratungsbeziehung zwischen den Gesprächspart-
nern zu verletzen. Durch das Spiegeln begegnen sich
die Beraterin/ der Berater und die Klientin/ der Klient auf
einer Kommunikations- und Wahrnehmungsebene, da
21
sich Körperhaltung, Wortwahl (Paraphrasieren entspricht
dem Spiegeln mit Worten) oder Atmung beider Personen
annähern. Hierbei kann eine vertraute und offene Ge-
sprächsatmosphäre geschaffen werden. Doch zu keiner
Zeit sollte das Spiegeln in eine Art Nachahmung verfal-
len(vgl. Bachmaier et.al. 2014, S. 34 ff.).
Fragen stellen
Je nach Beratungssituation, Klienten oder Anliegen kön-
nen unterschiedliche Fragearten ein Beratungsgespräch
in eine bestimmte Richtung lenken. Unterschieden wer-
den kann in:
Öffnende Fragen
Dienen als Zugangsmöglichkeit; um sich einen
Überblick zu verschaffen; Einordung in einen
Kontext; Details; Abklopfen von Einstellungen,
Werten, Gefühlen, Zuschreibungen, Perspekti-
ven, Beweggründen.
(„Was ist Ihnen wichtig im Zusammenhang
mit…?“ „Wie stellen Sie sich… vor?“)
Schließende Fragen
Suggestivfragen; dienen zur deutlichen Eingren-
zung oder Selbsteinschätzung; helfen Beraten-
den zur Klärung von Sachverhalten, Situatio-
nen,…
22
(„An welchem Tag ist es geschehen?“ „Welche
Personen waren daran beteiligt?“)
Zirkulierende Fragen
Regen einen Perspektivwechsel bei Klienten an;
Vertiefung von Aspekten; Bezug auf System/
Umfeld derKlienten.
(„Wie beeinflusst das Person X?“ „Wie würde die
Person X darauf reagieren?“)
Hypothetische Fragen
Paraphrasieren der Beratenden, um sich noch-
mals über das Verstandene zu vergewissern.
(„Könnten Sie sich vorstellen, dass…?“ „Könnte
es sein, dass…?)
Eingrenzende, konkretisierende Fragen
Bündelung und Präzisierung der Inhalte; dienen
zur Überprüfung; Klärung des Anliegen (eventu-
elle Anpassung des Anliegen); Resümeebildung;
Fixierung eines Zwischenergebnisses; Ableitung
von Handlungsstrategien für Klienten.
(„Wenn wir nochmal die wichtigsten Punkte be-
trachten, was bedeutet das für das formulierte
Ziel?“ „Unter welchem Begriff würden Sie die vo-
rangegangenen Aspekte zusammenfassen?“)
23
Ressourcenorientierte Fragen
Anknüpfen an Vorwissen und Erfahrungen der
Klienten; positiv und humanistisch orientiert: was
ist schon da? Auf welche erprobten und bewähr-
ten Ressourcen kann zurückgegriffen werden?
(„Haben Sie schon einmal eine vergleichbare Si-
tuation erlebt? Was hat Ihnen dabei geholfen?
Auf was konnten Sie dabei zurückgreifen? Könn-
ten Sie dies bei dem jetzigen Sachverhalt an-
wenden?“)
Zukunftsorientierte Fragen
Wunderfrage; den Klienten Mut machen; Motiva-
tion; Erschließung neuer Ansätze; Relativierung
des Problems.
(„Stellen Sie sich vor, 6 Monate sind vergangen
und Ihr Ziel wäre erreicht. Was hat sich geän-
dert? Was haben Sie hierfür getan? Was hat
Ihnen zur Lösung des Problems weitergehol-
fen?“)
Die verschiedenen Fragetechniken regen bei der Klien-
tin/ dem Klienten ein Nachdenken oder Reflektieren an,
unterstützt die Beraterin/ den Berater bei Verständnis-
problemen und ermöglicht eine an den Klienten orientier-
te Problemlösung (vgl. Top Perspektiven (o.A.), S. 1 f.).
24
Visualisieren
Gesprochenes durch Beschriftung von Moderationskärt-
chen, Aufschreiben oder Aufzeichnen auf Flip Charts
oder Papier können die Kommunikation eines Bera-
tungssettings erleichtern oder auch unterstützend wir-
ken. Ebenso kann auf Aspekte, Ziele oder Erarbeitetes
aus vorangegangenen Beratungssetting nochmals zu-
rückgegriffen werden oder von den Klienten mit nach
Hause genommen werden. Vorab ist jedoch stets abzu-
klären, ob dieser Zugangskanal der Visualisierung für die
Klientin/ den Klienten als wertvoll erachtet wird oder ob
es als störend empfunden wird (vgl. Koeberle- Petzsch-
ner 2008, S. 43).
Metakommunikation
In einem Beratungsgespräch kann es zu Missverständ-
nissen, Unklarheiten oder „auf der Stelle treten“ kom-
men. Dann ist die Vogelperspektive gefragt: der Sach-
verhalt, das Beratungsgespräch selbst oder die Kommu-
nikation zwischen Beratenden und Ratsuchenden wird
von oben betrachtet. Gedanklich gehen sowohl die Bera-
terin/ der Berater als auch die Klientin/ der Klient aus der
Beratungssituation heraus und analysieren die vorhan-
denen Synergien oder die empfundene Problematik auf
der Steuerungsebene. Für eine erfolgreiche Außenbe-
trachtung ist es empfehlenswert, dass Beratende mithilfe
25
von Ich- Botschaften („Empfinden Sie auch…?“ „Ich
möchte…“ „Rekapitulieren wir…“) kommunizieren, um im
Gegenüber kein Gefühl von Versagen zu wecken (vgl.
Buchacher et.al 2012, S. 124).
Zusammenfassend soll darauf verwiesen werden, dass
neben den Umweltbedingungen (Ruhe, Räumlichkeiten,
Pausen,…) das Verhalten und die Kommunikation von
Beratenden die Haltung und Stimmung des Beratungs-
settings sowie der Klienten maßgeblich beeinflussen.
Um sich als Beratende in schwierigen Beratungssituatio-
nen adäquat verhalten zu können, wird im Folgenden ein
vertiefender Ansatz für die Kommunikation in Beratungs-
situationen umrissen.
26
GFK – Gewaltfreie Kommunikation
Die Gewaltfreie Kommunikation stellt einen gesprächs-
theoretischen Ansatz dar und wurde von Marshall B.
Rosenberg (1934 – 2015) in den 1960er Jahren entwi-
ckelt. Aufgrund Rosenbergs eigner Biografie, in welcher
er bereits in seiner Kindheit mit Gewalt und Rassenun-
ruhen in Kontakt kam, erschuf er den gesprächstheoreti-
schen Ansatz um die Welt ‚freudiger und friedlicher‘ zu
gestalten (vgl. Plate 2013, S. 79).
Rosenberg geht dabei von einem positiven Menschen-
bild aus und ist vielmehr überzeugt von der Idee, dass
ein empathischer und gewaltfreier Umgang zwischen
Menschen ermöglicht werden kann. Dabei bilden diese
Ansichten die Grundlagen für sein Kommunikationsmo-
dell (vgl. Altmann/Roth 2014 S. 72). Mit seiner Methode
erfindet Rosenberg nichts Neues, da diese auf den
Grundlagen der menschlichen Kommunikation beruht.
Es gilt nach seiner Methode das Sprechen und Zuhören
so zu gestalten, dass der zwischenmenschliche Umgang
auf eine ehrliche, empathische und respektvolle Weise
gelingt.
Die Gewaltfreie Kommunikation fokussiert sich vor allem
auf das Zuhören seines Gesprächspartners und fördert
dadurch die Wertschätzung, Einfühlsamkeit und Wert-
27
schätzung (vgl. Rosenberg 2010, S. 22 ff.). Diese Kom-
munikationsmethode wird häufig im sozialen und erzie-
herischen Kontext umgesetzt, um dadurch eine ver-
ständnisreiche Kommunikation zu gewährleisten (vgl.
Altmann/Roth 2014, S. 18).
Das Modell der GFK basiert auf vier Schritten, die eine
Orientierung liefern, wie Inhalte verbal übermittelt wer-
den können. Die Schritte gilt es strikt voneinander abzu-
grenzen und bestehen aus (vgl. Rosenberg 2010, S. 25):
1. Beobachten ohne Bewertung
2. Gefühle wahrnehmen
3. Bedürfnisse ausdrücken
4. Bitten verbalisieren
Im ersten Schritt gilt es dabei eine konkrete Situation
wahrzunehmen, ohne jegliche Form einer Bewertung
darin zu verbalisieren. Es wird rein ausgedrückt, was
gegenwärtig zu beobachten ist. Hierdurch entsteht beim
Gegenüber das Gefühlt eines wertschätzenden Ver-
ständnisses und eine positive Basis für den weiteren
Gesprächsverlauf wird gelegt.
Im zweiten Schritt erfolgt eine Analyse der Gefühle, die
in der jeweiligen Situation präsent sind, bevor diese ver-
28
balisiert werden. Hierbei ist essenziell, dass keine Ver-
mischung von Gefühlen und Gedanken stattfindet.
Der dritte Schritt sieht das Ausdrücken der eigenen Be-
dürfnisse vor. Diese können mit Wünschen gleichgesetzt
werden und sind klar von Strategien abzugrenzen (vgl.
Altmann/ Roth 2014, S. 20).
Der vierte Schritt bildet durch die Formulierung einer
konkreten Bitte, in welcher die Umsetzung der unerfüll-
ten Bedürfnisse angesprochen wird, den Abschluss. Da-
bei gilt es Bitten so zu äußern, ohne darin eine Forde-
rung zu stellen. Es gilt, je konkreter diese Artikuliert wird,
desto größer ist die Wahrscheinlichkeit auf deren Um-
setzung (vgl. ebd., S. 21).
Durch die Anwendung der vier Schritte werden verschie-
dene Ziele verfolgt. Einerseits wird der Wunsch nach
Aufmerksamkeit beim Gegenüber gewährleistet. Bezo-
gen auf eine typische Beratungssituation wird hierbei der
Klient mit seinem Anliegen durch den Berater empa-
thisch wahrgenommen und akzeptiert. Darüber hinaus
wird ein besseres Verständnis beim Gegenüber erlangt
und ein sehr intensiver Kontakt kann innerhalb kurzer
Zeit aufgebaut werden. Der wesentlichste Punkt stellt
wohl die Unterstützung dar, statt eine Gegenwehr des
Gegenübers zu provozieren. Für den Berater wird hier-
29
bei eine Arbeitserleichterung ermöglicht, da mit dem
Klienten gemeinsam an einer Lösung gearbeitet wird, die
idealerweise auf gegenseitigem Verständnis beruht (vgl.
Altmann/ Roth 2014, S. 68).
Zusammenfassend stellt für ein Beratungssetting, be-
sonders im Blick auf schwierige Beratungssituationen,
dieser gesprächstheoretische Ansatz eine ideale Um-
gangsform dar, um respektvoll und einfühlend auf den
Klienten einzugehen und mit diesem zu an einer Lö-
sungsfindung arbeiten.
Die beiden vorangegangen Kapitel haben grundsätzlich
zu beachtende Aspekte in der Kommunikation zwischen
Beratenden und Klienten beleuchtet. Im Folgenden wer-
den zehn Kliententypen beschrieben, die jeder Beraterin
und jedem Berater in (Bildungs-) Beratungssettings be-
gegnen können. Hierbei werden durch je zwei Methoden
und deren Visualisierung Möglichkeiten eröffnet, mit
schwierigen Beratungssettings bestmöglich umgehen zu
können.
31
Kliententypen aus schwierigen Beratungs-
situationen
Das folgende Kapitel beschreibt zehn Kliententypen,
welche die Bildungsberatung aufsuchen. Jeder Klienten-
typ wird in einem Unterkapitel durch ein Fallbeispiel,
einer Beschreibung des Beratungstyps und zwei pas-
senden Methoden repräsentiert. Es soll darauf verwie-
sen werden, dass die ausgesuchten Methoden vielfältig
anwendbar sind und daher nicht explizit für einen Klien-
tentyp gelten. Um einen Schnellzugriff auf die Methoden
zu ermöglichen, findet sich eine Übersicht dieser direkt
hinter dem Inhaltsverzeichnis (S.5).
Die Methoden weisen eine systematische Darstellung
auf. Hierzu wurde nachfolgende Legende angewandt:
Methode wird betitelt.
Die Methode wird beschrieben.
Materialien werden aufgelistet, zusätzliche Visua-
lisierung.
Hinweis:
Alle Beschreibungen der Klienten sind frei erfunden und
beruhen auf keinerlei wahren Hintergrund oder Identität.
Insbesondere werden auch Institutionen erwähnt, zu
welchen keinerlei wahrheitsgemäßen Informationen be-
schrieben werden.
32
1. Der/ die forderndeKlient/ Klientin
Frau Isabel Müller nimmt an einer vermittlungsorientier-
ten Job-Maßnahme eines Weiterbildungsanbieters teil.
Sie wurde hierzu von der Agentur für Arbeit vermittelt
und ist verpflichtet, täglich 8 Stunden anwesend zu sein,
da ihr sonst Leistungskürzungen drohen können. Die
Klientin ist mit ihren 25 Jahren und keiner erfolgreich
abgeschlossenen Berufsausbildung im Bereich Bäcke-
reiverkäuferin kein Einzelfall. Bereits am ersten Tag der
Maßnahmenzuweisung zeigte Frau Müller bezüglich
einer schnellen Vermittlung in Arbeit eine negative Ein-
stellung. Dabei wird von ihr eigensinnig das Ziel verfolgt,
dass es die Aufgabe der Berater sei, eine passende Ar-
beitsstelle für sie zu finden. Ebenfalls geht sie davon
aus, dass für sie einen Lebenslauf und Anschreiben er-
stellt werden. Sie provoziert die Berater regelrecht indem
sie Aussagen in den Raum stellt, die unweigerlich zei-
gen, dass sie die Schuld an ihrer momentanen Situation
stets bei anderen „verantwortlichen“ Personen sucht.
Dazu gibt sie an, dass alle gegen sie seien. Vielmehr
betont sie, „es sei ja wohl die Aufgabe der Berater/innen
zu helfen“. Darunter fasst sie nicht rein eine unterstüt-
zende Hilfe, sondern fordert aktiv die ausstehenden Un-
terlagen ein, wofür sie selbst verantwortlich ist…
33
Beraterinnen und Berater werden mit den verschiedens-
ten Anliegen, Problemen und Fragestellungen in ihrem
Berufsalltag konfrontiert. Hierbei treten die Klienten häu-
fig mit der Erwartungshaltung an ihre Beraterin/ ihren
Berater heran, dass jener die Lösung für ihr Anliegen
oder ihre Problematik für sie bereithält. Beratung ist je-
doch in erster Linie Hilfe zu Selbsthilfe – die Beraterin/
der Berater bietet als Begleiter eine Unterstützung an,
der aktive Part liegt bei den Klienten selbst. Dieses „Ak-
tiv sein/ Aktiv werden“ der Ratsuchenden/ des Ratsu-
chenden impliziert stets eine Veränderung in der Person
um eine Entwicklung in Gang zu bringen. Dies sollte zu
Beginn, spätestens im Laufe der Beratung, thematisiert
werden. Die Klientin/ der Klient erwartet oder wünscht
sich eine vorbereitete Lösung seitens der Beraterin/ des
Beraters, für Beraterinnen und Berater hingegen gilt die
Maxime der Eigenverantwortlichkeit der Klientin/ des
Klienten – ein Spannungsfeld, das es zu lösen gilt (vgl.
Noyon/ Heidenreich 2009,S. 147).
In Beratungssettings mit fordernden/ mangelnde Ver-
antwortungsübernahme der Klientin/ des Klienten kön-
nen Orientierungsfragen wie beispielsweise
Was möchte die Ratsuchende/ der Ratsuchende
von mir?
34
Was erwartet sie/ er?
Worauf legt sie/ er Wert?
Was soll ich ihrer/ seiner Meinung nach für sie/
ihn tun?
hilfreich für Beraterinnen und Berater sein, um das Ge-
genüber besser einschätzen zu können, ihr/ ihm das
Gefühl zu geben, verstanden worden zu sein, sich je-
doch in ihrer/ seiner professionellen Haltung als Berate-
rin/ Berater von der Erwartungshaltung der Klientin/ des
Klienten abgrenzen zu können (vgl. Buchacher et.al.
2012, S. 176).
Grundsätzlich muss für Beratende gelten, dass sie/ er
sich durch die Ablehnung der Verantwortung und der
mangelnden Eigeninitiative der Klientin/ des Klienten
nicht automatisch dazu verpflichtet fühlt, dies für sie/ ihn
zu übernehmen (Vermeidung einer reflexartige Aussage
derBeraterin/ des Beraters „Da wurde Ihnen ja übel mit-
gespielt, ich werde mich selbstverständlich darum küm-
mern…“). Es ist wichtig, Verständnis für die Ratsuchen-
de/ den Ratsuchenden aufzubringen und ihr/ ihm den
Raum zu geben, sich über Ungerechtigkeiten oder
Schuldzuweisungen auslassen und ihre/ seinen Erwar-
tungen an die Beraterin/ den Berater formulieren zu kön-
35
nen, jedoch sollte dann zügig der Bogen zur Eigeninitia-
tive der Klientin/ des Klienten gespannt und ihr/ ihm die
Möglichkeiten zur Unterstützung und Begleitung durch
die Beratende/ den Beratenden aufgezeigt werden (vgl.
Noyon/ Heidenreich 2009, S. 152).
36
Ziel- Interview
Um Klienten in ihrer Ziel-Fokussierung zu unter-
stützen, ist die Methode „Ziel-Interview“ein Leitfaden,
anhand derer sich die Beraterin/ der Berater während
des Gesprächs entlang hangeln kann. Die Fragen müs-
sen nicht alle nacheinander gestellt werden, sondern
durch situatives Abwägen und Umformulieren entspre-
chend der Persönlichkeit und Anliegen der Klientin/ des
Klienten angewandt werden. Die methodische Ausge-
staltung orientiert sich an den Bedürfnissen der Zubera-
tenden/ des Zuberatenden. Durch diese Methode kann
das Beratungsgespräch strukturiert werden, sowie als
Motivationsunterstützung zur Zielerreichung für die Rat-
suchende/ den Ratsuchenden dienen. Hierbei steht stets
das Ziel im Mittelpunkt und nicht das (hemmende) Prob-
lem. Wichtig ist, das formulierte Ziel aufzuschreiben,
gegebenenfalls können im Verlauf des Beratungsge-
sprächs weitere Antworten auf Moderationskärtchen
festgehalten werden (vgl. Reichel/ Rabenstein 2012, S.
222).
Flipchart oder Papier, Stifte, Moderationskärtchen
Leitfaden für das Ziel- Interview
37
„Leitfaden für das Ziel- Interview“
1. Was ist dein Ziel? (Klientin/ Klient formuliert es so, als
habe sie/ er es jetzt in der Gegenwart erreicht: „Ich…“)
2. Woran wirst du merken, dass du das Ziel erreich hast?
(sinnlich beschreiben, persönliche Wahrnehmung)
3. Wo, wann, mit wem wirst du das Ziel erreichen? Woran
werden andere merken, dass du dein Ziel erreicht hast?
(Frage nach den Ressourcen)
4. Wie siehst du aus, wenn du dein Ziel erreicht hast?
Zeig es mir jetzt.
5. Was wird sich dadurch ändern? Was wird es dich kos-
ten, was ist dein Preis? (Was muss geschehen, um das
Ziel zu erreichen?)
6. Was ist das gute am jetzigen Zustand? (Wertschätzung
des Alten)
7. Wie wird deine Umwelt reagieren? Stimmst du diesen
Folgen zu?
8. Was steht dir bei deiner Umsetzung im Weg?
9. Welche Fähigkeiten hast du bereits dazu gewonnen?
Wer, was kann dir dabei helfen?(Frage nach den Res-
sourcen)
10. Dein erster kleiner Schritt? Gutes Gelingen!
(vgl. Reichel/ Rabenstein 2012, S.222)
38
Problembild - Lösungsbild
An verschiedenen Stellen in Beratungsprozessen
kann es hilfreich sein, vom Verbalisieren in einen ande-
ren Kommunikationskanal zu wechseln. Gründe hierfür
können sein, dass sich die Klienten schwer damit tun,
sich auszudrücken, sich Klienten zurückziehen und die
Verantwortungen an ihre Beraterinnen/ Berater abgeben
oder für einen Perspektivwechsel in der Klienten/ dem
Klienten ein anderer Zugang besser geeignet erscheint.
Eine Möglichkeit, sich ohne Vorgaben auszudrücken, ist
ein Bild zu malen. Um dies in den weiteren Beratungs-
prozess miteinbeziehen zu können, bietet es sich an, die
Klientin/ den Klienten zuerst ein Bild malen zu lassen, in
welchem das Problem/ die jetzige Situation/ Gefühle
dargestellt werden. Beraterin/ Berater und Klientin/ Klient
unterhalten sich darüber. Im Anschluss daran soll das
von Klientenseite formulierte zu erreichende Ziel als Lö-
sungsbild gemalt werden. Welche Gedanken haben die
Klienten? Was wurde dargestellt? Welche Schritte wären
für die Erreichung des Lösungsbildes nötig? Was kann
hierfür unterstützend getan werden? (vgl. Reichel/ Ra-
benstein 2012, S. 66 f.).
Flip Charts, Farben, Wachsmalstifte, Buntstifte
40
2. Der/ die aggressive Klient/ Klientin
Die Volkshochschule Stuttgart bietet wöchentlich eine
Informationsberatungsstunde für alle angebotenen Kurse
an. Diese findet mittwochs statt und steht für Kunden
auch ohne Voranmeldung zur Verfügung. Da Herr Max
Schäfer unentschlossen darüber ist, welcher Englisch-
kurs für ihn den passendsten darstellt, nimmt er die Be-
ratung der VHS in Anspruch. Als er in das Beratungs-
zimmer eintritt wird schnell deutlich, dass er sehr for-
dernd der Beraterin gegenüber tritt. Vielmehr zeigt sich
der Wunsch nach einer schnellen Beratung darin, indem
er ständig auf die Uhr schaut und mit den Händen unge-
duldig auf dem Tisch klappert. Als die Beraterin bei einer
seiner Fragen nicht die passende Antwort liefern kann
und in ihrem computerbasierten Buchungssystem noch-
mals nachschauen muss antwortet er mit aggressivem
Ton „ob man hier nichts weiß, wenn man schon Bera-
tung anbietet“. Nach einiger Zeit des aufgeregten War-
tens legt er nach und beschimpft die Beraterin mit der
Floskel „typisch Weiber, blicken und wissen mal wieder
nichts“. Die Kompetenz der Beraterin wird hierdurch in
Frage gestellt und ein angemessenes Beratungsge-
spräch droht zu kippen…
41
Oftmals werden Beratungen von Klienten mit Aggressi-
onspotential aufgesucht. Dabei kann aggressives Ver-
halten in ganz unterschiedlich auftreten. Es muss daher
zwischen offen aggressivem und verdeckt aggressivem
Verhalten differenziert werden. Bei ersterem äußert sich
der Klient/ die Klientin oftmals lautstark mit Unterstellun-
gen, Beschimpfungen oder Beleidigungen. Dabei ver-
wendet er/ sie für seine/ ihre Abwertungen einen ag-
gressiven Ton. Dem gegenüber steht das verdeckt ag-
gressive Verhalten eines Klienten/ einer Klientin, was
über die Dauer dem Berater/ der Beraterin mehr zuset-
zen kann, als die offene Aggressionsform. Hierunter sind
subtile Angriffe zu verstehen, die weitaus häufiger vor-
kommen. Dabei sind oftmals die Kompetenzen des Be-
raters/ der Beraterin durch Klienten in Frage gestellt
(z.B. „Können Sie das überhaupt verstehen?“ oder „Ha-
ben Sie studiert oder ich?“). Diese beiden Formen wer-
den als Strategien von Klienten angewendet, um an et-
was zu kommen. Um daher einen Umgang als Berater/
Beraterin mit solchen Personen zu finden, ist es essen-
ziell, primär heraus zu finden, woher die Aggressionen
resultieren und was diese bedeuten können. Diesbezüg-
lich können die Gründe ganz unterschiedlich sein. Bei-
spielsweise können sich solche Klienten selbst in einer
bedrohlichen oder beängstigenden Situation befinden.
42
Ebenfalls kann deren Verhalten durch eine Niederlage,
Abwertung oder eigener Selbstvorwürfe resultieren.
Auch kann die Aggression als eine Art Kommunikations-
versuch gedeutet werden, welcher sich als eine Form
von Beziehungsstörung darstellt. Es kann auch die Folge
von Konflikten darstellen, wovon der Ärger mit in das
Beratungssetting gebracht wird und sich dort entlädt
oder eine Folge von Stress und Frustration darstellt. Die
Aggressionen können auch als Gegenreaktion auf die
Aggression des Beraters/ der Beraterin entstehen, wel-
che sie bewerten oder Schuld zuweisen. Andere Mög-
lichkeiten dafür können auch ein Kontrollverlust sein, der
selbst erlebt wird (beispielsweise nicht weiter wissen)
oder aufgrund von Platzmangel und eingeschränkter
Intimsphäre resultieren. Selbst die Folge eines Krank-
heitsbildes oder Medikamente können solche Aggressi-
onen hervorrufen “ (vgl. Buchacher et.al 2012, S. 178f.).
43
Entscheidungswege
Klienten werden von Beratenden nach verschie-
denen Lösungswegen für ihre Situationen und die ange-
strebten Zielsetzungen in der Gegenwart befragt. Diese
Ziele werden auf Kärtchen geschrieben und im Raum
ausgelegt. Dabei können mehrere Ziele existieren, die
es aus der Beobachterposition (Metaebene) zu diskutie-
ren gilt. Der Klient/ die Klientin schaut hier selbst „von
außen“ auf das Geschehen und betrachtet die eigene
Situation emotionslos, wie wenn eine Glasscheibe da-
zwischen wäre. Ebenfalls wird auf die verschiedenen
Gegenwartkärtchen im Raum Bezug genommen. Bera-
tende können hierbei die Klienten durch Fragen („Was
wird gesehen/ gehört/ gefühlt?“) anleiten. Dazu sollte
zunächst der erste Weg zur Zielsetzung bis zum End-
punkt (= Ziel) gegangen werden. Von diesem Punkt aus
wird der Prozess reflektiert und zurückgeschaut. Der
Berater/ die Beraterin kann auch hier mit Fragen unter-
stützen („Was können Sie von dem Standpunkt jetzt
wahrnehmen, wenn Sie zurückschauen?“). Das Selbe
wird mit den alternativen Lösungswegen durchgeführt.
Beratende werten im Anschluss daran mit ihren Klienten
die Entscheidungsfindung aus („Was bedeutet dies für
Ihre Entscheidung?“) (vgl. Natzschka 2016).
Moderationskärtchen, Stifte
45
Raus damit!
Mit dieser Methode wird aggressiven Klienten ein
„Dampf ablassen“ ermöglicht. Hierzu werden alle negati-
ven Emotionen, die für den Ratsuchenden/ die Ratsu-
chende als Ballast gelten, von ihm/ ihr selbst auf Zettel-
chen geschrieben. Im Anschluss daran kann dieser/ die-
se die Zettel nacheinander in einen Mülleimer werfen
(dieser kann mehrere Meter vom Klienten/ vonder Klien-
tin entfernt stehen) und somit seinen/ ihren angestauten
Aggressionen Luft machen. Alternativ können diese Zet-
tel auch verbrannt werden, um ein Ende der Vergangen-
heit beziehungsweise der vergangenen Erfahrungen und
Emotionen zu symbolisieren. Erst dann wird eine struktu-
rierte und entspannte Beratungssitzung möglich sein
(vgl. Enders/ Heizmann/ Starzmann 2016).
Mülleimer, kleine Zettel, Stift, gegebenenfalls
Feuerzeug
47
3. Der/ die wütend-tobende Klient/ Klientin
Frau Katja Weber möchte nach der Geburt ihrer nun 3 jäh-
rigen Tochter wieder ins Arbeitsleben einsteigen. Da sie
allerdings bereits seit 4 Jahren aus dem Job als Büroassis-
tenz raus ist, sucht sie die Berufsberatung des Jobcenters
auf. Sie erhofft sich hierdurch eine Klärung, wie sie sich
wieder aktiv ins Arbeitsleben integrieren kann und welche
passende Stellen sie durch die erlernte Ausbildung ausü-
ben kann. Als sie dem Berater beim Jobcenter gegenüber
steht, spürt dieser intuitiv eine Abwehrhaltung gegenüber
der Klientin. Nichts desto trotz beginnt die Beratung profes-
sionell und ohne jegliche Distanzierung zwischen Berater
und Klient. Der Berater lässt sich auf die zahlreichen Fra-
gen der Klientin ausgiebig ein, bevor die Situation plötzlich
und wie aus dem Nichts zu kippen droht. Der Berater ver-
sucht weiterhin empathisch und ruhig auf die Klientin ein-
zugehen, da kein ersichtlicher Grund für den unerwarteten
Wutausbruch vorliegt. Dennoch legt die Klientin nach und
wird in ihrem Tonfall immer lauter. Ihrer Meinung nach er-
zähle der Berater eh nur Müll und wisse gar nicht, dass sie
ernsthaft darum bemüht ist eine passende Arbeitsstelle zu
finden. Vielmehr fordert sie lautstark, dass er ihr sofort ei-
nen passenden Arbeitgeber aufzeigen soll, statt ihr Aufla-
gen für den Bewerbungsprozess zu geben, um die Dienste
des Jobcenters in Anspruch nehmen zu können…
48
In einer Beratungssitzung zeigt der Klient/ die Klientin
große Wut und macht diese vehement (verbal) deutlich.
In einer solch prekären Situation ist es äußerst wichtig
Ruhe zu bewahren, auch wenn man seine Haltung ge-
fährdet sieht. Im Alltag würden sich meist folgende Re-
aktionen abzeichnen: Entweder man wird selbst wütend
und lässt einen Streit entstehen, gar eskalieren oder
man erduldet den Wutausbruch des Gegenübers und
nimmt eine Opferhaltung ein. In der Beratung sollte der
Berater/ die Beraterin daher wie folgt agieren:
Tun Sie zunächst nichts weiter als Ihr „Schutz-
schild“ einzusetzen, um verbale Attacken an sich
abprallen zu lassen.
Des Weiteren sollten Sie es umgehend unterlas-
sen Rechtfertigungen bzw. Erklärungen kund zu
tun. Das würde die Wut des/ der Ratsuchenden
nur steigern.
Bringt der/ die Zuberatende einen sachlichen
Punkt vor, so können Sie darauf eingehen.
Steigt die Wut des Klienten/ der Klientin jedoch
weiter an, dann spiegeln Sie verbal sein/ ihr Ver-
halten und bauen damit eine Brücke: „Ich verste-
he, dass Sie wutentbrannt sind, da ... Jedoch
rechtfertigt das nicht, mich derart zu beleidigen.“
49
Stärken Sie Ihre Position, indem Sie z.B. deutlich
eine Entschuldigung einfordern.
Hat der/ die Ratsuchende auf Ihr aktives Zuhö-
ren, das Brücken bauen und Ihre Position stärken
nicht reagiert und verstrickt sich stets weiter in
seiner/ ihrer Wut, so beenden Sie das Gespräch
umgehend: „Ich möchte das Gespräch unter die-
sen Umständen nicht weiterführen und bitte Sie,
den Raum zu verlassen. Ich bringe Sie daher nun
zur Tür. Wenn Sie sich beruhigt haben, rufen Sie
mich an“ (vgl. Buchacher et.al 2012, S. 182 f.).
50
Progressive Muskelentspannung
Bei der progressiven Muskelentspannung handelt
es sich um ein Verfahren, bei dem durch die bewusste
An- und Entspannung bestimmter Muskelgruppen ein
Zustand tiefer Entspannung des ganzen Körpers erreicht
werden soll. Dabei werden nacheinander die einzelnen
Muskelpartien in einer bestimmten Reihenfolge zunächst
angespannt, kurz gehalten und wieder entspannt. Die
Konzentration der Person wird dabei auf den Wechsel
zwischen Anspannung und Entspannung gerichtet und
auf die Empfindungen, die mit diesen unterschiedlichen
Zuständen einhergehen. Ziel ist es muskuläre Entspan-
nung herbeizuführen, wann immer dies gewünscht ist.
Außerdem sollen durch die Entspannung der Muskulatur
auch andere körperliche Unruhen, die meist durch
Stress ausgelöst werden, gesenkt werden (vgl. Wolf
2016).
Optional: Entspannungs-CD, Yogamatte
52
Das überlaufende Fass
Bei der Methode „Das überlaufende Fass“ soll der Klient/
die Klientin die Gelegenheit erhalten seinem/ ihrem Frust
Luft zu machen, aber auch wieder zu versiegen.
Der Berater/ die Beraterin malt ein großes Fass
auf ein Flip Chartpapier. Dies wird gut sichtbar für den/
die Ratsuchende an eine Stellwand angebracht. Der
Berater/ die Beraterin fordert den Zuberatenden/ die Zu-
beratende auf alle Aspekte, die zu seiner/ ihrer Wut füh-
ren schriftlich auf Metaplankarten zu fixieren. Diese wer-
den, mit Hilfe von Klebestreifen, in den Fassumriss an-
gebracht. Wenn alle Aspekte an der Flipchart gesammelt
wurden, weist der Berater/ die Beraterin auf das fast
überlaufende Fass hin und fragt den Klienten/ die Klien-
tin nach Aspekten, um einen Deckel daraus zu generie-
ren, der das Fass vom Überlaufen stoppt. Dabei erhält
der/ die Ratsuchende neue Metaplankarten, um die „De-
ckelbeschwerer“ ebenfalls aufzuschreiben.
Stellwand, Flip Chartpapier, Metaplankarten, Stif-
te, Klebeband
54
4. Der/ die enttäuschte Klient/ Klientin
Herr Dennis Bauer kommt zur Studienberatung der Agentur
für Arbeit. Er hat sich als Ziel gesetzt nun das Studium der
Zahnmedizin in Angriff zu nehmen, da er jetzt endlich die
Hochschulreife erfolgreich mit einem Schnitt von 1,5 abge-
schlossen hat. Zuvor hat er bereits den Realschulabschluss
beendet und daraufhin noch das Abitur angeschlossen.
Schon seit er sich denken kann ist es sein lang ersehntes
Ziel im Bereich Zahnmedizin zu studieren. Als er zum ver-
einbarten Termin in die Studienberatung kommt, tritt er
dem Berater völlig euphorisch gegenüber und berichtet ihm
von seiner Biografie und schulischen Entwicklung. Es zeigt
sich, wie stark der Klient daran interessiert ist, im kommen-
den Semester sein Studium beginnen zu können. Aller-
dings wird diese Freude schnell getrübt, als er erfährt, dass
der Numerus Clausus für sein präferiertes Studium mo-
mentan bei 1,3 liegt. Er gibt an, dass dies doch nicht sein
könne, da er ausgiebig recherchiert habe. Allerdings, wie
sich heraus stellt, waren dies Erfahrungswerte der vergan-
genen 10 Jahre und keine aktuellen Daten. Die Hoffnung,
durch die Studienberatung eine passende Universität zu
finden, wird durch die ernüchternde Datenlage abgelöst.
Ob dennoch ein Medizinstudiengang für einen anderen
Themenbereich angedacht werden kann, gilt es im weite-
ren Gesprächsverlauf mit dem Klienten herauszuarbei-
ten….
55
Klienten nehmen eine Fachberatung, in diesem Falle die
Bildungsberatung, wahr, wenn sie zu einer konkreten
Thematik eine Fragestellung haben. Es soll etwas Be-
stimmtes geklärt werden und die Beraterin/ der Berater
hat das nötige Know-How. Obwohl es scheinbar nur um
die Klärung einer konkreten Fragestellung geht, impli-
ziert der Beratungsprozessbei Klienten Hoffnungen, eine
erwartete Antwort oder Vorteile, ein Ergebnis nach ihren/
seinen Vorstellungen und Wünschensowie ein persönli-
ches Interesse. Auch wenn die Klientin/ der Klient
scheinbar objektiv die Beraterin/ den Berater für eine
Konsultation zu einer Problematik aufsucht, kann die
Enttäuschung bei den Ratsuchenden groß sein, wenn
das Ergebnis nicht deren Vorstellungen entsprechen
(vgl. Buchacher et.al. 2012, S.184). Die Beraterin/ der
Berater ist in diesem Fallbeispiel an den vorgegebenen
Numerus Clausus gebunden und kann diesen nicht än-
dern, auch wenn sie/ er die Ernüchterung ihres/ seines
Klienten nachvollziehen kann.
Oftmals entsteht seitens Beratenden ein großes Maß an
Recherchearbeit und Expertise, um zur vollständigen
Problemklärung beitragen zu können. Wenn sich im Ver-
lauf des Beratungsgesprächs das scheinbar „nicht richti-
ge“ Ergebnis für die Ratsuchende/ den Ratsuchenden
ergibt, kann sich die Desillusionierung der Klientin/ des
56
Klienten auch zu einer Frustration der Beraterin/ des
Beraters entwickeln, da ihr/ sein Engagement nicht ho-
noriert wird (vgl. ebd., S. 184).
Hierfür ist ein geeignetes „Enttäuschungsmanagement“
sehr wichtig. Buchacher et.al. zeigen drei Ansätze des
Enttäuschungsmanagements auf:
Präventiv: die Beraterin/ der Berater muss sich darüber
im Klaren sein, dass ihr/ sein Rat die Klientin/ den Klien-
ten enttäuschen kann. Es sollten im Vorhinein keine fal-
schen Hoffnungen bei Ratsuchenden geweckt werden,
sondern zusammen mit ihnen erörtert, worin das Anlie-
gen und der Wunsch der Klientin/ des Klienten besteht.
In welchem Maße die Beraterin/ der Berater der Ratsu-
chenden/ dem Ratsuchenden weiterhelfen kann, hängt
von den beraterischen Grundsätzen ab.
Interventiv: aktives Zuhören und die Spiegelung von
vermuteten Erwartungen in Ich-Botschaften sollten sei-
tens derBeraterin/ des Beraters frühzeitig ausgespro-
chen werden, um eine spätere Desillusionierung derKli-
entin/ des Klienten rechtzeitig aufzufangen.
Postventiv: im Falle eines „nicht richtigen“ Ergebnisses
für die Ratsuchende/ den Ratsuchenden ist es wichtig,
die Enttäuschung zu thematisieren (vgl. ebd. S.184 f.).
57
Schattengestalten
Jeder von uns hat persönliche Vorlieben, eine
Komfortzone, die wir ungern verlassen, aber auch Ab-
neigungen, denen wir möglichst aus dem Weg gehen.
Diese Methode soll zur Reflexion dieser Abneigungen
anregen, sowie mögliche positiven Ressourcen oder
Eigenschaften herausarbeiten. Die Klientin/ der Klient
stellt sich eine Person aus ihrem/ seinem Umfeld oder
eine Situation vor, die bei ihr/ ihm negative Gefühle oder
ein abstoßendes Verhalten auslösen und artikuliert dies
(„Ich finde nervig/ anstrengend/…“). Im nächsten Schritt
soll eine Umstrukturierung (Reframing) durch folgende
Überlegungen vollzogen werden:
Welche Talente und Ressourcen hat diese
Schattengestalt?
Was davon könnte eine gute Ergänzung für mei-
ne Persönlichkeit sein?
Dieses Beleuchten der anderen Seite der Medaille kann
dazu führen, dass die Ratsuchenden auch aus enttäu-
schenden, ... Situationen etwas Positives ziehen und für
die Zukunft Ressourcen aktivieren können (vgl. Watzal
2009, S. 1).
Moderationskärtchen, Stifte
59
Brief an…
Jedes Schlechte trägt auch etwas Gutes in
sich…Um die Chancen und Möglichkeiten einer jetzt
scheinbar schlimmen Situation/ Problem von Klienten
herauszuarbeiten, bietet es sich an, die Klienten/ den
Klienten einen Brief schrieben zu lassen. Hierbei gibt es
verschiedene Möglichkeiten: einen Brief an mich selbst
in der Zukunft, einen Brief an eine andere Person, in
welchem Mut gemacht wird oder das Gute an den Rück-
schlägen beschrieben wird oder auch einen Brief an eine
Konfliktperson X, in welchem alles Ungesagte aufge-
schrieben wird. Briefe vermitteln eine Sicherheitszone,
ein Puffer zwischen den Klienten und einem Problem,
einem Ziel oder einer anderen Person. Hier darf alles
geschrieben werden, es gibt kein falsch oder richtig und
jede Idee, Angst, Veränderung,… kann hier einen Platz
finden, nichts ist unmöglich. Durch das Briefschreiben
können mögliche Lösungen entwickelt, Ziele formuliert
oder Belastungen gelöst werden, die der Klientin/ dem
Klienten in seinem Beratungsanliegen und Beratungs-
prozess weiterhelfen. Es können Vorteile erkannt wer-
den, die jetzt noch nicht gesehen werden (vgl. Reichel/
Rabenstein 2012, S. 70 f).
Papier, Stift, gegebenenfalls Briefumschlag, Ker-
ze und Wachs für ein Briefsiegel
61
5. Klient/ Klientin mit Verständigungsprob-
lemen
Herr Abdul Hamid ist Syrier und erst seit zwei Monaten
in Deutschland. Seit dieser kurzen Zeit lebt er mit seinen
zwei Töchtern (7 und 10 Jahre) und Frau, in einer
Flüchtlingsunterkunft nahe Stuttgart. Es ist ihm wichtig,
dass seine Kinder eine passende Bildung erhalten, wes-
halb er sich an ein Informationszentrum innerhalb des
Flüchtlingsheimes wendet. Dabei erhofft er sich, pas-
sende Adressen für seine Kinder zu erhalten, um diesen
grundlegende Kenntnisse im Schreiben, Rechnen und
der deutschen Sprache zu vermitteln. Allerdings fällt die
Beratung schwerer als gedacht, da der Klient selbst
kaum ein Wort deutsch spricht und auch der englischen
Sprache nicht mächtig ist. Die Beraterin versucht mit
Hand und Fuß zu kommunizieren und setzt zudem Bilder
und Piktogramme für die bessere Verständigung ein.
Allerdings wird der Beraterin auch nach einer halben
Stunde das Anliegen des mittlerweile ungeduldigen Kli-
enten nicht vollständig klar. Sie beschließt daher die
Beratung auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen, um
bis dahin einen geeigneten Dolmetscher organisieren zu
können. Allerdings zeigt sich Herr Hamid auch mit dieser
Lösung nicht zufrieden…
62
Neben dem brandaktuellen Flüchtlingsthema, wandern
jährlich tausende Menschen aus aller Welt nach
Deutschland ein. Dies birgt, neben sprachlichen Defizi-
ten (Zusammenarbeit mit Dolmetscher/ Dolmetscherin),
auch interkulturelle Verschiedenheiten. Der Berater/ die
Beraterin sollte für diese Umstände über interkulturelle
Kompetenzen verfügen und damit folgende Fragen im
Beratungsprozess bedenken und gegebenenfalls ein-
bringen:
Welchen kulturellen Hintergrund hat mein Ge-
genüber?
Auf welchem kulturellen Hintergrund basiert
mein eigenes Handeln?
Haben wir das gleiche Verständnis eines Begrif-
fes oder auch von der Bedeutung der Körper-
sprache?
Formulieren wir Bitten, Wünsche oder auch Er-
wartungen gleich?
Bin ich mir der Relativität der Werte bewusst?
Das Anwenden von interkulturellem Know- How befähigt
den Berater/ die Beraterin gemeinsam mit seinem/ ihrem
Klienten Lösungen zu generieren. Stereotypen dürfen
dabei keine Rolle spielen. Stattdessen findet man
(non)verbale Wege beide Kulturen akzeptabel zum Aus-
63
druck zu bringen. Mit Verständnis, Neugierig und Offen-
heit schafft der Berater/ die Beraterin eine Plattform, auf
der sich zwei Menschen unterschiedlicher kultureller
Prägung begegnen und kennenlernen können, um mitei-
nander das Anliegen zu bearbeiten (vgl. Buchacher et.al
2012, S. 186 f.).
64
Piktogramme
Mit Hilfe von Piktogrammen kann die Sprachbar-
riere einigermaßen gut überbrückt werden. Hierzu eig-
nen sich Wörterbücher ohne Worte, die stattdessen mit
allerlei Bildern aus dem Alltag gespickt sind. Diese findet
man zu einem Unkostenbeitrag ab 1,50€ in diversen
Onlineshops (vgl. Langenscheidt (o.A)).
Wörterbuch ohne Worte
(vgl. Langenscheidt (o.A.): Wörterbuch ohne Worte.)
65
Übersetzungs-Apps
Reicht das Piktogramm nicht mehr aus, um eine
adäquate Beratung ausüben zu können, dann bietet es
sich an, die medialen Hilfsmittel zu Rate zu ziehen. Im
Internet finden sich zahlreiche Angebote für Überset-
zungs-Apps, die größtenteils kostenlos heruntergeladen
werden können.
Internet, Computer, Laptop, Tablet, Smartphone
mit diversen Apps für Übersetzungen
66
Google Übersetzer:
durch Tastatureingabe in 90 Sprachen
durch Kamerafunktion in 26 Sprachen
durch Spracheingabe in 40 Sprachen (beide
Sprachrichtungen möglich)
Langenscheidt App:
durch Tastatureingabe
hohe Sprach-/ Übersetzungsqualität
Kritik: keine Integration von Aussprache vor-
handen
„Übersetzer 2Go“-Stimmübersetzer App (iPhone):
durch Tastatureingabe in 100 Sprachen
durch Sprecheinsage in 100 Sprachen
Bearbeitung der Übersetzungen manuell
möglich
importieren von Texten aus externen Quellen
kopieren, einfügen und teilen von Überset-
zungen mit einem Klick
Funktion Übersetzung laut vorlesen lassen
(vgl. CHIP Digital GmbH 2016)
67
6. Der Prinzipienreiter/ die Prinzipienreiterin
Frau Nathalie Schmitt sucht mit ihrer zehnjährigen Toch-
ter die kommunale Bildungsberatung auf. Nach Angaben
von Frau Schmitt hatte die Grundschulberatung nicht
genügend Aufschluss darüber geben können, ob ihre
Tochter besser auf eine Realschule oder ein Gymnasium
gehen solle. Daher möchte sie sich von einer dritten und
außenstehenden Person nochmals Rat einholen. Bereits
zu Beginn der Beratung zeigt sich die dominante Art der
Mutter, da sie ständig darauf pocht, dass ihre Tochter
mit den guten Noten gefälligst auf ein Gymnasium gehen
solle. Sie wolle sich auf keinen Fall von der Grundschule
dazu bringen lassen, dass ihre Tochter „nur“ auf eine
mittelklassige Schulbildung einer Realschule Anspruch
haben soll. Die Tochter möchte ebenfalls das Gymnasi-
um besuchen, da sowohl ihre Freundinnen dorthin ge-
hen, als auch ihr Berufswunsch „Lehrerin“ nur so zu er-
füllen sei. Es zeigt sich das fokussierte Interesse der
Mutter, auf solche ungerechten Zuweisungen durch Leh-
rer, zukünftig zu verzichten, weshalb sie die Sache nun
selbst in die Hand nehmen möchte. Immerhin kennt sie
die Gesetzesgrundlage und möchte nur das Beste für
ihre Tochter und ihren späteren, beruflichen Werdegang
erzielen…
68
Oftmals kommt es in Beratungssettings dazu, dass so-
genannte „Prinzipienreiter“ mit einem ausgeprägten
Rechtsempfinden in die Beratung kommen, die bei-
spielsweise für sich Vertragstreue in Anspruch nehmen
wollen. Dabei können die Anliegen aus ganz unter-
schiedlichen Gegebenheiten rühren, in welchen nach
deren Sicht ihnen Unrecht getan wurde. Dass hierbei
auch die Nerven des Beraters/ der Beraterin strapaziert
werden können, steht außer Frage. Sätze wie „Sie wol-
len also auch nichts für mich tun!“ sind von solchen Per-
sonen pauschalisiert übertragen auf den Berater/ die
Beraterin nichts Ungewöhnliches. Dabei verlagert sich
das Gespräch automatisch auf eine andere Ebene, auf
welcher sich Beratende teilweise persönlich angegriffen
fühlen. Für Prinzipienreiter steht dabei ein regelkonfor-
mes, wenn auch nicht gerechtes, Verhalten stets im
Vordergrund, weshalb er vom Berater/ von der Beraterin
erwartet, dass jener/ jene sich dafür einsetzt, solche Un-
gereimtheiten zu unterbinden. Als Berater/ Beraterin ist
es in solchen Situationen wichtig, dass nicht in den Wi-
derstand gegangen wird. Vielmehr sollte eine sachliche
Prüfung des Anliegens angeboten werden, um aus-
schließen zu können, dass der Klient/ die Klientin mit
seiner/ ihrer Theorie nicht doch Recht erhält. Sollte sich
der Fall dabei als wahrheitsgetreu und die Thematik als
69
zulässig herausstellen, können Beratende in einem sol-
chen Fall die Ratsuchenden unterstützen und sich ihrer
Empörung durchaus auch anschließen, um auf diesen
empathisch eingehen zu können“ (vgl. Buchacher et.al
2012, S. 188 f.).
70
Lösende Sätze
Hierbei erhält der Klient die Möglichkeit seine
eigene Haltung (beispielsweise stets auf Recht und Ord-
nung beharren) aus einer Metaperspektive zu betrach-
ten. Dabei können Verstrickungen, beispielsweise mit
Behörden oder Vorgesetzten, nochmals „aus der Ferne“
wahrgenommen werden. Lösende Sätze können sowohl
von dem Klienten selbst beschrieben, als auch vom Be-
rater vorgegeben sein (vgl. Natzschka 2016).
Beispiele:
„Lieber Kollege, ich bin wie Du…“
„Liebe Frau XX, bitte schauen Sie freundlich,
wenn ich Erfolg im Beruf habe…“
„Ich bin nur der Kunde…“
unter Umständen Flip Chart, Stifte, Moderations-
kärtchen
72
Positionen nützen, Perspektiven wechseln
Bei dieser Methode werden den Klienten drei
Positionen vorgestellt: Ich – Du – Meta. Vor allem in ei-
ner Konfliktsituation hilft es, verschiedene Blickwinkel
darauf einzunehmen. Dazu sollen die Ratsuchenden aus
ihrer eigenen Position (Ich) auf den Fall schauen sowie
den Blick einer anderen Person (Du) dazu einnehmen.
Oftmals ist es hilfreich dazuhin auch eine Meta-Position
einzunehmen, sodass gleichzeitig und neutral auf beide
Positionen geschaut werden kann. Hierzu werden ent-
sprechend drei Kärtchen (Ich – Du – Meta) im Raum
verteilt und die Klienten stellen sich nacheinander auf
diese. Es gilt dabei wahrzunehmen, wie sich die Gefühle
und Einstellungen der Ratsuchenden aus unterschiedli-
chen Blickwinkeln verändern. Beratende können hierbei
nachfragen: „Was kommt Ihnen in den Sinn wenn Sie
dort hinüber schauen?“ Im Anschluss daran wechselt der
Klient/ die Klientin die Karte und blickt nun aus einer
anderen Position (beispielsweise „Du“) auf eine der an-
deren Karten und beschreibt, welche Emotionen nun
vorherrschend sind. Es ist möglich, die Positionen
mehrmals hin und her zu wechseln (vgl. Reichel/ Raben-
stein 2012, S. 156).
drei vorgefertigte Moderationskärtchen mit jeweils
einem Begriff (Ich – Du – Meta)
73
„Positionen nützen- Perspektiven wechseln“
(vgl. Reichel/ Rabenstein 2012, S. 156)
META
(Ressourcenort, Regieführung)
DU ICH
74
7. Der/ die (besser-) wissende Klient/ Klientin
Herr Fabian Maier nimmt bereits zum zweiten Mal einen
Termin bei der Studienberatung der Pädagogischen
Hochschule in Ludwigsburg wahr. Sein Ziel ist es, den
Studiengang „Lehramt Realschule“ zu „Lehramt Sonder-
pädagogik“ zu wechseln. Hierfür hat er sich bereits ein-
mal beraten lassen und recherchierte nach eigenen An-
gaben in der Zwischenzeit ausgiebig im Internet für die
nötigen Informationen bezüglich seines Vorhabens. Als
die Beraterin nochmals vertieft die nächsten Schritte mit
dem Klienten besprechen möchte fällt schnell auf, dass
er der Beraterin sehr oft ins Wort fällt und diese mit ihren
Aussagen nicht ernst nimmt. So kommt es vor, dass
Aussagen wie „das weiß ich doch eh schon durch die
Internetseite“ von ihm getroffen werden. Ebenfalls fällt
auf, dass er mit seiner arroganten und gelangweilten Art
immer flapsigere Kommentare der Beraterin entgegen
bringt. Die Informationen der Beraterin rücken dadurch
immer weiter in den Hintergrund und werden von Herrn
Maiers Besserwisserei abgelöst. Entsprechend ist es
nicht weiter verwunderlich, dass er auch Aussagen der
Beraterin mit „weiß schon selbst was richtig und falsch
ist“ kommentiert…
75
Egal welche Thematik uns beschäftigt- in den meisten
Fällen informieren wir uns darüber, sei es online, in Bib-
liotheken, bei Eltern oder dem Freundeskreis. Daher ist
es nicht verwunderlich, dass sich Klienten vor einer Be-
ratungssitzung kundig machen und den Versuch starten,
ihre Situation zu analysieren. Dies kann für einen Bera-
tungsprozess hilfreich sein, da sich die Ratsuchende/
der Ratsuchende schon mit ihrer/ seiner Lage auseinan-
der gesetzt hat und möglicherweise reflektiert in das
Beratungsgespräch startet. Auch ist es möglich, dass die
Beraterin/ der Berater zu einem späteren Zeitpunkt in
der Beratung auf die anfängliche private Analyse/ Re-
cherche zurückkommt und zusammen mit den Ratsu-
chenden thematisieren, was sich verändert hat oder wel-
che Chancen sich ergeben haben.
Andererseits können diese persönlichen Vorabdiagno-
sen für die Beraterin/ den Berater und ihre/ seine Pro-
fession zum Stolperstein werden. In diesem Fall empfin-
den sich die Ratsuchenden als Experten, oder aber ver-
suchen ihre Unsicherheiten durch eine große Informa-
tionsfülle zu kaschieren. Es wird erwartet, dass die Bera-
terin/ der Berater die Rechercheleistung der Klientin/ des
Klienten anerkennt und akzeptiert. Hierbei kann das Be-
dürfnis nach Informationen und Expertise schnell in eine
Selbstbestätigung und Besserwisserei der Ratsuchen-
76
den umschlagen. Es ist auch möglich, dass das Know-
How der Beraterin/ des Beraters seitens der Klientin/ des
Klienten herabgestuft wird, mit der Annahme, sich selbst
zu profilieren (vgl. Noyon/ Heidenreich 2009, S. 60 f.).
Damit es nicht zu einem Machtkampf während des Bera-
tungsprozesses kommt und sich weder die Beraterin/ der
Berater in ihrer/ seiner Profession und Person noch die
Klientin/ der Klient herabgestuft oder angegriffen fühlt, ist
es ratsam, dass sich Beratende auf ihre professionelle
Grundhaltungen berufen, wie beispielsweise
Ich als professioneller Beraterin/ Berater bleibe
gelassen.
Ich lasse meine Klientin/ meinen Klienten ausre-
den.
Ich bewerte nicht unmittelbar.
Ich wiederspreche dir nicht, sondern frage nach.
Ich respektiere und akzeptiere dich in deiner Per-
son.
Ich respektiere deine Vorarbeit.
Ich biete dir meine Hilfe an und thematisiere dei-
ne konstruktive Kritik.
Ich zeige dir auf, inwieweit ich dir mit meiner Ex-
pertise helfen kann.
77
Ich nehme dich ernst und versuche durch Para-
phrasieren, Nachfragen und Spiegeln, dein An-
liegen und die dahinter stehende Thematik zu
konkretisieren.
Durch die Klärung der Beziehung zwischen Klientin/ Kli-
ent und Beraterin/ Berater kann sich eine gegenseitige
Akzeptanz entwickeln. Es sollte vermittelt werden, dass
die Ratsuchenden im Mittelpunkt stehen und die Exper-
tise der Beratenden seitens der Klientin/ dem Klienten
als unterstützende Begleitung aufgesucht wurde (vgl.
Buchacher et.al. 2012, S. 190).
78
Tischaufstellung mit Tieren
Wenn innere Grundkonflikte oder Verhaltensmus-
tern bei den Klienten die Beratung beeinflussen ist es
schwer, diese verbal herauszuarbeiten. Um die ver-
schiedene Stimmen oder inneren Bilder laut machen zu
können, bietet es sich an, eine Tischaufstellung mit Tie-
ren als Beratungsmethode vorzustellen. Wichtig ist hier-
bei, vorab das Prinzip zu erklären und das Einverständ-
nis der Klienten einzuholen, da für dieses Verfahren das
„Darauf- Einlassen- Können“ eine zentrale Bedeutung
hat. Zunächst ist es wichtig, die inneren Stimmen/ Kon-
flikte laut zu machen, sich jeweils dafür ein Tier auszu-
suchen und auf den Tisch zu stellen. Welches Tier steht
für was? Was würde das Tier typischerweise für eine
Aussage treffen? Welche positiven Attribute hat jedes
Tier? Was will es Gutes für Sie? Kommunizieren die
Tiere untereinander? Haben sie Wünsche? Könnte der
Ratsuchende/ die Ratsuchende mit Tieren eine Lösung
aufstellen? Was könnte der erste Schritt für diese Lö-
sung sein? Hierdurch können Lösungsmöglichkeiten
seelisch/ bildlich von innen nach außen gebahnt werden
(vgl. Natzschka 2016).
Tierfiguren, Lego, Skulpturen
80
Problem- Lösungszirkel
Veränderungen haben immer ihren Preis. Mit
dem Problem- Lösungszirkel wird der Ist- Zustand und
der Soll- Zustand abgefragt. Dabei sollte den Klienten
Raum gegeben werden, das Gute an ihrem Problem
aufzuzeigen, denn das Problem hat auch gute Gründe,
da zu sein und nicht gelöst zu sein. Hierbei sollte geklärt
werden, warum die Klienten ihr Problem nicht lösen kön-
nen beziehungsweise wollen. Um eine andere Perspek-
tive auf das Problem ermöglichen zu können, wird fest-
gehalten, welchen Preis eine Veränderung zur Zielerrei-
chung seitens der Klientin/ des Klienten zu zahlen wäre.
Hierzu muss sich die Klientin/ der Klient fragen, wie groß
ihre/ seine Bereitschaft ist, etwas an der jetzigen Situati-
on zu ändern, damit das Ziel erreicht werden kann.
Durch diese beiden Perspektiven auf ein Problem (Gute
Gründe da zu sein versus Preis der Veränderung) eröff-
net sich ein breites Feld für Handlungsoptionen sowie
eine Veränderung der Klientenhaltung Unter Umständen
ist im Zuge der Zirkelbetrachtung und Optionenfindung
eine Umformulierung des Beratungsanliegens möglich
(vgl. Veith/ Veith 2015).
Flipchart mit Modell, Stifte, Moderationskärtchen
82
8. Der/ die unehrliche Klient/ Klientin
Frau Lisa Koch sucht die Schuldnerberatung der Caritas
auf. Sie ist mit ihren fünf Kindern alleinerziehend und
versucht sich durch finanzielle Spenden ihrer Eltern
„über Wasser“ zu halten. Da Frau Koch zudem mehrere
Kredite bereits aufgenommen hat, fällt sie immer mehr in
die Schuldenfalle. Auch von Bekannten hat sie sich be-
reits mehrere tausend Euro geliehen und möchte diese
zurück bezahlen. Bei der telefonischen Terminvereinba-
rung für eine Schuldnerberatung gibt sie allerdings ledig-
lich an, dass sie „ein paar Euro“ Schulden habe. Als der
Berater im Gespräch merkt, dass Frau Koch sich zu-
nehmend in Widersprüche verstrickt, frägt er nach, ob
die Beträge für die Eltern, die alleinigen Schulden seien.
Daraufhin gibt sie an, dass sie zudem einen Kredit am
Laufen habe, welchen sie zurück bezahlen muss. Frau
Koch sieht hierfür allerdings noch genügend Zeit und
leugnet den Sachverhalt, dass noch weitere Schulden
bei verschiedenen Gläubigern offen sind. Da der Berater
noch immer skeptisch den Aussagen der Klientin gegen-
über steht versucht er weiter mit Fragen herauszufinden,
ob dies reine Schutzbehauptungen sind und die Klientin
ihm noch weitere Schulden verheimlicht…
83
Oftmals greifen Klienten/ Klientinnen während einzelnen
Beratungssitzungen zu Schutzbehauptungen, Lügen
oder verdrehen Darstellungen. Sie leugnen Dinge oder
verheimlichen Tatsachen über Dinge, die ihnen nicht
zustehen. Ebenfalls kommt es vor, dass die Positionen
von dritten Personen in Frage gestellt und unfaire Argu-
mente zum Durchsetzen der Eigenen hervorgebracht
werden.
Die Aufgabe des Beraters/ der Beraterinnen besteht in
diesem Zusammenhang darin, gleich zu Beginn für eine
vertrauensvolle Beratung zu sorgen und dem Klienten/
der Klientin mitzuteilen, dass diese nur dann gut funktio-
nieren kann, wenn alle Informationen wahrheitsgetreu
entgegengebracht werden. Sollte es dennoch dazu
kommen, dass sich der Berater/ die Beraterin unwohl
fühlt und Verdacht schöpft, dass etwas nicht stimmen
könnte, sollte dieser/ diese um Ergänzung und weitere
Informationen beten („Sind Sie sicher, dass Sie nicht
noch etwas Wichtiges vergessen haben zu erwähnen?“).
Auch kann der Berater/ die Beraterin den Klienten/ die
Klientin direkt mit Widersprüchen konfrontieren, sodass
es zu einer Klarstellung beiträgt („Sie haben erwähnt,
dass Sie schon seit langer Zeit keinen Kontakt mehr zu
Ihrer Familie hatten, woher wissen Sie dann, dass diese
umgezogen ist?“). Eine weitere Methode stellt das zirku-
84
läre Fragen dar, um Unwahrheiten zu hinterfragen („Stel-
len Sie sich vor, morgen können Sie sich mit ihrem Ar-
beitgeber aussprechen – wie würden Sie hierbei vorge-
hen?). Stets sollte der Berater/ die Beraterin den Klient/
die Klientin darin unterstützen und fördern, seine/ ihre
eigenen Interessen durchzusetzen und sich somit selbst
zu behaupten, ohne unehrliche Argumente anzubringen“
(vgl. Buchacher et.al 2012, S. 192 f.).
85
Imagination / Schutzschild
Dem Ratsuchenden/ der Ratsuchenden wird die
Möglichkeit zu Imagination gegeben, um sich ein eige-
nes Schutzschild zu entwickeln. Dabei ist es das Ziel,
den Klienten/ die Klientin zu bestärken, um somit das
Gefühl von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit zu vermin-
dern. Der Berater/ die Beraterin kann dem Klienten/ der
Klientin in einer fantasievollen Geschichte dazu anleiten,
sich ein eigenes Schutzschild zu generieren. Dieser/
diese kann währenddessen die Augen geschlossen hal-
ten. Dazu kann der Berater/ die Beraterin den Zubera-
tenden/ die Zuberatende zum Aussehen des Schutz-
schildes befragen, was für Gefühle aufkommen und Ge-
räusche vorherrschen. Dieses imaginäre Schutzschild
soll der Klient/ die Klientin in zukünftigen Situationen, die
ihm/ ihr nicht unbedingt angenehm sind, im Kopf abrufen
und nutzen. Dies stellt eine Möglichkeit zur Bewusstwer-
dung für Gegebenheiten dar, anstelle seines Gegen-
übers sofort mit einer Lüge zu konfrontieren. Zudem
kann das Schutzschild auch vom Klienten/ von der Klien-
tin auf Papier gemalt und im Anschluss an die Beratung
mitgenommen werden (vgl. Natzschka 2016).
Fantasiegeschichte (ggf. bereits verfasst), Bunt-
stifte, Papier
87
Ressourcenort, guter Ort – Ort der Kraft
Hierbei steht die imaginäre Vergegenwärtigung
eines guten Ortes für die Klienten im Vordergrund. Dabei
laden Berater die Ratsuchenden ein, sich einen Ort mit
positiven Gefühlen beziehungsweise eine erfüllende
Situation aus der letzten Zeit vorzustellen. Dieser Ort soll
anschließend sinnesspezifisch vom Klienten/ von der
Klientin beschrieben werden, wobei der Berater/ die Be-
raterin durch gezieltes Fragen den Prozess steuern kann
(„Was sehen/ hören/ schmecken/ spüren/ riechen Sie?“).
Von dieser guten Situation kann nun auf ein Problem
oder einen Konflikt geschaut werden. Durch das vorherr-
schende gute Gefühl kann nun geschaut werden, wie
der/ die betroffene Klient/ Klientin auf die Situation blickt.
Der Berater/ die Beraterin kann dabei unterstützend fra-
gen, was der Betroffene/ die Betroffene brauchen könn-
te, um mit dem Konflikt weiter zu kommen. Dabei sollte
stets auf den guten Ort Bezug genommen werden („Was
kann von diesem guten Ort für die schwierige Situation
mitgenommen werden?) (vgl. Reichel/ Rabenstein 2012,
S. 156).
ggf. vom Berater vorformulierte Fragen zum „gu-
ten Ort“
89
9. Der/ die verzweifelte Klient/ Klientin
Lena Dietrich hat mit ihrem zarten Alter von 15 Jahren in
den letzten Wochen eine schwere Zeit durchgemacht.
Sie hat sowohl ihre Oma, als auch ein paar Tage später
ihren Opa verloren. Dadurch, dass sie selbst überzeugt
von sich ist und „hart“ sein möchte, besucht sie die
Schule weiterhin ganz regulär und versucht den Tod der
Großeltern zu verdrängen. Allerdings zeigte sich in den
letzten Wochen, dass sich diese psychische Belastung
negativ auf ihre Noten auswirkte. Lena, die früher immer
sehr gute Schulleistungen erbrachte, schneidet mittler-
weile in Klausuren nur noch mittelmäßig bis schlecht ab.
Sie selbst versucht dies vor ihren Eltern soweit wie mög-
lich (noch) zu verheimlichen und sucht daher die Schul-
beratung bei einem Vertrauenslehrer auf. Dieser merkt
bereits zu Beginn der Beratung, dass mit der jungen
Klientin etwas nicht stimmt, da sie eine verschlossene
Körperhaltung einnimmt und mit schluchzen beginnt. Die
Verzweiflung und ihre belastende Lebenssituation gilt es
im nachfolgenden Beratungsgespräch zu thematisieren,
sodass Lena für sich einen besseren Umgang und Ver-
arbeitung von dem Geschehenen finden kann…
90
Viele Klienten/ Klientinnen suchen bewusst eine Bera-
tung auf, um eine Auskunft, einen Rat oder eine Ein-
schätzung für deren verzweifelte Situation zu erhalten,
wenn sie zum Beispiel ihren Job verloren haben oder
sich ein Todes- beziehungsweise Unfall ereignet hat.
Diese Verzweiflung, in Form von Weinen, tritt meistens
schnell – nach der Frage des Anliegens – zu Tage. Es
ist daher wichtig, den Klienten/ die Klientin weinen zu
lassen, bis er/ sie sich wieder von selbst beruhigt hat.
Sie als Berater/ Beraterin sollten ihm/ ihr einfach wert-
schätzend zuhören und die emotionale Atmosphäre
aushalten können. Nachdem sich der/ die Ratsuchende
wieder beruhigt hat, unterstützen Sie ihn/ sie mit Hilfe
des Nachfragens beziehungsweise von Wortwiederho-
lungen sein/ ihr Anliegen zu benennen. Dennoch kommt
es oft vor, dass der/ die Zuberatende während des Ge-
sprächs immer wieder von seinen/ ihren Emotionen ein-
geholt wird. Dies kann jedoch als Erleichterung für den
Klienten/ die Klientin gesehen werden, da sein/ ihr ange-
stauter psychischer Leidensdruck abgebaut wird. An
dieser Stelle wäre es wichtig nachzufragen, ob er/ sie
jemanden zum Reden hat und gegebenenfalls vermitteln
Sie ihn/ sie an eine entsprechende Beratungsstelle wei-
ter. Äußert sich der/ die Ratsuchende darüber, dass er/
sie keinen Lebenswille mehr habe, sollten Sie in Alarm-
91
bereitschaft sein. Reden Sie ihm/ ihr in seiner/ ihrer Ver-
zweiflung gut zu und versuchen ihn/ sie im Gespräch
von diesem Plan abzubringen (vgl. Buchacher et.al
2012, S. 194 f.). Wenn Sie aber merken sollten, dass er/
sie es ernst meint, schalten Sie umgehend die Polizei
ein und lassen Sie ihn/ sie unter keinen Umständen al-
leine, sondern warten ab, bis entsprechend professionel-
le Hilfe vor Ort ist. Dies ist besonders aus rechtlicher
Perspektive essenziell, da es sonst als unterlassene
Hilfeleistung gilt (§ 323c StGB) (vgl. Noyon/ Heidenreich
2009, S. 105 ff.).
92
Die Wunderfrage
Die Wunderfrage ist eine Methode der lösungsorientier-
ten Beratungsarbeit und wurde in den 1970er Jahren
von Steve de Shazer entwickelt. Die Methode hilft dem
Klient/ der Klientin schnell den Problemzustand zu ver-
lassen und stattdessen sich dem Zielzustand zu wid-
men.
Der Berater/ die Beraterin stellt gleich zu Beginn
der Sitzung folgende Frage:
„Stellen Sie sich bitte vor, dass nun eine kleine Fee hier
im Raum auftaucht und sie Ihnen den Wunsch erfüllt,
dass Sie keine Probleme mehr haben. Ein Wunder ist
gesehen! Was wäre dann anders als sonst?“
Die Wunderfrage kann dann noch wie folgt präzisiert
werden:
Welche Gedanken/ Gefühle sind dann anders?
Wer in Ihrer Umwelt würde bemerken, dass die-
ses Wunder geschehen ist?
Wie würden Sie sich anders verhalten?
(vgl. Reichel et al. 2012, S. 129)
keine
94
Die Problemlösungs-Zwiebel
Klienten/ Klientinnen neigen oft dazu ihre Prob-
leme verworren wiederzugeben. Daher kann es hilfreich
sein, als Berater/ Beraterin eine Methode auszuwählen,
die diesem „Erzählchaos“ entgegenwirkt. Die Problemlö-
sungs-Zwiebel leitet dazu an, sich Schritt für Schritt ei-
nem Problem und dessen Lösung zu nähern.
Hierzu gibt es vier aufeinanderfolgende Bearbeitungs-
phasen, die der Berater/ die Beraterin schrittweise mit
seinem/ seiner Ratsuchenden durchspricht:
1. Problem beschreiben
2. Hypothesen bilden
3. Ideen für Lösung erfinden
4. Handlungsschritte planen
Sind alle Phasen durchgearbeitet worden, so fängt man
wieder mit Schritt 1 an.
individuell
(vgl. Reichel/ Rabenstein 2012, S. 163)
95
„Problemlösungszwiebel“
(vgl. Reichel/ Rabenstein 2012, S. 163)
1.
Informationsaustausch, Situations-/
Problemsbeschreibung
2.
Hypothesenentwicklung zur Entstehung und
Erhaltung des Problems
3.
Finden, Sammeln und Auswählen von Lösungsideen
4.
Planung und Umsetzung von Handlungen und
Interventionen
96
10. Der/ die Klient/ Klientin, der/ die sich be-
schwert
Die Bildungsberatung der Stadt Ludwigsburg wird von
Peter Klein ohne fixen Beratungstermin aufgesucht. Er
möchte nicht länger „nur“ die Position eines Bandarbei-
ters bei einem renommierten Unternehmen im Umkreis
einnehmen. Durch einen zusätzlichen, beruflichen Wei-
terbildungsabschluss erhofft er sich eine finanziell bes-
ser gestellte Stelle. Dazu möchte er sich bei einem der
Bildungsberater ausgiebig informieren, welche Weiterbil-
dungsmöglichkeiten für ihn in Frage kommen könnten,
sodass er diese seinen Traum verwirklichen kann. Aller-
dings sind vier weitere Klienten vor ihm an der Reihe, die
alle einen vereinbarten Termin haben, sodass er rund
eine Stunde in einem Wartezimmer verbringen muss. Als
Herr Klein an der Reihe ist und in das Sprechzimmer
gebeten wird, macht er zuerst einmal seinem Ärger Luft.
Er betont, wie unzufrieden er mit der langen Wartezeit
war und beschwert sich zunehmend über die wenigen
Informationen, welche die Stadt im Internet zur Verfü-
gung stellt. So sei es ihm nicht möglich gewesen, sich
für den heutigen Termin vorbereiten zu können. Ob die
weitere Beratung professionell erfolgen kann oder die
Beschwerden zu viel Raum einnehmen, ist fraglich…
97
Da der Fachberater/ die Fachberaterin ständig im direk-
ten Klientenkontakt ist, gilt er auch als Anlaufstelle für
Anliegen und Beschwerden aller Art der zu Beratenden.
Dabei können sich die Beschwerden angefangen von
„Die Wartezeit ist zu lange“ bis hin zu „Ich habe hierzu
keine Informationen erhalten“ richten. Oftmals ist es als
Berater/ die Beraterin schwer, alle Beschwerden auch
als Chance nutzen zu können. Dennoch gilt es zu be-
rücksichtigen, dass es bei Beratungen auch zu Proble-
men und Fehlern kommen kann, wofür Klienten mit der
Zeit oftmals ein Verständnis entwickeln. Für den Berater/
die Beraterin ist es essenziell, die Situation nicht in Un-
verständnis oder Ärger umkippen zu lassen. Vielmehr
muss darauf geachtet werden, dass sich der Berater/ die
Beraterin für seine Handlungen verantwortlich fühlt und
auch für die Klienten Bereitschaft zeigt und sich deren
Beschwerden annimmt. Der Ärger muss von Klienten
abgefangen und durch die Hilfe von Problemlösungs-
kompetenzen bereinigt werden. Diese Aufgaben im Be-
schwerdemanagement beinhalten neben hilfreichen
Formulierungen und Verhaltensregeln, auch Strategien
zur mündlichen Verständigung. Hierbei soll sowohl eine
Steigerung der Klientenzufriedenheit, als auch eine Ent-
lastung der Fachberater, erreicht werden. Ebenfalls dient
das Beschwerdemanagement dazu, die jeweiligen Or-
98
ganisationen im Image aufzubessern und gegebenen-
falls das angebotene Leistungsspektrum zu überprüfen
und entsprechend anzupassen. Ziel ist es, dass sich die
Organisationskultur weiter entwickelt, sodass konstruktiv
über Fehler gesprochen und entsprechende Lösungs-
strategien generiert werden. Auch für den Berater/ die
Beraterin selbst ist es in diesem Kontext wichtig, dass
das Beschwerdemanagement auch zu dessen eigener
Entlastung beiträgt “ (vgl. Buchacher et.al 2012, S. 196
f.).
99
Positive Konnotation
Der Klient/ die Klientin wird nach seinen Schwä-
chen oder negativen Eigenschaften gefragt, die ihn/ sie
stören. Statt diese noch weiter negativ auszulegen, wer-
den sie durch eine positive Konnotation in schöne Ei-
genschaften umformuliert.
Beispielsweise: „Ich bin immer Schuld „Ich übernehme
Verantwortung“. Dabei erhalten „schlechte Charakterei-
genschaften“ für den Klienten ungewohnte, positive Ei-
genschaften. Dieser kann dabei sehr verblüfft und über-
rascht sein und wird die Beratung sicherlich bestärkt
verlassen(vgl. Veith/ Veith 2015, o.A.).
Vorgefertigte Liste mit „negativen“ Charakterei-
genschaften und deren positive Konnotation (zahlreiche
Möglichkeiten plausibel), Verbalisieren als „Warmer Re-
gen“
101
SPOT- Analyse
Diese Analyseform dient als Reflexionsprozess
über die jeweilige „Problemsituation“ für den Klienten/
die Klientin. Dieser/ diese schreibt zu Beginn fünf „Satis-
factions“ (befriedigende Aspekte der momentanen Situa-
tion) und fünf „Problems“ (kritische und schwierige As-
pekte, die momentan vorherrschen). Im Anschluss daran
bespricht der Berater/ die Beraterin mit dem Ratsuchen-
den/ der Ratsuchenden Vorschläge, wie aus einem
„Problem“ ein „Statisfaction“ werden kann. Diese werden
als „Opportunities“ (Chancen und Möglichkeiten, wie in
der nächsten Zeit vorgegangen werden kann) um den
Zielzustand zu erreichen, aufgeschrieben. Ebenfalls soll-
ten sogenannte „Threats“ (mögliche Bedrohungen, die
aufkommen könnten) thematisiert werden. Die Klienten
haben im Anschluss daran Zeit, diese Aspekte mit den
Beratern zu diskutieren. Gemeinsam wird ausgewählt,
welche Schritte in der nächsten Zeit umgesetzt werden,
um sich dem angestrebten Ziel („Satisfaction“) zu nä-
hern(vgl. Reichel/ Rabenstein 2012, S. 187 f.)
Moderationskärtchen (4 unterschiedliche Farben
für Statisfactions, Problems, Opportunities, Threats),
vorgegebene Positionen, Stifte, ggf. Pinnwand und
Reisnägel
102
„SPOT- Analyse“
(vgl. Reichel/ Rabenstein 2012, S. 188)
Satisfactions
befriedigende Aspekte der momentanen
Arbeit
Problems
kritische, schwierige Aspekte
Opportunities
Chancen, Möglichkeiten in
der Zukunft
Threats
potenzielle Bedrohung in der
Zukunft
103
Zusammenfassend lässt sich aus den vorangegangen
Kliententypen, Methoden und Gesprächstechniken fol-
gern, dass Berater/ Beraterinnen stets eine adäquate
Umgangsform mit schwierigen Beratungssituationen
finden sollten. Hierzu muss primär ein innerer Abstand
geschaffen werden, beispielsweise die imaginäre Vor-
stellung eines schützenden Raumes, der mit einem
schützenden Satz für heikle Situationen verbunden wird
(„Ich bin sicher!“ oder „Das trifft mich nicht!“). Ebenfalls
muss eine äußere Distanz gewährleistet sein. Bevor
etwas gesagt wird, sollte sich auf die eigene Atmung (tief
einatmen, ruhig und langsam atmen) konzentriert wer-
den, da dieses ruhige Atmen stabilisiert.
Die richtige Körperhaltung vermittelt zudem Selbstbe-
wusstsein. So sollte im Stehen darauf geachtet werden,
dass ein fester Stand mit beiden Beinen auf dem Boden
eingenommen wird. Vielmehr ist es dabei wichtig, die
Haltung nicht ständig zu ändern, da hierdurch Nervosität
und Unsicherheit zum Ausdruck gebracht wird. Im Sitzen
ist es wichtig, dass die gesamte Sitzfläche genutzt wird
und die Füße nicht unter den Stuhl gezogen sind. Wäh-
rend des gesamten Sprechens ist es wichtig, dass stets
der Blickkontakt zum Klienten/ zur Klientin gewährt
bleibt.
104
Der Berater/ die Beraterin sollte während der Sitzung
dem Klienten/ der Klientin auch die Möglichkeit bieten,
Dampf abzulassen. Der Klient/ die Klientin soll beim
Sprechen nicht unterbrochen werden und als Berater/
Beraterin gilt, dass diesem interessiert und aktiv zuge-
hört wird. Auf einzelne Argumente sollte sachlich geant-
wortet werden und die Argumente des Klienten/ der Kli-
entin in den eigenen Aussagen wiederholt werden, so-
dass dieser/ diese sich ernst genommen fühlt.
Als Berater/ Beraterin ist es ebenfalls wichtig, dass nicht
in den Widerstand gegangen wird, da die Situation sonst
zu eskalieren droht. Vielmehr sollte der Klient/ die Klien-
tin in seinen Aussagen akzeptiert sein. Der Berater/ die
Beraterin zeigt hierbei Interesse und Verständnis für die
Situation und lädt den Klienten/ die Klientin ein, mehr
von dieser zu erzählen. Ebenfalls kann der Berater/ die
Beraterin den Aussagen des/ der Zuberatenden nachge-
ben. Dabei kann der Klient/ die Klientin durch das Ent-
gegenkommen („Sie haben völlig recht mit Ihren Aussa-
gen…“) möglicherweise überrascht werden. Dass stets
ein Interesse am Anliegen des Klienten/ der Klientin sig-
nalisiert wird, ist dabei essenziell. Hierbei können Fra-
gen, wie beispielsweise „Was wäre die optimale Lösung
für Ihr Problem?“ für den Klienten/ die Klientin als Hilfe-
stellung dienen.
105
Ebenfalls ist in solchen Situationen die sorgfältige Wort-
wahl ausschlaggebend. Daher gilt, Worte wie „müssen,
sollen oder nicht dürfen“ sehr vorsichtig einzusetzen. Der
Berater/ die Beraterin sollte sich in keinem Fall rechtfer-
tigen, sondern der Situation Struktur geben. Hierbei kön-
nen Mitschriebe oder skizzenhafte Zeichnungen helfen,
wenn der Klient/ die Klientin damit einverstanden ist.
Sollte die Beratung an einem Punkt angekommen sein,
an welchem kein weiteres Gespräch möglich ist, hilft es
auch, eine Pause einzulegen oder die Beratung zu ver-
tagen (vgl. Buchacher et.al 2012, S. 180 f.).
Empfehlenswert ist es, jede Beratungssitzung zu doku-
mentieren, um sich sowohl beim Folgetermin daran ori-
entieren und darauf zurückgreifen zu können, wie auch
bei Extremfällen (beispielsweise Suizidandrohung) sich
rechtlich abzusichern. Diese Absicherung kann zusätz-
lich durch ein Hinzuziehen von Dritter als Zeugen unter-
stützt werden.
Für die persönliche Gesundheit von Beratenden ist es
von großer Bedeutung, Nachsorge zu betreiben. Dies
kann durch kollegiale Fallberatung, Reflexionen des Be-
ratungsprozesses oder der eigenen Psychohygiene er-
möglicht werden. Letztere wird nun als vertiefende Stra-
107
Psychohygiene
Für Beratende stellt die Psychohygiene sowohl den Er-
halt, als auch einen Schutz der eigenen psychischen
Gesundheit dar. Es ist daher für jede Person, die in ei-
nem solchen Berufssektor haupt- oder ehrenamtlich ar-
beitet, essenziell, Strategien zu kennen, die es einem
ermöglichen, schneller zu sich selbst zu kommen und
sich von den Fällen der Klienten abgrenzen zu lassen.
Von K. Mierke werden hierzu drei Ebenen der
Psychohygiene unterschieden:
1. Präventive Psychohygiene, worunter die gesunde
Erhaltung von Individuum und Gesellschaft zu ver-
stehen sind.
2. Restitutive Psychohygiene, hierunter ist die frühzeiti-
ge Einleitung von regenerativen und korrigierenden
Maßnahmen zu verstehen, die in Lebenskrisen oder
Konfliktsituationen eingeleitet werden sollten.
3. Kurative Psychohygiene, unter welcher die entspre-
chenden klinischen und psychotherapeutischen Ver-
fahrensweisen innerhalb einer Therapie zu fassen
sind, wenn bereits Einschränkungen vorherrschen.
Das Ziel der Psychohygiene stellt die Erreichung bezie-
hungsweise Erhaltung der Lebensgrundbedürfnisse dar.
108
Hierunter sind nach E. Schomburg (1975) beispielsweise
Sicherheiten, Anerkennung und Selbstachtung zu ver-
stehen.
Besonders die Arbeit mit schwierigen Klienten kann dazu
beitragen, dass der/ die Beratende sich auf mehreren
Ebenen (körperliche, emotionale oder kognitive Ebene)
selbst berührt fühlt. Entsprechend sollte der Berater/ die
Beraterin für sich selbst Strategien entwickeln, die sich
sowohl im Äußeren, als auch im Inneren positiv auf das
Wohlbefinden auf ihn/ sie auswirken. Hierzu können zäh-
len:
1. Strategien im Äußeren
Klare Strukturen aufbauen
Balance zwischen Pflicht und Entwicklungsraum
generieren
Teilnahme an Supervision und Fortbildungen
Private und Professionelle Rolle nicht wechseln
2. Strategien im Inneren
Eigene Vitalität (Fitness, Schlafen, Gesundheit)
beobachten
Rituale in den Arbeitsalltag integrieren
Innere Beobachtungen wahrnehmen
Fokus auf den eigenen Körper richten
109
Ergänzend dazu können Rituale eingeführt werden, die
beispielsweise eine Zeitstruktur schaffen und eine Ba-
lance zwischen angenehmen und unangenehmen Ar-
beitsaufträgen ermöglichen. Zudem sollte stets eine
Ausgewogenheit zwischen Arbeits- und Ruhephasen
gewährleistet sein (vgl. Dluzak-Boysen 2012, S. 1 ff.).
111
Fazit
Wir hoffen, dass dieses vorliegende Methodenbuch
Ihnen geholfen hat, einen ersten Einblick in das Thema
der schwierigen Beratungssituationen, im Kontext der
Bildungsberatung, zu erhalten. Vielleicht ist es uns ge-
lungen, schwierige Beratungssituationen konstruktiv zu
beschreiben und Ihnen damit einen sichereren Zugang
zu dieser meist prekären Thematik zu verschaffen. Die
Methoden wurden so ausgewählt, dass sie als hilfreiche
Unterstützung, für Ihre professionelle Beratungstätigkeit,
dienlich sein sollen. Unser Anspruch mit dieser Arbeit
war es, Ihnen als Leser/ Leserin beziehungsweise Bera-
ter/ Beraterin einen konkreten Anhaltspunkt zur Erweite-
rung Ihrer Kompetenzen, in eben dieser schwierigen
Situationen einer Beratung, zu generieren. Doch auch
hier gilt ein weit verbreitetes Sprichwort: „Learning by
doing“. Daher ist es unerlässlich Beratung in schwierigen
Handlungsumfeldern einzuüben, um die richtige Haltung
beziehungsweise Reaktion im Ernstfall automatisch ab-
rufen zu können. Für Ihre weitere Beratungstätigkeit
wünschen wir Ihnen damit nur das allerbeste und vor
allem Mut schwierige Beratungssituationen mit viel Pa-
thos anzugehen.
113
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