Download - Stadt der Hunde
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Severine Martens
Stadt der Hunde Heiteres und Besinnliches aus der
Fabelschmiede
Mit den Zeichnungen „Flitzewiese“ und „Podenca Zoe“ von
Denise Knoblich
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Texte und Fotos aus dem Blog Fabelschmiede und Wortsalat
von Severine Martens, Celle-Vorwerk, alle Rechte vorbehalten.
blog: http://fabelschmiede-und-wortsalat.blog.de
mail: [email protected]
Zeichnungen „Flitzewiese“ und „Podenca Zoe“ von
Denise Knoblich, Petershagen, alle Rechte vorbehalten.
web: http://www.furry-tales.de
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand,
Norderstedt
ISBN 9-783848-225408
Books on Demand GmbH
In den Tarpen 42
22848 Norderstedt
tel.: 040-534335-96
fax: 040-534335-84
mail: [email protected]
web: http://www.bod.de
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Inhalt
Die Fabelschmiede und die Stadt der Hunde 05
Erzählerin 07
Luna Blue Tausendschön und Milow H. Lunke 09
Ich möchte eine Stadt für Hunde bauen 13
Zwei Hunde 19
Unser Dorf 27
Zwei Hunde namens Leckerli 31
Luna und das Wetter 35
Insel 41
Luna rennt und Milow lügt 45
Talking dogs 49
Die Namen der Hunde 61
Hundeerziehung mit Meckern 65
Luna und der Weihnachtsmann 69
Heute hier, morgen dort 75
Anaconda 79
Ich spreche von Leika 83
Ratatöskr das Eichhörnchen 91
Krieger des Regenbogens 95
Seelengrundbaum 99
Milow und der Müll 103
Milow und seine neue Welt 109
Milow und die Straße 117
Milow und sein Zu Hause 125
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5
Die Fabelschmiede und die Stadt der Hunde
Die „Stadt der Hunde“ war mein erster längerer Text in zwei
Teilen, den ich alleine verfasst und in meinem Blog
„Fabelschmiede und Wortsalat“ der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht habe. Eigentlich war der Blog ausschließlich zu diesem
Zweck entstanden. Einmal angefangen, ließen mir meine Ideen
aber keine Ruhe mehr. Ich hatte regelrecht Feuer gefangen
und eine neue Leidenschaft für mich entdeckt. Heute stehen
der Öffentlichkeit dort über 50 kleine Geschichten, Essays
und einfach nur kleine Texte zum Lesen zur Verfügung. In
diesem kleinen Buch findet sich eine Auswahl davon. Der
ursprüngliche Text, der diesem Buch seinen Titel gegeben hat,
ist allerdings dort geblieben, wo er sich am wohlsten fühlt –
frei zugänglich im Internet, lesbar für alle!
Ich schreibe sehr gerne über meine Hunde und mein Leben mit
ihnen. Oft entstehen meine Geschichten einfach nur durch
Beobachtung meiner geliebten Vierbeiner, durchwachsen von
einer gehörigen Portion Fantasie. Menschen kommen in den
Texten der Fabelschmiede auch vor, in der Regel als Begleiter
ihrer Hunde. In einigen Texten spielt mein verstorbener Mann
eine große Rolle – diese Texte stellen die eher besinnliche
Seite meines Schreibens dar und dürfen in diesem Buch nicht
fehlen.
Ich schreibe gerne genau so, wie die Worte und Sätze in
meinem Kopf entstehen. Der Eindruck, dass ich oft
Grundregeln der deutschen Grammatik und Rechtschreibung
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nicht berücksichtige, ist berechtigt. Viele Texte haben einen
experimentellen Charakter und der Titel „Wortsalat“ ist
durchaus mit Bedacht gewählt. Weiterhin habe ich versucht,
den doch eher spontanen Charakter des BlogSchreibens zu
erhalten.
An das Ende dieses Buches stelle ich vier Texte, die von mir im
Blog unter dem Titel „do you speak podengo?“ veröffentlicht
wurden und die vor einer kleinen Weile als Booklet mit dem
Titel „Lets speak Podengo!“ in gleichen Verlag herausgegeben
wurden.
Die Fotos im Text sind zum Teil schon sehr alt und wurden
bereits etliche Male hin- und herkopiert. Obwohl sie dadurch
erheblich an Qualität verloren haben, möchte ich auf eine
wenigstens teilweise Veröffentlichung dieser Bilder nicht
verzichten. Ich bitte dieses zu entschuldigen!
Nunmehr wünsche ich Ihnen und Euch eine gute Unterhaltung
in der Welt der Fabelschmiede und viel Freude beim Lesen
unserer kleinen Erzählungen.
Herzlich willkommen im Leben von Luna Blue Tausendschön,
Milow dem Halunken und ihrem zweibeinigen Menschen.
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Erzählerin
Wie lange habe ich jetzt schon drüber nachgedacht, was ich
hier eigentlich mache, und, wie ich dieses nennen möchte, was
ich hier mache.
Und dann auf einmal ist es da, ganz einfach und banal:
Ich möchte eine Erzählerin sein, weil ich gerne erzähle. So ist
das! Ich habe immer schon gerne erzählt, nur meistens fehlte
es an den Zuhörern – deshalb schreibe ich jetzt auf, was ich zu
erzählen habe. Also ist mein Blog mit all den Texten in ihm drin
eine Art gesammeltes Erzähltes, aufgeschriebenes
Erzählbares oder einfach nur noch zu Erzählendes – auf gar
keinen Fall eine Sammlung von Erzählungen, dass wäre mir
tatsächlich zu groß.
Klar bin ich auch Autorin – aber das bin ich schon, wenn ich nur
einen Strich mit dem Bleistift an die Wand mache. Autorin
eines Bleistiftstriches. Und Schriftstellerin bin ich auch –
aber das bin ich ebenfalls mit jedem Brief den ich schreibe
oder mit jeder Notiz in meinem Heftchen. Schriftstellerin bin
ich mit jedem selbstgefertigten Einkaufszettel – glaube ich
jedenfalls!
Ich möchte gerne erzählen: Von mir erzählen und von denen,
die in meinem Leben vorkommen! Erzählen von der Art, wie ich
die Welt sehe und die Dinge in ihr! Von dem erzählen, was mich
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bewegt und von dem, was so um mich herum den ganzen Tag
passiert.
Ich möchte gerne so erzählen, wie ich es machen würde, wenn
ihr alle mir gegenüber sitzen würdet. Und ich möchte mir dabei
einbilden, dass euch das alles auch ganz schrecklich
interessiert, was ich so zu erzählen habe.
Ich möchte gerne lernen, so zu schreiben, wie ich erzählen
würde. Ich möchte gerne hören, was ich in anderen Menschen
mit meinem Erzählen auslöse und bewegen kann.
Ich erzähle über mich und meine beiden Hunde. Ich erzähle,
wie wir drei zusammen leben, die Welt betrachten und
gemeinsam erobern. Und ich erzähle auch über mein Leben in
schönen und in schlechten Zeiten. Lachen und Weinen sollen
sich die Waage halten – aber auch beide nicht zu kurz kommen.
Ich erzähle viel über vergangene Zeiten, weil in der
Vergangenheit die Wurzeln für unser aktuelles Erleben und
unser Sein liegen.
Ich schreibe für Sie und für Euch, weil ich einfach gerne
aufschreibe was ich zu erzählen habe!
Ich erzähle und deshalb bin ich eine Erzählerin!
So einfach ist das
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Luna Blue Tausendschön und Milow der Halunke
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen und Euch meine
beiden Partner in diesem Blog vorzustellen. Beide werden ab
und an auch mal etwas zum Besten geben und hier
veröffentlichen – wahrscheinlich und vielleicht immer dann,
wenn mir die Worte fehlen oder es mir einfach sinnig
erscheint, die beiden zu Wort kommen zu lassen! Beide haben
eine bewegende Lebensgeschichte, die hier ganz sicher bald
erzählt wird – vielleicht ja auch von ihnen selber!!
Luna Blue Tausendschön:
Luna ist ein Harzer-Jack-Whippet-Pinscher. Luna wurde in
Goslar/Harz geboren und ihre Mama war ein Jack Russel – ihr
Papa war ein Whippet, der des Nachts gerne mal auf Tour ging,
um die Damen der Hundewelt zu erfreuen – ja, und ein Pinscher
ist irgendwie auch mit drin – glaube ich jedenfalls. Luna hatte
keine schöne Kindheit, denn sie wuchs als Weihnachtsgeschenk
in einer Familie mit vier Kindern auf. Als sie älter wurde und in
die Pubertät kam, wurde sie zur Last und einfach weggesperrt.
Ihr Lebensraum Bestand aus einem Keller und einem kleinen
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Garten, in den sie ab und an mal durfte. Bis sie zu mir kam
hatte sie niemals Kontakt zu anderen Hunden – nur manchmal
am Gartenzaun mit viel Gekläffe. Dann wurde sie gleich
bestraft und wieder weggesperrt. Luna wurde für fast alles
bestraft was sie machte. Sogar fürs Essen und Trinken, wenn
sie dann mal etwas kleckerte. Luna ist ein sehr ängstlicher und
liebebedürftiger Hund. Im November wird Luna 6 Jahre alt
und sie hat sich in den letzten Jahren ganz toll und super
entwickelt. Sie ist hier auf dem Dorf wo wir wohnen fast schon
ein Star und hat auf der Hundewiese und überall richtige
Kumpels und Freunde gefunden. Luna ist der tollste Hund der
Welt!
Milow der Halunke:
Milow ist Podengo. Ein Portugiesischer Podengo mit
irgendetwas anderem drin – wahrscheinlich einem Labrabor.
Also ist Milow ein Portugiesischer Labradengo. Man könnte
auch Popodor sagen, aber das klingt doof. Milow war zwei
Jahre ein Straßenhund irgendwo in Portugal und wahrscheinlich
wurde er auch auf der Straße geboren. Die Straße hat Milows
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Wesen geprägt – und mit der Straße der ewige Kohldampf, den
man hat als Straßenhund. Die ständige Notwendigkeit,
Fressbares besorgen zu müssen und die ständige Angst, dabei
von Menschen erwischt und verletzt zu werden sind die
Geister, die Milow auf Schritt und Tritt begleiten. In einem
anderen Artikel schrieb ich: Milow geht Containern und nicht
Gassi - und so ist das auch. Und dabei ist er ein richtig feiner
Kerl, der unglaublich anständig und korrekt im Umgang mit
anderen Hunden ist. Milow ist so ungefähr zwei Jahre alt – so
ungefähr, weil man das bei Straßenhunden nie so genau weiß.
Milow wurde aus der Tötung gerettet und ich bin genau wie
Luna glücklich, dass er nun ein Teil unserer zehnbeinigen
Familie ist. Milow ist der tollste Hund der Welt!
Bis hierher und nicht weiter! Ihr wisst jetzt, mit wem ihr es
hier zu tun habt und den Rest vom Fest dürfen die beiden dann
bei Gelegenheit selber zum Besten geben. Es ist spät geworden
heute Abend und wir verschwinden jetzt alle im Bettchen.
Morgen ist ja auch noch ein Tag!
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Ich möchte eine Stadt für Hunde bauen
Ich möchte die Welt verbessern und das ist dumm! Sagen viele!
Zu viele!!
Das sei dumm, weil diese Welt nun mal so sei wie sie ist und
nicht anders.
und das sei auch gut so,
sagen die!
Ich habe als kleines Kind schon nicht verstanden, warum das
Wort Weltverbesserer
ein Schimpfwort ist.
Warum darf ich nicht verbessern?
Ich darf!
Warum darf ich nicht träumen?
Ich darf!
Warum darf ich nicht davon schreiben?
Ich darf!
Ich möchte träumen, hoffen und vielleicht auch etwas spinnen
und
ich möchte davon schreiben.
weil
ich das möchte.
Das reicht!
Ich möchte eine Stadt für Hunde bauen.
Eine Stadt ohne Autos und Straßen, höchstens unterirdisch in
tiefen Tunneln.
Eine Stadt ohne Lärm.
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Eine Stadt , die unendlich grün ist.
Wo Hunde kein Besitz von Menschen mehr sind.
Wo Hunde frei entscheiden, bei wem sie wohnen, weil sie frei
sind.
Wo Menschen, die mit Hunden leben
finanziell entschädigt werden und nicht auch noch
Luxussteuern zahlen müssen.
Wo Menschen, die mit Hunden leben die Guten sind.
Und Menschen, die Hunde nicht mögen woanders wohnen sollen
– aber nicht in unserer Hundestadt.
Gebt mir ein altes verlassenes Dorf und jede Menge
Landschaft drumherum
Gebt mir jede Menge hohen Zaun um dieses Fleckchen Erde
herum, um die Welt fernzuhalten und auszusperren.
Gebt mir viele Menschen, die mitmachen und möglichst viele
Hunde, die dabei sind
Hunde, die wieder Aufgaben haben:
Jagdhunde, die jagen dürfen,
Hütehunde, die was zum behüten haben,
Schutzhunde, die uns beschützen dürfen, etc.
Aber auch andere Tiere sind allzeit willkommen bei uns.
Gebt mir tausend Fahrräder und schmeißt eure Autos weg.
Bis auf die, die ihr wirklich und nötig braucht.
Schafft Arbeitsplätze und Läden in dieser kleinen Stadt.
Und reichlich Äcker, Weiden und Wiesen zum leben und für
den täglichen Bedarf.
Wir bauen uns unsere eigene Welt.
Und dann machen wir den Laden dicht.
Für alle, die uns nicht mögen, die unsere Tiere nicht mögen.
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Und wir zaubern uns unsere eigene kleine Welt.
Und
dann möchte ich ein Hund sein in dieser Welt!
Kein Mensch,
weil ich dann das Gefühl haben werde, daß sich alles richtig
anfühlt.
Ich möchte eine Burg bauen für alle, die ich mag und die mich
mögen
Das sind nicht viele!
Und die Burg kann eine kleine Burg sein. Aber eine Burg mit
hohen und festen Mauern.
Hier sind wir alle dann In Sicherheit .
Und passen auf unsere Träume auf und schmieden Pläne für
eine bessere Welt.
Ich möchte wenigstens einen Turm bauen von wo ich gut gucken
kann,
von wo ich beobachten kann,
und möglichst viel sehe.
Und wo ich mich verschanzen kann, wenn’s mir mal wieder zu
viel und zu blöd wird.
Ich möchte einen Baum pflanzen, für alles was nicht mehr
geht.
Für alles, wofür es schon zu spät ist und auch träumen nicht
mehr hilft.
Für alles Vergangene und Hoffnungslose.
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Für Menschen, die nicht mehr sind in dieser Welt und für die
Dinge die nicht mehr gehen.
In dieser Welt.
Einen Baum, der immer weiter wächst in alle Richtungen.
So groß bis er nicht mehr in diese Welt passt und alle
Horizonte sprengt mit Wurzeln, die ihren Anfang in allen
Seelen der Welt haben.
In 7.000.000.000 Lebenswelten
auf diesem Planeten.
Und in genauso so vielen Träumen, Hoffnungen und
Sehnsüchten.
Und ich möchte ein Baumhaus bauen.
ein Baumhaus für die Zeiten in denen es hier und in dieser
Welt keine Lösungen mehr gibt.
Als Zuflucht in Zeiten der Trauer, Verzweiflung und
Hoffnungslosigkeit.
Weil man da dann gut sein kann hoch über den Dingen oben auf
dem Baum.
Mitten in der Hundestadt.
Mit Blick auf die kleine Burg mit großem Turm
In Sicherheit!
Trotz allem!!
Ich möchte schreiben über das, was ich sehe, was ich denke,
was ich fühle.
Kurze Texte schreiben, weil lange Texte aus der Mode
gekommen sind.
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Ich möchte schreiben über das, was ich träume, was mir so
durch den Kopf geht, wenn ich alleine bin:
Lauter Kram!
Ich möchte Schreiben und Sortieren.
Und ich möchte mich mitteilen für uns und alle Tiermenschen
Ich schreibe weil ich soviel sehe was ich nicht verstehe.
Soviel Dummheit, Egoismus und Geldgier.
Die ganze Welt scheint ein riesiger Geldspeicher zu sein und
die Menschen die Panzerknacker?
Sogar auf dem Hundeplatz reden sie über Geld und geben an
wie zwanzig Tüten Mücken.
Mist ist das!
Und nicht mein Planet!!
Ich schreibe, weil Träume zu wichtig sind, um sie einfach
wegzuwerfen.
Realität ist nichts weiter als keine Träume zu haben, keine
Wünsche, keine Hoffnungen.
Nicht mein Leben!
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Zwei Hunde
Du hast zwei Ohren, zwei Augen, zwei Arme mit zwei Händen
dran. Jeweils auf jeden Seite eines. Deshalb kannst du auch
zwei Hunde haben. Deshalb sollst Du zwei Hunde haben.
Jedenfalls sagte das früher oft eine sehr gute Freundin von
mir. Und ich finde sie hat recht. Mit den Armen und Händen ist
das ja schon klar, jedenfalls zum Kraulen und Verwöhnen ist es
praktisch, doppelt ausgestattet zu sein. Wegen der Augen und
der Ohren musste ich erst eine Weile nachdenken., aber ist
doch klar: immer ein Auge und ein Ohr für die Hunde – die
anderen beiden für mich. Oder?
Zwei Hunde zu haben ist klasse! Finde ich und finden meine
Hunde. Wenn Du nur einen Hund hast, möchtest du immer
dahin, wo andere Hunde sind. Wenn Du zwei Hunde hast,
möchtest Du das auch. Es ist aber nicht mehr so schade, wenn
keiner da ist, weil du hast ja selber zwei. Das ist toll!
Wir sind also zu dritt. Jetzt wieder. Luna war so ein Jahr
jetzt Einzelhund. Luna Blue Tausendschön ist ein sogenannter
Harzer Jack Whippet Pinscher. Im Harz geboren, Mama Jack
Russel, Papa Whippet und ein Pinscher ist da auch drin, da bin
ich sicher. Auf jeden Fall klingt es gut. Luna ist eine Kläfferin,
eine liebe Kläfferin. Aber wenn man seine Kindheit und Jugend
ohne jeden Kontakt zu Artgenossen verbringen durfte, dann
muss das so, dann ist das ok. Und der Milow ist jetzt da. Milow
ist ein richtiger Portugiesischer Podengo. Das behaupte ich
jetzt mal so. Vielleicht ist aber doch noch ein bisschen
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Labrador mit drin. Dann ist wohl doch eher ein Portugieischer
Labradengo, weil Popodor klingt doof. Milow ist ein wenig
besorgungskriminell, wenn andere Hunde Gassi gehen, dann
geht er containern. Nichts fressbares ist vor ihm sicher, er
findet alles und frisst alles. Straßenhunde müssen so!?
Milow H. Lunke ist aus dem Himmel gefallen, Luna damals auch
und alle meinen Hunde davor sowieso. Ich wollte wieder einen
zweiten. Schon länger. Ich hatte nicht gesucht, eher immer so
zum Himmel geguckt und gewartet. Und: er war auf einmal da.
Einfach da. Wie alle anderen zuvor auch. Ich wollte keinen
mittelgroßen gelben Rüden, ich wollte eine kleine schwarze
Hündin. Jedenfalls dachte ich das, bis Milow kam. Der war
einfach da und schlagartig wollte ich einen mittelgroßen gelben
Rüden. No way out! Ich liebe Milow über alles wie alle anderen
Hunde auch. Kennt ihr das?
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Hunde fallen bei mir irgendwie und sowieso immer aus dem
Himmel. Bei euch allen bestimmt auch. Aber ich möchte mir
trotzdem gerne weiter einbilden, das es bei mir etwas
besonderes ist. Die sind immer einfach da. Plötzlich. Und
schwupps, ich habe wieder zwei.
Als Luna zu mir kam war meine alte geliebte Tiffany Elfriede
Ponzelmeier noch da. Sie war ein Deutscher Schäferdor und
mit ihren über 10 Jahren noch topfit. Tiffi wog so ca. 30 Kilo
und Luna so ca. 5. Irgendwie hatte ich gar nicht das Gefühl,
einen zweiten Hund zu haben, erst nicht. Eher so eineinhalb
oder noch weniger Hunde. Gemein von mir? Nein! Mitnichten
nein, denn ich wurde schnell eines besseren belehrt. In Luna
steckt mehr Hund als ich mir bis dahin vorstellen konnte. In
jeder Hinsicht. Von Größenwahn über Geschwindigkeitsrekord
bis hin zum Kampfschmusen. Alles bis dahin ungeahnten
Dimensionen. Nur Unterordnung ist bis heute für Sie ein
Fremdwort. Stur wie ein Sack Zement. Wie ein ganzer LKW
Zement. Ich liebe sie über alles. Merkt man das? Sie ist der
beste Hund der Welt, wie alle anderen auch und heute zarte 7
Kilo schwer.
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Und Tiffany? Mein Gott ist das lange her. Das war in
Altwarmbüchen am Altwarmbüchener See. Morgens um 6 Uhr
fuhr ich immer mit meiner Leika Fahrrad. Zum See, um den See
rum und dann nach Hause. 8 Kilometer. Jeden Morgen und
jeden Abend. Leika war ein weißer Malinios. Ein Energiehund,
der mit 2 Jahren die Sch1 packte und danach auf
Rettungshund umschulte. Leika war klasse. Wie alle anderen
Hunde! Und auf einmal war Tiffi da. Morgens. Auf der
Seerunde. Kam da einfach an und ich dachte Ups. Sie verstand
sich sofort spitzenklasse mit Leika, die eigentlich andere
Hunde gar nicht mochte. Die beiden tobten und spielten, es
war der reinste Sonnenschein. Und Tiffi wollte sich nicht von
uns trennen, fand Leika einfach klasse und folgte uns bis nach
Hause in den Garten. Und sie ging nie wieder weg. 14 lange tolle
Jahre ging sie nicht wieder weg, blieb einfach da! Klasse Hund!
Danke, das ich Dich kennen durfte!! Danke für alles.
Die Suche nach Ihren Besitzern blieb leider nicht ergebnislos.
Das waren Leute aus meinen schlimmsten Träumen, undenkbar,
denen einen Hunde zurückzugeben. Ein kleiner Krieg um den
Hund entbrannte. Und als sich herausstellte, dass Tiffi ein
altes Welpenhalsband komplett in die Haut eingewachsen war
(musste herausoperiert werden) wars bei uns endgültig vorbei.
Nach zwei Jahren hatten wir einen unerträglichen
Rechtsstreit hinter uns und auf Anraten des Veterinäramtes
sprach das Amtsgericht uns den Hund endgültig zu. Scheiße
gelaufen mit gutem Ausgang! Danke für 14 tolle Jahre, danke
Tiffi. Einfach aus dem Himmel gefallen.
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Und Leika, die ja eigentlich Frollein Suleika vom See hiess? Na
klar fiel auch sie vom Himmel, aber anders. Bei uns in
Altwarmbüchen war nachts während wir schliefen
eingebrochen worden. Wir schoben noch Jahren danach Panik,
aber eines war von Anfang klar: es muss wieder ein Hund ins
Haus. Nachbars Malinoismädel hatte ein Vierteljahr davor
Puppies von einem ACWS Jungen (heute hieße es SWS Jungen)
und Leika wurde zwei Tage nach unserem Entschluss von ihren
Käufern wieder zurückgegeben. Zu weich, zu wesensschwach.
So hieß es. So kam sie zu uns, ein klasse Hund, nix
wesensschwach und nix zu weich. Ein toller Hund. Sie wuchs
rasant heran, lernte wie ein Irrwisch und wenn sie irgendwann
sprechen gelernt hätte, hätte mich das auch nicht gewundert
Und eingebrochen wurde bei uns auch nie wieder!
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Leika wurde nur gut 6 Jahre alt. Sie starb nach mehreren
Schlaganfällen im Oktober 2001. Und ich habe sie nie
vergessen. Und ich muss bei diesen Zeilen schon wieder heulen.
Sie fehlt mir, wie alle klasse Hunde, die mir fehlen und die ihr
Leben mit mir teilten. Alles klasse Hunde! Und ich habe das
damals auch eigentlich nur einigermaßen gepackt, weil Tiffi
noch da war.
Tja, und dann war da noch der Rocky. Rocky „Rakete“
Huckenmacher fiel auch aus dem Himmel, jedenfalls für mich.
Mein Mann kam damals mit ihm an. Überraschung! Zwei Hunde
sind doch viermal geiler als einer oder? So kam er an. Aus dem
Himmel gefallen! War OK, Leika war nicht mehr da und Luna
noch nicht, passte schon, Zweithund halleluja. Rocky war ein
Altdeutscher Schäferwart, mit zwei Jahren mal eben 45 Kilo
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schwer, ein Klotzkopf und Raufer hoch drei und unglaublich
lieb! Ich musste Rocky mit fast 7 Jahren weggeben. Der erste
und der einzig Hund, den ich je weggegeben habe, ich habe bis
heute Probleme damit, obwohl ich es mir ein Jahr lang nicht
leicht gemacht habe und er eine wundervolle neue Familie fand.
Rocky hatte den Tod seines Herrchens nicht verwinden können,
lag monatelang nur vor der Tür und wartete, fraß und trank
nicht mehr, wollte nicht mehr raus. Es ging nicht mehr anders.
Heute geht’s ihm besser: anders Zuhause, andere Leute, neue
Gerüche, neues Leben und Abstand von den ganzen
Erinnerungen an Christian. Er fehlt mir! Klasse Hund!
Zwei Hunde zu haben ist Klasse. Zwei Arme. Zwei Hände. Zwei
Hunde!! Das ist doch einfach nur logisch, oder nicht? Ich bin
damit immer gut gefahren, ich kann es mir nicht anders
vorstellen. Die Zeiten mit nur einem Hund haben sich später
immer als Vorbereitungszeiten auf den nächsten zweiten
herausgestellt. Zeiten mit dem Blick zum Himmel, vielen
Phantasien von dem neuen und dann irgendwann wieder völlig
überraschend ein ganz anderes Wesen. Eine neue Nummer
Zwei, die irgendwann später Nummer Eins wird und dann
wieder eine neue Nummer Zwei in unsere kleine Welt einführt.
So war das immer und so wird das hoffentlich auch noch lange
Zeit sein, bis auch ich aus dieser Wirklichkeit verschwinde.
Hoffentlich noch lange hin, denn das Leben ist schön. Mit
Hunden. Mit zwei Hunden natürlich!
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Unser Dorf
Irgendwo im südlichen Niedersachsen, schräg gegenüber in
nordöstlicher Richtung von der großen Stadt, findet man ein
kleines Fleckchen Erde in dessen Mitte der Ort „Unser Dorf“
liegt. Hier wohnen wir und hier gehen wir nie wieder weg. Hier
haben wir alles, was wir lange Zeit vergeblich gesucht und
jetzt endlich gefunden haben:
1 Supermarkt mit Bäcker drin
1 Apotheke
1 Büdchen mit Postshop
1 Blumenladen
1 Kirche
1 Versicherungsvertreterbüro
2 Kneipen
2 Frisöre
und
4 Fingernagelstudios
ansonsten keine Arbeitsplätze
1 Hundewiese
1 Bach
3 Enten- und Fischteiche (Baden verboten!)
1 verarmter Landwirt mit Resthof, riesigen Maisfeldern und
Biogasanlage
1 Computergeschäft, das nie geöffnet ist
und
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1 alte Knäckebrotfabrik, in der jetzt Nudelsoße gekocht wird
ca. 300 Häuser, viele davon leer und verlassen
mit
ca. 1300 kleinen und großen Menschen drin
und
gefühlten 5000 Autos davor
alle hier haben einen Briefkasten
so ungefähr 1 Million Hunde
und
etliche andere Tiere
1 Hauptstraße
8 andere asphaltierte Straßen
jede Menge Wege und Trampelpfade
und
reichlich Gelegenheiten, sich einzusauen
haufenweise Bäume, teilweise uralte Eichen und Linden,
meist in Form von Wäldern
mit
vielen Rehen drin
und
viele Felder mit Mäusen drin
sogar
einen eigenen Bussard haben wir hier
über den Feldern
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wegen der Mäuse
unglaublich viel Grün
und
tolle Luft zum Atmen
Fernsehempfang,
Telefonanschluss
und
ein eigenes Hochhaus mit eigenen Handyantennen
1 Sportverein
1 Schützenverein
1 Siedlerbund (für die Pioniere, die zuerst hier waren)
1 Seniorentanzgruppe in der Kirchengemeinde
und
2 Bushaltestellen
die meisten wollen hier weg
wir
sind glücklich, dass wir hier sind!
Unser Dorf ist eigentlich gar kein Dorf
sondern
ein am Stadtrand gelegener Stadtteil von einer Stadt, die ein
Dorf ist
aber
das macht nix, denn dadurch wird’s nur
noch gemütlicher hier!
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Nicht mehr lange, und ich kenne hier jeden
jeden Menschen
jeden Hund
jedes Pferd
und
die Kassiererin im Supermarkt weiß schon, daß ich morgen ein
Paket bekomme
weil
die Dame vom Büdchen dort auch einkauft
und
beide Hundefreundinnen von der Hundewiese ist
Nach 52 Jahren angekommen zu sein,
dass ist ein gutes Gefühl
wir wollen
nie wieder weg von hier!!
Nutze dein Leben und finde den Platz, an dem du sterben wirst
und
du bist wirst ein glücklicher Mensch sein!
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Zwei Hunde namens Leckerli
Wir haben bei uns einen eigenen Hundeplatz – das ist toll! Der
gehört uns nicht – der gehört einem anderen, der auch Hunde
hat und, der ein total netter Kerl ist. Seine Frau ist eine total
nette Frau. Wir dürfen hier mit unseren Hunden immer und
jederzeit kommen und unsere Hunde dürfen hier alles machen -
außer Löcher buddeln und Müll zurücklassen!!
Unser Hundeplatz liegt fast mitten im Dorf, denn unser Dorf
besteht eigentlich aus zwei Dörfern – einem großen und einem
kleinen Dorf. Dazwischen liegen zwei Felder und ein Bach, der
zwischen diesen zwei Feldern durchfließt, wenn Wasser drin
ist. Wasser ist selten im Bach, weil der Bauer, dem die Felder
gehören, einen Tiefbrunnen hat.
So ziemlich in der Mitte am Bach zwischen den Feldern liegt
unser Hundeplatz – mit einem Zaum einmal um so 4000
Quadratmeter herum und zwei Toren drin – vorne eins für die
vom großen Dorf und hinten eins für die vom kleinen Dorf. Wir
haben eine kleine Sitzbank und viele Eichen, die im Sommer
schön viel Schatten machen – und viele kleine Raupen. Der
ganze Platz ist komplett voll mit Rasen und so richtig schön
schief und dreieckig.
Viele Hunde kommen hierher und bringen meistens auch ihre
Frauchen und Herrchen mit. Viele sind gute Kumpels von Luna
und Milow. Den Milow habe wir hier sogar das erste mal in
unserem Leben getroffen. Nur einige Hunde sind doofe Hunde,
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sagen meine beiden – und dann bleiben wir auch mal weg vom
Hundeplatz, wenn die da sind.
Die Menschen sind meistens nette Menschen – meistens!
Manche sind etwas seltsam finden wir und zwei von denen sind
ganz besonders seltsam. Die beiden rufen ihre Hunde
„Leckerli“, wenn die weg sind und wiederkommen sollen.
Überhaupt rufen die immer Leckerli, wenn sie ihre Hunde
rufen. Nur zum Schimpfen werden die bürgerlichen Namen
bemüht, die ich hier nicht verrate, weil ich niemanden
verunglimpfen möchte.
Beide haben ihre Namen schon von klein auf gelernt – wie die
meisten Hunde. Die beiden Damen haben sich bis an die Zähne
mit Hundefutter bewaffnet aufgeteilt – an jeden Ende von
Platz eine. Dann haben sie immer abwechselnd „Leckerli“
gebrüllt und beide Leckerlis stürmten los, um sich mal eben
schnell fürs Rennen mit Leckerlis belohnen zu lassen. Erst zur
einen hin, dann zur anderen – immer wieder hin und her – immer
wieder Leckerli – immer wieder „Leckerli“ rufen. Das ist ein
tolles Spiel, die Hunde sind beschäftigt und werden müde – und
vielleicht sind die beiden ja auch sehr glücklich darüber, so zu
heißen.
Toll ist, dass die beiden Hunde auch auf ihren Namen hören –
egal, wer sie ruft! Du brauchst Dich nur irgendwo hinzustellen,
„Leckerli“ zu rufen und Du hast zwei Hunde mehr.
Neulich war ich mit meinen beiden Hunden und einer Freundin,
die auch ihre beiden Hunde mit sich hatte, auf unserem
Hundeplatz. Wir waren also sechs Leute und alle mit einem
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ganz eigenen Namen. Dann standen auf einmal außen vor dem
Tor zwei weitere Hunde und aus weiter Ferne riefen zwei
verzweifelte Damen im Duett ihre Leckerlis zu sich zurück –
jedenfalls versuchten sie es. Meine Freundin schaute mich
fragend an und ich habe sie ehrlich gesagt noch sie so blöd
gucken sehen. In unserer Fantasie sahen wir die beiden mit
Futtertüten wedelnd und knisternd den Weg runterkommen –
aber nichts sollte helfen. Leckerli und Leckerli waren wohl
einfach schon zu satt und unsere vier Leute auf dem Platz
wesentlich interessanter als jedes Häppchen – wer will schon
fressen, wenn man Kumpels treffen und mit ihnen rumtoben
kann. Beide Leckerlis waren schon längst auf dem Platz und
spielten mit unseren Hunden, als ihre Frauchen abhetzt und
verzweifelt hinterherkamen.
Meine Freundin kannte dieses Schauspiel noch nicht und konnte
sich danach eine ganze Weile ein smartes Grinsen nicht
verkneifen. Wir blieben auch nicht mehr lange und zogen bald
mit unseren vier Lieben wieder los. Leckerli und Leckerli
bekamen auf dem Hundeplatz noch eine extra Trainingseinheit
– wir hörten die beiden Damen noch eine ganze Weile nach
unserm Gehen rufen: Leckerli, Leckerli und nochmals Leckerli!
Jetzt, wo die dunkle Jahreszeit näher kommt, wird dann wohl
zuhause trainiert – bestimmt praktisch, wenn man seine
Futtertüten nicht mehr mit nach draußen schleppen muß.
Luna und Milow beiden kriegen zur Feier des Abends dann auch
noch zu naschen und beide heißen heute ausnahmsweise mal
„Los ab ins Bett“ – aber nur heute Abend! – versprochen!
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Luna und das Wetter
(Nur die harten Zwerge werden Gartenzwerge)
Warum auch nicht?!
Warum nicht einfach mal über das Wetter schreiben und
darüber, wie die kleine Prinzessin Luna das so sieht mit dem
Wetter. Wir wissen ja nun, dass wir damit nicht so ganz alleine
sind auf der Welt und, dass es auch in anderen Dörfern und
Städten ab und an mal regnen tut.
Große und starke Schäferhunde zum Beispiel müssen bei jedem
Wetter raus wollen – auch, wenn es draußen kalt ist und
andauernd regnet. Natürlich haben meine Großen früher auch
dumm geguckt, wenn’s im Regen raus ging – aber, wenn sie erst
mal nass waren, dann war es ihnen auch wurscht. Eigentlich war
ich nie auf den Gedanken gekommen, dass die frieren könnten –
sich warm laufen war die Devise!
Meine Hunde von heute hingegen gründen jedes mal kurz vor
der dunklen Jahreszeit eine gemeinsame Protestbewegung und
fordern „Katzenklos in der Wohnung und beheizbare
Regenmäntel für Kleinhunde“.
Wenn wir bei Regen rausgehen, nimmt Luna mir das persönlich
übel. Sie schaut mich vorwurfsvoll an, als wenn sie sagen
möchte: Du hast wieder extra lange gewartet, bis es richtig
doll regnet! Was habe ich dir nur getan? Anfangs, wenn sie
merkt, dass es losgeht, springt sie wie ein kleiner Irrwisch
36
freudig durch die Wohnung und kann es kaum erwarten, bis ich
endlich angezogen bin. Wenn die Haustür aufgeht, ist sie als
erste draußen und bleibt schlagartig stehen, wie vor eine
Mauer gelaufen. Alles nass, von unten und von oben – schon
wieder – und alles , nur um sie zu ärgern – das habe ich extra
gemacht, warum nur! Mit gequältem Blick, angelegten Ohren
und im Schleichgang auf Zehenspitzen geht es dann, die
nötigsten Geschäfte zu verrichten – alles nur, um möglichst
schnell wieder reinzukommen.
Pinkeln auf nassem Rasen und davon einem nassen Popo zu
kriegen ist eine Zumutung. Als wenn nicht die nassen Pfoten
und der nasse Bauch schon ausreichen würden. Alles extra und
aus Gemeinheit, nur um kleine Hunde zu ärgern.
Der kleine Hund ist mit seinem Bauch dem kalten Boden aber
auch viel näher als ein Großer – ich denke, das spielt schon eine
Rolle. Und, wenn das nasse Grass etwas höher steht, dann
gibt’s nicht nur kalte Unterschenkel, sondern dann ist gleich
der halbe Hund nass. Große Hunde und deren Leute kennen da
nichts von und stehen oft etwas herablassend lächelnd
daneben.
Hunde wie Luna haben auch wesentlich weniger Unterwolle, als
die meisten großen Hunde. Sogar der Milow, der ja aus dem
warmen Portugal kommt, ist von der Natur noch wesentlich
besser eingepackt, als meine kleine Prinzessin. Ihr Bauch, der
im Sommer komplett barfuss ist, wird im Winter mal gerade
von einer dünnen Fellschicht bedeckt – ohne jede Unterwolle.
37
Gerade so, dass man ihren Bauch etwas kraueln kann – kein
bisschen mehr!
Bei Regenwetter dann auch noch Fahrrad zu fahren ist schlicht
die Höhe! Überall Pfützen, um die man herumrennen muss -
oder die man mit einem riesigen Satz überspringen muss, nur
um in der nächsten dann zu landen. Ein nasser Bauch bei Kälte
ist ekelhaft. So toll wie Fahrradfahren und Rennen für Luna ist
– nicht bei solch einem Wetter wie heute! Der einzige Vorteil
ist, dass man sich warmlaufen kann – der einzige! Sind wir am
Ziel angekommen, steht sie oft da, wie der sprichwörtliche
begossene Jack Whippet – und das schlimmste ist, wir müssen
ja auch wieder zurück. In solchen Momenten spiegelt sich in
Lunas Augen das ganze Elend dieser Welt.
Und, wenn es dazu dann auch noch richtig kalt ist, dann stehen
wir kurz vor dem Weltuntergang. Dann wird gezittert wie
Espenlaub und manche Passanten sprechen mich an, wie ich dem
armen kleinen Hund so etwas nur zumuten könne. Luna schaut
die Leute dann besonders rührig an und möchte am liebsten
sagen: Guckt nicht so blöd, bringt mir lieber eine Heizdecke!
Die Kleine weiß natürlich ganz genau, was sie tun muss, um
möglichst schnell wieder ins warme Bettchen zu kommen –
kennt mich ja auch schon etwas länger!
Luna hat eine richtige Sammlung an Winterkleidung - gegen
Kälte ohne Regen! Gegen Kälte mit Regen ist einfach kein Kraut
gewachsen, alle Klamotten sind irgendwann feucht und dann
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wird’s nur noch kälter! Und gegen die Nässe von unten schützt
erst recht nichts! Bei Kälte mit Regen hilft nur eines: drinnen
bleiben und bei Bedarf aufs geforderte Katzenklo gehen – sagt
Luna! Manchmal fragt sie mich, warum Hunde eigentlich keinen
Winterschlaf halten dürfen – so von Oktober bis Anfang April?
Vorher ordentlich mampfen und dann für ein halbes Jahr ab in
die Pupsmuhle. Warum eigentlich nicht? Wäre vielleicht auch
eine Option für mich!
Am besten gleich den Winter abschaffen und strafbewehrt
verbieten – den Herbst auch. Frühling und Sommer könnte man
dann ja entsprechend verlängern – zum Beispiel durch
Einführung des 48-Stunden-Tages im Austausch mit der
leidigen Sommerzeitregelung!
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Früher war ja noch der Rocky da, der war groß und stark – vor
allem groß war er und Luna konnte sich bei Regen ganz toll
unterstellen. Auf dem Hundeplatz sitzt sie bei Regen in der
Regel unter der Bank, falls da noch Platz ist und nicht schon
andere die gleiche Idee hatten. Deshalb brauchen wir bei
Regen gar nicht erst da hin gehen. Milow ist auch nicht groß
genug, um sich drunterstellen zu können – außerdem mag der
Regen auch nicht, weil er ihn bisher kaum kennt, und sitzt auf
dem Hundeplatz dann auch lieber unter der Bank herum.
Manchmal laufen bei nasskaltem Wetter etliche Leute auf dem
Platz herum, alle in perfekter Kleidung für eine Polarexpedition
– und die Hunde hocken unter der Bank oder unter den Bäumen.
Ich möchte dann gerne mal zuhören, wenn die sich über ihre
Leute unterhalten – oder lieber nicht, denn ich bin ja ein
Mitglied der Polarexpedition!
Wir gehen bei Regen und Kälte raus, um wieder rein zu können!
Das ist eine tolle Sache – und, wenn man sich erst mal dran
gewöhnt hat, dann will man es auch gar nicht mehr anders
haben. Und trotzdem sind wir absolute Outdoorfreaks, die
jede Gelegenheit nutzen, die Welt da draußen zu erobern – es
regnet ja nicht jeden Tag! Eigentlich ist es auch viel schlauer,
bei Schietwetter drinnen zu bleiben, die nächsten
Abenteuerreisen vorzubereiten und das zu verarbeiten, was
man im letzten Sommer alles so erlebt und angestellt hat.
Jetzt sitzen wir eben ein paar Monate hauptsächlich vor der
warmen Heizung, halten unsere Pupsmuhlen (so heißen bei uns
die Betten) warm und freuen uns auf den nächsten Frühling.
Auch eine Art Winterschlaf – und voll in Ordnung!
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41
Insel
„Gebrauchte aber gut erhaltene Insel für einen Menschen,
zwei Hunden und viele Träume gesucht! Kleines Häuschen mit
regendichtem Dach und Ofen drin wäre schön - kleines
wasserdichtes Ruderboot und Bootssteg auch. Möglichst billig,
am besten geschenkt!“
Warum will ich das?
Inseln bestehen aus allem möglichen, nur nicht aus Wasser.
Inseln und Wasser haben ein sehr seltsames Verhältnis
zueinander. Ohne Wasser gibt es keine Inseln, aber keine Insel
besteht aus Wasser. Wasser muss um die Inseln herum sein
und deshalb ist die Insel vom Wasser abhängig. Ohne Wasser
keine Insel, obwohl sie gar nicht aus Wasser besteht. Die Insel
besteht aus Erde – oder Sand, oder Lehm oder irgendetwas
anderem festen, wie zum Beispiel Steinen oder Felsen. Aber
niemals aus Wasser. Das Wasser muss immer außen sein,
niemals innen. Wäre es umgekehrt, also das Wasser innen und
des Rest außen, dann wäre es ja keine Insel – eher ein See, ein
Teich oder auch nur ein Wasserloch. Auf der Insel kann dann
ja auch ruhig wieder Wasser sein, das spielt keine Rolle für die
Insel. Ist das nicht seltsam: eine Insel braucht Wasser, um
überhaupt eine Insel sein zu können – und das, ohne selber aus
Wasser zu sein. Eine Insel definiert sich über etwas, was sie
selber gar nicht ist. Nichts außer Wasser ist wirklich wichtig
für die Insel. Wasser muss unbedingt da sein. Und zwar von
allen Seiten und einmal ganz herum, sonst wird das nichts mit
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der Insel. Wenn es nicht ganz herum geht, dann sind sie nur
Halbinseln oder noch weniger – aber niemals Inseln. Für eine
Insel ist es völlig unwichtig, wie groß sie ist, wo sie sich
befindet oder aus welchem Material sie ist. Auch, was sie auf
ihr befindet oder welche Farbe sie hat spielt keine Rolle. Alles
total gleichgültig, solange nur das Wasser da ist und einmal
ganz um sie rumgeht. Viele Inseln waren einmal Berge – ganz
früher, als das Wasser noch nicht da war. Oder, als das
Wasser noch nicht so hoch stand. Dann kam das Wasser, floss
einmal um den Berg herum, blieb dort und machte aus dem Berg
eine Insel. Nur Wasser kann so was! Wasser ist mächtig und
alles auf diesem Planeten hängt vom Wasser ab – wurde vom
Wasser im Wasser gemacht. Nicht nur alle Inseln dieser Welt,
sondern alles auf diesem Planeten hängt vom Wasser ab –
insbesondere das Leben überhaupt. Und vielleicht ist ja auch
das Leben eine Insel. Oder wenigstens fast so wie eine Insel.
Auf jeden Fall ist das Leben genauso vom Wasser abhängig wie
eine Insel! Ohne Wasser kein Leben. Geht das Wasser, geht
auch das Leben. So gesehen leben wir auf einer Insel – nicht
nur, weil alle Kontinente der Erdkugel eigentlich auch nur
Inseln sind. Das Leben ist vielleicht wie eine Insel in der Zeit
und die Zeit gehört zum Wasser des Lebens. Irgendwann in
ferner Zeit ist das Leben entstanden und wird in wohl nicht
allzu ferner Zeit wieder verschwinden. Zurück bleiben dann die
Zeit, das Wasser und die Inseln – ohne uns. Inseln brauchen
keine Menschen – die brauchen nur Wasser und sich selber.
Und das Wasser braucht uns Menschen schon gar nicht! Auch
die Zeit vergeht vollautomatisch, ohne unsere Mithilfe. Im
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großen Zeitstrom vom Beginn bis zum Ende des Universums ist
das Leben tatsächlich nur eine kleine Insel.
Inseln sind toll – weil man toll drauf leben kann und seine Ruhe
vor all dem hat, was nicht auf der Insel ist. Vor allem die
kleinen Inseln sind klasse! Schon als ganz kleines Menschlein
habe ich von meiner eigenen kleinen Insel geträumt. Eine Insel
irgendwo mitten in einem großen See. Eine Insel mit einem
kleinen Häuschen drauf und einem kleinen Bootssteg dran.
Dazu ein kleines Boot und ganz viele Tiere mit mir auf der
Insel. Besucher müssen erst vom Ufer aus rufen und hoffen,
dass ich sie höre. Wenn sie dann viel Glück haben, rudere ich
mit meinem kleinen Boot los, um sie rüberzuholen – aber nur,
wenn sie Glück haben – viel Glück! Das ist das gute an Inseln
und das gute am Leben – das man auf Inseln leben kann –
richtig leben! - dem Wasser sei Dank!!
Darum will ich das!!
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Luna rennt und Milow lügt
Luna fährt nicht Rad, denn ich fahre Rad und Luna rennt mit.
Nein, so ist das auch falsch: Luna rennt und ich versuche mit
dem Fahrrad mitzuhalten! So ist es richtig oder kommt der
Wahrheit ziemlich Nahe. Luna ist ein halber kleiner Whippet
und der Rest vom Russel ist auch nicht ohne. Irgendwie haben
bei Lunas Geburt die pure Energie der Windhunde und die
Unkaputtbarkeit der Russel-Terrier geheiratet. Wenn Luna
rennt, dann rennt sie ohne Ende und ich komme meistens kaum
hinterher. Luna rennt!
Wenn ich mit Luna losgehe und sie merkt, dass wir das Fahrrad
nehmen, dann merke ich richtig, wie sie im Kopf schon
losgerannt ist. Manchmal habe ich richtig Sorge, dass ihr aus
Vorfreude irgendwann eine Feder aus dem Kopf springt. Luna
ist direkt und unverbogen. Luna lügt nicht!
Milow ist auf der Straße aufgewachsen und weiß deshalb, was
man tun muss, um zu seinem Recht zu kommen. Milow weiß ganz
genau, wie Menschen funktionieren und , wann es unglaublich
schlau ist, sich schrecklich müde oder auch dumm zu stellen.
Milow ist raffiniert und verschlagen!. Milow ist ein Halunke.
Milow lügt!
Wenn ich völlig fertig nach Hause komme, weil Luna mich mit
meinem Fahrrad wieder durch die Gegend gescheucht hat,
steht Milow schon in der Tür und tut so, als wenn er die ganze
Zeit unglaublich einsam war und fürchterlich gelitten hat. Aber
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seine Augenschnuddel verraten ihn!! Er hat gepennt, einfach
die ganze Zeit gepennt und den lieben Gott einen guten Mann
sein lassen. Vielleicht war er sogar richtig froh, endlich mal
seine Ruhe zu haben. Vielleicht freute er sich nur, zu Hause
bleiben zu dürfen und nicht von Luna durch die Budnik gehetzt
zu werden. Das ist ja auch alles vollkommen in Ordnung, aber:
Milow hat in Wirklichkeit gepennt. Milow ist ein Halunke! Er
weiss ganz genau, was er tun muss, damit sein Frauchen sich
ganz doll freut! Milow ist ein feiner Kerl, weil er so ist. Milow
darf ruhig lügen!
Luna lügt nicht. Luna ist ein ehrliche Haut. Das klingt besser,
als zu sagen: Luna ist einfach nur viel zu impulsiv und direkt,
um lügen zu können. Luna hat gar keine Zeit für so was. Luna ist
ehrlich! Sie will raus und rennen. Luna darf ruhig rennen!
Milow rennt nicht, denn auf der Straße hat man Kohldampf und
alle Zeit der Welt. Höchstens mal ein Sprint, wenn’s ums
Fressen geht oder es irgendwo verdammt gut danach riecht.
Höchstens mal ein Sprint, um sich wieder in Sicherheit zu
bringen. Milow lügt und will was zu fressen. Milow darf ruhig
lügen!
Luna würde Reisberichte lesen, wenn sie könnte. Milow
Kriminalromane. Milow weiß am Anfang des Krimis schon, wer
der Mörder ist und Luna sucht währenddessen nach Eckchen
auf der Welt, in denen sie noch nicht war.
.
Milow ist schlau! Luna auch!
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Beide sind genau das, was sie durch ihre Menschen geworden
sind. Auf dunklen und kalten Straßen wird man im täglichen
Überlebenskampf raffiniert und man lernt, das Verhalten von
Menschen abzuschätzen – zum eigenen Vorteil! Eingesperrt in
dunklen und kalten Kellern, freut man sich über jeglichen
Kontakt mit anderen Lebewesen und weiß es zu schätzen, mal
etwas weiter laufen zu können, als bis zur nächsten Wand!
Deshalb wird Milow sich immer irgendwie durchschlagen, oder
wenigstens so tun als ob. Und Luna wird niemals eine
Gelegenheit verschenken, sich frei zu bewegen. Auf der Straße
hatte Milow Freiheit ohne Ende, Luna in ihrem Keller nicht.
Luna hatte in ihrem Keller immer genug zu fressen, Milow auf
der Straße nicht.
Beide sind auf ihre ganz eigene Art unglaublich schlau, denn
Luna rennt und Milow lügt! Und das ist auch gut so, denn beide
sind die tollsten Hunde der Welt und beide dürfen so sein, wie
sie nun mal eben sind:
Schlau!
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Talking dogs
Es war irgendein langweiliger Samstag im August und der Milow
war noch nicht lange Mitglied in unserem Team. Manchmal,
wenn ich eine Weile nicht zu Hause war, hatte unsere Wohnung
unter dem Dach sich ein klein wenig verändert. Verschiedene
Dinge lagen nicht mehr an ihrem Stammplatz oder hatten eine
andere Form angenommen, Luna erschien mir bei meiner
Rückkehr oft etwas besorgt und der Milow lag zumeist dösend
auf dem Sofa!
Normalerweise spioniere ich meinen Freunden nicht nach, aber
an diesem Tag wollte ich es wissen. Ich musste vormittags noch
schnell zum Einkaufen für das Wochenende und aus einer Laune
heraus stellte ich voller Hinterlist unsere kleine Kamera ganz
oben auf das Regal. Damit war das ganze Wohnzimmer und
sogar der Flur bis zum Schlafzimmer überwacht. Das war eine
klasse Idee und ich versprach mir davon sensationelle Einblicke
in das geheime Leben meiner Lieben – schlechtes Gewissen
inklusive! Der folgende Einkauf im Laden gegenüber war voller
Vorfreude auf neue Erkenntnisse und ich konnte es kaum
abwarten, wieder nach Hause zu kommen.
Der Einkauf war noch nicht ausgepackt und ich hatte die
Kamera schon in der Hand. Der 30 Minuten dauernde Anblick
meiner Wohnung mit zwei dösenden Hunden drin war einfach
überwältigend. Gar nichts war passiert und mein detektivischer
Spürsinn verwandelte sich schlagartig in die quälende Frage, ob
die beiden mich mal wieder durchschaut hatten. Sind die immer
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so brav und ich werde langsam tüdelig? Bewegen sich
verschiedene Dinge im Wohnzimmer tatsächlich von selber?
Magisch und ohne jedes Zutun meiner Mitbewohner? Aber der
Milow kann sich noch so schlafend stellen und die Luna noch so
dumm, ich habe sie durchschaut. Wollen wir doch mal sehen,
wer hier schlauer ist! Die Kamera wurde jedenfalls irgendwie
ausgetrickst – soviel ist schon mal sicher!
Ich konnte das Geschehen anhand von Indizien auf der
Grundlage von einschlägigem Fachwissen hinsichtlich Hinterlist
und Heimtücke nahezu vollständig rekonstruieren. Mich
erstaunt zwar, dass die beiden immer nur sprechen, wenn ich
nicht zugegen bin – aber soll ich mir darüber nun auch noch
Gedanken machen? Ich stelle meine Fähigkeiten als
Hundezuhörerin sehr gerne als Gesprächsstoff zur Verfügung
und freue mich auf eure Meinungen dazu. Wir wünschen euch
beim Lesen den Spaß, den wir beim Schreiben reichlich hatten!
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Now we proudly present the ‚talking dogs’ – here we go:
Isse weg?
Hm?
Ob sie endlich weg ist?
Ja!
Mein Gott war die wieder hibbelig
Ist doch immer so, die hat ihren Zettel gesucht
Endlich Ruhe!
Leg dich einfach wieder hin!
Nö!
Wie nö?
Ich geh mal gucken
Wo?
Küche, wo sonst
Gibt Mecker
Egal, ist doch nicht da
Ohje, das gibt Mecker
Tür ist zu
Sowas
Mist, ich leg mich wieder hin
Mach das!
Jetzt ist aber ungemütlich
Wie?
Decke ist kalt geworden, hab Hunger
Hast immer Hunger!
Aber jetzt ist Decke kalt
Häh?
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Ob da im Schrank was ist, oder im Blumentopf?
Du nervst!
Das sagst du immer
Du nervst ja auch immer
Wieso?
Leg dich lieber wieder hin!
Gute Idee
Nicht reden, auch machen!
Was machst du da eigentlich die ganze Zeit in deiner Ecke?
Wieso?
Du schmatzt!
Tu ich nicht
Ich komme mal gucken
Bleib bloß weg, los hau ab!
Blöde Kuh!
Doofmann!
Ich leg mich wieder hin
Schön!
Hast du auch so Langeweile?
Nö
Ob die jemals wiederkommt?
Na klar, die hat eine gute Bindung aufgebaut
Was ist denn das?
Die ist sehr anhänglich und kann nicht so lange alleine sein
Aha!
Jetzt aber mal Ruhe hier!
Ich glaube da ist gestern was unters Sofa gekullert
Nicht schon wieder
Ich geh mal kurz gucken
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Ohje!
Wie ohje?
Randalier bloß nicht wieder!
Ich doch nicht
Die merkt das
Niemals!
Ohje, das gibt Mecker
Da ist was!
Echt?
Ne, unecht!
Ich komme mal kurz!
Bleib bloss weg, das ist meins
Du bist gemein
Ja!
Wie ja?
Ich komm da nicht ran, bin zu groß
Ne, zu blöd!
Die hat das Sofa festgeschraubt, glaub ich
Ach was!
Ich komm da einfach nicht ran
Gebs auf, leg dich wieder hin und halt die Klappe
Wie?
Ach nix!
Ich leg mich wieder hin!
Besser ist das
Ist dir auch so kalt?
Nö.
Was ist eigentlich Diät?
Ohje!
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Wie?
Das sage ich dir jetzt lieber nicht
Ok!
Wie kommst du drauf?
Ich soll so etwas machen
Dann zieh ich aus!
Wirklich?
Ja!
Dann mach ich Diät!
Blödmann!
War nur Spaß
Danke!
Dafür nicht
Was ist denn jetzt Diät?
Willst du gar nicht wissen!
Doch!
Lass es einfach auf dich zukommen, da müssen wir durch!
Wir?
Leider ja!
Hast du denn keinen Hunger, die lässt auch gar nichts hier!
Warum auch?
Die nimmt alles mit, glaub ich
Meinst du?
Nachher ist wieder alles da!
Stimmt!
Wo die wohl immer hingeht?
Ich weiß das
Wohin denn?
Essen besorgen, das hat die mal gesagt
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Echt?
Ja!
Und wie macht die das?
Mit rumsitzen
Wie, nur mit rumsitzen?
Ja genau
Toll!
Finde ich auch
Wieso weißt du das denn alles?
War mal mit
Echt?
Ja!
Toll!
Nö
Wie nö?
Stundenlang still sein und rumliegen ist doch nicht toll
Könnt ich gar nicht!
Glaub ich dir
Mir ist langweilig
Mir nicht
Guck mal, da liegt was rum!
Ist die Fernsehzeitung
Bestimmt eine alte
Nö, das ist die neue
Bestimmt die alte!
Bleib da weg!
Guck mal, was ich kann!
Ohje
Wie ohje?
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Naja, nun ist sie alt
Sieht gut aus, findest nicht auch?
Das sieht nach Mecker aus
Findest Du?
Ja!
Ich geh mal ins Schlafzimmer
Tu das!
Mach ich auch
Aber dann bleib auch mal da!
Wieso?
Weil du nervst
Tu ich nicht
Tust du wohl!
Im Schlafzimmer steht auch nichts rum
Was?
Mein Bauch kribbelt so!
Bitte?
Kribbelt dein Bauch auch?
Nein, mir tun nur so langsam die Ohren weh!
Ich muss mal
Bitte nicht
Doch!
In echt oder nur aus Langeweile?
Hm?
Was machst du da?
Ich denke!
Und ich lache gleich
Sag mal, wer ist eigentliche dieser Internet?
Wie?
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Wenn ich den erwische, die meckert immer mit dem rum
Kenn ich nicht
War die eigentlich schon immer so?
Wie?
Das die soviel meckert
Erst, seit du da bist
Das war gemein
Stimmt
Und wieso?
Tat gut!
Aha!
Bleib bloß da liegen!
Ich dreh noch mal ne Runde
Och nö
Guck mal, da fehlt was
Wo?
Na hier, da hat die was weggenommen!
Bleib da weg!
Wieso?
Regel Eins in dieser Wohnung
Wie?
Bleib von den Büchern weg!
Die hier?
Ja!
Die riechen falsch! Wollen doch mal sehen, wem die gehören!
Nein, bitte tu das nicht
Wieso nicht?
Wegen Regel Zwei!
Und?
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Denke immer an Regel Eins!
Willst du mich veräppeln?
Nö
Echt nicht?
Echt nicht!
Danke
Wofür?
Das du mich ernst nimmst!
Habe ich nie gesagt!
Ich komme mal rüber zu dir
Bleib bloß weg!
Will nur mal gucken
Hau bloß ab!
Nur mal eben kuscheln, ganz kurz
Um Gottes Willen
Bitte, nur einmal!
Nein!
Nur mal kurz
Hau ab, lass das!
Zicke!
Blödmann!
Hör mal!
Was?
Da war ein Geräusch
Meinst du?
Die kommt! Siehst du was von deiner Fensterbank?
Nö, noch nicht
Steh mal auf
Oh menno
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Siehste jetzt was?
Ja!
Und was?
Die kommt!
Echt?
Ja
Mit Tüten?
Mit Tüten!
Toll!
Jetzt geht sie wieder
Och nö!
War ein Spass!
So, ich leg mich wieder hin
Häh?
Ich tu so, als wenn ich schlafe
Tolle Idee, merkt die ganz bestimmt nicht
Findest du?
Nö
Das war die Tür
Juchu!
Die kommt!
Die kommt!
Jippiiii
Juchuuuu
Die ist wiedergekommen, die ist wiedergekommen!
Übertreib mal nicht
Ich bin erster Begrüßer!
Nein ich!
Zappel nicht so, wolltest du nicht liegen bleiben?
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Geht nicht
Du stehst auf meinen Füßen!
Schupps nicht so!
Pech, wenn man so klein ist
Juuuchuu
Jipppiii
Und die Zeitung?
Das war ich nicht!
Blödmann!
Ziege!
Juchuuuuu
Jippiiii
.
.
.
(hergestellt unter Verzicht auf Grundregeln der deutschen
Grammatik und der allgemein üblichen Rechtschreibung)
61
Die Namen der Hunde
Wie heißen Deine Hunde eigentlich wirklich? – so wurde ich vor
einigen Tagen gefragt.
Das ist eine einfache Frage auf die es eine kurze Antwort gibt:
Meine tollsten Hunde der Welt haben viele Namen, denn alle
tollsten Hunde der Welt haben viele Namen. Jeder hat einen
richtigen Namen und dazu noch viele andere Namen, die
genauso richtig sind – oder?
Bei uns ist das so: Luna heißt einfach nur Luna und Milow heißt
in Wirklichkeit Milow. Alle anderen Namen habe ich mir
ausgedacht. Aus Luna wird bei uns auch mal schnell Bluna, Lu
oder Blueluna und der Milow wird zum Milowtoff, Meilupo oder
auch zum Meilowitsch. Luna Blue Tausendschön und Milow H.
Lunke sollen einfach nur toll klingen und etwas angeberisch
wirken – rufen kann man das sowieso nicht! Auch Herr von
Podengo ist ein Kunstname – obwohl ich den Halunken auch
schon mal Podengo oder Herrn Vonundzu genannt habe. Viele
dieser Namen benutze ich auch nur beim Schreiben. Prinzessin
Hasenherz und Lupus Containis wären solche Beispiele. Auch
Mister Mampf und Pütterine Pütterpü finde ich ganz toll!
Niemals würde ich solche Namen in der Öffentlichkeit
benutzen – die beiden würden sich ja sonst fürchterlich
schämen – und ich mich auch. Niemals würde ich das tun - außer
manchmal!
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Die Namen zum Rufen sind immer besonders kurz. Die Kleine
kommt in den meisten Fällen bei einem kurzen und schneidigen
Lu angerannt – im zweiten Anlauf wird daraus allerdings ein
gedehntes Luuuuuuh. Der Dicke hört nicht wirklich gut – am
besten klappt es mit einem kurzen Mei oder einem liebevoll
betonten Miiiiloff. Wie soll der Arme sich seine ganzen Namen
auch merken können, wenn man bis vor kurzen nicht einen
einzigen hatte.
Stehe ich irgendwo in der Landschaft rum und rufe Kerl,
Kollege oder einfach nur Hallo, dann bin ich mit größter
Wahrscheinlichkeit sauer und meckere wieder mit Milow rum.
Luna hat seltsamerweise gar keine Schimpfnamen – außer
Frollein, Frollein und nochmal Frollein. Im allerschlimmsten Fall
heißen beide einfach nur Ey, Jetztaberzackzack oder Jetza.
Darauf hören sie wirklich sehr gut - fast am allerbesten!
Wenn Luna sich aufregt, erinnert sie mich immer an eine
Klobürste – ich würde sie aber niemals so nennen. Tust du wohl,
brummt da jemand im Hintergrund, und mich nennst du dann
immer DinoEi. Ja genau, stimmt Luna ein, und versucht
verzweifelt, sich nicht aufzuregen! Alles Gemeinheiten und,
wenn die Leute auf der Hundewiese manchmal den Kopf etwas
schief legen, dann genau deshalb! Beleidigt drehen beide sich
zur Seite und tun so, als wenn sie schlafen – das können sie
sowieso am besten. Vor allem morgens, wenn ich aufstehe,
bleiben sie bis zum letzten im Bett. Besonders Milow muss ich
mit der Bettdecke regelrecht rausschütteln. Aber ich würde
63
deshalb niemals Penntüte oder ähnlich gemeines zu ihm sagen –
nie!
Dann sind da noch die Schmusenamen. Mullemaus mag Luna
besonders gern und Milow steht eher auf Bollebär. Aber
Lönnepönne, Luni oder Lühpüh kommen bei meinem Mädchen
auch gut an. Der Klapskalli geht im täglicher Knuddelkampf als
Miluppo, Moppel oder Kulle durch.
Unter Hundekumpels soll Milow angeblich Kloppe heißen, aber
da kann ich nicht mitreden und es ist wohl auch nur ein
Gerücht. Die Lütsche nennen sie auf dem Hundeplatz wohl
Zicke, Zimtziege oder ähnliches – Luna schweigt sich
hartnäckig darüber aus. Auch, dass ich sie immer wieder als
Harzer Jack Whippet Pinscher bezeichne, findet sie
ausgesprochen doof. Der Milow mag kein Popodor sein – eher
schon ein Portugiesischer Labradengo. Aber das sind ja auch
keine Namen, sondern sachliche Rassebezeichnungen – finde
ich! Bei Luna wären dann noch Püddel, Pullermaus oder einfach
nur Pü im Rennen. Diese Namen stammen aus einer grauen
Vorzeit, wo sie noch nicht ganz dicht war, und wir nennen sie
auch nicht wirklich so – nicht mehr so oft.
Ich würde heute Abend noch Haue kriegen, wenn ich jetzt
nicht sofort aufhöre! Milow brummt vor sich her und Luna
findet es mehr als peinlich, was ich hier alles so aufschreibe.
Es wäre sehr viel einfacher und schlauer, bei der Wahrheit zu
bleiben und nicht jede Gelegenheit ausnutzen, um mir
Geschichten auszudenken. Ich hätte in Hundekreisen auch so
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einige Namen, aber man wolle ja nicht gemein sein und unnötig
darauf rumreiten – so wie ich.
Die Wahrheit ist also: meine Hunde heißen Luna und Milow –
und das ist auch gut so. Ich würde sie nie anders nennen.
Niemals! Außer manchmal!
Das war eine kurze Antwort auf eine einfache Frage. Mehr
fällt mir nicht ein! Außerdem müssen Püddeline und
Strubbelpups noch mal schnell Pipi machen – eben raus in den
Garten und dann geht’s ab in die Heia.
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Hundeerziehung mit Meckern
Ich soll ein Buch schreiben! Jedenfalls sagt mein Hund das und
er meint es dabei nicht nett mit mir. Milow sagt: schreibe ein
Buch über Deine ganz persönliche Art, mit Hunden umzugehen
und nenne es „Hundeerziehung mit Meckern“! Klein Luna stimmt
ihm zu, denn klein Luna stimmt Milow immer zu – jedenfalls
wenn es um mich und meine Launen geht. Klein Luna findet
diese Idee auch richtig gut! Ich würde ja sowieso immer nur
rumquaken und nie könnte man mir es recht machen. Endlich
würde mir einer mal richtig die Meinung sagen, höre ich sie
noch denken. Manchmal wäre ich sogar richtig unausstehlich –
sagen beide. Ziemlich oft sogar. Das macht mich nachdenklich!
Andere Menschen hätten wenigstens für Ihre Hunde immer
ordentlich zu Essen mit dabei – da würde sich ein Besuch auf
der Hundewiese richtig lohnen! Diese beneidenswerten Hunde
wüssten wenigstens, warum man sich in den seltsamsten
Situationen hinsetzen soll oder total langsam an der Leine
neben unsereins herschleichen muss. Da würde sich Gehorsam
noch lohnen, höre ich immer wieder von beiden. Es könne doch
nicht sein, dass Hunde sich nur benehmen müssen, damit ihre
zweibeinigen Begleiter nicht andauernd emotional entgleisen.
Gehorsam sein, nur um seine Ruhe zu haben und sonst nix. So
könne es nicht weitergehen! Auf gar keinen Fall!
Ich soll jetzt dieses Buch schreiben oder wenigstens einen
kleinen Text dazu. Und dann soll ich mal sehen, wie andere
Hundemenschen mir die Ohren lang ziehen und den Kopf
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waschen. Dann würde ich schon sehen, wie ungerecht und
gemein meine Einstellung zur Hundeerziehung sei.
Milows Einstellung zum Essen ist sowieso sehr speziell. Wenn
es nach Milow ginge, würde er den ganzen Tag essen und nur
noch rausgehen, um das alte Essen von gestern wegzubringen
und Platz für neues zu schaffen. Für etwas Fressbares würde
er alles tun, sagt er, und ich glaube es ihm ohne jeden Zweifel.
Allerdings geht auch nichts anderes mehr in seinen Kopf rein,
wenn er Fressbares in oder vor der Nase hat. Er reißt sich den
Hintern auf, um möglichst schnell an möglichst viel
heranzukommen und, wenn alles auf ist, dann gibt’s nur noch ein
langes Gesicht – sonst nix! Aus dem braven Hund von vorher
wird ruckzuck ein bettelndes Hundchen – aus dem soeben noch
brav befolgten „Sitz“ wird ein dauerhafter Sitzstreik mit
hungrigem Blick auf meine Hände!
Ich bin doch kein Futterautomat, sage ich – und Milow
antwortet: doch das bist Du! Wir würden doch nicht zum
Fressen auf den Hundeplatz gehen, wende ich ein und Milow
kontert stets mit der Frage: warum denn sonst? Aber
Diskussionen mit mir hätten ja keinen Zweck, und bevor ich
mich wieder aufrege und mit dem Meckern anfange liegt dann
meistens auch noch ein paar Mal „Platz“ machen oder das
Befolgen artverwandter Kommandos drin. Ich hätte sowie
keine Ahnung von Hunden und die Hoffnung auf ein paar
Leckerchen zwischendurch gäbe er sowieso bald auf.
Hauptsache, ich würde mich nicht wieder aufregen und
unausstehlich werden. Wenigsten würde zu Hause dann ja ein
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voller Napf auf ihn warten – Essen ohne irgendwelche
seltsamen Kunststücke, die man erst vorführen muss. Das
hätte ja auch was, lenkt Milow meistens ein und macht dabei
auf mich meistens einen recht zufriedenen Eindruck.
Ich werde dieses Buch nicht schreiben, denn das haben genug
andere schon getan. Gestern las ich in genau solch einem Buch,
dass die Menschen in Deutschland jährlich mehr Geld für
Hundeleckerchen ausgeben als für Babynahrung – das sollte
jeden nachdenklich machen! Im gleichen Buch stand – und ich
erinnere mich selber noch an diese Zeiten -, dass vor gut
zwanzig Jahren ein einziges Hundefutterprodukt auf dem
Markt war, welches sich als schnelles Leckerli eignete. Und
heute? – na das wisst ihr ja selber!
Es gäbe aber auch andere Bücher, die das ständige Füttern von
Hunden mit kleinen Häppchen rund um die Uhr fordern,
behauptet Milow. Das stimmt sogar, sage ich – aber die
stammen doch fast alle von ein und demselben Menschen der in
jedem Buch immer wieder ein und dasselbe schreibt. Diesen
Menschen, der auch im Fernsehen ganz viele Hunde ganz doll
versteht und darüber richtig lustig erzählen kann, mag Milow
sehr gerne. Er sei ein großer Fan von ihm und möchte in
Zukunft keine Folge von ihm mehr verpassen. Wenigstens in
der Glotze sei die Welt noch eine heile Welt – wenigstens da!
Aber vorher gehen wir noch schnell raus – Pipi machen und
rummeckern! Luna muss ich wohl erst wecken gehen – die
konnte mein Geschwätz nicht mehr ertragen und hatte sich
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schon hingelegt. Milow steht schon kopfschüttelnd an der Tür.
Ich solle mich beeilen und die Leckerchen nicht vergessen,
höre ich ihn noch mit einem allerletzten Funken Hoffnung
sagen bevor es mal wieder mit leeren Händen los geht.
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Klein Luna und der Weihnachtsmann
Luna ist ein kleiner Hund, deshalb nennen wir sie oft Klein Luna.
Luna wiegt heute so ungefähr 7 Kilo – mal mehr und mal
weniger! Luna ist heute sechs Jahre alt und als sie vor drei
Jahren zu uns kam wog sie keine 4 Kilo. Luna ist nicht doppelt
so groß geworden – das tun Hunde in dem Alter nicht mehr, wie
wir alle wissen. Luna ist auch kein dicker Hund geworden – das
wissen alle, die Luna kennen und mal bei uns waren. Trotzdem
hat Luna zugenommen! Und warum das so ist, ist eine lange
Geschichte, in der eine kleine Seele drei lange Jahre leiden
musste. Junge Menschen, eigentlich noch Kinder, mussten
straffällig werden, damit diese Geschichte überhaupt
aufgeschrieben werden konnte. Es ist eine kurze Geschichte,
weil sie schnell erzählt ist – und es ist eine lange Geschichte,
die sehr schmerzt, weil sie sich durch die Dummheit vieler
Menschen jedes Jahr neu erfindet.
Und heute ist ein guter Tag diese Geschichte vom ungeliebten
Weihnachtsgeschenk zu erzählen – denn bald ist Weihnachten!
Die Geschichte von Luna geht so:
Luna war ein Geschenk vom Weihnachtsmann! Luna war ein
Geschenk für vier Kinder im Alter zwischen 2 und 10 Jahren,
weil diese Kinder sich so sehr einen Hund wünschten und
Weihnachten vor der Tür stand. Eine Anzeige in der Zeitung
brachte den Eltern die Erlösung und eine Wochenendfahrt in
den Harz beendete das Begehren der Kinder. Luna war erst
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sechs Wochen alt und der Züchter machte gerne einen
Sonderpreis, um den kleinen Unfall loszuwerden, den Nachbars
Rüde im Zuchtbetrieb verursacht hatte. Eine glückliche Familie
fuhr nach Hause zurück – für einen kleinen Hund begann das
Grauen!
Der anfängliche Spaß am kleinen Tier ließ wohl sehr schnell
nach. Auch solch ein junger Hund lässt sich nicht alles gefallen,
lässt sich nicht in irgendwelche Tüten oder Taschen stopfen,
wie eine Spielpuppe an- und ausziehen oder bei Bedarf überall
mit hin schleppen. Hunde lassen sich nicht einfach abschalten
und Hunde machen auch Arbeit und bringen Verpflichtungen.
Irgendwann fing Luna an sich zu wehren und diese Familie kam
zu dem Schluss, das ein Hund kein gutes Spielzeug für Kinder
sei.
Anfänglich noch durchwachsen von sporadischen Freigängen im
kleinen Garten, wurde Luna für den Rest des Tages ein Platz im
Keller zugewiesen. Während ihrer Freiläufe stand sie gern am
Zaun und machte lautstark auf ihr Alleinsein und ihren Wunsch
nach Gesellschaft aufmerksam. Vor allem, wenn andere Hunde
vorbeikamen, legte sie sich so richtig ins Zeug. Nachbarn
beschwerten sich, die Kinder mochten sie auch nicht mehr und
der kleine Hund wurde immer seltener in den Garten gelassen.
Luna wurde immer häufiger in den Keller verbannt und
irgendwann wurde auch die Türe dorthin geschlossen gehalten.
Für die Notdurft musste ein selten gereinigtes Katzenklo
reichen. Manchmal, wenn Besuch von anderen Kindern da war,
wurde Luna aus ihrem Verließ geholt. Guck mal, wir haben einen
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Hund, hieß es dann, und sie wurde zum Spielen mal kurz wieder
rausgekramt. Genau das war irgendwann Lunas Rettung, genau
deshalb erfuhren wir von ihrer Existenz.
Zwei junge Menschen waren zu Besuch und schützen vor, mit
Klein Luna eine Runde um den Block gehen zu wollen. Sie kamen
nie wieder zurück – diese Gassirunde dauert bis heute an. Luna
wurde gerettet, zwei junge Menschen wurden vom Gericht
dafür hart bestraft und wir bekamen nach langen und endlosen
Streitigkeiten die Gelegenheit, Luna ihrer alten Familie
abzukaufen – was natürlich auch so geschah!
Als das kleine Mädchen zu uns kam, war sie krank – keiner
hatte es bemerkt! Sie hatte hochgradig Fieber, war völlig
abgemagert und der Bauch tat ihr fürchterlich weh. Ihre
Gebärmutter war entzündet und so aufgedehnt, dass sie kurz
vor dem Durchbruch stand. In einer Notoperation wurde Luna
ein zweites mal gerettet – von einem Tierarzt, der heute ein
guter Freund unserer Familie ist. Er alleine konnte Lunas alte
Besitzer davon überzeugen, den Hund an uns zu verkaufen.
Erst sein Hinweis darauf, dass noch weitere tierärztliche
Behandlungskosten anfallen könnten, brachte uns diesen
Erfolg.
Drei Jahre sind im Leben eines Hundes eine unendlich lange
Zeit – vor allem die ersten Drei! Luna ist ein toller Hund
geworden, der in der Welt und im Umgang mit anderen Hunden
seinen Weg gefunden hat. Aber in ihrem kleinen Kopf, der ganz
leicht zweimal in meine linke Hand passt, sitzt sie immer noch
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im Keller und kann nicht raus. Da ist immer noch der
Gartenzaum: sie kann alles sehen aber nicht hingehen! Luna
steht oft auf dem Hundeplatz inmitten spielender Hunde und
bellt. Sie möchte mitspielen, steht aber auf dem Rasen wie
festgenagelt und ruft die anderen zu sich her. Luna kann nicht
hinlaufen und mitmachen – sie ist eingesperrt und einsam, weil
die anderen nicht kommen und sie nicht verstehen. Wie oft
muss sie so in ihrem Keller gesessen und verzweifelt gerufen
haben! Mein kleines Mädchen hat so viel gelernt und ist
dennoch so oft verzweifelt und unsicher. Wenn Luna auf
meinem Schoß liegt und mit mir schmust kommt es mir oft so
vor, als wenn sie nicht auf mir liegt, sondern in mir. Was muss
dieses kleine Wesen für Ängste in sich tragen, die im Moment
erfahrene Liebe wieder verlieren zu können – für immer! Luna
mag Dunkelheit nicht – seit drei Jahren brennt bei mir auch in
der Nacht eine kleine Leuchte. Dunkelheit macht ihr Angst,
denn sie muss immer sehen können, wo ich gerade bin!
Unser Leben ist durch unser Mädchen reicher geworden! Sie
hat bis hierher so unendlich viel gelernt und nachgeholt – sie
ist jetzt mit sechs Jahren ein richtig großes Mädchen
geworden. Und seitdem der Milow bei uns ist, der wie ein
großer Bruder für Luna ist, denken wir oft an die Zeit vor drei
Jahren zurück. Damals ging es auch auf Weihnachten zu und in
Erinnerung an diese Zeit schließe ich diesen Text mit der
Bitte:
Betrachtet Tiere niemals als Spielzeug für Eure Kinder! Wenn
ihr selber Tiere mögt, dann gebt Euren Kindern die
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Gelegenheit, daran teilzuhaben und zu wachsen – dann lebt
Euer Leben gemeinsam mit Tieren und bringt Euren Kindern
bei, wie es geht!
Schenkt Euren Kindern bitte niemals Tiere zum Spielen – und
schon gar nicht zu Weihnachten!!
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Heute hier, morgen dort ...
Einmal Fettnäpfchen und zurück – typisch Sevi!
Natürlich stammt das Liedchen „Heute hier, morgen dort ...“
von Hannes Wader und nicht wie von mir behauptet von
Hermann van Veen. Sorry Hannes! Und Sorry Hermann, du hast
andere schöne Lieder gemacht, dieses nicht! Shit happens! -
und ich hoffe, mit dieser Entschuldigung noch mal alles
raushauen und geradebiegen zu können. So was kommt von so
was und meine Muddi würde jetzt sagen: kann ja mal
passieren?!
War bei mir schon immer so! Schneller geredet als gedacht,
dem Kopf einfach davongelaufen und schneller Schiet gemacht
als man sich vorstellen konnte.
Mein Vater beantragte kurz vor meinem dreizigsten
Geburtstag bei irgendeiner europäischen Kommission für
Normen die Einführung einer neuen Norm. Dabei ging es um den
durchschnittlichen Abstand zweier Fettnäpfchen – dieser
sollte nach mir benannt werden: Um von einem Fettnapf zum
anderen zu gelangen müsste man dann einen „Sevi“ zurücklegen.
So war es geplant und wurde natürlich sehr humorvoll
abgelehnt. Die Geschicke europäischer Nationen dürfen sich
nicht an den Defiziten einzelner Personen orientieren, war die
Begründung. Das entsprechende Schreiben erhielt ich als
Geschenk zu meinem Dreizigsten – ich fand es damals gar nicht
witzig!
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Vattern kannte mich doch besser als ich damals wahrhaben
wollte. Heute ist es nur noch Geschichte – tatsächlich einfach
nur eine kleine Geschichte
Und dann ausgerechnet mit dem Hannes Wader muss mir das
passieren, dessen ganze Musik mich an meine doch recht
chaotische Jugend erinnert. Ausgerechnet mit dem muss mir
so eine Panne pasieren! Damals auf dem Schulhof in der
Raucherecke, alle in Nato-Parkern, beuligen Jeans und mit
Anti-AKW-Stickern. Die mit den Legalize-it-Stickern waren
die ganz harten und meine Kumpels von der Schülerzeitung.
Lange Haare waren Pflicht, genauso wie die dicke Haarbürste
vorne in einer der Parker-Brusttaschen. Und dann war da Conni
– lange lockige Haare – schlacksige Gestalt, riesige Augen und
einfach ein toller Typ!
Conni war damals unsere Stimme, denn er hatte eine Gitarre
und er konnte singen. Ich war schon immer gerade so in der
Lage, einen Schallplattenspieler anzuschmeißen und wieder
auszumachen. Conni auch, aber er konnte eben auch ganz toll
singen und seine eigene Musik dazu machen. „Heute hier,
morgen dort...“ war einer seiner Lieblingstitel – wie viele
andere von Hannes Wader und im Moment sitze ich irgendwo in
der Vergangenheit in Connis Bude auf seiner Kuschelmatraze
und höre ihm wie so oft damals einfach nur zu. Wie konnte ich
das vergessen?
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Ich weiß gar nicht mehr, ob er auch Lieder von Herrmann van
Veen konnte – ich glaube, da musste ich damals doch eher
meinen Plattenspieler bemühen.
Die nächsten Tage werde ich in den Keller krabbeln und nach
den Kartons mit den alten Schallplatten suchen. Mal schauen,
was nach meinen vielen Umzügen und Wanderschaften davon
noch übrig geblieben ist! Am liebsten würde ich sofort
loslegen, aber es ist schon wieder spät geworden bei uns. Luna
und Milow wollen noch auf ein spätes Pipi-Gassi raus und
morgen ist ja auch noch ein Tag!
Lassen wir den Conni in der Vergangenheit und den Hannes
einen guten Mann sein, der mir ganz sicher nicht böse sein wird
für den Tritt ins Näpfchen!
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Anaconda
für Frau Ponzelmeier
Als Tiffany mal gerade ein gutes Jahr alt war, da hatte sie
knapp einen Kampf mit einer riesigen Schlange überlebt. Die
Anaconda griff sie völlig überraschend und hinterhältig aus
dem hohen Gras am Rande eines tiefen Sees an. Wir waren
gemeinsam mit unserer Freundin Leika im dunklen Moorwald
unterwegs, fern jeglicher menschenbewohnter Siedlungen. Nur
ihrem unglaublichen Mut und ihrer legendären Tapferkeit war
es zu verdanken, dass sie den Kampf trotz schwerer
Verletzungen gewann und überlebte. Tiffany kehrte stolz an
der Seite ihrer Freundin Leika und ihres Frauchens nach Hause
zurück. Ihr Ruf als mutige Kämpferin und Schlangenbesiegerin
ging in die Geschichte unseres Hauses ein. Noch viele Jahre
und ein ganzes Hundeleben, durften wir uns damit schmücken,
an der Seite solch eines Hundes leben zu dürfen. Tiffany erlag
im Alter von 14 Jahren den späteren Folgen ihrer
Verletzungen. Die Geschichte wurde zur Legende und die
Legende lebt weiter in unseren Herzen. Auf ihr Grab haben wir
einem Baum gepflanzt. Einen großen Baum, wie ihn nur Helden
verdienen!!
Und alle, die Tiffany kannten, werden darauf bestehen, dass es
auch ganz genau so war! Erzählt euren Hunden jeden Abend die
Geschichte von dem todesmutigen Kampf eines jungem
Hundemädchens mit einer Riesenschlange. Erzählt, dass Mut
und Tapferkeit Werte sind, für die es sich zu kämpfen lohnt.
Den Mut, so zu sein, wie man ist und auch so zu handeln. Die
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Tapferkeit, dann auch zu dem zu stehen, was man gesagt oder
getan hat. Tiffany hat es uns allen vorgemacht, unerschrocken
und unverbogen! Erzählt es nicht nur euren Hunden, erzählt es
auch euren Kindern. Erzählt es einfach!
Neuere Forschungen gehen davon aus, dass die Anaconda in
Wirklichkeit nur eine kleine Kreuzotter war, die Tiffany im
hohen Gras überraschend biss. Böse Stimmen unterstellen
sogar, Tiffany habe vor Schmerzen gequiekt und sei völlig
verängstigt gewesen. Das ist natürlich alles falsch!
Aber es gibt noch eine andere Geschichte aus Tiffanys Leben,
die oft mit der Legende von großem Kampf verwechselt wird.
Nur der Vollständigkeit halber und um weiteren Irritationen
vorzubeugen, soll auch diese Geschichte erzählt werden, die
auf ein völlig belangloses Ereignis in ihrem langen Leben
zurückgeht.
Es passierte eines Tages am Altwarmbüchener See. Wir waren
zu dritt mit dem Fahrrad wie jeden Morgen unterwegs. Tiffany
und Leika rannten irgendwo in der Nähe am Rande einer großen
ungemähten Wiese herum. Es war morgens um 6.00 Uhr und
der See gehörte uns völlig alleine! Die beiden stöberten Seite
an Seite einfach so rum, pressten ihre dicken Nasen
gemeinsam auf jeden Mäusefußabdruck und hatten einfach nur
Spaß daran, Hunde zu sein. Tiffany schreckte plötzlich auf und
kam völlig verstört angerannt. Irgendetwas hatte ihr weh
getan. Aber da ich keine Verletzungen finden konnte und das
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Mädchen sich schnell wieder beruhigte, setzten wir unsere
Abenteuerreise nach einer kleinen Weile wieder fort.
Wieder Zuhause angekommen – es war ein Wochenende –
machten wir es uns nach dem Frühstück wie so oft auf dem
Sofa gemütlich und dösten einfach so in den Tag hinein.
Tiffany schlief ein! Seltsam war das und plötzlich bemerkte ich
an ihrer rechte Kopfseite eine golfballgroße Beule – wie ein
Insektenstich, halt nur größer. Der sofort alarmierte
Hundedoktor wohnte nur ein paar Häuser weiter und kam
sofort. Ganz eindeutig wurde Tiffany von einer Kreuzotter
gebissen. Das sei gar nicht so schlimm meinte der Doktor und
mit Hilfe verschiedener Arzneien sah mein Mädchen nach zwei
Tagen auch wieder so aus, wie ich sie kannte – beulenfrei! Alles
war wieder gut.
Alles war wieder gut, bis auf Tiffanys Kondition. Sie hatte auf
einmal einfach keine Puste mehr, wie wir hier so sagen. Beim
Radfahren blieb sie oft zurück, konnte mit ihrer Freundin
Leika nicht mehr mithalten und war am Ziel angekommen völlig
fix und fertig. Weitere Arztbesuche ergaben, dass ihre Lunge
randvoll mit Wasser sei und, dass dieses auf ein Problem mit
dem Herzen zurückzuführen sei. Durch den Schlangenbiss
wurden wahrscheinlich Keime eingeschleust, die bei ihr zu einer
Entzündung des Herzmuskels führten. Spezialärzte für
Hundeherzen und unzählige Besuche dort folgten und nach
langer Zeit hatte Tiffany auch diesen Teufel besiegt. Sie
wurde wieder fit und gesund – nur eine klitzekleine Sache blieb
zurück: Eine Herzklappe schloss nicht mehr richtig und deshalb
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musste sie den Rest ihres Lebens Arzneien zur Stärkung ihres
Herzens nehmen. Gott sei Dank gab es in dieser Welt diese
Arzneien und Tiffany konnte damit dann ja auch 14 Jahre alt
werden und unser Leben unendlich bereichern. Sie starb
letztendlich dann doch an ihrer Herzschwäche, denn sie
vertrug im Alter ihre Medizin nicht mehr! Tiffany starb eines
natürlichen Todes in unseren Bett, mitten in der Nacht, in
unseren Armen und zwischen unseren Pfoten, Seite an Seite
mit mir und Luna!
Wir erzählen die Legende von Tiffanys Kampf mit der
Anaconda gerne – sehr gerne sogar! Viel lieber als die andere
Geschichte. Ganz einfach, weil sie viel wahrer ist als die
andere. Und vor allem, weil solch ein toller Hund auch eine tolle
Geschichte verdient hat.
Jeder tolle Hund hat eine tolle Geschichte verdient – und
jeder Hund ist ein toller Hund. Jedenfalls die Hunde, die ich
bisher kennen durfte waren alle tolle Hunde. Manche waren die
besten Hunde der Welt. Tiffany war eine davon!
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Ich spreche von Leika
Ich spreche von Leika, dem tollsten Hund der ganzen Welt, und
ich erzähle ihre Geschichte. Leika war keine Heldin und sie
hatte auch nie große Kämpfe mit Riesenschlangen im finsteren
Moorwald ausgetragen. Aber in ihrem kurzen Leben verbrachte
sie fast unmögliches: Sie hat mich zu dem gemacht, was ich
heute bin! Sie hat den Grundstein gelegt und die Startbahn für
mich frei gemacht. Ohne Leika würde ich heute noch wie
bescheuert arbeiten, um Berge von runden Metallstücken und
rechteckigen Papierschnippseln ohne Sinn und Verstand
anzuhäufen. Auf Leikas Grab steht kein Baum – auf Leikas Grab
steht ein mitlerweile großgewachsener Holunderstrauch, der in
diesem Sommer das elfte mal geblüht hat. Leika ist schon zehn
Jahre im Himmel, denn wenn der Holunder auf deinem Grab das
erste mal blüht, dann ist deine Seele im Himmel angekommen,
sagt eine alte Geschichte. Leika ist seitdem meine himmlische
Begleiterin und wird es auch immer bleiben. Mitlerweile ist sie
da oben auch nicht mehr alleine und, wenn ich den Regenbogen
hinaufschaue, dann sehe ich sie alle da oben sitzen oder stehen
– und ich winke ihnen zu.
Heute spreche ich von Leika!
Leika war mein erster Hund und ich war Leikas zweites
Frauchen. Sie wuchs nur ein paar Häuser von uns entfernt auf
und wurde von ihren ersten Leuten zu ihrer Mama
zurückgebracht, weil sie angeblich nicht mutig und forsch
genug war. Leikas Mama mochte ihre kleine Tochter nun aber
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nicht mehr leiden, sah sieh eher als Konkurentin an und verbiss
sie. Meine Freundin und ich waren zu der Zeit auf der Suche
nach einem Hund, weil bei uns zu Hause einige Wochen vorher
eingebrochen wurde. Mit einem Hund im Haus wäre so was nie
passiert, hieß es und so kam das kleine Mädchen im Alter von 4
Monaten zu uns. Gottseidank, denn das war die beste
Entscheidung meines Lebens.
Ich kann gar nicht mehr so richtig beschreiben, wie die ersten
Wochen und Monate mit Leika waren. Es war einfach alles
anders geworden. Leika war immer da und um mich herum. Sie
war mit zur Arbeit, sie war mit zum Einkaufen, sie war einfach
überall mit hin. Ein Leben ohne mein kleines Mädchen gab es
für mich nicht mehr. Mein Leben begann, sich nur noch um den
Hund zu drehen. Leika brachte eine Welle in Bewegung, die bis
zum heutigen Tag ihre Größe und Kraft nicht verloren hat.
Auch, wenn Leika schon lange nicht mehr so bei mir ist, die
Achse meines Lebens ist immer da, wo meine Hunde sich
gerade aufhalten. Leika zeigte mir vollkommen neue Welten.
Einem menschen, der bis dahin noch nicht einmal wusste, was
Hundewiesen sind - geschweige denn, daß es so was überhaupt
gibt. Aber auf einmal gab es kaum etwas anderes mehr für
mich. Der ganze Tag streckte sich nur bis zu dem Zeitpunkt,
wo wir gemeinsam wieder loszischen konnten – endlich wieder
mit Leika los und ab zur Alten Bult in Hannover. Die alte Bult
ist eine alte Pferderennbahn mitten in der Großstadt, eine
riesengroße Hundewiese und ein El Dorado für Hunde und
Menschen wie mich – so wie ich jetzt einer geworden war! Ich
lernte auf einmal ganz andere Menschen kennen. Und im
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Mittelpunkt unzähliger Gespräche standen nicht mehr Arbeit,
Geld, Haus und Auto – nein, es ging einfach nur um unsere
liebsten Vierbeiner, um ihre Eigenarten, ihre Vorlieben und
Macken, ihre Schlaf- und Fressgewohnheiten und um alles, was
irgendwie nur mit den Hunden zu tun hat. Ich war auf einmal
ein glücklicher Mensch, ein Mensch auf sechs Beinen.
Leika wurde älter, und kam wie jeder Hund in die Pubertät. Auf
der Alten Bult wurde mir immer häufiger geraten, mich mit
Leika einem Hundesportverein anzuschließen. Das waren damals
noch andere Zeiten in Sachen Hundesport. Es gab damals nur
die sogenannten Polizeihundesportvereine. Und die machten
auch genau das, was im Namen dieser Verein steht:
Polizeihundesport! Fast alles drehte sich in diesen Vereinen
traditionell nur um eines: aus dem Hund einen guten
Schutzhund zu machen. Es war das Jahr 1995 und es gab nix
anders. Auch Agility und andere Hundespaßsportarten hatten
sich noch nicht so recht durchgesetzt. Aber wir fanden einen
tollen und recht fortschrittlichen Verein, der eine offene
Junghundegruppe eingeführt hatte. Immer Samstags um 10.00
Uhr und alle konnten kommen, so wie sie konnten oder wollten.
Das war gut und wir machten mit! Jeden Samstag!
Und alles war wieder wunderbar. Leika machte sich als
Neueinsteigerin in dieser Gruppe so wunderbar, lernte wie ein
Irrwisch und hatte bald alle anderen Hunde meilenweit
abgehängt. Ich war unglaublich stolz – auch auf mich und ich
glaubte noch lange Jahre danach, höhere Befähigungen in
Sachen Hundeerziehung zu besitzen. Das war natürlich
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Quatsch und andere Hunde nach Leika sollten mir Jahre später
meine Grenzen aufzeigen und mich wie eine Niete fühlen
lassen. Ihre Fortschritte in der Hundegruppe waren
ausschließlich Leikas eigene Leistung und ihr Licht fiel dabei
auch ein wenig auf mich, weil ich nun mal meistens neben ihr
herlief. Es dauerte nicht lange und mein Mädchen schaffte die
Begleithundeprüfung mit Applaus vom Rande des Hundeplatzes.
Ein Jahr später hatte sie in einem Gang mit der SchHA die
SchH1 geschafft – die erste von drei Stufen der
Schutzhundeausbildung. Ich war stolz wie eine Tüte Mücken.
Zwischenzeitig hatten wir auch das gemeinsame Fahrradfahren
entdeckt. Wir wohnten in Altwarmbüchen und da gibt es einen
wunderschönen großen See. Von zu Hause zum See, um den See
herum und wieder nach Hause – das waren so acht Kilometer
Strecke. Wir fuhren jeden Morgen vor und jeden Abend nach
der Arbeit unsere Seerunde. Oft mit Zwischenstops und
langen Wanderungen durch die alten Moorwälder, die es um
den See herum gibt. Sogar intakte Hochmoorflächen gibt es
dort wieder – bei Nieselregen oder Nebel zuweilen recht
gruselig aber immer unglaublich schön. Am See gab es auch
einen langgezogenen Sandstrand, an dem Leika gerne im
flachen Wasser spielte und die kleinen Wellen im Wind jagte.
Einmal fuhr ich mit vollem Karacho auf dem Fahrrad den Weg
längs, der an diesem Strand vorbeiführt – und Leika rannte so
fünfzehn Meter neben mir im gestreckten Galopp durch das
flache Wasser. Das war ein solch wunderschöner Anblick – ich
werde ihn nie vergessen. Dieses Bild ist in meinem Kopf wie ein
Videoclip fest eingemeißelt. Eines Tages lernten wir am See
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dann auch unsere spätere Freundin Tiffany kennen, die sich
uns einfach angeschlossen hatte. Sie war von ihren alten
Leuten abgehauen und verstand sich sofort total gut mit Leika
– sie wich ihr niemals wieder von der Seite. Eine Freundschaft
von vierzehn Jahren Dauer begann – aber, das ist eine ganz
andere Geschichte.
Leika war nicht mehr der einzige Hund in meinem Leben.
Tiffany und Leika wurden die besten Freundinnen und beide
wurden mein ganzer Stolz.
Tiffany fand keinen Spass an der Arbeit im Hundsportverein –
Bekannte auf der Alten Bult holten uns in eine neu gegründete
Rettungshundestaffel und Tiffi fand dort die Arbeit, für die
sie geboren wurde. Leika fand das alles doof und hatte einfach
keine Lust meilenweit durch die Budnik zu schnüffeln, nur um
andere zu finden und dann auch noch bei denen zu bleiben zu
müssen und rumzubellen bis Hilfe kommt. Keine Opferbindung
hieß das und es stimmte wohl auch.Aber es war ein großes Lob
für mich, dass sie so sehr an mir hing. In unserem alten
Hundesportverein wurde inzwischen eine neue Agility-Gruppe
aufgebaut und das war genau das, wo Leika und ich nur drauf
gewartet hatten. Tiffi wurde Rettungshund und Leika holte
sich auf Turnieren einen Pokal nach dem anderen. Das war eine
tolle Zeit: von einem Verein zum anderen, jeden Tag wieder
was anderes und immer mit den beiden Mädels auf Achse.
Lange Jahre machten wir das so!
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Leika wurde sechs Jahre alt. Ich erinnere mich noch an ihren
Geburtstag – Wursttorte mit sechs Würstchen statt sechs
Kerzen. Mit sechs Jahren ist ein Hund noch nicht alt, aber
Leika wurde krank. Sie war zeitlebens die Lebensfreude in
reinster Form, immer hochaktiv und bei dem, was sie machte,
kaum zu bremsen. Und dann bekommt solch ein Hund einen
Schlaganfall. Leika war nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Unser Hundedoktor konnte ihr mit vielen und noch mehr
Spritzen helfen und sie wurde wieder gesund. Aber, sie durfte
sich nicht mehr anstrengen, durfte keinen Stress mehr haben
und sie durfte auch nicht mehr rennen. Wie bringt solch einem
Hund sowas bei? Gar nicht, denn es geht nicht! All das nicht
mehr machen zu dürfen, was ihr immer soviel Spaß und Freude
bereitet hat, war der allergrößte Stress für sie. Nach zwei
Wochen folgte der zweite Schlaganfall – schlimmer als der
erste. Aber der Doktor konnte noch einmal helfen und Leika
kam wieder auf die Beine. Besser und schneller, als beim ersten
mal. Nach wochenlanger Abstinenz durfte sie irgendwann auch
mal wieder rennen, toben, springen und spielen. Für eine
klitzekleine Weile durfte sie wieder leben – und sie zahlte
dafür einen hohen Preis. Der dritte Schlaganfall folgte und
erwischte sie mit aller Wucht des Schicksals. Leika konnte gar
nichts mehr – nicht einmal mehr stehen. Zum Pinkeln habe ich
sie rausgetragen und mit Armen und Beinen festgehalten,
damit sie nicht umfällt. Nun konnte auch der Doktor nicht
mehr heilen – nur noch lindern! Am 12.Oktober 2001 fiel die
Entscheidung, Leika auf die Regenbrücke und darüber zu
führen! In meinem Leben ist mir eine Entscheidung nie wieder
so schwer gefallen wie diese – aber es war die einzige
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Möglichkeit und das beste für mein großes Mädchen. Heute
weiß ich, daß sie mir für diese Entscheidung immer dankbar
sein wird – so wie ich ihr ewig danken werde, dass sie ihr
kurzes Leben an meiner Seite gelebt hat.
Tiffany überlebte Leika noch neun Jahre und drei Tage. Sie
trug am Halsband immer Leikas alte Hundemarke, neben ihrer
eigenen. Heute sind beide schon lange wieder zusammen und,
wenn es im Hundehimmel einen großen See gibt, eine
Hundewiese und Menschen, die mit ihnen gemeinsam Fahrrad
fahren und den ganzen Tag zusammen sind – dann weiß ich,
beide sind glückliche Hunde.
Ich habe Leikas Halsband nie weggegeben. Wie ein
Einrichtungsgegenstand hing es immer an der Hundegarderobe
mit all den anderen Halsbändern, Leinen und sonstigem
Hundegedöns. Ein tolles Lederhalsband in rot und schwarz mit
neun silbernen Sternen von denen einer mal abgefallen ist. Oft
hatte ich es in der Hand und dachte an andere Hunde, die sich
über solch ein tolles Halsband freuen würden. Aber ich fand
immer Gründe, es zu behalten und aufzubewahren. Heute trägt
Milow, der tollste Hund der Welt, Leikas altes Halsband und
damit auch ein riesig großes Stück an Erinnerungen und Glück.
Milow steht Leikas altes Halsband ausgesprochen gut und
manchmal bilde ich mir ein, dass er es mit Stolz und Würde
durch seine Welt trägt. Leika wäre einverstanden! Ihre alte
Tasso-Marke habe ich noch heute am Schlüsselbund –
mitlerweile neben der von Tiffany. Seit elf Jahren ist das so
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und mir geht es gut dabei! Früher stand noch „Ich werde
vermisst“ drauf!
Ich sprach von Leika, dem tollsten Hund der Welt und dem
ersten Hund in meinem Leben!
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Ratatöskr das Eichhörnchen
Das Eichhörnchen Ratatöskr gehört nach Geschichten der
nordischen Mythologie zu den Tieren des Weltenbaumes
Yggdrasil, der im Zentrum der Welt steht und alle Welten
miteinander verbindet. Dieser Baum ist die Welt und
gleichzeitig ihre Achse, die den Himmel, die Menschenwelt und
die Unterwelt miteinander verbindet. Genau so weit, wie die
Äste und Wurzel des Yggdrasil reichen – genau so groß ist die
Welt. So geht die Geschichte des Yggdrasil!
Das Eichhörnchen galt schon immer als Vermittler zwischen
Menschen und Tieren. Ganz besonders dann, wenn ein Mensch
sich bei einem Tier für ein begangenes Unrecht entschuldigen
möchte, welches er ihm angetan hat. Man sagt, das
Eichhörnchen würde für die Vergebung der Tiere gegenüber
den Menschen plädieren. Und vielleicht genau deshalb hat das
Eichhörnchen es immer so besonders eilig: Weil es von
Menschenseite so unendlich viel zu entschuldigen und zu tun
gibt bei den Tieren. Und. weil es schnell sein muss, das alles
noch irgendwie zu schaffen!
Auf dem Yggdrasil wohnen der Legende nach verschiedene
Tiere. Oben in der riesigen Krone des Baumes wohnt ein Adler,
der keinen Namen hat. Und zwischen den Augen dieses Adlers
sitzt ein Habicht namens Vedrfölnir. Und dann ist da noch eine
drachenartige Schlange, die ganz tief unter einer der drei
riesigen Wurzeln des Weltenbaumens wohnt und andauernd an
dessen Wurzeln herumnagt. Dieser Drache heißt Nidhöggr. Der
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Legende nach, die übrigens Edda heißt, gibt auf dem oder auch
am Baum noch weitere Tier, wie zum Beispiel Hirsche oder auch
noch weitere Schlangen oder Drachen. Aber die sind hier jetzt
nicht so wichtig
Ratatöskr das Eichhörnchen lebt ebenfalls auf dem
Weltenbaum, hat aber keinen festen Platz. Ganz im Gegenteil
hat Ratatöskr in dieser Geschichte einen ziemlich blöden Job.
Der Adler ohne Namen und der Drache Nidhöggr sind nämlich
andauern dabei, sich zu zanken und nutzen das Eichhörnchen
nach meiner Ansicht so ziemlich aus. Sie schicken es ewig hin
und her. Oben in der Krone des Baumes angekommen darf es
gleich wieder losrennen und dem Drachen eine unfreundliche
Nachricht des Adlers übermitteln. Dazu muß Ratatökr
ziemliche Strecken zurücklegen. Quer durch Asgard, der Welt
der Götter und gleich ohne Stop weiter durch Midgard, der
Welt der Menschen, an noch vielen anderen kleineren Welten
vorbei bis hinunter in die Wurzeln Yggdrasils. Und das ganze
nur, um dann umgehend die Antwort Nidhöggrs wieder quer
durch das ganze Universum der nordischen Legenden bis zum
Adler zu bringen. So geht das dann in einer Tour hin und her
und wohl bis in alle Ewigkeiten weiter. Immer von Tier zu Tier
und dabei immer wieder quer durch die Welt der Menschen,
die so ziemlich in der Mitte des Baumes liegt. Wo soll diese
Welt auch anders liegen in einer Geschichte, die Menschen für
Menschen aufgeschrieben haben.
Wen wundert es jetzt noch, das Eichhörnchen es immer so eilig
haben, auf den Baum rauf oder von ihm runter zu kommen. Es
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ist doch immer wieder eine Freude, dieses zu beobachten und
einfach nur zuzuschauen. Und ich nutzte jedes Mal die
Gelegenheit, dem armen Tier noch eine weitere Botschaft mit
auf den Weg zu geben. Sehr oft sind es Nachrichten an meine
verstorbenen Hunde oder andere Tiere, die länger mit mir
zusammenwohnten. Nachrichten die aus dem Herzen kommen
und Dinge sagen, die ich ihnen persönlich nicht mehr sagen
kann. In den Jahren gemeinsamen Lebens mit den Tieren
kommt immer so sehr viel Erinnerung zusammen, die man erst
so richtig spürt, wenn sie in dieser Wirklichkeit keinen Platz
mehr findet. So oft bleiben zwischen den tausenden guten
Erinnerungsstücken doch noch immer kleine Stückchen zurück,
die alle mit den Worten „hätte ich“ oder „hätte ich doch nicht“
beginnen. Es sind eben die Dinge, die man dann nicht mehr
machen kann, nicht mehr gemeinsam unternehmen kann. Die
Abenteuer, die immer geplant aber nie gelebt wurden. All die
Dinge, die jetzt nicht mehr gehen oder einfach anders hätten
sein können.
Es ist schön, die Gewissheit zu haben, daß es das Eichhörnchen
gibt und zu wissen, daß es Ratatöskr heißt. Es ist schön,
jemanden mit Namen ansprechen zu können. Und es ist schön
zu wissen, daß das Eichhörnchen mich versteht und es ihm auch
nichts ausmacht, meinen ganzen Salat quer durch das
Universum zu schleppen. Es ist sowieso unterwegs und kommt
auf seinem Weg sowieso jedesmal durch die Welten der
Menschen und der Göttern. Einfach quer durch. Es ist sowieso
immer auf Achse und ist gerne und immer hilfsbereit. Die
Vermittlung zwischen Mensch und Tier ist seine Aufgabe!
94
Denkt daran, wenn ihr das nächste mal Ratatöskr seht. Legt
euch jetzt schon zurecht, was ihr dann sagen wollt und vor
allem wem das Eichhörnchen es weitersagen soll. Wenn es
soweit ist, müsst ihr auf Zack sein und schnell reden. Das
Eichhörnchen hat es immer eilig. Ihr werdet nie den Eindruck
haben, dass es euch zuhört! Aber das täuscht! Glaubt mir! Das
Eichhörnchen hört euch immer zu und ihr werdet euch auf sein
Dienste immer verlassen können.
Das ist ganz einfach so, weil das ganz einfach so ist! Und das
ist gut so!!
95
Krieger des Regenbogens
Es geht um alte Überlieferungen nordamerikanischer Indianer,
die den Stämmen der Hopi und der Cree zugesprochen werden.
Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet,
der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man
Geld nicht essen kann. So heißt es und es geht um
Weissagungen, Legenden und um den Untergang der uns
bekannten Welt, der schon längst begonnen hat. Es geht um die
Krieger des Regenbogens, die eines Tages von oben den
Regenbogen herabkommen werden, um diesen Planeten zu
retten. Wohlgemerkt: diesen Planeten und nicht die Menschen!.
Und es geht dann wohl auch um ein Buch und einen Film, der
daraus gemacht wurde. Es geht um Asgard und Midgard,
Welten in nordeuropäischen Mythologien und Erzählungen. Und
es geht um den Regenbogen als Verbindung und Brücke
zwischen diesen Welten der Götter und der Menschen. Es geht
um eine aus dem Nordamerikanischen stammende Erzählung:
der kleinen und doch so schönen Geschichte über die
Regenbogenbrücke. Es geht um diese Brücke, über die wir alle
irgendwann einmal in eine andere Wirklichkeit gehen werden.
Vieleicht dahin, wo auch die Götter wohnen - einfach nur in
eine heilere und schönere Welt. Es geht um all die Farben, die
unsere Augen sehen können und die im Regenbogen enthalten
sind. Und deshalb geht es auch um die Grenzen unserer
Wahrnehmung und darum, dass es hinter dem Regenbogen
weitergeht. Viel weiter, als unser menschlicher Verstand zu
begreifen in der Lage ist. Es geht deshalb auch um unsere
Phantasie und unsere Fähigkeit, sich eine bessere Welt
96
vorzustellen. Es geht um Utopien und um Wörter, die von
anderen und besseren Welten sprechen. Und dann geht es um
ein großes Symbol, das in vielen Kulturen als Symbol für
Toleranz und den vielen Möglichkeiten, die das Leben bietet,
steht. Es geht um die Regenbogenfahne, die für unsere
Hoffnung und unsere Sehnsucht nach dieser besseren Welt
steht. Es geht um ein Symbol der Friedensbewegung, der
Schwulen- und Lesbenbewegung und vieler religiöser Gruppen -
weltweit. Es geht um drei Schiffe, die alle den Namen Rainbow
Warrior trugen und auch heute noch tragen. Und es geht auch
und ganz besonders um den Regenbogen - ein wunderschönes
Naturschauspiel, welches wir alle ab und an, meistens vor oder
nach Gewitterschauern, zwischen Himmel und Erde sehen
können. Ganz weit oben, da wo der er endet oder seinen
höchsten Punkt hat – genau da werden wir alle eines Tages
stehen und auf diese Welt herabblicken. An dieser Stelle, wo
die Wirklichkeit, die wir wahrnehmen können, aufhört und eine
andere Wirklichkeit beginnt. Und wir werden über das, was wir
den Tieren und Pflanzen hier unter angetan haben, ungläubig
den Kopf schütteln. Vielleicht werden wir über diese Welt
verzweifeln, die wir unseren Kindern so kaputt zurückgelassen
haben. Und vielleicht schließen wir uns dann den Kriegern des
Regenbogens an und rüsten uns für die Zeiten, die nach dem
Menschen auf dieser Welt anbrechen werden - und für die
Aufgabe, diesen Planeten wieder grün zu machen. Aber besser,
wir werden noch zu Lebzeiten zu Kriegern des Regenbogens -
im Dienste einer gesunden und lebensfreundlichen Welt!
Besser wir fangen jetzt an!! Alle Menschen gemeinsam im
Kampf für einen gesunden Planeten. Für ein gesundes Leben auf
97
einem gesunden Planeten. Für ein gemeinsames Leben mit
gesunden Tieren und Pflanzen in einer grünen und lebendigen
Welt. Werden wir zu Kriegern des Regenbogens auf Erden –
hier und jetzt!! Jedes mal, wenn ihr einen Regenbogen seht,
freut euch über diesen wunderbaren Anblick und nehmt ihn als
Hinweis und Ermahnung von denen, die euch immer noch lieben.
Hört die Stimmen der unzähligen Menschen und Tiere, die vor
euch über diese Brücke gegangen sind. Stellt euch vor, wie sie
da oben stehen mit all dem Wissen vom dem, was sie selber
hier unter vermasselt haben und jetzt nicht mehr ändern
können. Hört, wie ihre Stimmen die Regenbogenbrücke
herunterschallen und uns auffordern, es besser zumachen und
das Ruder im allerletzten Augenblick noch herumzureißen. Seht
die vielen schönen Farben im Regenbogen, die nicht von
ungefähr auf der ganzen Welt und durch alle Kulturen und
Zeiten ein Symbol für Liebe und Hoffnung sind. Hört die
Geschichten von den Taten der wenigen, die heute schon als
Krieger des Regenbogens im Dienste dieses Planeten unterwegs
sind. Schließt euch ihnen an und fahrt in euren Gedanken und in
eurer Phantasie auf ihren Schiffen mit. Es sind große und
starke Schiffe! Auch ein Weg von tausend Meilen beginnt mit
dem ersten Schritt, sagt ein altes Sprichwort. Und jeder
Schritt der getan wurde ist ein Schritt, der nicht mehr getan
werden braucht, sagt ein anderes. Mühsam nährt sich das
Eichhörnchen auf seinen unermüdlichen Wegen den Baum rauf
und den Baum runter. Macht euch die Regenbogenfahne als
Symbol zu eigen und tragt sie vor euch her - jeden Tag, den ihr
noch hier unten zu leben habt. Macht euch klar, das wir
Lebenden uns diesen Planeten nur geliehen haben von denen,
98
die noch nach uns kommen. Hinterlassen wir unseren
Nachkommen eine intakte Welt oder wenigstens eine Chance
darauf. Wir haben keine zweite Erde im Keller, die wir holen
können, wenn die erste aufgebraucht und hin ist. Und trotzdem
sind wir mit der Ausbeutung der Ressourcen dieses Planeten da
angekommen, dass wir schon längst die zweite Erde
kaputtmachen, die wir gar nicht haben. Hört auf, das Wort
„Weltverbesserer“ für ein Schimpfwort zu halten! Arbeitet
für das Leben und nicht umgekehrt! Lernt von euren Tieren,
denn man scheißt nicht da, wo man isst! Kein Tier macht seine
eigene Welt kaputt und schon gar nicht wider besserem
Wissen. Lernt von denen, die uns in so vieler Hinsicht
überlegen sind. Manchmal glaube ich, die Armee der Krieger
des Regenbogens kann nur von Tieren angeführt werden. Aber
das ist natürlich nur ein Traum und ganz und gar nicht wahr.
Genau, wie das alles hier selbstverständlich ganz und gar nicht
wahr ist! Alles nur schöne Geschichten, Legenden, Symbole,
Fahnen und Schiffe. Aber Hoffnungen, Träume und
Sehnsüchte sind das Benzin im Motor der Revolution und des
Fortschrittes. Fangt einfach an und nehmt euch selber ernst!
Und vor allem, zeigt es anderen – zeigt es der ganzen Welt.
Tragt die Regenbogenfahne stolz vor euch her, damit andere
sehen, dass ihr verstanden habt. Tut was!! Tut was für die
Welt eurer Kindern und all den anderen Lebewesen dieser
Welt, die von euch abhängig sind. Und hört endlich auf mit dem
Kaputtmachen, Ausbeuten und Morden! Seit Krieger – Krieger
des Regenbogens! Fangt an, für das Leben zu leben!!
99
Seelengrundbaum
(für Christian, einem Mann wie ein Baum)
Auf dem Grund meiner Seele steht ein Baum. Den kann ich nur
sehen, wenn ich bis auf den Grund meiner Seele falle. Dort
ganz tief unten wo ich schon so oft war, wo es dunkel und kalt
und leer war bisher, wo ich Angst hatte und ich mich vor dem
Leben und der Welt gefürchtet hatte, wo ich einsam und
alleine war. Hier unten steht auf einmal ein Baum. Ein großer
und starker Baum mit weiten Ästen und einer riesigen Krone.
Der war vorher nicht da. Niemals, denn früher war hier unten
in meiner Seele nichts. Gar nichts. Jetzt steht hier dieser
Baum und ich kann mich anlehnen. Ich kann mich an ihm
aufrichten, wenn meine Beine schwach werden. Ich kann unter
ihm Schutz suchen, wenn es regnet oder die Welt mir mal
wieder auf den Kopf zu fallen scheint. Ich kann Wörter in
seine Rinde ritzen, die ich wiederfinden kann, wenn ich das
nächste mal komme. Und ich kann mich dann erinnern, wie es
das letzte mal war, als ich hier war. Und wie ich war als ich hier
war. Ein toller Baum! Jedes mal wenn ich wieder genauer
hinschaue, ist er ein ganzes Stück gewachsen. Jedes mal etwas
höher. Etwas breiter. Ein toller großer Baum mitlerweile. Und
eines Tages wird er ganz oben in meiner Seele das Licht
erreichen. Und dann bin ich voll mit diesem Baum. Diesen Baum,
den Du in mir gepflanzt hast lange bevor ich mitbekommen
habe, dass er überhaupt da ist. Dieser Baum bist Du, sind die
Zeiten in diesem Leben, die wir gemeinsam verbracht haben,
unsere gemeinsamen Erlebnisse. Das Schöne aber auch das
Schlechte. Dieser Baum ist alles das, was ich von Dir gelernt
100
habe und noch viel mehr das, was Du mir einfach vorgelebt
hast. Die Wurzeln dieses Baumes reichen bis in die Welten in
die Du mich immer wieder entführt hast. Die Welten in die Du
mich einfach mitgenommen hast. In Deine Welt, in unsere
kleine gemeinsame Welt, die wir uns zusammen aufgebaut
hatten und die genau deshalb auch jetzt noch Bestand hat. Du
warst immer der Motor in unserem Leben, der Macher, der
Ideenhaber. Derjenige, der einfach vorangegangen ist wenn er
vorangehen wollte. Und mich hast du immer mitgenommen. Mein
Job war, das Lenkrad zu halten und manchmal auch ein wenig
gegenzusteuern, wenn’s dann doch zu schnell oder nicht so ganz
in die richtige Richtung ging. Alles das ist jetzt in diesem
Baum, meinem Baum, unserem Baum. Ich kann an ihm
emporklettern, und ich kann dann ganz weit sehen, weiter als
jemals zuvor in meinem Leben. Und manchmal glaube ich, kann
ich bis zu Dir gucken, bis in die Welt in der Du jetzt bist. Denn
Du bist noch. Das weiß ich, das spüre ich, ganz deutlich, ganz
oft. Ganz besonders, wenn ich hier unten bin und unter dem
Baum liege und ihm beim wachsen zuschaue. Diese Momente
kurz vor dem Einschlafen, wenn die schöne Musik spielt, die wir
oft gehört haben zum ins Bett gehen. Dann bist Du da, ganz
nah, ganz nah bei mir. Hier unter dem Baum geht das. Er
wächst aus den Erinnerungen. Unsere gemeinsame Geschichte
ist seine Erde, die ihn hält. Und meine Sehnsucht nach Dir ist
das Licht, zu dem er wächst. Nach dem er sich streckt. Du
hast einen guten Baum gepflanzt. Einen sehr guten Baum.
Mitten in mir drin. Hier unten, wo sonst kein Licht hinkommt.
Hier unten, wo ich sonst immer nur Angst hatte. Angst vor
meiner Unfähigkeit, meinem Leben aus mir heraus einen Sinn
101
und einen Antrieb zu geben. Als Du auf einmal weg warst, so
schlagartig und völlig unerwartet. Ohne jede Möglichkeit
Abschied zu nehmen, letzte Worte zu wechseln. Ohne Tränen,
einfach so, einfach weg, weg. Da hatte ich Angst. Angst,
wieder alles zu verlieren, wieder alleine und hilflos in diesem
Leben zu stehen. Ohne Deinen Motor, ohne Dich. Aber jetzt ist
da der Baum und mit ihm nicht nur unsere gemeinsame
Vergangenheit, sondern auch und noch viel mehr eine
unbeschreibliche Kraft, weiterzumachen, nicht aufzugeben,
sich nicht fallen zu lassen. Auf einmal kann ich selber Motor
sein für mein eigenes Leben, kann mein Leben selber in die
Hand nehmen. Kann aus eigener Kraft sein. Weil der Baum da
ist. Weil Du da bist. Weil Du der Baum bist, hier unten auf dem
Grund meiner Seele. Weil etwas beblieben ist nach Deinem
Tod. Weil Du mir immer noch Schutz gibst unter Deinen
Starken Armen und weil ich mich immer noch an Dir aufrichten
kann, wenn ich falle. Weil Deine Stärke in mir geblieben ist.
Diese Kraft, das ist der Baum. Der Baum in mir. Das bist Du!!
Seelen vergehen nicht! Seelen bleiben miteinander verbunden
und der Tod ist nur ein Horizont, der sie auch nicht trennen
kann! Und irgendwann eines Tages werden wir uns wiedersehen,
werden wir wieder zusammen sein. Irgendwann, wenn der Baum
riesig groß geworden ist. Irgendwann! Aber bis dahin habe ich
hier noch eine Menge zu leben, habe jede Menge vor und
sprühe vor Ideen. Und bin dennoch voller Sehnsucht: bis bald!
Ich freue mich auf Dich! Ich liebe Dich!! Lasse es Dir gut
gehen da wo du jetzt bist. Mache Dir keine Sorgen mehr um
mich! Mir geht es gut, denn Du hast gut gesorgt für mich. Das
Leben ist schön!!
102
103
Milow und der Müll
(eine Art Liebeslied)
Milow ist der beste Hund der Welt, wie alle Hunde, die bei mir
leben und gelebt haben!
Milow geht nicht Gassi wie andere Hunde. Milow geht raus, um
sich auf die Suche nach Fressbarem zu begeben. Ständig in
Fluchtbereitschaft und ständig in Angst davor, dass ihm weh
getan wird.
Milow ist ein Straßenhund – Milow geht containern!
Hunde haben eben nicht die Angewohnheit, hinterher zu fegen,
nachdem sie Mülltonnen umgeworfen und leergefressen haben.
Hungrige Straßenhunde schon gar nicht! Mülltonnen
umzuschmeißen macht Krach und viel Gescheppere. Menschen
wissen diesen Krach nicht zu schätzen und den eingesauten
Hof schon gar nicht. Und Menschen wissen sich zu wehren
gegen diese Gewohnheiten der Straßenhunde. Sie wissen es
sehr gut, Steine zu schmeißen auf die Hunde oder andere hart
Dinge, die weh tun, wenn sie einen treffen. Menschen haben
Gewehre und Pistolen, die noch mehr weh tun und auch tot
machen können. Menschen stellen Fallen auf und fangen die
Hunde ein – um sie dann einzusperren, zu prügeln oder auch zu
töten. All dieses weiß der Straßenhund. Irgendwann hat es
über viele Schmerzen hinweg einfach gelernt: Menschen tun
mir weh, wenn ich fressen will, weil ich einfach nur
unerträglichen Hunger habe.
104
Fressen auf der Straße oder auf fremden Höfen ist für den
Straßenhund immer mit Gefahren verbunden. Gefahren für
Leib und Leben. Hunger und Fressen werden immer mit Obacht,
allerhöchster Vorsicht und auch Angst verknüpft sein. Wer
zwei Jahre auf der Straße gelebt hat und vielleicht auch dort
aufgewachsen ist, der ist für sein Leben hiervon geprägt.
Hunger ist verbunden mit Losgehen und Fressbares suchen, mit
Laufen und immer vorsichtig sein. Also wird bei der
Aufforderung zum Gassi oder Ähnlichem immer der Impuls
mittackern: wir gehen jetzt was zu Fressen suchen. Und auf
der Straße wird man auch nie satt, in der Regel jedenfalls
nicht. Man muss immer und jede Gelegenheit nutzen, etwas in
den Magen zu bekommen. Der winzigste Krümel auf dem Weg
wird im Moment zum Wichtigsten im Leben, quasi zur
Überlebensstrategie. Man weiß nie, wann die nächste
Gelegenheit kommt, wieder zu fressen und etwas in den Magen
zu bekommen. Morgen könnte man verhungern. Und zum
Überleben muss man sich immer wieder den Gefahren auf den
Höfen der Menschen aussetzten. Man lernt vorsichtig zu sein
und plötzlichen Geräuschen zu misstrauen.
Wie lange wird ein Hund nach so langer Zeit ewigen
Kohldampfes brauchen, bis im Kopf ankommt, dass es jeden
Abend zuhause satt und anständig zu Fressen gibt. Wie lange
wird es dauern, bis der Hunger am Tage erträglich wird und
das tägliche Ausgehen oder Ausfahren nicht nur mit der Suche
nach Fressbarem verbunden wird. Wann wird ein ehemaliger
Straßenhund mal entspannt durch die Gegend ziehen und den
105
Gerüchen von Artgenossen nachgehen – ohne die andauernde
Ablenkung durch den Geruch von irgendetwas Fressbarem in
der Nähe. Und ohne die den Hunger ständig begleitende Angst
vor Schmerzen. Ohne den ewigen Gedanken an Flucht, weil
Hunger mit Fressen verbunden ist, und Fressen mit Angst und
Gefahr.
Ich wünsche es meinem Milow sehr!
Gut, die ein paar Monate, die er jetzt in unserer
Wohlstandgesellschaft lebt, können noch nicht viel bewegen.
Und die Straße mit den ganzen Erinnerungen und Prägungen
wird ihn wohl ein ganzes hoffentlich sehr langes Leben
begleiten. Ich möchte ihm mit der Zeit diese Angst nehmen
können, in den nächsten Tagen zu verhungern, wenn nicht
jedem Moment nach Fressen Ausschau gehalten wird. Ich
freue mich auf den ersten Tag auf der Hundewiese, wo er
nicht nach einer Weile spielen mit anderen Hunden wieder
umschaltet auf Futtersuche. Den Tag an dem er – wenn auch
hungrig und mit Kohldampf – einfach weiß, dass es abends wie
immer etwas zu fressen gibt. Und das völlig selbstverständlich,
reichlich und ausgewogen! Den Tag, an dem Draußen-Sein für
ihn nicht gleichzeitig ständige Gefahr und andauernde
Ausschau nach Fluchtmöglichkeiten bedeutet. Den Tag, an dem
wir gemeinsam unsere Nase in Mauselöcher stecken und es gar
nicht schlimm ist, wenn wir sie nicht erwischen - weil es
einfach Gaudi macht, so was zusammen zu tun - und weil es
einfach nur saugut riecht, dieses Mauseloch, das wir
gemeinsam etwas größer gebuddelt haben. Zuhause gibt’s eh zu
106
essen.! Wir haben uns doch nur etwas Appetit geholt – ganz
entspannt mit viel Spass. Auf diesen Tag freuen ich mich –
ganz doll! – für mich und erst recht für Milow den ollen
Portugiesischen Podengo.
Vieles ist besser geworden in den letzten 6 Wochen. Jetzt wo
ich dieses schreibe, erinnere ich mich an das erste Ausgehen
mit Milow. Es war seltsam und irgendwie anders als mit allen
anderen Hunden, die bisher ihr Leben oder einen Teil davon mit
mir verbrachten. Gut, alle Hunde sind verschieden, jeder ist
anders. Aber mit Milow auszugehen, das war auf eine andere
Art anders, die ich schwer beschreiben kann. Da war nicht nur
das Fehlen jeglicher Erziehung und Menschenbindung – da war
einerseits ein unglaublicher Freiheitsdrang – andererseits
diese ständige Obacht und Fluchtbereitschaft, die ich nicht
verstehen konnte – und an der ich heute noch zu knacken habe.
Ich wüsste so gerne mehr über ihn - über seine
Lebensgeschichte und seine Erlebnisse. Aber wer merkt sich
schon die Erlebnisse eines Straßenhundes und schreibt das
dann noch auf? Einiges hat er mir dann ja doch erzählt, wie ihr
lesen konntet – und damit können wir beide dann auch leben.
Wir sind auf dem Weg und ich bin eben auch kein Hund – ich
stamme nur von Affen ab und brauche deshalb des öfteren
etwas länger, um zu verstehen. Zeit ist heute unser bester
Freund – unser allerbester Freund. Gut Ding will Weile haben
sagt ein altes Sprichwort. Und in einem noch langen
Hundeleben haben wir drei Dinge reichlich: Fressen, Zeit und
die Weile, jederzeit zu fressen!
107
Ich bin ein Glückpilz, weil Milow den Weg zu mir gefunden hat.
Und die kleine Luna ist auch ein Glückspilz, weil sich beide
mögen und sich gerade in diesem Moment im Schlafzimmer
wieder eine Kissenburg bauen. Und Milow? ... weil ich es mir so
sehr wünsche ... Milow ist der größte Glückspilz von uns allen,
denn er hat jetzt ein zuhause!! Und er hat uns!
Danke Milow, dass es dich gibt und, daß du jetzt in diesem
Moment hier bist!
Danke!
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109
Milow und seine neue Welt
(Das neue Leben eines Straßenhundes)
Jeder Montag ist für Milow ein toller Tag, denn Montags
kommt bei uns die Müllabfuhr. Eigentlich beginnt für ihn der
Montag schon am Sonntag Abend. Wo für andere die nächste
Arbeitswoche schon wieder bedrohlich nahe ist, da beginnt für
Milow der beste Teil der Woche.
Neulich wollte ich abends nach der abendlichen Abenteuertour
noch schnell die Mülltonnen rausstellen. Die Hunde waren vor
demHaus angeleint und ich holte die Tonnen aus der Garage, um
sie schnell durch den Garten und durch das Gartentor auf die
Straße zu stellen. Klein Luna hatte eigentlich nur Sorgen, von
der Tonne überrollt zu werden. Milow hingegen schaute einfach
nur völlig verstört hinter mir her. Ich sah die Fragezeichen
über seinem Kopf und die vielen Fragen da drinnen: warum haut
die jetzt mit meinem ganzen Essen ab, wo geht die damit hin
und warum versteckt sie sich jetzt hinter dem Zaun. Als ich
mit leeren Händen und ohne Müll zurückkam, war sein Blick
eindeutig: na, satt geworden?? Ich konnte es fast hören - laut
und deutlich, so wie Hunde eben reden oder auch nicht.
Beleidigt und betont langsam folgte er uns dann in unsere
Wohnung, verschwand auf seiner Sofaecke, schmollte sich ein
und gönnte mir nicht einen einzigen Blick aus seinen
wunderschönen gelben Augen. Erst zur Raubtierfütterung
taute er wieder auf und machte sich hungrig über einen
riesigen Berg banalen Hundefutters her. Kohldampf macht
bescheiden, hörte ich ihn noch brummeln und, als er satt
110
wieder in seiner Ecke verschwand, war unsere kleine Welt
wieder in Ordnung. Die Diskussion um die Mülltonnen war
vergessen und Frauchen wieder das beste Frauchen der Welt.
Später in der Nacht musste ich ihm dann aber doch noch ganz
doll versprechen, nie wieder eine Mülltonne alleine und ohne ihn
leerzuessen. Das tat ich dann auch von Herzen gerne und wir
alle drei schliefen völlig entspannt Seite an Seite ein.
Heute Abend, wo ich diese Zeilen schreibe, bin ich dann doch
recht froh, dass Milow nicht lesen kann. Warum schreibst du
solch ein dummes Zeug über den tollsten Hund der Welt? – so
würde er mich fragen und ich müsste mich dann wohl das
gleiche fragen und fürchterlich schämen! Aber manchmal ist
das so mit mir und ich meine es ja auch nicht böse, oder?
Natürlich habe ich mal wieder maßlos übertrieben und sein
ständiges Bedürfnis, draußen containern zu gehen, ist
tatsächlich ein wenig besser geworden – außer Montags!
Jeder Abend nach unserer kleinen Weltreise folgt dem
gleichen Ablauf – fast wie ein Ritual: Nachdem wir uns alle von
unserer Outdoor-Kleidung befreit haben, gibt es was zu essen.
Das ist fast immer so gegen acht Uhr abends und inzwischen
auch bei Milow angekommen. Erst Gassi, dann Mampfen!. Er ist
so schlau, dass er manchmal richtig versucht, mich zu
beschleunigen, damit wir uns endlich anziehen und losgehen.
Das macht er nicht, weil er so dringend mal Pipi muss – er
macht es, damit er schneller an seinen Napf rankommt, den ich
vor dem Ausgehen schon immer fertig mache. Milow ist nämlich
nicht nur der tollste Hund der Welt, er ist auch ganz bestimmt
111
der schlauste Hunde der Welt – nach mir natürlich! Oft
drängelt er auch schon, wenn er mit seinen Geschäften fertig
ist, damit wir bloß schnell nach Hause kommen – könnte ja
jemand bei uns einbrechen und seinen Napf klauen! Wenn wir
abends noch auf die Hundewiese gehen, steht er in der Regel
nach einer Weile vor dem Tor und ist auch von anderen Hunden
nicht mehr zu irgendwelchen Aktionen zu überreden. Anfangs
dachte ich, er würde dort Schmiere stehen und nur darauf
lauern, dass jemand mit einem ganzen Sack Leckerlis
vorbeikommt. Aber denkste Puppe – der Halunke will einfach
nur nach Hause und sich auf seine Lieblingsstelle im
Wohnzimmer setzten – da, wo ab acht Uhr sein gefüllter Napf
steht und er in aller Ruhe speisen kann. Andere Hunde ziehen
an der Leine, wenn es zum Hundeplatz geht – Milow zieht an
der Leine, wenn wir von Hundeplatz weggehen. Und das macht
er nur, weil er der schlauste und der tollste Hund der Welt ist
und, weil er etwas ganz wichtiges in seinem Leben verstanden
hat.
Herr von Podengo ist wieder ein kleines Stück weiter in
unserer kleinen Welt angekommen. Die ständige Sorge, am
nächsten Tag vielleicht zu verhungern, ist für ihn nicht mehr
ganz so nahe. Unsere Wohlstandsgesellschaft kommt in seinem
Kopf immer mehr an – und damit auch das Vertrauen, dass es
jeden Abend nach der Heimkehr eine ordentliche Mahlzeit
gibt.
Milow hat sich jetzt auch innerlich auf den Weg nach
Deutschland gemacht!!
112
Milow wurde auch in der Schule versetzt! Er hat sogar ein paar
Klassen überspringen dürfen und darf jetzt schon bei den
Großen mitmachen. Ich meine nicht die Hundeschule, sondern
die Schule des Lebens in einer Welt, die von Menschen für
Menschen gemacht wurde. Hunde und andere Tiere können hier
nur leben, indem sie menschengemachte Regeln lernen und
befolgen. Anständig an der Leine zu gehen, andere nicht zu
belästigen, an der Bordsteinkante Sitz zu machen und auch mal
eine Weile alleine in der Wohnung bleiben - das alles und noch
viel mehr kann Milow schon richtig gut und er macht sein
Frauchen jeden Tag etwas stolzer!
Ja richtig, wir diskutieren noch häufig über den Leinenruck als
adäquates Erziehungsmittel für Hundehalter. Oft bin ich es
echt leid, andauernd von ihm gemaßregelt zu werden, weil ich
zu langsam bin oder die toll riechende Stelle vor uns nicht
wahrnehmen kann. Mitlerweile gibt er sich etwas mehr Mühe,
mir nicht immer gleich die Hand von Arm zu reißen, nur weil ich
solch eine lahme Ente bin. So langsam finden wir beide einen
gemeinsamen Weg, damit umzugehen, dass wir außerhalb
unserer Wohnung durch eine Leine verbunden sind. Wir haben
einen Deal gemacht: Ist die Leine an seinem Halsband fest,
habe ich das Bestimmungsrecht und Milow muss sich nach mir
richten. Ich richte mich nach ihm, wenn die Leine am Geschirr
fest ist; d.h. er kann sich im Radius der Leine frei bewegen –
meistens nehmen wir dann auch die ganz lange Schleppleine.
Und wenn es dann an der Leine ruckt, habe ich halt nicht genug
auf ihn geachtet – und Pech gehabt! Das klappt mitlerweile
113
sehr gut und das Umstöpseln von Halsband auf Geschirr und
wieder zurück ist ein kleines aber sehr wichtiges Ritual
geworden.
Dass er einen Namen hat, ist auch bei Milow inzwischen
angekommen. Eine großartige Leistung meine ich, wenn man bis
vor kurzen so etwas wie einen Namen gar nicht hatte! Und es
ist richtig praktisch, einen Hund zu haben, der seinen Namen
kennt. Wenigstens guckt er jetzt regelmäßig, wenn ich ihn rufe
– wenigstens das.
Und anderen Hunden gegenüber ist er wesentlich ruhiger
geworden. Das war am Anfang so richtig ein Problem. Vor allem
dann, wenn er an der kurzen Leine war und die anderen
gepöbelt haben. Ich bin richtig stolz auf meinen Halunken.
Mitlerweile kennen wir uns aber auch recht gut und wissen uns
einzuschätzen. Manchmal weiß er den Bruchteil einer Sekunde
bevor ich meckere schon, dass ich meckern werde – manchmal
lässt er es drauf ankommen, manchmal nicht. Milow ist ein
toller Hund, der tollste der Welt. Er hat eine gute Erziehung
verdient.
Auch mit dem Fahrradfahren klappt es mitlerweile schon sehr
viel besser. Er bleibt nicht mehr alle paar Meter abrupt
stehen, weil auf dem Weg irgendetwas lecker gerochen hat.
Irgendwie hat er verstanden, das dieses nicht besonders
gesund für mich ist, wenn ich nur zwei Räder unter dem
Hintern habe und nicht vier Beine - und, dass mich das böse
macht, wenn ich andauernd vom Fahrrad falle. Mitlerweile
114
warnt Milow mich vor und wird erst mal langsamer und gibt mir
die Chance, anzuhalten. Ich finde das nett von ihm, denn so was
machen nur echte Kumpels. Mühsam nährt sich das
Eichhörnchen, heißt es, und wir sind auf dem richtigen Weg –
glaube ich!
Und ein neues Handy wollte ich mir sowieso schon länger
zulegen. Meine alte Möhre war schon ein paar Jahre alt und
hatte sich angewöhnt, in unpassenden Momenten einfach mal so
auszugehen. So etwas nervt und Milow mag mich nicht, wenn ich
genervt bin. Ehrlich, das war eine große Entscheidungshilfe für
mich, als ich abends ins Schlafzimmer kam und der tollste Hund
der Welt auf dem Bett inmitten der Reste meines Telefons lag.
So etwas machen nur echte Freunde und Milow sei Dank kann
ich jetzt wieder sorglos telefonieren!
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Und zum Schluss noch schnell die Krönung: Hattet ihr schon mal
einen Hund, der sich gerne im Spiegel betrachtet? Ich bisher
nicht! Klein Luna reagiert zwar ab und an mal auf Bilder im
Fernsehen – aber nicht wirklich oft. Keiner meiner Hunde hatte
bisher auch nur eine Spur Interesse für sein eigenes
Spiegelbild – und ich ging bisher immer davon aus, dass sie
dieses einfach nur als zweidimensionales Bild wahrnehmen.
Milow ist da völlig anders! In meinem Schlafzimmer steht seit
über einem Jahr ein großer Spiegel auf dem Fußboden, weil ich
bisher zu faul war, zwei Löcher in die Wand zu bohren und ihn
aufzuhängen. Milow steht oft davor und betrachtet sich von
allen Seiten, schaut sich selber in die Augen und scheint immer
wieder erstaunt zu sein, dass es ihn zweimal gibt. Ich bin mir
mitlerweile sehr sicher, das er sich im Spiegel selber erkennt
und dass er nicht davon ausgeht, einem anderen Hund gegenüber
zu stehen – da würde er sich völlig anders verhalten. Ich staune
jedes mal Bauklötze!. Ich hatte bisher leider nie rechtzeitig
eine Kamera zu Hand, aber ich hoffe doch, dass ich es mir bald
mal gelingt, davon eine kleines Video zu machen.
„Do you speak podengo? ist erstaunlicherweise fast einmal
rund um den Globus geschickt worden. Von Texas/USA und
Venezuela über Portugal und Spanien bis in die skandinavischen
Länder wurde dieser Text gelesen und aus allen
Himmelsrichtungen erreichten uns unzählige Ratschläge, Tipps
und Erfahrungsberichte. Fast überall auf der Welt gelten
Portugiesische Podengos als ausgesprochen liebe und sensible,
aber ebenso als ungewöhnliche, ängstliche,
116
erziehungsresistente und verfressene Hunde. Diese Hunde
sind einfach anders – auch ohne die Erfahrung des
Straßenhund-Daseins. Milow, der Halunke, hat nun Kumpels auf
der ganzen Welt. Ihm ist das so ziemlich egal, aber ich freue
mich sehr darüber. Es ist schön zu wissen, dass da noch andere
sind – außer uns! Danke für Eure großartige Freundschaft und
macht mit diesem Bericht das gleiche wie mit dem ersten –
schickt ihn raus in die Welt!
Einige von Euch baten mich, ab und an mal wieder von Milow und
seiner Entwicklung zu berichten. So entstand die Idee, „do you
speak podengo?“ immer mal wieder neu aufzulegen und hier zu
veröffentlichen. So werde ich es tun, weil ich es gerne tue!
Danke Euch allen! Danke für Eure Geduld mit einer, zu deren
Vorzügen die Geduld nicht gehört!
117
Milow und die Straße
(Das immer bessere Leben eines Straßenhundes)
Wenn Du einmal eine Weile auf der Straße gelebt hast, dann
wirst Du sie nie wieder los. Sie wird immer in Deinem Kopf
bleiben und eine große Rolle in deinem Fühlen und Denken
spielen. Ich weiß sehr genau, wovon ich rede! Du wirst immer
anders sein, denn du hast Dinge erlebt und gesehen, von denen
andere noch nicht einmal träumen:
Die Freiheit, die du auf der Straße hast ist die größtmögliche
Ungezwungenheit, mit der du leben kannst. Die Freiheit, dahin
gehen zu können, wohin du gehen willst – und die Möglichkeit,
alles so zu machen, wie es dir gerade in den Kopf kommt – weil
es sowieso keinen interessiert. Du kannst kommen und gehen
wie und wann du willst – keiner fragt nach dir und keiner
vermisst Dich. Keine Konventionen, keine Bindungen und keine
Fragen. Du bist niemandem verpflichtet außer Dir selber –
wenn überhaupt! Deine Probleme sind Kohldampf und
schlechtes Wetter – sonst nichts!
Hannes Wader sang einmal: heute hier morgen dort, bin kaum
da muss ich fort, ... ! Das war für mich immer mehr als ein Lied
– fast eine Hymne!
Auf der Straße bist du frei. Keiner will Dich wirklich haben.
Fast jeder andere ist froh darüber, dass du frei bist. Jeder
schickt Dich wieder weg. Keiner fühlt sich dir verpflichtet.
Freiheit bedeutet auch, kein zu Hause zu haben. Die Freiheit
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ist da, wo die Straße ist – und die Straße ist endlos lang – fängt
weit hinter Dir im Irgendwo an und hört vor Dir im Nirgendwo
auf – ganz weit hinter dem Horizont – da, wo Du sowieso
niemals hinkommst! Die Straße ist immer in Bewegung, voller
Gefahren und bietet niemals Sicherheit und Unterschlupf.
Keine Wärme, keine Geborgenheit – keinen Platz zum Ankern.
Immer auf dem Sprung, jederzeit wieder weg zu müssen!
Freiheit bedeutet, keinen Platz im Leben zu haben. Nicht zu
wissen, wo man hingehört. Keinen Platz auf der Welt zu haben,
wo jemand wartet, wenn man mal etwas länger als nur kurz weg
ist. Freiheit wird schnell zur sprichwörtlichen Vogelfreiheit –
man ist zum Abschuss freigegeben – keiner will einen mehr
haben in dieser Welt.
Wenn Du Glück hast, dann wirst du irgendwann eingefangen.
Dann wirst Du von irgendetwas in deinem Leben, was Du vorher
gar nicht so bemerkt hast, aufgehalten. Vielleicht sind es
Menschen, die du triffst. Oder es ist ein Ort, an den Du
gelangst – ein Ort, wo du gerne bist und für den es sich zu
kämpfen lohnt. Kann auch sein, dass Dir Dein Anker, den Du
schon seit Jahren mit Dir rumschleppst zu schwer wird und er
runterfällt. Vielleicht bist Du auch einfach nur müde geworden
und hast keine Lust mehr, immer wieder davon zu laufen! Das
fühlt sich gut an, wirst Du merken, und Du wirst bleiben
Ein sehr schlauer Mann, den ich früher schon immer bewundert
habe, schrieb einmal in einem fürchterlichen dicken Buch einen
Satz, den ich nie vergessen habe: Die Freiheit an sich gibt es
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nicht! – es gibt nur die Freiheit von oder für etwas. Zum
Beispiel die Freiheit, sich dort aufhalten zu können, wo man
möchte. Oder die Freiheit, über seinen Beruf und seine Arbeit
selber entscheiden zu können. Freiheit ist immer relativ und
bezogen auf andere Dinge. Freiheit kann an sich nicht definiert
werden und ist somit abhängig von dem, wovon man frei ist! Der
Begriff Freiheit ist paradox, weil er unfrei ist! Kompliziert? –
finde ich nicht.
Das Buch hieß „Das Sein und die Zeit“, der schlaue Mann hieß
Martin Heidegger und bis auf dieses und den einen Satz konnte
ich mir auch nichts weiter aus dem dicken Buch merken.
Milow der Straßenhund, der in einem früheren Leben auf der
Straße so unendlich frei war – dieser Straßenhund, der gegen
seinen Willen eingefangen, eingesperrt und dann irgendwann
ebenso gegen seinen Willen in ein anderes und vollkommen
fremdes Land verfrachtet wurde – dieser Straßenhund ist
heute immer noch frei! Frei von ganz anderen Dingen, als
früher. Er ist frei, von dem täglichen Zwang, irgendwo
Fressbares klauen zu müssen und frei von der Angst, dass dies
mal wieder nicht klappt. Vor allem ist er nun frei davon, die
Menschen um ihn herum als Wesen zu erleben, die ihm
jederzeit Schmerzen zufügen können. Die ihm jederzeit weh
tun können, nur weil Essensreste und Müll klauen eben auch ein
klein wenig Lärm und Dreck macht. Milow mag Menschen
außerordentlich gern und deshalb müssen so viele Erlebnisse
aus seinem alten Leben fürchterliche und schreckliche
Erinnerungen sein.
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Neulich auf dem Hundeplatz spielte ich mit meinen beiden
vierbeinigen Lebensgefährten Ballwerfen und normalerweise
stehen beide in dem Moment wo ich werfe so ziemlich neben
oder etwas hinter mir. In diesem einen unsäglichen Moment wo
ich zum Werfen aushole steht Milow einige Meter vor mir und
nur aufgrund meiner ausholenden Bewegung, die scheinbar auf
ihn zielt, fährt er in schrecklichster Panik zusammen, fängt
fürchterlich an zu schreien und will nur noch weglaufen. Da er
von unserem Hundeplatz nicht weglaufen kann, wirft er sich
nach einer Weile gekrümmt auf den Boden und ist in seiner
Panik absolut nicht ansprechbar. Als klein Luna sich ihn
vorsichtig nähert, beisst er blind um sich – er erkennt für eine
Weile weder mich noch seine Freundin – totales Blackout! Ich
glaube, ich muss niemandem beschreiben, wie es mir neben ihm
ging – mir kommen jetzt hier beim Schreiben noch die Tränen.
Ich musste in meinem Leben selber schon sehr viel Angst
aushalten – wie viele Menschen, aber in diesem Ausmaß habe
ich so etwas noch nicht erlebt. Und ich betone nochmals: es
war ausschließlich die ausholende Bewegung in Milows Richtung
und einfach nur die Möglichkeit, dass ich irgendetwas nach ihm
Werfen könnte. Es kam überhaupt nicht mehr zum Wurf!
Was muss dieser Hund erlebt und gelitten haben – erlitten
haben von Menschen, die er doch so sehr liebt. Als ich ihn vor
einiger Zeit unserer Hundedoktorin vorstellte, bemerkte diese
auf seinen Röntgenaufnahmen, das Milow zwei schlecht
verheilte Wirbelbrüche hat, die ihm im Alter wohl noch einiges
an Schmerzen bereiten werden. Wie stark muss man
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zuschlagen, um einen Knochen von drei bis vier Zentimeter
Breite zu zertrümmern? Milow hat panische Angst vor
Kettengeräuschen und metallischem Geklapper! Was wurde
dieser Seele nur angetan? Noch heute reagiert er sehr
skeptisch und ängstlich auf meinen Schlüsselbund, wenn ich es
in die Hand nehme. Milow liebt in seiner Verfressenheit
Leckerli aller Art. In der Regel braucht man ihn gar nicht zu
rufen, wenn es welche gibt, weil er längst schon da ist. Aber
wehe er merkt, das man ihn mit Leckerli anlocken will oder zu
etwas bewegen will, worauf er gar keinen Bock hat. Sofortige
Panik und Flucht sind die Folge.
Wenn ich doch nur mit ihm drüber reden könnte. Wenn er doch
nur so über Freiheit philosophieren und dummschwatzen
könnte wie ich. Wie muss er sich in seiner neuen und freien
Welt fühlen, wenn er noch nicht einmal mehr weglaufen kann? –
weil er die ganzen Ängste und Erinnerungen in seinem Kopf
mitgenommen hat? – wären diese doch bloß in Portugal
geblieben! Auf der Straße konnte er abhauen und sich in
Sicherheit bringen – oder sich wenigstens das Gefühl
verschaffen, erst mal in Sicherheit zu sein. Der Preis seiner
neuen Freiheit ist, die Freiheit der Straße hinter sich lassen
zu müssen!
Oft frage ich mich, wie würde Milow sich heute entscheiden,
wenn er sich entscheiden könnte. In Portugal haben Angst und
Hunger sein Leben bestimmt – dafür konnte er sich
unbeschränkt und frei bewegen. Hier in Deutschland muss er
lernen, lernen und nochmals lernen. Er muss vollkommen neue
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Verhaltensregeln kennenlernen – zum Beispiel in der
Hundeschule. Er muss lernen, dass er nun einen Namen hat und
wer ist – eine Persönlichkeit, die anerkannt wird. Er muss
lernen, dass er keine Angst mehr zu haben braucht und, dass
Hunger von nun an ein Fremdwort für ihn ist Er muss lernen,
dass seine Menschen seine Freunde sind und ihm niemals
absichtlich weh tun würden. Freiheit gegen Freiheit – eine
schwere Entscheidung.
Ich habe mich einmal in meinem Leben ganz bewusst für die
Unfreiheit entschieden – für das Ankern an einem Ort und für
das Binden an andere Menschen. Ich bereue es jeden Tag und
träume oft davon, einfach wieder loszumarschieren - immer
den warmen Sonnenstrahlen nach. Aber nie so doll, dass ich
meine damalige Entscheidung rückgängig machen würde. Nie so
doll, dass ich meinen Anker wieder lichten und die Maschine
klar machen würde. Ich bleibe da wo ich bin – ich bin hier
mitlerweile festgewachsen und will nicht wieder weg. Meine
Welt ist eine Scheibe mit einem Radius von allerhöchstens 250
km – so ungefähr von hier bis zur Nordsee!
Und jeden Morgen wenn ich aufwache, bin ich ein kleines Stück
sicherer, dass es unserem Milow, dem Herrn von und zu
Podengo aus dem sonnigen Portugal, nicht viel anders geht!
Milow ist hier bei uns angekommen und ich spüre seinen Anker
sehr tief in meinem Herzen. Ich glaube, er will gar nicht mehr
zurück in sein doofes Portugal – möchte ich allzu gerne glauben!
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Eines Tages werde ich ihm die Chance geben und ihn vor die
Wahl stellen – dann heißt es Leinen ab und Anker los – dann
kann er frei entscheiden, ob er wieder abhaut oder bei uns
bleibt! Das habe ich ihm versprochen und so werde ich es auch
tun. Kann nur passieren, dass ich dann mit ihm gehe, wenn er
gehen will. Damit muss der Halunke dann rechnen – denn mich
wird man so schnell nicht wieder los. Liebe ist manchmal wie ein
Kaugummi – klebt fest und geht nicht wieder ab. Klebt so fest,
dass man damit sogar Anker lichten kann – sagt man!
Ist mal wieder spät geworden in unserer kleine Höhle, die
Heizung ist schon aus und in Deutschland wird es jetzt abends
kalt – auch bei uns! Milow und Luna haben sich im Bett schon
längst ihre Schlafhöhlen gebaut und ich muss zu sehen, endlich
auch in die Horizontale zu kommen. Vielleicht gibt’s für mich ja
auch noch einen warmen Platz unter der Decke – so ein kleines
Eckchen links von Milows Burg, etwas seitlich von Lunas Höhle.
Sicher ist das so, denn wir halten zusammen hier. Und wir
haben es nicht schlecht getroffen, denn das Leben ist schön!
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Milow und sein zu Hause
Mein Hund ist schlauer als ich! Milow trickst mich aus und ich
könnte vor Stolz darüber platzen. Herr von Podengo hat
kapiert, dass es mir nicht gefällt, wenn er auf der Straße
andauernd mit gesenkter Nase containert und nichts anderes
als Futtersuche im Kopf hat. Immer, wenn er etwas Fressbares
sieht oder in die Nase bekommt, gehen wir ganz schnell weiter
oder einfach in eine andere Richtung. Keine Chance für ihn,
irgendetwas Fressbares auf der Straße zu ergattern. Ich habe
ihn immer im Auge und kriege alles mit, was er macht. Das weiß
der Halunke ganz genau und lässt es deshalb sein! Dachte ich!
Jetzt neulich ist er dahinter gekommen, dass er nur das Bein
anheben muss, damit ich stehen bleibe. Das mache ich sowieso
immer, wäre ja auch fies, wenn nicht, denn der Kerl kann ja
nicht im Laufen Pullern. Nur, dass er jetzt auch stehen bleibt
und das Bein hebt, wenn vor seiner Nase etwas Leckeres auf
dem Boden liegt. Er tut so, als wenn er Pipi macht und frisst
ganz schnell und mal eben den alten Schokoriegelrest oder
ähnliches weg. Ich stehe daneben und frage mich ganz ehrlich,
wie lange er mich schon so vorführt. So ein schlauer Hund ist
dieser Blödmann! Ich bin echt stolz auf ihn!
Dabei sind unsere täglichen Abenteuerreisen und Gassigänge so
unendlich viel entspannter geworden. Wir beide haben uns in
den letzten Monaten sehr gut kennen gelernt und wissen ganz
genau, was wir aneinander haben – glaube ich jedenfalls! Was
zählt schon das bisschen Verfressenheit. Jeder sollte ein
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Hobby haben! Man müsse auch Eigenarten haben, würde Milow
jetzt sagen - das sei so, wenn man eine Persönlichkeit ist. Und
recht hat er, finde ich!
Wenn wir abends spät nach Hause kommen, freue ich mich
immer wieder darüber, wie toll Milow gelernt hat: nach dem
Ableinen saust er die Treppe rauf, guckt schnell in der Küche
nach, ob mir vor dem Losgehen was Fressbares runtergefallen
war, flitzt anschließend ins Wohnzimmer, um sich direkt vor
seinen heiligen Fressplatz zu setzen und geduldig auf den
gefüllten Napf zu warten. Jedes mal das gleiche und immer
wieder toll. Die Zeit heilt alle Wunden, sagt mal wieder ein
altes Sprichwort. Ich habe viel gelernt in den letzten drei
Monaten – und der Milow noch sehr viel mehr.
Nach dem Fressen geht’s aber noch weiter, denn da ist ja noch
Lunas Näpfchen. Mein kleines Frollein frisst sehr nöselig und
lässt sich ausgesprochen viel Zeit – sie ist im Gegensatz zum
Halunken eher eine Genießerin! Milow weiß das und setzt sich
im angemessenen Abstand daneben und wartet, bis auch Luna
satt ist – und was hierbei ein angemessener Abstand ist und
wann sie satt ist, hängt sehr von Lunas Launen ab. Ist der Weg
erst mal frei, dann ist es Milows Aufgabe, alle
danebengefallenen Krümel aufzusammeln und den leeren Napf
abzuputzen. Das kann er richtig gut und ich weiß inzwischen,
dass Luna ihm diesen Job vermittelt hat, damit ihr Fressplatz
immer schön sauber ist. Hauptsache, der Kerl ist beschäftigt
und nervt nicht, flüstert das Mädel mir gerade zu!
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Luna liegt dann längst neben mir auf dem Sofa, wo ich zumeist
noch mit den Resten meines Abendbrotes beschäftigt bin. Hier
ist dann Milows nächste Station. Links ein Hund, rechts ein
Hund und in der Mitte ein Menschlein, welches die Reste seiner
Stullen häppchenweise nach hier und nach da verteilt. Tolle
Aufgabe, die ich da habe! Aber genauso geht unser abendliches
Essritual, auf das ich größten Wert lege – und ich staune immer
wieder, dass es mit dem Milow inzwischen so toll klappt. Beide
haben ihre Hälse teleskopartig herausgeschraubt, sehen aus
wie kleine Giraffen und besonders Milow starrt wie
hypnotisiert auf meine Hände während ihn kleine Tröpfchen
aus der Schnute kleckern. Vor zwei Monaten wäre er mir noch
ruckzuck quer über den Schoß gesprungen und mit meiner
Stulle im Schlafzimmer unterm Bett verschwunden. Woher ich
das weiß? Na ratet doch mal – das Leben besteht aus
Erfahrungen und Hoffnungen – in diesem Fall mehr aus
Erfahrungen! Ich bin stolz auf meinen Milow. Ich auch, sagt
Luna, und wenn er in diesen Momenten nicht immer so unter
der Zunge schwitzen würde, wäre es perfekt. Wir beide sind
superstolz auf unseren Jungen.
Ich glaube, kein Mensch kann sich wirklich vorstellen, welche
Hirnleistung dieser Hund vollbracht hat, um das zu werden, was
er heute ist: Ein menschen- und hundefreundlicher
superangenehmer Zeitgenosse mit ein paar Schrullen, die ihn
für uns Mädels nur noch sympathischer machen. Ein klasse
Kumpel, der so ganz nebenbei noch ein toller Beschützer ist –
bei späten Gassigängen im Dunklen genauso wie auf dem
Hundeplatz, wenn Luna mal wieder von größeren Rüden
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bedrängt wird. Heute kein Problem mehr, denn Milow klärt das
jedes mal souverän - für seine kleine Schwester.
Luna und Milow sind überhaupt ein klasse Team geworden. Nur
bei Mauselöchern gibt es ab und an mal Streit, denn die sind zu
schmal für zwei Hundenasen gleichzeitig. Ansonsten bringen
die beiden sich gegenseitig so dermaßen viel bei – mehr als ich
es je gekonnt hätte. Milow guckt sich sehr viel Verhalten bei
Luna ab. Sitzen an der Bordsteinkante zum Beispiel ist viel
leichter einzusehen, wenn die Kleine das vormacht. Und für
Luna ist der Milow ein laufender Sprachkurs mit Spaßfaktor.
Wer die ersten drei Jahre seines Lebens im Keller verbrachte
und nie Kontakt zu anderen Hunden hatte, weiß auch nicht, wie
Hunde miteinander umgehen. Klar hat Luna in den letzten
Jahren schon viel gelernt und erfahren, aber erst durch Milow
und seine tolle unverfälschte Art, die Sprache der Hunde zu
sprechen, ist sie so richtig aus sich rausgekommen. Neulich auf
der Hundewiese hat sie ihn sogar zum Spielen aufgefordert –
im Alter von sechs Jahren das erste mal. Das war so
unglaublich – mir standen vor Freude die Tränen in den Augen.
Danke Milow – auch von Luna! Ich bin stolz auf euch beide.
Superstolz!
Der ehemalige Straßenhund ohne Namen ist in unserer Welt
voller Regeln und Bestimmungen tatsächlich angekommen. Eine
warme Bude und ein gefüllter Fressnapf gehören genauso wie
sein Name mitlerweile ganz selbstverständlich zu seinem
Leben. Er hat viele Freunde gefunden, vor allem in
Hundekreisen. Insbesondere seine Kloppekumpel Eddi und Joey
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soll ich erwähnen – das musste ich ihm versprechen! Ein Tag
auf der Hundewiese ohne diese beiden ist kein guter Tag.
Sogar Aufgaben hat Milow übernommen: vor allem die
Sicherheit von Haus und Hof liegen ihm am Herzen. Luna kann
sich bei Streitigkeiten jederzeit auf die Unterstützung ihres
großen Bruders verlassen. Das alles ging so viel schneller, als
ich vor zwei Monaten auch nur annähernd geahnt habe. Klar
sind da noch ein paar Eigenheiten geblieben – aber ein Hund
ohne Macken ist wie eine Tasse ohne Henkel!
Mit diesem vierten Teil schließe ich die Reihe „do you speak
podengo?“ mit einer kleinen Träne im Auge ab. Das Quartet ist
voll und auf meiner Liste stehen nur noch Dinge, die ich schon
mehr als einmal erzählt habe. Natürlich werde ich noch weiter
berichten vom tollsten und besten Hund der Welt: von unseren
Abenteuerreisen und von unseren Erlebnissen – von Milow, von
Luna und von allen anderen tollsten Hunden der Welt, die mir
die Zeit ihres Lebens geschenkt hatten. Hier werden noch sehr
viele Berichte und Erzählungen über uns und unsere kleine
Welt erscheinen. Der Milow ist jetzt ein Teil davon,
untrennbar verwachsen mit mir und Luna! Der Straßenhund ist
kein Straßenhund mehr. Wir werden ihn niemals wieder so
nennen, denn diese Zeiten sind ein für alle mal vorbei!
Mein Essen in der Mikrowelle ist inzwischen wieder kalt
geworden. Der Besitzer der beiden großen gelben Augen, die im
Moment vor meiner Nase auftauchen, wirkt etwas gelangweilt
und das Mädel mit den hübschen braunen Augen daneben muss
mal schnell Pipi. Was ist ein voller Magen gegen einen tollen
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Spaziergang bei Sonnenschein, sagt Luna. Kannst das Essen ja
einpacken und mitnehmen, stimmt Milow überraschend zu. Ich
halte das für eine gute Idee und in spätestens zehn Minuten
werden wir loszischen. Vielleicht sind Eddi und Joey ja auch da,
blitzt es in Milows Augen kurz auf. Sicher, sage ich, bei diesem
schönen Wetter bestimmt!
Jetzt muss ich mich beeilen, bevor die Sonne wieder weg ist –
versprochen ist versprochen, sonst gibt’s Mecker!
Euch allen ein riesengroßes Dankeschön für Eure Geduld mit
meiner Art zu Schreiben und für Euer Interesse an Milows
großer Reise! Seid eingeladen, hier bei uns weiterzulesen! Wer
es bis hierher geschafft hat, muss ein netter Mensch sein, und
für nette Menschen haben wir in unserer kleinen Welt immer
ein Plätzchen frei. Wenn ihr mögt, dann begleitet uns noch ein
kleines Stück auf unserem Weg – wir haben noch viel vor und
es gibt noch viel zu erleben. Wir alle drei würden uns sehr
drüber freuen – seid uns jederzeit herzlich willkommen!
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Für Christian, meinem geliebten Freund, Lebensgefährten und
Ehemann. Ohne Dich wäre ich nichts!
Für meine Hunde Leika, Tiffany, Rocky, Luna und Milow!
Für alle notleidenden und heimatlosen Hunde auf den Straßen
und in den Tierheimen der Welt!
Für meine Freunde!