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Page 1: Stuttgarter Zeitung 17.1.2012

Der Volksmund sagt es uns ständigvor: Jedes Ding hat zwei Seiten, dieMedaille sowieso. Und wer es gern

drastisch mag, der kennt und schätzt auchdiesen Spruch: Außen hui und innen pfui!Die in Stuttgart lebende Künstlerin BirgitHerzberg-Jochum hat das Zwei-Seiten-Prinzip mit kreativen Mitteln aufgegriffenund zeigt in der EsslingerKunstakademie Arbeiten, dienicht plakativ bis hermetischan der Wand hängen, sonderndie an ihren Aufhängungenfrei im Raum „schweben“.

So will die 42-Jährige denEindruck vermeiden, die Rück-seiten ihrer Werke würden einGeheimnis verbergen, transparente Stoffein den Rahmen erlauben zudem den Durch-blick von vorne nach hinten und umge-kehrt. Der überraschende Titel für dasGanze: „Indien by Taxi“.

Birgit Herzberg-Jochum, die Dozentinan der Kunstakademie, räumt ein, „Pro-bleme mit dem nur Schönen“ zu haben.Der ungehinderte Blick auf die Rückseiteeines Kunstwerks und die Entdeckung von

Indizien seiner spezifischen Machart wür-den die Arbeitsweise für den Betrachternachträglich „erlebbar“ machen.

Eine Indienreise vor knapp einem Jahrhat Herzberg-Jochum nach ihren eigenenWorten gleich in mehrerer Hinsicht einen„Kulturschock“ eingebracht. Der Schockhabe seinen Lauf genommen, nachdem der

mitgereiste Ehemann derKünstlerin bei einer Hoch-zeitsfeier ausdrücklich ge-fragt worden sei, ob seineFrau bei einer Zeremonie mit-machen dürfe. Der Empö-rung über diese Form der Ent-mündigung folgte aus derSicht der Künstlerin freilich

die andere Seite des Erlebten. „Die Fröh-lichkeit und Gelassenheit der Menschenwar einfach toll“, sagt sie.

Der andere Schockmoment, nämlichdas mörderische Verkehrschaos in denStädten, ist von der Besucherin aus demfernen Europa recht praktisch entschärftworden: Aus der sicheren Warte eines Taxi-beifahrersitzes gelang es ihr, dem Durchein-ander per Fotoapparat den einen oder ande-

ren Durchblick auf so etwas wie einmenschliches Alltagsleben abzutrotzen. Inden Motiven kehren sie dann wieder, dieHochzeitsgäste und die Brautgeschenke,die Teepflückerinnen und die Fischputze-rin, das Hausboot und das Häuserensem-ble. Die Einzelbilder werden durchSchnür- und Sticktechniken zusätzlich ak-zentuiert, die Ausbeute der Taxitourensind collagenhaft eingearbeitet.

Bei der Vernissage mit Galeriegesprächermunterte der Moderator Dieter Gunglzwar ausdrücklich zum Widerspruch, doch

die überwiegende Zahl der Wortmeldun-gen bescheinigte Herzberg-Jochum eineninteressanten künstlerischen Weg – wenn-gleich sich die Frage stelle, wie die großenHängebilder in einer normal dimensionier-ten Wohnung unterzubringen sind.

Dauer Die Ausstellung in der KunstakademieEsslingen, Fritz-Müller-Straße 1, ist bis zum31. März zu sehen. Öffnungszeiten sindmon-tags, mittwochs und donnerstags von 10 bis12 Uhr, telefonische Vereinbarungen sind unterder Nummer 01 72/7 64 63 27möglich.

HILFE IM NOTFALL

Birgit Herzberg-Jochum,Stuttgarter Künstlerin

Der 12. Februar soll für Köngensevangelische Kirchengemeinde einFesttag werden. Dann will man

nach fast einjähriger Bauzeit den Ab-schluss der Renovierungsarbeiten in derPeter-und-Paulskirche feiern. Doch auchvor diesem Datum schätzt Bernd Schön-haar, im dreiköpfigen Seelsorgerteam fürBaubelange zuständig, eine ganz beson-dere Spezies von Kirchenbesuchern. Dassind die Spender, die ihr Scherflein – obgroß oder nicht so groß – zur baulichenErtüchtigung und zur Wahrung der histori-schen und künstlerischen Glanzpunkte indem nunmehr 500 Jahre alten Gotteshau-ses beisteuern. Immerhin liegt die Latteder Gesamtkosten für die Kirchenrenovie-rung laut dem Pfarrer Schönhaar momen-tan bei 813 000 Euro, zirka 450 000 Eurowürden bis dato den Spendentopf füllen.

Dies sagte der Geistliche dieser Tage beieinem Pressetermin, der anlässlich einerSpendenübergabe durch Mitglieder des ört-lichen Geschichts- und Kulturvereins ar-rangiert worden war. Bernd Schönhaar gabsich dabei grundsätzlich optimistisch undmeinte wörtlich: „Wir sind im grünen Be-reich und wir werden es schaffen!“

An dem Gemeinschaftsprojekt beteili-gen sich die Kirchengemeinde und die Lan-deskirche, die Kommune und das Denkmal-amt, Stiftungen und viele Einzelpersonen.Der Dank für den „großen Spendenzu-spruch“ schloss jetzt auch ausdrücklichden Geschichts- und Kulturverein mit ein.Hatte der Verein bereits mit 11 000 Eurodie Restaurierung der im Renaissancestilbemalten Holzdecke im Schiff unterstützt,so überbrachte eine siebenköpfige Abord-

nung mit dem Vorsitzenden Karl Rein ander Spitze die schriftliche Zusage, bis zu3000 Euro für die Sanierung und die Kon-servierung des Epitaphs im Eingangsbe-reich der Kirche beizusteuern. Der Grab-stein aus dem Jahr 1465 erinnert an denOrtsherrn und Reichsritter AlbrechtThumb von Neuburg.

Das Vereinsmitglied Baldwin Keck, derebenso wie Detlef Rothfuß auch Führun-gen durch die Peter-und-Paulskirche lei-tet, vermutet aufgrund der Mauernstärke,dass für das Schiff ursprünglich eine ge-wölbte Decke vorgesehen war. Dazu sei esaber möglicherweise deshalb nicht mehrgekommen, weil mit Stephan Waid mittenin der Bauzeit ein maßgeblicher Baumeis-ter abgewandert sei. Waid, nach AngabenKecks ein Schwiegersohn des renommier-ten Esslinger Baumeisters Beblinger, hatte1504 ein Ruf an das Münster zu Konstanzereilt – und dafür ließ er die Köngener„Dorfkirche“ wohl hinter sich.

Als „eigentlichen Schatz“ des renovier-ten Kircheninneren bezeichnet Schönhaardas Netzgewölbe im Chor und die fantasie-voll bemalte Holzdecke im Schiff. Diese op-tischen Pfründe habe man mehr in den Vor-dergrund rücken wollen und dies als Maß-gabe für die Farbgestaltung genommen.

Während der Umbauphase haben Kön-gens evangelische Christen übrigens„Asyl“ bei der katholischen Kirchenge-meinde gefunden. Und dabei ist man nachden Worten vom Pfarrer Bernd Schönhaar„so sehr zusammengewachsen“, dass nichtwenige der Hospitanten die Frage gestellthätten, warum man eigentlich nicht gleichdort bleiben wolle.

Im Umweltschutz hat Filderstadt eineVorreiterrolle eingenommen. Als ersteKommune im Landkreis und als eine

der ersten in Baden-Württemberg stelltedie Stadt 1985 einen Umweltschutzreferen-ten ein. Eine umfassende Biotopverbund-planung und die Einrichtung eines Umwelt-beirats waren ebenso Premieren im Kreis.Der Umweltbeirat (UWB) kann mittler-weile auf eine 20-jährige Arbeit zurückbli-cken. Seit 1991 haben seine Mitglieder 230Tagesordnungspunkte in 48 Sitzungen dis-kutiert, noch in diesem Jahr wird die fünf-zigste Sitzung stattfinden. Zwei- bis drei-mal jährlich tagt der Beirat.

Das oberste Ziel des UWB ist damals wieheute der Erhalt von freien Flächen. „DerFlächenverbrauch, vor allem an Obstwie-sen, war in den vergangenen Jahren enormhoch, dem müssen wir Einhalt gebieten“,so Eberhard Mayer, der Sprecher des UWB.In diesem Punkt wird die Mitwirkung desUWB an Bedeutung gewinnen, glaubt er.Margit Riedinger, die Leiterin des städti-schen Umweltschutzreferats, stimmt demzu: „Langsam macht sich bemerkbar, dassFlächen fehlen. Die Menschen haben einBedürfnis nach Freiraum.“

Aus der Praxis heraus, sagt Mayer, habesich das Gremium bewährt. „Es ist ein ge-schätztes und ein anerkanntes Gremium“,ergänzt Riedinger. Mit seiner Expertise un-terstützt der UWB die Stadtverwaltungund Stadträte in ihren Entscheidungen.„Der Gemeinderat muss alles abwägen. Dafließt mit ein, was wir an Anregungen undBedenken haben“, erläutert Mayer.

Die Beschlüsse des UWB haben aber nurempfehlenden Charakter. Als Schwer-punkte dominieren im UWB lokale undüberörtliche Planungsthemen. Mayerschätzt die Möglichkeit der frühzeitigen Be-teiligung im Planungsstadium. Nicht im-mer handelt es sich aber um politisch bri-sante Themen wie Neubaugebiete, die heißdiskutierte Ost-Tangente durch das Reute-wiesental oder einer Stellungnahme zurneuen Landesmesse.

Häufig sind es Angelegenheiten des Ar-tenschutzes, die berücksichtigt werdenmüssen. 1990 hatte der Gemeinderat aufAntrag der Biotopkartiergruppe die Grün-dung des UWB beschlossen. Die Forderungdes damaligen Oberbürgermeisters PeterBümlein, dass Landwirte und Naturschüt-zer in dem Gremium zukünftig gemeinsamam Tisch sitzen sollten, bezeichnet Mayerheute als sehr klugen Schachzug.

Es kommen große Jubiläen auf dieEsslinger „Stunde der Kirchenmu-sik“ zu. „Im nächsten Jahr wird es

das 1000. Konzert im Rahmen der Konzert-reihe geben. Ein Jahr später können wirdann das 50-jährige Bestehen feiern“, sagtUwe Schüssel, in Personalunion der Esslin-ger Kirchenmusikdirektor und der Bezirks-kantor der evangelischen Kirche.

Aber auch in diesem Jahr stehen vielehochwertige und einige außergewöhnlicheKonzerte auf dem Programm. Im Rahmendes Tonart-Festivals für zeitaktuelle Musikwird Jürgen Essl zu hören sein. Er ist ander Stuttgarter Hochschule für Musik undDarstellende Kunst Professor für Orgel

und wird an der Walckerorgel in der Stadt-kirche St. Dionys am 28. Januar um19.30 Uhr zu „Der letzte Mann“ improvisie-ren. Friedrich Wilhelm Murnau drehte denStummfilmklassiker im Jahr 1934.

Am Sonntag, 5. Februar, gibt es ein Bene-fizkonzert in der Frauenkirche zu Gunstender Vesperkirche. Auf dem Programm ste-hen barocke Werke für Orgel und vierTrompeten, unter anderem von Georg Phi-lipp Telemann und Georg Friedrich Hän-del. Weitere Höhepunkte des Konzertfrüh-lings sind das Konzert des Esslinger Vocal-ensembles am 10. März, Rossinis „PetiteMesse solennelle“ am 5. Mai mit der Esslin-ger Kantorei unter der Leitung von Uwe

Schüssler und der Chormusik- und Gospel-abend „The Groovy Version of OX“ am16. Juni mit der Jugendkantorei samt Bandin der Stadtkirche. Ein außergewöhnlichesKonzert erwartet die Besucher am Sams-tag, 21. April, in der Frauenkirche: Im Rah-men des Podium-Festival erklingt nichtnur Gustav Mahlers „Das Lied von derErde“ in einer Fassung für Kammerorches-ter. Dazu gibt es auch Lichtinstallationen.

Nicht aus dem Programm der „Stundeder Kirchenmusik“ wegzudenken ist derEsslinger Orgelsommer. Eröffnet wird eram 14. Juli vom Stuttgarter Organisten Lud-ger Lohmann. Neben Franz Liszts Fantasieüber den Coral „Ad nos, ad salutarum un-dam“ sind Werke von Axel Ruoff und Jo-hann Sebastian Bach zu hören.

Das gesamte Programm im Internet unterwww.es-kirche-esslingen.de

„Ich gebe zu,Probleme mitdem nur Schönenzu haben.“

Esslingen Das Programm der „Stunde der Kirchenmusik“ birgt auch indiesem Jahr eine ganze Reihe von Besonderheiten. Von Kai Holoch

Köngen Noch wird fleißig gearbeitet, aber schon bald zeigt sichdie Peter-und-Paulskirche in neuem Glanz. Von Gunther Nething

Filderstadt Seit 20 Jahren hilft dasGremium bei Fragen rund um denNaturschutz.Von Jens Noll

Esslingen Eine Bilderschau in der Kunstakademie räumt mitden üblichen Sehgewohnheiten auf. Von Gunther Nething

Die Schwäbische Landpartie nimmt zumAuftakt ihres Jahresprogramms am Sams-tag, 21. Januar, alte Handwerkstraditionenim Neidlinger Tal unter die Lupe. Bei derFührung von 14 Uhr an wird die Arbeit ineiner Schreinerei gezeigt, in der aus heimi-schem Kirschholz ganz besondere Stückeentstehen. Weiter geht es dann zu einemKorbmacher, dessen handgefertigte Stückestets Unikate sind. Besucht wird zudem dieeinzige in Deutschland noch produzie-rende Kugelmühle, in der mittels Wasser-kraft Murmeln aus heimischem Marmorgeschliffen werden. Anmeldungen sind un-ter der Nummer 0 70 23/48 51 möglich. jüv

Weitere Informationen im Internet unterwww.schwaebische-landpartie.de

Geschichte Die Peter- undPaulskirche, Köngens weithinsichtbaresWahrzeichen überdemNeckartal, ist zwischen1501 und 1512 unter dem Patro-nat des Klosters Denkendorf er-baut worden. Das spätgotischeGotteshaus beherbergt eineFülle baustilistischer Detailsaus der Gotik und der Renais-

sance. Der Turm ist gut200 Jahre jünger – und seinGe-samtbild kann die Einflüssedes Barock nicht verleugnen.

Festtage Hat die evangelischeKirchengemeinde bereits 2001die Grundsteinlegung des Got-teshauses vor 500 Jahren fei-ern können, so fällt der Ab-

schluss der Renovierung in die-sem Jahr mit der Fertigstellungder Peter- und Paulskirche vor500 Jahren zusammen. DieserAnlass wird von der Gemeindedoppelt gewürdigt: am Sonn-tag, 12. Februar, mit einem öku-menischen Gottesdienst um10 Uhr und passend zu Peterund Paul auch am 28. Juni. net

Orgelsommer, Lichtinstallation und Benefizkonzert

Hinten kann auch vorne sein – und umgekehrt

Was Wann Wo

Umweltbeiratwill Freiflächenerhalten

Netzgewölbe und Holzdecke setzen Akzente

Gottesdienstbesucher müssen sich in Köngen noch gedulden. Spendenüberbringer, wie hiereine Abordnung des Geschichts- und Kulturvereins, sind indes stets willkommen. Foto: Rudel

Die Künstlerin und ihreWerke: Versöhnliches trotz des Kulturschocks Foto: Horst Rudel

EVANGELISCHE GEMEINDE FEIERT GLEICH MEHRFACH

POLIZEI 110FEUERWEHR 112RETTUNGSDIENST 112NOTRUF-FAX 112KRANKENTRANSPORT 07 11/19 222

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VERANSTALTUNGEN

KINDERSPASSEsslingen:WürttembergischeLandesbühne,Kinder-theater am Schauspielhaus: Valentino Frosch,Schauspiel nachBurnyBosundHansBeer (ab4 J.),9Uhr.

VERSCHIEDENESEsslingen:Dieselstraße,Dieselstraße26: Esgehtauchanders:Über Banken -undStaatsbankrotte -Warumausder Finanzkrise eineöffentliche Schul-denkrisewurde, Referent:Alexis Passadakis, 19.30Uhr.Stadtbücherei,Heugasse9:Die biologischenGrund-lagenunseresGeistes, PhilosophischesCafemit Pe-terVollbrecht, 19.30Uhr.VillaMerkel, Pulverwiesen25:ÄsthetikundRaum,Referentin:MichaelaOtt, 18.30Uhr.(WeitereHinweise in unserenanderenVeranstal-tungsteilen)

BedürfnisnachFreiraum

21Dienstag, 17. Januar 2012 | Nr. 13STUTTGARTER ZEITUNG KREIS ESSLINGEN

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