Substitutionsbehandlung OpiatabhängigerBestandsaufnahme
Forderungenanlässlich eines
Parlamentarischen Abends am 24.09.2008
in Berlin
Dr. med. Joachim Selle
Internist
Suchtmedizin
Substitution in Zahlen 2007
• Zur Zeit werden 70 000 Patienten (Tendenz weiter zunehmend)
• Von 2700 Ärzten substituiert
• (Tendenz weiter abnehmend)
Substitutionsmittel Deutschland 2007
• Methadon: 60%
• Polamidon: 19%
• Buprenorphin: 18%
• Dihydrocodein: 0.5%
• Diamorphin: 0.4% (in Studien)
Wissenschaftliche Erkenntnisse nach 25 Jahren Substitution
• Sichere Behandlungsform
• Reduktion Mortalität und Morbidität
• Reduktion Kriminalität
• Risiko von HIV und Hepatitis B+C sinkt
Ergebnisse Deutschland 2007
• 14% Abstinenz
• 60% werden in Therapie gehalten
• Deutliche Besserung des körperlichen Zustandes
• Reduktion von Drogenkonsum
• Vergleichsweise niedrige Kosten
Zahlenverhältnis: Arzt - substituierte Patienten
• Die Schere in der Versorgung von Opiatabhängigen geht weiter auf.
• Es kommen immer mehr Patienten in die Substitution. Es beenden immer mehr Ärzte ihre suchtmedizinische Tätigkeit.
• 2003 : 1:20
• 2007 : 1:30
Problembereiche im ärztlichen Bereich
Warum substituieren Ärzte nicht oder geben die Substitutionsbehandlung auf?
- Rechtlich und administrativ zu belastend
- Zu kompliziert
- Aufwand und Nutzen in keiner Relation
- Abschreckend (!)
Ungünstige Rahmenbedingungen
• Vermehrte Bürokratie
• Gefahr von strafrechtlichen Konsequenzen
• Geringe Honorierung
• Großer personeller und baulicher Aufwand
• Kränkere und ältere Patienten
• Hoher Dokumentationsaufwand
• Bestrafung durch Qualitätskommissionen
• Schwierige individuelle Mitgabemöglichkeit
• PSB wird gefordert, ist aber häufig nicht erreichbar
• Kaum ärztliche Vertretungen an Wochenenden oder im Urlaub
Strukturelle Probleme
• In Haft ( dort werden nur etwa 5% der Opiatabhängige substituiert)
• In der medizinischen Rehabilitation wird kaum substituiert, Ausschlussgrund
• Bei Migranten
• Bei älteren Patienten
Substitutionsbegleitende Psychosoziale Maßnahmen
• Keine Studien über Wirkungsanalysen• Bei „Kassen“patienten vorgeschrieben, bei
„Privat“patienten nicht.• Die PSB Begleitung wird von den Kassen
gefordert, sie zahlen sie aber nicht. (Kommunen)
• Zahl der Betreuer statisch oder dynamisch, Sparzwänge der Kommunen
Unklare Terminologie PSB
• Psychosoziale Betreuung• Psychosoziale Begleitung• Psychosoziale Beratung
• Gefordert, aber nicht definiert, nicht wissenschaftlich wirkungsevaluiert
• Wichtig, nützlich, aber freiwillig und separat• Kein Junktim: wenn, dann. In der Praxis häufig,
nur dann, wenn…
Bundes Ministerium für GesundheitDrogenbeauftragte der
Bundesregierung:
„ Zum Stellenwert der psychosozialen Begleitung“
Grundsätze
• Freiwilligkeit und Konsens für die Inanspruchnahme der PSB
• Orientierung an den Ressourcen des Klienten
• Erarbeitung eines gemeinsamen Hilfeplans mit Klient, Arzt und PS Betreuer
• Reduzierung des sozialen Leides• Reduzierung von substanzbezogenen
Problemen
Diskussion
• Nicht jeder Klient benötigt PSB, in Berlin nur 35%
• Zielsetzungen der PSB mit dem Klienten absprechen, kein heimlicher Lehrplan
• Reintegration in Arbeit, auch Arbeit auf dem 2. Arbeitsmarkt
• Einfacharbeitsplätze, wobei ein Grundqualifizierung (EDV) angestrebt werden sollte
• Einbindung in Selbsthilfe (JES)
Alter und Substitution
• Bislang keine Studien, keine Erfahrungen• Die Alterswelle kommt auf uns zu.• Auch die der älter werden
Substitutionsmediziner ohne Nachwuchs.
• Unterbringung• Beschäftigung• Therapeutische Versorgung
Alterungsprozesse von drogenabhängigen Menschen
• Setzen früher ein: um das 55.Lebensjahr
• 12% der Substituierten sind über 50 Jahre
• Mangelnde berufliche Qualifikation
• Fehlende finanzielle Reserven,
• Hohe Schuldenlast
• Häufige Wohnungslosigkeit
Polymorbide Patienten
• Infektionskrankheiten• Lebererkrankungen• Thrombosen der Extremitäten, Lungenembolien• Diabetes mellitus• Herzerkrankungen/ Infarkt/ KHK• Chronische Lungenkrankheiten• Borderline Syndrome, PTBS Störungen• ADHS im Erwachsenenalter
Zielsetzungen für den alten pflegebedürftigen Drogenkranken
• Spezielle Unterbringungseinheiten
• Gerontologische Schulung von PSB und Altenpflegern
• Versorgungsverträge mit Altenheimen
• Konzepte entwickeln für schwer integrierbare alte Drogenabhängige
• Kostenträger ermitteln
Politische Forderungen
• Die rechtlichen Bedingungen verbessern (BtMVV) bzgl. Take home, Urlaub, Beruf
• Ärzte zur Ausbildung Suchtmedizin bewegen
• Medizinstudium anpassen
• Heroin in Regelversorgung aufnehmen
Unterschiedliche Adressaten in die Pflicht nehmen
• BMG
• BMJ
• Gesundheitsminister Konferenz
• BÄK
• Fachverbände
• Apothekerverbände