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#0 neulandEin Magazin über Veränderungen
transform #0Ein Magazin über Veränderungen
the only wcon-stant in life
is change
editorial
Alles ist im Wandel. Meist passiert es sehr plötzlich und doch weißt du sofort – ab jetzt ist alles anders und ein Zurück wird es nicht mehr ge
ben. Das was war, erscheint in einem völlig anderen Licht. Das Neue bricht wie ein Blitz in unsere Welt. Dann gibt es Zeiten, in denen unser altes Leben unbequem wird, wir aus dem Tritt kommen und sich die Gewissheit breit macht: So geht es nicht weiter. Wir sehnen uns nach etwas Neuem. Oder aber wir ahnen, dass bald alles anders sein wird – ob wir wollen oder nicht. Das Leben läuft plötzlich nicht mehr rund und dann ist sie da: die Angst vor dem Unbekannten, vor dem Verlust, vor dem Scheitern, vor falschen Entscheidungen. Was kommt nun? Wie geht es weiter?Veränderungen sind ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Sie verschaffen uns wichtige Erfahrungen, die unsere Meinungen bilden unsere Einstellungen prägen, uns zu dem machen, was wir sind. Immer wieder stehen wir vor Entscheidungen, die weit reichende Konsequenzen haben. Mitunter ist das nicht leicht. Zu gern möchte man die Zeit anhalten und alles beim Alten belassen. Nicht immer sind Veränderungen das, was wir gerade wollen.
Der Prozess der Veränderung verläuft selten geradlinig, jedoch folgt er einer inneren Logik. Man kann ihn in vier Phasen gliedern. Diese können un ter schied lich intensiv ausgelebt werden, jedoch muss jede einzelne durchlebt werden. TRANSFORM macht sich diese vier Phasen zur Grundlage und wird in jeder Ausgabe einen Aspekt des Neuanfangs thematisieren.TRANSFORM erzählt vom Zweifel, vom „zwischen den Stühlen sitzen“, von Weggabelungen und vom Unwillen, sein schönes altes Leben aufzugeben, von der Haltlosigkeit, wenn die Erfahrungen fehlen, wir auf uns allein gestellt sind und uns entscheiden müssen zwischen guten Ratschlägen und unseren Instinkten.Trotz allem gibt uns das Neue das Gefühl, lebendig zu sein. Anfänge sind Chancen auf ein anderes Leben. Dadurch bekommen sie etwas Magisches. Das Neue fasziniert, denn wir haben es noch nicht durchschaut, ausprobiert und verstanden. Es birgt ein Geheimnis, das uns fesselt. Immer wieder aufs Neue. Diese Ausgabe soll die Schönheit der Chance feiern, die uns ein radikaler Richtungswechsel im Leben gibt. Denn am Ende sind es die Umbrüche, an die wir uns erinnern werden und die die besten Geschichten abgeben.
phase 1 irgendwas stimmt hier nicht
10 dasschauspielDer Morgen danach war immer wieder der Morgen danach. Selbst nach Monaten war es der Morgen danach.
12 wasbleibt?
14 wasichmitmeinemrestlebenmachenkönnteIch wollte es so. Ich wollte immer ein Volontariat. Bei einer Tageszeitung. Und nun hat es geklappt.Juhu! Ich wollte es so. Lächeln und winken.
16 veränderung
19 wardasschonalles?
23 guteüberschriftwarausVersicherungen zahlen, Müll rausbringen, Spülmaschine ausräumen. Erwachsenen leben ist fürchterlich.
24 ichweissnixAber was, das ist hier die Frage und lässt mich gleich im ersten Satz stolpern und nicht weiterkommen.
26 grau,grau,grau
phase 2 es war doch so schön
33 niemand,dersoist Es gibt niemanden, der ihn ersetzen kann, obwohl das
natürlich total praktisch wäre.
34 fürmeineinternetfreundin
39 inderhoffnung,dasszeitensichändernDie Möglichkeit, Gefühle zu teilen, ist ein Privileg. Dein Recht dazu würde ich dir niemals absprechen. Selbst wenn es mit ihr ist.
42 waresgestern? Eigentlich sind wir es müde, jung sein zu müssen und
der Körper strotzt nur so vor jugendlichem Leichtsinn, das Leben liegt noch vor uns.
44 damals
phase 4 alles neu
70 häutungMitten in der Wirtschaftskrise will ich meinen Job kündigen. Das klingt doch vernünftig, nicht wahr?
72 zukunftIch packe meine Koffer und ziehe nach Lissabon, von heute auf morgen, ohne jede Absicherung, aber mit dem süssen Geschmack der Freiheit.
74 neu
76 einneuanfangStell dir vor,es gab einen Moment,da lag alles vor dir, was sein kann.
78 ausmistenradikalIn einem Jahr hat Dave Bruno seinen Besitz auf 100 Sachen reduziert.
80 dieentdeckungderlangsamkeitUnd wann hatte sich das Leben eigentlich so beschleunigt?
88 dasjanuar-gefühlDas JanuarGefühl ist eigentlich unsinnig – man könnte ja immer etwas Neues anfangen.
90 ichlassdiezukunftjetzteinfachpassieren.Einfach so. Ganz schlicht und einfach. Weil es das ist, was ich immer wollte.
3 editorial
92 bildnachweis/impressum
phase 3 nichts als gespenster
50 wohinJeder hat doch einen Traum, eine Wunschvorstellung. Was ist eigentlich falsch gelaufen, dass ich keinen Traum habe?
52 können!wollen?scheitern.Nichts ist bedrückender als die Freiheit, zwischen allen Möglichkeiten wählen zu dürfen.
54 weglauftendenzIch bin 25, stehe seit einem Jahr im Berufsleben und bewohne ein günstiges Zweizimmergehäuse in einer mittelgroßen Stadt. Alleine.
56 ganzentschlossenunent-schlossenWarum behaupten eigentlich alle in letzter Zeit, unsere Generation sei entscheidungsunfähig? Eine Verteidigung der Wahlfreiheit.
60 wasdieangstsotreibt,wennsienichtmehrweiterweissWenn Emotionen einen trinken gehen.
irgendwas stimmt hier nicht
Phase 1 des Veränderungsprozesses schleicht sich scheinbar unbemerkt heran. Das Gefühl macht sich breit, dass irgendetwas nicht mehr stimmt. Du bist unzufrieden, aber weißt noch nicht warum. Die Schuhe fangen neuerdings an zu drücken, du kommst ins Stolpern und aus dem Takt. Plötzlich kommt das Gefühl des Zweifelns auf. Ist es wirklich das, was du willst? Es gibt doch noch so viele andere Optionen. Oder doch nicht? Da ist etwas, was dich zögern lässt. Die Angst vor dem ersten Schritt, der alles ins Wanken bringen könnte und vor dem Unbekannten, vor dem Verlust, vor dem Scheitern, vor falschen Entscheidungen. Der Zweifel nagt an dir. Jetzt bist du in der Klemme. Noch ein bisschen warten, vielleicht wird ja alles wieder gut?
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Zweifel Substantiv, m, [Zwei·fel, Plural: Zwei·fel, Zwei·fel, Plural: Zwei·fel] (mittel-hochdeutsch zwîvel, althochdeutschh zwî-val aus germanisch twîfla, „doppelt, gespal-ten, zweifach, zwiefältig“) ist ein Zustand der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Annahmen, da entgegengesetz-te oder unzureichende Gründe zu keinem sicheren Urteil oder einer Entscheidung führen können. [1] Er wird auch als Unsi-cherheit in Bezug auf Vertrauen, Handeln, Entscheidungen, Glauben oder Behaup-tungen bzw. Vermutungen interpretiert. Skepzis (griech. sképsis = Betrachtung; Be-denken, zu: sképtesthai = schauen, spähen; betrachten) bezeichnet dagegen Bedenken durch kritisches Zweifeln. [2] Rudolf Eislers Wörterbuch der philosophischen Begrif-fe definierte 1904: „Zweifel (dubium, du-bitatio) ist der (gefühlsmäßig charakteri-sierte) Zustand der Unentschiedenheit, des Schwankens zwischen mehreren Denkmo-
tiven, deren keines das volle Übergewicht hat, so daß das Denken nicht durch objec-tive Gründe bestimmt werden kann. Wäh-rend der Skepticismus (s. d.) den absolu-ten Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Menschen zum Princip macht, besteht der methodische Zweifel (doute méthodique) in der provisorischen Bezweiflung von al-lem, was noch nicht methodisch-kritisch festgestellt, gesichert erscheint.“; zweifel-haft, …los; zweifeln; ich …ele (vgl. S. 64, VIII, A9, Zweifelsfall; im -[e]; Zweifelsfra-ge; zweifelsfrei, …ohne; Zweifelsucht w; -; Zweifler
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das schauspielDer Morgen danach war immer wieder der Morgen danach. Selbst nach Monaten war es der Morgen danach.
Von Dennis Kyn
Wenn die Nacht weg war und das Sonnenlicht, das durch die Vor-hänge fiel und die Wohnung durchflutete, ihm einen kalten Schau-er über den Rücken jagte, war es oft schwer zu erkennen, wo er sich befand. Wo sie mittlerweile angelangt waren. „Gehst Du zuerst ins Bad oder soll ich?“, war einer der wenigen Sätze, die sie miteinander wechselten. Es war so enttäuschend, dass sie wieder von vorne anfan-gen mussten, immer wieder nach jeder Nacht, die ihnen versprach, nie mehr etwas wie Distanz zu spüren.
Er fing an, die Nächte zu fürchten, weil sie ihm wie eine Betäubung vorkamen, wie eine Lüge und er konnte nicht mehr schlafen.Stump-fe Bauchschmerzen sorgten dafür, dass er sich von einer Seite auf die andere wälzte. Er ertappte sich dabei, wie er seine Fäuste ballte, sich zusammenkrümmte und zitterte. Eine Aufregung, Nervosität. Die be-rühmte Angst vor der Ungewissheit. Vor dem Tag. Er stand in diesen Momenten auf, setzte sich an den Küchentisch und sah aus dem Fens-ter, in die Nacht, die nie eine wurde in dieser großen Stadt, immer hell und immer lebendig.
Er sah sie dann an, sah ihr dabei zu, wie sie schlief. Ihm war kalt, aber er konnte nicht mehr ins Bett. Gewöhnlich wachte sie dann ir-gendwann auf, spürte, dass er nicht mehr neben ihr lag und sah sich in der Dunkel-heit um und als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckte sie ihn am Tisch, stand auf und kam zu ihm. Verschlafen legte sie ihre Arme um seine Schultern und bat ihn, wieder ins Bett zu kommen. Ihre Augen gewöhnten sich an jede Dunkelheit. Wenn sie ihn am nächsten Morgen fragte, warum er nachts wieder wach gewesen war und er nicht wusste, was er antworten soll-te, ahnte sie schon längst die Antwor-ten. Die Antworten auf die Fragen, die ihn nicht schlafen ließen und sie spür-te wahrscheinlich die gleiche Kälte, die ihm ins Herz kroch.Beide hatten Angst. Er hatte Angst vor den Antworten und sie vor den Fragen. Aber jeder Versuch von ihm, endlich zu sprechen, die Dinge zu klären und ihr die Möglichkeit zu geben, die Dinge zu ER-klären, wurden überrollt und im Ansatz erstickt. Von der Angst. Weil sie um nichts in der Welt an der Oberfläche kratzen würde, weil sie nie die Tür zum Keller öffnen würde,
voller Panik vor den Leichen, die sich häuften und deren Gestank nach oben drang. Zu ihnen. Zwischen sie. Und wenn er es doch wieder wa-gen sollte, einen Versuch zu starten und sie mit Fragen konfrontierte, dann konnte er sehen, wie sich ihre Augen verdunkelten und dann ka-men die Tränen, die durch die Augen nach draußen drangen und Trä-nen waren nun mal schneller als Wörter, die durch den Mund kommen konnten. Sollten. Dann begann das Weinen, die letzte Möglichkeit, ihn zum Schweigen zu bringen.
Anfangs nahm er ihr das noch ab und glaubte dran, glaubte ihr den Schmerz, die Verletzlichkeit und dass ER derjenige war, der verletzte und Wunden öffnete. Aber dann kam ihm das alles wie eine Wiederho-lung vor, ein Film, den er schon hunderte Male gesehen hatte, das Wei-nen verlor für ihn die Tiefe, den Schmerz und es wurde zu einem Schau-spiel. Jede Träne war eine einstudierte Szene, tausendmal geprobt. „The finest day I‘ve ever had, was when I learned to cry on command“ Und irgendwann bemerkte er auch die Unterbrechungen zwischen ihrem Schluchzen, das Abwarten auf seine Reaktionen. Und er reagierte. Er spielte seine Rolle, spielte seinen Part. Ohnmächtig befolgte er den Weg des Trösters und lenkte mit ihr zusammen ab, was von den bösen Vor-
ahnungen übrig blieb. Und er stand wie-der an der gleichen Stelle, an der er 10 Mi-nuten zuvor schon gestanden hatte. Und plötzlich wurde nicht nur das Weinen zu einer Scharade, die ganzen Sachen, die sie sagte und tat, waren plötzlich nur noch aus Plastik, alles was sie tat, quit-tierte er mit einer gönnerhaften Art, die ihn beinahe selber glauben ließ, dass es echt war. Er spielte mit, war der perfek-te Mitspieler. Es war, als ob er sie ständig im Schach gewinnen lassen würde. Und sie wusste es. Es wurde alles noch viel schwieriger, als er merkte, dass sich un-ter dem Misstrauen ein anderes Gefühl auftat, das er anfangs nicht wahrnahm oder nicht wahrnehmen wollte. Doch er
spürte, dass das Misstrauen wahrscheinlich nur der Anfang war und dass sich dort unten eine dunklere Masse befand, vor der er sich noch viel mehr fürchtete. Tief im Innern wuchs etwas, das seine Zuneigung zu ihr wiederum schrumpfen ließ. Er war sich dessen nicht bewusst, wollte nicht wahrhaben, dass er dabei war, seine Gefühle für sie zu
die tage wurden zu einem seufzen, tröp‑ felten als braune trop fen aus dem wasse rhahn ih‑rer beziehung.
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drosseln. Eine Art Schutzmechanismus, der ihn vor dem Knall – der sicherlich kommen sollte, dessen war er sich sicher – beschützen soll-te. Die Tage wurden zu einem Seufzen, tröpfelten als braune Tropfen aus dem Wasserhahn ihrer Beziehung. Sie fühlten sich wohl in diesem Schauspiel, sie verbrachten die Wochen und Monate miteinander, zwi-schen ihnen dieses stille Abkommen. Das Schweigen.
Sie gingen zusammen aus, sie setzten sich in Parks, trafen sich mit Freunden, sprachen stundenlang miteinander über die Stücke, die sie zusammen besucht hatten und schliefen miteinander, alles eingehüllt in dieses Laken, gestrickt aus ihrem kleinen Spiel. Er fand sich damit ab, dass sie ihm Dinge verheimlichte, Dinge von denen sie ihm nie etwas er-zählte, er ertappte sich sogar selber dabei, dass er sie anlog, kleine Lügen bastelte. Ohne Sinn. Nur um sie anzulügen und sich selbst das Gefühl zu geben, dass er die gleichen Waffen benutzen konnte, wie sie – aber die ja offiziell verboten waren. Und das al-les nur, um die bösen Geister auszusperren, die alles ka-putt gemacht hätten. Diese beschissenen Geister, die sie so einfach hätten loswerden können, wenn sie sich nur getraut hätten, sie zu empfangen und sich mit ihnen aus-einanderzusetzen. Sie ahnten nicht, dass sie den kleinen Geistern die Möglichkeit gaben, sich zu vermehren und noch viel größere Ungetüme zu schaffen. Sie kehrten ständig alles unter den Teppich, in der Hoffnung, dass sich das alles von selber lösen würde. So wurde niemand mit den Dingen konfrontiert, die sie bewegten und langsam erschlugen. Der Teppich auf dem sie sich befanden, wurde immer höher, der ganze Dreck darunter türmte den Teppich auf und sie hatten Mühe, geradeaus zu laufen.
sie spürte wahrscheinlich die gleiche kälte, die ihm ins herz kroch. beide hatten angst.
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Ich erinnere mich an Zeiten,in denen es nicht darauf ankam alles richtig zu machen
ein Blick in die falsche Richtungwar noch lang kein Versprechenund von Bedeutung war nur, was uns sicher durch die Nacht brachte
nun scheint jede Entscheidung für immer zu seinals würde man uns ansehen welchen Weg wir gegangen sind
doch wo wir hin wollenliegt noch in der Luftund Atmen fällt schwerwenn alles nach Abschied schmeckt
Was bleibt ?Von Tina Bauerfeind
Was hätte. Was wäre. Was könnte. Was sollte. Alles. Aber leider nichts. Manchmal ist das Nichts freilich viel ergiebiger als das Alles. Es befeuert die Fantasie, muss aber nicht auf den Prüfstand der Realität.
Manchmal tritt durch durch eine Tapetentür ein Mensch in dein Leben, der dich mit großen Augen so anschaut, dass du weißt: Uuuh, das könnte was sein, und schon wirft das Sehnsuchtszentrum deines Gehirns die große Was-wäre-wenn-Maschine an. Was könnte. Was sollte.
Was soll ich.Es muss nicht viel mehr sein als: ein interessantes, herzliches Ge-
spräch. Jemand, der an den richtigen Stellen lacht und bei den langsa-men Passagen ganz genau zuhört. Eine Berührung der nackten Unter-arme, ein etwas zu langer Blick über den Rand deines Glases.
Ob das auf einen zärtlichen Kuss beim Abschied zusteuert oder auf ein Ausprobieren, wie sich eine gemeinsame Nacht anfühlt, ist weni-ger wichtig als der Schwebezustand, der dich elektrisiert: Wo führt denn das hin?
Merkwürdig, dass der Nachhall dieses Schwebens noch immer zu spüren ist, wenn längst klar ist, dass es nirgendwo hingeführt hat. Denn es hätte, es hätte …
Es hätte sich auswachsen können zu einer Affäre, einer Liebe, zu den seltenen Momenten, die humorvoll und sexy gleichzeitig sind und von denen man immer erst im Nachhinein weiß, dass sie zu den wertvollsten gehören.
Scheiß Konjunktiv.
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!
!
Was ich mit meinem Restleben machen könnte
Ich wollte es so. Ich wollte immer ein Volontariat. Bei einer Tageszeitung. Und nun hat es geklappt. Juhu! Ich wollte es so. Lächeln und winken.
Von Emma Grün
Nun. Bisher lautet der Plan so. Ich mache das Volontariat zu Ende und hoffe inständig, dass ich nach dem Absitzen meiner restlichen vier Monate in Blödes Kaff und damit in dieser lausigen WG in Sachsens schmuddeligster Ecke (und da stehen einige zur Auswahl) in eine Re-daktion versetzt werde, die es mir tatsächlich erlaubt, nur eine Woh-nung, nämlich die an meinem Erstwohnsitz, zu bewohnen. So hätte ich dann vielleicht mal etwas von meinem Gehalt übrig, vielleicht ge-nug, um mir eine neue Hose zu kaufen.
Ich hoffe weiterhin, dass ich es schaffe, bis dahin nicht mit wich-tigen Menschen zusammen zu rasseln und dass es nicht auffällt, wie grundsätzlich ich mich vom durchschnittli-chen Redakteur des erzkonservativen Blödes-Kaff-Käsebotens unterscheide. Aber ich hatte eben die Wahl: Entweder arbeitslos oder beim Stürmer des Ostens anfangen.… die halten es tatsächlich für vertretbar, einen Artikel, der sich mit asiatischen Wassersportlerinnen be-fasst, mit der Überschrift „Gelb schwimmt schnell“ zu versehen. Und als ich nicht an mich halten kann und in der Konferenz an dieser Stelle aufquietsche, ernte ich verständnislose Blicke. Ich verabscheue es, bewusst eine schlechte Zeitung zu machen und das mit dem Glauben zu bemänteln, der Leser wollte es ja genau so. Im Grunde habe ich das gleiche Problem in Klein und Print, was Mar-cel Reich-Ranicki in Groß und TV bemängelt hat. Wir drucken entsetz-lich schlechte, grauenvolle, unscharfe und nur mit Photoshop unfach-männisch in Form geprügelte Gruppenbilder von WANDERUNGEN von Schützenvereinen als fünfspaltige Aufmacherfotos in Farbe. Und wenn es irgendwie geht, dann schreiben wir auch bei 50 abgebildeten Perso-nen unter das Bild, wer wo gestanden hat, von links nach rechts. Ja nicht andersrum, das gibt Haue in der Blattkritik.
Damit sich Hans-Friedrich Bökenkölling auch wiederfindet. Sonst ruft er an und droht mit Abbestellung. Wenn das so weitergeht, gibt es irgendwann eine Serie: Das Telefonbuch! Heute weltexklusiv in Ihrem Käseboten: Aa bis Bd! Ich würd ja gern mal anders. Und so. Lernen wir ja auch anders in den Volontärschulungen. Aber wenn ich zurück in der harten Realität der Dorfredaktion bin, dann heißt es: Die Vereine wollen
das so, das haben wir schon immer so gemacht, in Blödes Kaff ist sonst nichts los, was man auf die Eins heben könnte, und die tolle Idee mit den Fotos von den hübschesten Leser-Babys (Schan-Gävvin und Mischelle-Schakkeline) war gestern schon drin, ist also für diese Woche abgefrüh-stückt. Wu-ha!
Wir dürfen kein Bierglas abdrucken, weil das den Leser zu schlech-ten Gewohnheiten animiert, aber wir berichten über SCHÜTZENFESTE? Also bitte. Schießen und Saufen zugleich, wenn das keine Ansammlung von Menschen mit schlechten Gewohnheiten ist…Und dann nötigt man mich, Sport zu machen. Also: darüber zu be-
richten. Nach einem 13-Stunden-Tag zerrt mich ein mit den Nerven völlig am Ende seiender, mental zerrütteter Altredakteur (deutliches Kennzeichen dafür: er findet den ganz normalen Klingelton meines Han-dys so lustig, dass er darüber eine öde Glos-se schreibt) vor seinen Rechner, zeigt mir in schneller Abfolge irgendwelche Tischten-
nistabellen, die, was mich angeht, auch in Suaheli geschrieben sein könnten, und erklärt mir, dass ich daraus in der kommenden Wo-che einen großen Artikel machen soll, weil er vier Tage frei hat.
Und als ich das dann versuche, wie erwartet scheitere, weil die Auf-nahmefähigkeit meines Kopfes nach besagtem elendlangen Tag eben-so beschränkt war, wie die didaktischen Fähigkeiten des Redakteurs es offenbar immer sind, hilfesuchend bei dem Redakteur zu Hause anru-fe, schnauzt mich dessen Frau an: „Aber er hat doch Urlaub!“ Nur aus-nahmsweise holt sie ihn gnädig ans Telefon, während ich nicht darüber meckern darf, dass ich zwei Wochenenddienste nacheinander aufge-brummt bekomme und so drei Wochen lang durcharbeite – ich soll froh sein, dass ich ein Volontariat bekommen habe, sagt mir die gebärfreu-dige blonde Lokalchefin.
Und da sagte man mir im Vorfeld, die Redaktion in Blödes Kaff wäre so nett, da hätte ich Glück. So gesehen – es kann in den kommenden ein-einhalb Jahren noch schlimmer werden. Aber wenn ich es dann über-standen habe, dann hoffe ich, übernommen zu werden, und hoffe, dass ich dann in einer Redaktion arbeiten darf, wo ich Sporttabellen niemals
dastelefonbuch!heuteweltexklu-sivinihremkäse-boten:aabisbd!
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Mangel. Das heißt doch, es fehlt an irgendwas. Wenn man mal von den Teekesselchen-Spiel absieht und die Mangel für die Bettwäsche weglässt. Daher kommt ja sicher auch das „jemand in die Mangel neh-men“. Unwichtig jetzt.
Ich schaue raus. Es ist ein winterlicher Montagmorgen in Hamburg und es ist - grau. Immerhin ist es in den letzten 40 Minuten etwas hel-ler geworden, aber so wirklich hell werden wird es heute nicht. Es fehlt das Licht. Die Kraft der Sonne.
Irgendwas fehlt ja immer. Milch, Brot, Wein, ein dritter Tag am Wo-chenende oder sonstwas, nachdem uns gelüstet. Doch was, was fehlt uns wirklich? Woran haben wir wirklich einen Mangel? Was ist nicht nur unzufriedenes Genöle?
Manchmal merkt man erst, was einem fehlt, wenn man es wieder hat. - das klingt vielleicht etwas seltsam, aber es gehört mit zu meinen Lebenssprüchen. Man arrangiert sich im Leben mit seinem Leben und richtet sich so ein, dass es passt. „Irgendwas ist immer“ denkt man sich und holt sich Bestätigung bei den anderen, dass die auch nicht zu 100% zufrieden sind mit ihrem Leben. Und die, bei denen grad alles glatt läuft und die nur so strahlen, denen geht man je nach Laune aus dem Weg oder man freut sich für sie und schöpft eine kleine Kelle Hoffnung, dass es bei einem selbst auch mal so sein könnte. Mangel. Das heißt doch, es fehlt an irgendwas. Wenn man mal von den Teekesselchen-Spiel absieht und die Mangel für die Bettwäsche weglässt. Daher kommt ja sicher auch das „jemand in die Mangel nehmen“. Unwichtig jetzt.
Ich schaue raus. Es ist ein winterlicher Montagmorgen in Hamburg und es ist - grau. Immerhin ist es in den letzten 40 Minuten etwas hel-ler geworden, aber so wirklich hell werden wird es heute nicht. Es fehlt das Licht. Die Kraft der Sonne.
Irgendwas fehlt ja immer. Milch, Brot, Wein, ein dritter Tag am Wo-chenende oder sonstwas, nachdem uns gelüstet. Doch was, was fehlt uns wirklich? Woran haben wir wirklich einen Mangel? Was ist nicht nur unzufriedenes Genöle?
auch nur gegenlesen muss. Dann hoffe ich, bis an mein hoffentlich bal-diges Dahinscheiden mindestens 10, in der Regel aber 12 bis 14 Stunden am Tag zu arbeiten, freie Tage als optional zu betrachten, kein Familien-leben zu haben, keine Freunde und keine Haustiere, weil ich dafür kei-ne Zeit mehr habe, und dafür immer fetter zu werden, weil ein Redak-teur sich im Gegensatz zum abgehetzten „Freien“ nun einmal nur zum Auto, aus dem Auto heraus und zum Schreibtischstuhl hin bewegt und dann den ganzen Tag irgendwas Fettiges vom Bäcker auf die Tastatur krümelt, weil er bei dem Schwachsinn, den er schreibt, eine Ersatzbe-friedigung braucht (darin ähnelt er dem abgehetzten Freien allerdings wieder). Das hoffe ich, großer allmächtiger Gott aller derer, die „irgend-was mit Medien“ machen wollten, oh ja, bitte. Gut.
Das ist der aktuelle Plan. Da scheint es irgendwie ein paar Dinge zu geben, die mir nicht behagen, wenn ich’s recht überdenke. Ich könnte das Volontariat zu Ende machen und mich dann verpissen, egal, ob sie mich haben wollen oder nicht. Ich könnte in einer trendigen Berliner In-Kneipe, in der nur Dicke arbeiten dürfen, kellnern, in einer netten Dach-geschosswohnung wohnen und mich frei fühlen. Und dann kommt der Disneyprinz mit seinem weißen Gaul durchs graffitibesprühte Trep-penhaus hochgaloppiert und entführt mich nach Nimmerland. Äh. Nächster Vorschlag.
Ich könnte versuchen, auszuwandern. Ich könnte versuchen, mir ei-nen Mann zu suchen und mit dem auszuwandern. Ich könnte lesbisch werden. Ich könnte bei „Bauer sucht Frau“ mitmachen (ja, als Frau). Ich könnte versuchen, ein Buch zu schreiben. Ich könnte versuchen, ein Thema für ein Buch zu finden, das ich dann versuche zu schreiben. Ich könnte Lotto spielen. Ich könnte Standup-Comedian werden. Schlechter als Atze Schröder bin ich auch nicht. Aber wer ist das schon. Höchstens Hans-Werner Olm.
Ich könnte mein Volontariat sofort abbrechen, alle Hoffnungen, die meine Eltern in mich gesetzt haben, schon wieder enttäuschen, all das Geld, das sie in mich investiert haben, damit rückwirkend schrägmeta-phorisch ins Korn werfen, Hartz4 anmelden.
Kann nicht länger darüber nachdenken. Habe einen brandheißen Artikel über einen seltsam geformten Riesenkürbis auf der Pfanne, den muss ich jetzt tippen.
Nehme darum Lebensgestaltungsvorschläge nach dem Piep an. Piep. Piep an. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep.
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Er steht da und kann es nicht glauben, sie hat schon wie-der eine neue Frisur. „Wieso machst du so was?“, fragt er sie. „Ich brauche es.“
„Es stört mich, niemals weiß ich, wie du aussiehst. Ir-gendwann lauf ich noch mal an dir vorbei.“ „Mhhh…ich mag es.“ „Was?“ „Mich zu verändern.“ Er schweigt.
Nach einer Weile: „Wenn du mich nicht mehr willst, dann kannst du es ruhig sagen!“ „Ich versteh nicht?“ „Ich hasse es, dass du dich veränderst…das weißt du und du machst es dennoch…du willst mich loswerden!“ „Ich ver-ändere mich für mich, nicht für dich!“ „Du hast einen An-deren!“ „Quatsch, ich…“ Seine Augen funkeln: „Du hast vie-le Andere!“ „Unsinn!“ Sie nimmt eine Schere und schneidet sich einen Pony. „Siehst du, ich mag das, immer etwas an-deres an mir auszuprobieren.“ Er schweigt und geht.
VERÄNDERUNG
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War das schon ALLES ?
Ein Satz, den man oft mit der Midlife-Crisis, mit unzufriedenen, verbitterten Mittdreißigern in Verbindung bringt. Könnte ich mir vorstellen.
Von Cathrin Aldekamp
Ein Satz, den man oft mit der Midlife-Crisis, mit unzufriedenen, ver-bitterten Mittdreißigern in Verbindung bringt. Der Job ist langwei-lig, die Freunde nerven und das „Schatz, ich liebe dich“ kommt, wenn überhaupt, dann nur noch monoton über die eigenen Lippen. Könn-te ich mir vorstellen. Nun ist es aber so, dass ich mich nicht zu den Midlife-Crisigen, Antidepressiva schluckenden Greisen zählen darf. Ich bin 20 und das ist mir auch ganz recht. Bis ich mal mit der Brigit-te in der Hand neidisch auf die weichrasierten, organgenhautfreien Beine einer mindestens 10 Jahre Jüngeren starre und mir selbst ein-rede, dass ich so etwas ja gar nicht nötig hätte, ist es hoffentlich noch eine Weile hin.
Trotzdem finde ich, dass auch ich Zweifel an meinen bisherigen Er-folgen haben darf. Gut, meine Mutter wusste mit 17 noch nicht, dass sie einmal fähig sein würde, einen Personenkraftwagen ohne Anleitung zu führen und mein Vater hätte von einem Abi auch nur träumen dür-fen. Aber trotzdem. Ich finde, ich habe das Recht mein Leben doof zu fin-den. Wenn meine Großmutter mir von ihren verschiedenen, regelmä-ßig wechselnden Freunden und den ständigen Partybesuchen erzählt, komme ich mir schon selbst ein bisschen wie ein altes Eisen vor. Ich
habe nie, vor allem nicht ständig wechselnde Freunde. Ich hatte einen Freund mit 18 und der hat geküsst wie ein Fisch. Hielt dafür auch 1 1/2 Jahre. Immerhin. Und mit den Partys ist das auch so eine Sache. Nicht, dass ich nicht gelegentlich gerne mal zitternd in schrecklich kurzen Ho-sen wartend und hoffend, nicht kontrolliert zu werden vor einer Disko-thek stehen würde, nur um danach drei Stunden schwitzend möglichst cool und sexy von einem Bein aufs andere zu treten, damit mir dann doch niemand ein Smirnoff-Ice ausgibt und ich mal wieder 20 Euro€ für einen unnützen, ungeküssten Abend verplempert habe. Mir ist es einfach lieber, mit meinen wenigen, aber dafür guten Pappenheimern von Freunden in irgendeinem Kellerloch zu hocken und mich stilvoll zu alkoholisieren.
Eben diese Pappenheimer erzählen, meckern und haben seltsame Einfälle (wie z.B. die Wochenendtour, auf die ich hier nicht genauer ein-gehen will) und genau das ist es, was mir buchstäblich mein Herz öff-net. Doch schon das nach Hause fahren mit dem Auto oder dem Fahrrad ist ungefähr das schrecklichste, was mir widerfahren kann. Ich werde melancholisch, weil wieder einer dieser wundervollen Momente vorbei ist, die man doch in seiner Jugend auskosten soll. Dann komme ich nach
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Hause, und da ist niemand, der weiß, wie toll diese Menschen ge-rade waren, von denen ich mich so unpersönlich, aber herzlich wie es nur geht, verabschiedet habe. Noch schlimmer, wenn ich aus den Jugendurlauben wiederkomme. Da habe ich zwei Wo-chen in Begleitung sonnencremiger Mit-Jugendlichen seltsame Strand-Spiele gespielt oder mich ‘zigmal in furchtbar schnellem Tempo furchtbar lange Skipisten hinunter gequält, nur um dann abends mit dem Bild des herzzerreißenden Momentes, in dem ich mit grässlichem abgewinkelten Arm fast weinend in einem hüb-schen Hochschnee-Feld liege und mir wünsche, niemals die 500 Euro für so eine bekloppte Tour ausgegeben zu haben, immerhin der Lacher des Abends zu sein. Und mal ehrlich, wofür das Ganze? Für mich. Weil ich es liebe, meine Zeit, vor allem im Urlaub mit mir generell eher fremden, aber dafür nach den beiden Wochen neuen besten Freunden, zu verbringen. Weil ich es liebe, mich vor vielen Menschen zum Horst zu machen und dafür freundliches Schulter-Klopfen oder kleine Zuzwinker-Augenblicke zu ernten. Weil ich es liebe, weg von meinem öden schulischen, von nicht enden wol-lenden Referaten durchzogenen, klausurenbeständigen Alltag zu fliehen, um etwas mit wirklich coolen Menschen zu machen. Wirklich cool heißt, dass sie eigentlich alle auf ihre Weise einen völlig an der Klatsche haben. Sehr still, sehr laut, Schach spielend oder Trommeln trommelnd, Rot, Blau, Grün oder manchmal auch gepunktet. Eher lieb oder eher rüpelmäßig, dumm, dämlich und hässlich noch dazu, aber einfach cool.
Und danach sitze ich dann zwischen 2 und 30 Stunden in ir-gendeinem stickigen Bus und wünsche mir, diese Fahrt würde noch ewig dauern, egal wie ekelhaft und luftleer sich alles an-fühlt. Wenn ich daran denke, nach Haus zu kommen und mei-ner Mutter in ihr mutter-interessiertes Gesicht zu blicken, wür-de ich mich am liebsten erhängen. Mutter-interessiert heißt ja nicht interessiert, aber Interesse heuchelnd, weil ich nun mal ihr liebes, tolles Kind bin und sie mich ja ach so schrecklich vermisst hat und sie mir das Gefühl geben muss, dass dies auch wirklich stimmt und sie deswegen so tut, als würde sie interessieren, wer mir welchen Brei an welchem Ort mit welchem Löffel in den Ra-chen gestopft hat.
Ich habe sie nicht vermisst. Ich habe nicht einmal an sie ge-dacht. Ich habe da hinten die Tatsache, jemals aus dem Leib einer Frau geschnitten worden zu sein, total verdrängt. Da gibt es keine Mama oder Papa oder Mutti oder Papserl. Auch keine Geschwis-ter, ausgenommen eins dieser Geschwister lief grad auch zufäl-lig durch Norwegen, als ich zufällig in einen eiskalten Ekel-Teich geworfen wurde (und damit übrigens wieder den Lacher-des-Abends geerntet habe, danke, Autogramme gibt’s später!) und mir von ihm wegen dieser angeborenen Geschwister-Solidarität aus dem Ekel-Teich geholfen wurde. Natürlich erst, nachdem es mich auch ausgelacht hat.
Und wenn ich dann letztendlich die Tür aufschließe, mir im Fernsehen schon die herrliche Visage von Alexander Hold, gekop-pelt mit Vadderns „Pack aus, wir stellen heute noch die Wäsche an und jetzt RUHE!“ und Muttis „Ich hab dich ja so vermisst!“ entge-gen schwingt, meine Gedanken noch auf meinem Esprit-Hand-tuch am Strand Italiens brutzeln – dann kommt mir wieder diese Frage hoch: War das jetzt schon alles?
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WAR DAS jEtzt ALLES ? SiND DiES NUN GRob GESEhEN DiE GANzEN ALtERNAtiVEN, DiE miR Noch bLEibEN?
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Versicherungen zahlen, Müll rausbringen, Spülmaschine ausräumen. Erwachsenen leben ist fürchterlich.
Von Rose Jakobs
gute überschrift war aus
Ich habe immer noch keine Hochzeit gecrasht. Ich habe immer noch kein Buch geschrieben. Ich werde aufgehalten. Es sind verschiedene Dinge, die mich permanent vom Sein abhalten. Ich bin nur noch. So ir-gendwie in Teilzeit, als Halbschatten in der Gegenwart. Oh, ich bin so gestern. Ja und jetzt nicht wieder jeden Satz mit „Ich“ anfangen, sonst geht irgendeiner auf die Barrikaden.
Wir atmen ein. Wir atmen aus. Durchzug. Ich möchte gerne mein Gehirn auf Durchzug stellen. Ich bin over it. Over the top. Neulich lag ich des Nachts da und träumte, ich umsegelte die Welt auf einem Drei-master aus dem 18. Jahrhundert. Dann war ich in Zürich. Es war zauber-haft sauber und ich wollte nirgends anders sein. Am Ende dann in Nor-wegen. Freizeitpark. Man konnte sich in große Insekten rein setzen und damit Wettrennen machen.
Dann wurde ich wach, völlig aus dem jetzt gefallen. Regen schlug ans Fenster, kalter Luftzug durch die Türe. Katzenjammer. Grauer Mor-gen. Eine Autotür wird zugeschlagen. Und prompt zerfetzt der Müllwa-gen um Punkt sechs Uhr die graue Idylle und ich denke mir: Grrrrr. Ich denke nur Grrr. Ich denke nicht in ganzen Worten, ganze Sätze sind wie ausverkauft. Grrrr. Keine klare Richtung zu erkennen, obwohl ich mich für den einen Weg entschieden hatte. Wohin trabt das hier? Draußen immer noch Regen. Grrrr. Ja, man, ich ja, ich dieses Mädchen, will nicht erwachsen sein. Neulich lag ich, es, das Mädchen im Bett.
Und ich dachte an die Zeit im Gestern. Da, wo ich total verantwor-tungslos in Echtzeit rumhing, viel Marihuana rauchte, meinen Ver-stand versuchte an der Garderobe abzugeben und literweise Schnaps als Grundnahrungsmittel brauchte. Ich soff von Donnerstag bis Montag. Dunkle Diskos und diverse Bars waren meine Heimat. Ich aß nur ein-mal die Woche, irgendwelchen Fastfoodmist vom Lieferdienst, verliebte mich in nicht existente Männer mit Phantasienamen, die mir signierte Bücher von Rocko Schamoni mit der Post schickten, sowie Glanzbilder; Weiter im Text, und spielte mit längt verlorenen Freundinnen Sherlock Holmes und Watson. Ich suhlte mich im Aas der Großstadt und manch-mal wusste ich am Donnerstag der zweiten Woche eines Monats nicht, wer am Ende die weiteren zwei Wochen und das darin enthaltene je ein-malige Ritual der notwendigen Nahrungsaufnahme, in diesem Rausch der Möglichkeiten und Nichtigkeiten, bezahlen würde. Woher ich es nehmen sollte. Es kam aber irgendwie immer am Ende gut raus. Klar, das war nicht immer alles koscher und ich war nicht immer nett. Ach und jetzt sitze ich hier also, es ist nasskalt und ich bin unzufrieden. Ja,
total. Die Arbeit ist okay, Geld ist da, das Haus ist hübsch und alles könn-te total tutti sein. Aber zwischen Rechnungen zahlen, Bahnfahrten zur Arbeit und dem Plan die Landfrauen mit gutem Kuchen zu beeindru-cken, macht sich gefühlte Leere auf drei imaginären Hochhausetagen breit. Irgendwas fehlt.
Der Effekt des sich Selbstverlierens ist mir abhanden gekommen. Und manchmal liege ich des Nachts da und erwache, weil ich träumte, ich hätte alle verfügbaren Modedrogen der Welt in alphabetischer Rei-henfolge genommen und es war Hammer-Mega-Geil. Oder ich tausche Tiere und Babys gegen Drogen oder verliere diese während des massiven Konsums irgendwelcher Substanzen am Busbahnhof. Alles nur Träume. Dann stehe ich auf und räume die Spülmaschine aus. Am Ende toppe ich meine Selfmade-Situation mit alten Beatles-Platten und suhle mich im
aufgesetztem „Oh Gott, ich bin jetzt dreißig und konnte mir nicht einer vorher sagen, dass dieses „normal“ sein so super anstrengend ist?“. Ja, Verantwortungslosigkeit kann so sexy sein. Ich gebe es zu. Ich vermisse diese Zeiten gerade extrem.
Morgens, um sechs, wenn mich die Müllabfuhr aus dem Bett wirft. Wenn ich gerade die Welt umsegelte, oder kleine Hunde aus amerika-nischen Toiletten rettete, die sich dann in Triops verwandelten und die ich dann im Aquarium zwischenparken musste. In der nächsten Nacht träume ich dann wieder, wie ich mit Thekla Carola Wied Heroin oben im Westerwald hole. Meine Seele brennt nach etwas gestern. Ich räum jetzt mal die Spülmaschine aus.
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keineklarerichtungzuerkennen,obwohlichmichfürdeneinenwegentschiedenhatte.wohintrabtdashier?draussenimmernoch
regen.grrrr.
ich weiß nixAber was, das ist hier die Frage und lässt mich gleich im ersten Satz stolpern und nicht weiter-kommen. Ich weiß heute überhaupt nicht, was ich will, oder was ich wollen könnte, auch nicht was ich gestern wollte. Ich bin hier und ich bin wunschlos unglücklich.
Von Domink Fraßmann
Aber das stimmt nicht, denn ich bin nicht unglücklich, ich bin neutral und damit relativ zufrieden. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, denn es könnte sein, dass ich irgendetwas falsch mache, aber es nicht merke, weil ich nicht wirklich wach und klar bin. Ich weiß nicht, was richtig wäre. Der ganze Tag ist schon verwaschen und unklar. Ich bin unklar und weiß nichts.
Ich denke manchmal an eine Frau, und dann sehe ich irgendwo ihre Anfangsbuchstaben und sehe sie in diesen Anfangsbuchstaben. So den-ke ich dann manchmal, dass ich wohl noch sehr verliebt bin. Dann mer-ke ich aber, dass es mir nichts ausmacht zu denken, dass sie glücklich bei ihrem Freund bleiben wird, und ich gehe einfach weiter und denke an was anderes, das ist dann auch nicht wichtig und ich habe es auch gleich wieder vergessen, denn was soll ich denn schon denken, was ir-gendwie von Bedeutung wäre, dazu fällt mir nichts ein.
Die Welt ist unwichtig, was macht es schon, wenn man einfach nicht mehr lebt, einfach aufhört zu leben, nicht mehr mitmachen will, weil es einem zu anstrengend vorkommt, weil man auch gar nichts will, man könnte ja einfach aufhören, aber dafür gibt es auch keinen Grund. Jedenfalls wäre mir keiner bewusst. Selbstmord ist sicher an-
strengend, das stelle ich mir zumindest so vor. Selbstmord ist sicher auch ein bisschen blöd, man muss ein bisschen blöd oder verdreht sein, um so was zu machen, denk ich. Ich den-ke manchmal, ich muss mir nur eine Aufgabe suchen, dann werde ich schon glücklich sein, mit dem, was ich dann tue, denn ich bin sehr anpassungsfähig und finde immer meine Ni-sche. Ich muss mir nur so vorkommen können, als hätte das einen Sinn, was ich tue. Wenn ich auf die Kinder meiner Schwester aufpas-se, dann komme ich mir so vor, als würde das einen Sinn ergeben. Mei-ne Nichte will viel wissen und ich erzähle ich gerne alles. Auch wenn sie es noch nicht versteht, dann sage ich es zu ihr, dass das vielleicht noch ein bisschen zu kompliziert ist. Sie ist 6 Jahre alt. Und letzte Wo-che habe ich ihr erklärt, wie die Sonne funktioniert und dass alle Ster-ne Sonnen sind.
Und warum der Mond manchmal halb zu sehen ist. Sie hat es ver-standen. Sie hat mir dann die Geschichte von ihrer Freundin erzählt,
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deren Oma in Amerika wohnt und dass es dort zu einem anderen Zeit-punkt Morgen ist als bei uns und das auch daher kommen würde, weil die Sonne dort später hinkommt. Ich glaube nicht, dass ich das in dem Alter verstanden hätte. Ich habe eine intelligente Nichte. Sie kommt jetzt in die Schule und wird sich wahrscheinlich langweilen, weil sie schon alles kann. Sie beherrscht den Zahlenraum bis 50. Wenn ich eine Frau wäre, dann würde ich jetzt ein uneheliches Kind bekommen wol-len. Von irgendeinem Vater, der mich dann auch nicht weiter interes-
sieren würde. Die genetischen Anlagen von ihm sollten gut sein. Viel-leicht. Doch. Ich bin keine Frau. Auch wenn ich 20 Paar Schuhe habe. Und es gern habe, wenn mein Duschgel nach irgendwas riecht. Aber ein Kind wäre auch nur eine Ablenkung von der Absurdität des Lebens. Da könnte ich genauso gut einfach wieder an Gott glauben. Und dann vielleicht Priester werden. Weil Jesus mich erleuchtet hat. Ich könnte mal nach Lourdes fahren. Vielleicht passiert da was mit mir. Vielleicht läuft mir auch Buddha über den Weg. Oder eine Frau, die mich ablenkt. Oder irgendwas. Man weiß ja nie, was das Leben bringen kann.
Auch wenn ich 20 Paar Schuhe habe. Und es gern habe, wenn mein Duschgel nach irgendwas riecht. Aber ein Kind wäre auch nur eine Ablenkung von der Absurdität des Lebens. Da könnte ich genauso gut einfach wieder an Gott glauben. Und dann vielleicht Priester werden. Weil Jesus mich erleuchtet hat. Ich könnte mal nach Lourdes fahren. Vielleicht passiert da was mit mir. Vielleicht läuft mir auch Buddha
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Grau, Grau, GrauGisbert zu Knyphausen
Bevor das Grau, grau, grausich hier festbeißtund sich langsamdurch meine Adern schiebt,durch meine Adern drängtund sich dort festbeißt,will ich einmal noch am Ufer stehen unddann schauen, wohin die Schiffe fahren,schauen wohin sie fahrenund ob mich eins mitnimmtin den Süden oder irgendwohin.
Wo mich niemand sieht,mich niemand hört,und mich niemand fragt:Wie solls jetzt weitergehen?Das weiß ich doch auch nicht.
Graue Häuser,graue Straßen überall.Ihr könnt mich mal.Graue Menschen, graues Licht,graue Gedanken, graues Ich.Ich will das nicht mehr.Ich wollte da immer drüber stehen,und jetzt steh ich mittendrin, na sowas.Und ich dreh mich im Kreis und singeüber das ewige Licht,die Blitze ins Nichtsund die gleißende Frage:Wie solls jetzt weitergehen?Das weiß ich doch auch nicht.Das weiß ich doch auch nicht
Es passiert jedem, man kann sie nicht umgehen. Das ist es, was ich mir seit Wochen fleißig erzähle. So oder so ähnlich.
Trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich mich selbst frage, woher dieses Gefühl denn plötzlich kam. Oder kam es gar nicht plötzlich, sondern schleichend? Vor allem seit wann ist es da? Und noch dringlicher, wie geht es wieder weg?
Ich versuche alle Gefühle zu ordnen, um dann alle Gedankengän-ge, alle Möglichkeiten fein säuberlich zu gliedern. Aber scheinbar will das ganze Ding nicht penibel und akkurat organisiert werden. Ärger-
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es war doch so schön
Phase 2 setzt dir „die Rosarote Brille“ auf, schlägt das dicke Foto album der guten alten Zeit auf und lullt dich ein mit Erinnerungsfetzen. Sie flüstern in dein Ohr: „Weißt du noch, damals...? Es hat doch auch sein Gutes“ und „Reiß dich mal zusammen und schau was du da eigentlich aufs Spiel setzt. Ist es wirklich alles so schwer auszuhalten? Du siehst das alles zu schwarz. Eigentlich ist es doch gar nicht so schlimm! Wer weiß denn, ob meine Entscheidung eine Verbesserung wäre?“ Und du stimmst ein: „Alles hat doch immer bestens funktioniert.“ Warum auf einmal alles über den Haufen werfen? Das Alte scheint dir nun besser zu sein, als es je war und du bist dir sicher, das Loslassen Wahnsinn wäre.
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einfach richtig praktisch wäre es, ihn zu hassen.
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Ich könnte mich einfach draußen mit ihm auf eine Decke legen und in den Himmel schauen, um die Vögel zu zählen, vor denen ich Angst habe. So, wie wir das auch immer gemacht haben. Einfach mit jemand anderem im Herbst Kastanien sammeln und im Sommer Muscheln am Strand. Aber ich glaube, ich möchte das überhaupt nicht.
Ich möchte weder mit einem anderen Mojito trinken, nachts an den Strand fahren oder beim Scrabble spielen auf der Terrasse Cornflakes es-sen. Das haben nur wir gemacht.
Doch nun ist er nicht mehr da, hat sich für et-was anderes entschieden. Vieles hat sich seither verändert; keiner ruft mich mehr Lisl oder kitzelt mich, an meinem meiner Meinung nach, viel zu dickem Bauch. Scrabble gerne zu spielen, geht nicht mehr. Liebe? Liebe, die mir seitdem keiner geben kann. Und vor der ich mich sträube, wenn sie mir jemand anders, ein Niemand, zu geben versucht. Ich weiß nicht warum, ich würde es gerne wieder... lieben mit Haut und Haaren. „Lie-be wird zu Schmerz über Nacht“, sang die beste Band der Welt“ und weder du noch ich haben je darüber nachgedacht.“
Das stimmt, es stimmt genau. Doch warum bei uns? Er hat mein Herz zerfetzt, ich glaube Tei-le davon kleben immer noch an dem blöden Ap-felbäumchen, welches wir gemeinsam gepflanzt haben. Weit zurück liegt das. Nur die Erinnerun-gen sind da. Kommen jede Nacht wieder. Manch-mal auch ganz überraschend, wenn ich etwas sehe, was uns verbunden hat oder ich versuche manches zu begreifen.
Ich schlucke das Gefühl, dieses Bittere herun-ter. Wie ein heiße Kartoffel, da sie sonst meinen Mund zu sehr verbrennt. Doch verschwinden tut es nicht. Erinnerungen können fliehen, tauchen aber wieder auf, aus dem Nichts, gewinnen an Gewicht und taumeln die Seele rauf und runter.
Er hat eine andere, eine, die mich hoffentlich nie ersetzten wird. Nein, dass kann sie auch gar nicht. Woher soll sie wissen, dass er gerne Tomate mit Zwiebeln isst, weil Zwiebeln so schön scharf sind und dass er in seinem Kaffee eigentlich gar nicht so viel Milch mag, dass er am Wochenende gerne Stunden im Bett liegt.
Woher soll sie wissen, dass Mohnblumen sei-ne Lieblingsblumen sind und er sich nur für sei-nen Verstand, nicht aber für sein Herz entschie-den hat. Ich war doch immer sein Mädchen und jetzt ist es sie, die mit ihm einschlafen und auf-wachen darf. Sie, der er nachts behutsam über die Stirn streichelt, wenn sie schlecht geträumt hat. Das waren doch ausschließlich Privilegien, die mir zustanden. Natürlich könnte ich jetzt auch irgendwo mit jemand anderem einen Stern auf eine Wand sprühen, doch verdammt noch mal, ich will es nicht. Oder habe ich es mir schon zu sehr eingeredet? Es verletzt mich, ihn vergnügt mit ihr zu sehen. Sie anzusehen, sie ist glücklich. Wer ist das nicht in seiner Gegenwart?
Er hat die Gabe, etwas auszustrahlen, was ge-nau das ist, konnte ich noch nicht herausfinden. Vielleicht sind es seine Augen, in denen ich jedes Mal versinke oder seine zerzausten Haare, seine Ohren, die so schön sind, als wären es gar keine echten. Vielleicht seine Zähne. Der eine, hat eine kleine Ecke verloren, als ihm Silvester, beim Sekt aus der Flasche trinken, ein Freund zu sehr auf die Schulter geklopft hat.
Vielleicht die besondere Art, seine Art und meine Gedanken, an all das, was wir zusam-men erlebt haben. An all das, was er mir bedeu-tet.Sicherlich werde ich später einmal wieder lie-ben können. Und es wird bestimmt etwas kom-men, aber es wird ihn nicht ersetzen können. Das ist auch gut so. Ich möchte niemanden, der ihn ersetzt, das ist eben nicht er. Man kann sich
vielleicht ein neues Pferd kaufen, wenn das alte nicht mehr schnell genug ist, doch ihn, einen so wunder baren Menschen kann man nicht kau-fen. Ich möchte, dass all meine Gedanken und Erinnerungen immer bei mir sind und das wer-den sie, doch ich wünsche mir auch, dass jemand kommt, der mein Herz klaut und es nicht wieder hergibt. Einfach richtig praktisch wäre es, ihn zu hassen. Für all den Kummer, den er mir bereitet, für all die schlaflosen Nächte, die ich hatte und habe und all diese vielen, vielen Bilder in meinem Kopf. Doch es funktioniert nicht. Dazu muss ich mich verändern, mein Leben noch einmal kom-plett umkrempeln und am liebsten aus unserer Stadt verschwinden.
Doch auch das geht nicht. Ich möchte, dass er mich nicht mehr anruft, dass er mir nicht mehr schreibt und mich nie wieder nachts abholt, um am Strand zu spazieren. Er hat sie und wenn er mich will, dann soll er es doch sagen! Denn sonst verletzt es mich, es tut mir weh! Aua! Hört er?
Nein er hört nicht, er kann auch nicht mehr in mich hineinschauen, so wie früher, um mir je-den auch noch so verrückten Wunsch zu erfül-len. Nur ich, ich kann es noch. Und das ist es, was schmerzt. Ich sehe, dass er mit ihr glücklich ist, dass er sie vor allem Unheil beschützen möchte und dass es ihn traurig macht, dass ich nicht auch endlich wieder lachen kann. Aber es geht eben nicht. Also möge er sich bitte damit abfinden und mich ihn noch ein bisschen lieben lassen, damit ich ihn danach endlich hassen kann.
es gibt niemanden, der ihn ersetzen kann, obwohl das natürlich total praktisch wäre.
NIEMAND, DER SO IST
Von Lisa Zucker
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liebe a., wären wir uns damals im frühling 2004 in einem café begegnet oder auf der strasse, wir wären gedankenlos aneinander vorbeigegangen. vielleicht hätte ich mich irgendwann deiner erin-nert, wie man sich an den mann hinten im bus erin-nert oder an die frau, die einem die tür aufhält. du hättest mich für ein pubertierendes mädchen ge-halten, was ich war, damals vor sechs jahren.ich hätte dich nicht gesehen, zu sehr konzentriert auf mein inneres geflecht und den sitz meiner frisur.
wir haben uns ein bisschen aus den augen verloren
Von Jytte Hoffmann
für meine internetfreundin
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wir haben uns ein bisschen aus den augen verloren
Aber wir trafen uns online. Du warst 23, eine junge Frau, ein Jahr älter als ich jetzt und wir akzeptierten uns gesichtslos, alterslos, oft auch intelli-genzlos. Das Schreiben an Dich wurde zu einem alltäglichen, selbstver-ständlichen Ritual. In meinem Kopf warf ich meine Worte an Dich hin und her, jonglierte mit
Deinen auf all meinen Wegen, zum Bahnhof, zur Schule, später zur Uni, nachts betrunken auf der Straße; überall lag ein Wort für Dich, ein Satz, ein Gedanke. Wir schrieben einander über Bob Dylan, beinlose Spinnen und lärmende Hinterhöfe, zitierten Elliot Smith, wiegten uns zu Bright Eyes oder hielten die Köpfe hoch erhoben bei „Got to be real“. Die Jungenna-men wechselten sich ab, wurden Männer, das Leid oder die Freude blieb, je nach dem, Weihnachten kam und wieder Geburtstag. Ich machte Abi-tur, schmiss ein Studium, begann ein neues, bekam ein Kind.
Doch Du bliebst die Konstante in einem unsteten Alltag. Du gingst mit, fort aus dem Haus meiner Kindheit, rein in die Großstadt, raus aus der Großstadt, ich schrieb Dir vor gelben Wänden, vor apricotfarbenen, vor furchtbar kahlen, ich schrieb Dir vom Hamburger Hafen, aus dem Kreuz-berger Internetcafé, heimlich vom Schulcomputer. Ich schrieb Dir des Nachts, früh morgens wie Thomas Mann, ich schrieb Dir weinend, oh, wie
oft schrieb ich Dir weinend; mit hicksendem Stimmchen las ich mir lei-se das Geschriebene vor wie eine Irre. Dir war es egal. Du bist Meine Spra-che von Günter Kunert, Du bist 954 Seiten Word-Dokument, Du bist die betrunkene Stimme an Silvester 2006 im alten Sony Ericsson, Du bist die wunderschöne Handschrift auf Postkarten aus Barcelona, New York und Paris, Du bist Katie aus How to be good. Du sagtest einst: „Es gibt halt Din-ge im Leben, die passieren nicht und wenn sie passieren würden, wären sie wahrscheinlich gar nicht so wunderbar wie der dazugehörige Traum.“ Du bist das Gegenbeispiel, Du bist der Rettungsanker im Strudel der Befind-lichkeiten, meine virtuelle Lösung.
Du bist das Tagebuch, das ich nie hatte. Heute wirst du 30 Jahre alt und wir haben uns ein bisschen aus den Augen verloren das letzte Jahr. Wir entflohen der Diktatur des Verkopfens, wie Du es immer nanntest und le-ben mehr. Und auch wenn das manchmal traurig ist, ist es richtig so.
Denn egal, was das wird mit dem Internet und uns, Dich wird es immer geben für mich hier. Denn Du bist mein online, Du bist meine Playlist, Du bist das Geräusch, das meine Finger machen, wenn sie über die Tastatur haschen. Du bist mein Zuhause in einer vernetzten Welt.
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Du öffnest das Marmeladenglas, du isst morgens nie süß, aber an-ders muss man es mal machen und du hast es schließlich verspro-chen. Dann denkst du an mich, an mein Lieblingsnachthemd, wel-ches ich in den Nächten trage, in denen ich gemütlich bin, zu früh einschlafe. Wenn du dann die Augen schließt und lächelst, betrete ich die Küche, schaue auf die frischen Sem meln, dann direkt in dein Gesicht, suche den Tisch ab.Ich suche nach den Resten der letzten Nacht, nach den dreckigen Rotweingläsern, nach Kerzenwachs und vollen Aschenbechern. Du leckst den Löffel mit der restlichen Maril-lenmarmelade ab, wartest auf Worte.
Ich gebe dir keine. Ich kann dir keine geben, sie sind verschwun-den, mein Kopf nur voll mit Bildern, mit Bildern von letzter Nacht, von den vollen Gläsern, meiner Balkontür, die beim Öffnen so laut knarrt, immer wenn jemand rauchen geht. Es ist dir nicht egal, das merke ich, du schiebst einen Stuhl zurück, damit ich mich setzten kann, ich bezweifle, dass ich das will, setzte mich dennoch. Es geht dir nicht gut, dass sehe ich an den Ringen unter deinen Augen, dei-nen Blick, der in die Leere geht, sich um mich bemüht.
Während ich aufstehe, mir Müsli mache, fängst du an zu reden. Du hast das nicht gewollt, es ist passiert, ja, aber Dinge passieren eben, so ist das, verzeih mir. Ich lecke den Löffel ab, mit dem ich eben Joghurt aus dem viel zu großen Glas holte, drehe mich zu dir um, ich mustere dich, du bist wunderschön. Deine Haare, von der Nacht verspielt, deine grünen Augen, so hoffend. Ich bin die Letzte, die et-was gegen Gefühle hat, denke ich, mit der Müslischüssel in der Hand setzte ich mich auf den Balkon, du lässt mich. Einen Sommer lang teilten wir ein Geheimnis, trafen uns an Ampeln, ich begrüßte dich an Straßenbahnen. An heißen Tagen mit zu viel Wärme verbrach-ten wir unsere Minuten im Bett, du küsstest oft genug meine Stirn,
zu oft, für die Tatsache, dass du auch mit anderen Mädchen schläfst. Deine Worte , für mich nur die ehrlichsten von allen, dein Blick, der mir zusieht, wie ich mit anderen rede, dein Blick, der Bände spricht, wenn du Menschen von mir erzählst.
Die Möglichkeit Gefühle zu teilen, ist ein Privileg, dass jedem ge-geben ist und keiner richtig nutzt. Dein Recht dazu würde ich dir nie-mals absprechen, beharre ich doch selber darauf. Selbst wenn es mit ihr ist. Ich spüre immer noch die Küsse auf meiner Stirn, immer noch deine Hand, die meine Wange streichelt, die vielen Umarmungen, die du einforderst, immer dann, wenn du nicht glauben kannst, dass das alles geschieht.
Mit dir und mir. Deine Stimme, die sich so verletzlich anhört, so-bald du mir sagst, wie schön ich für dich bin, das Vanilleeis, welches du mitbrachtest für warme Tage, die Fotos die du von mir gemacht hast, dein Buch, das ich nicht mochte. Wenn ich wieder rein gehe, werden deine Sachen gepackt sein, in deiner viel zu teuren Tasche, dein Gesicht gewaschen, die Zähne geputzt.
Du wirst nur die Hand heben, wie am Ende unserer ersten Nacht, in der ich mich auf selbe Weise von dir verabschiedete, um dann durch die frühen Stunden des Tages nach Hause zu laufen. Ich ste-he mitten im Raum, in meinem Lieblingsnachthemd, welches nach dir duftet. Ich liebte immer deinen Geruch. Du schließt die Tür hin-ter dir, ich atme tief durch und nehme das Foto von uns vom Kühl-schrank. Ich weiß, wir werden uns wiedersehen. In der Hoffnung, dass Zeiten sich ändern.
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die möglichkeit, gefühle zu teilen, ist ein privileg. dein recht dazu würde ich dir niemals absprechen. selbst wenn es mit ihr ist.
Von Stella M. Pfeifer
in der hoffnung, dass zeiten sich ändern
ich spüre immer noch die küsse auf meiner stirn
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in erinnerungen schwelgen ist wie seltsame sterne anschauen
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in erinnerungen schwelgen ist wie seltsame sterne anschauen
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WAR ES GESTERN ?eigentlich sind wir es müde, jung sein
zu müssen und der körper strotzt nur so vor jugendlichem leichtsinn,
das leben liegt noch vor uns.
Von Laetizia Praiss
wo wir an einer mauer lehnten und der boden ein lebendes organ zu sein schien
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I st das Leben nicht bloß eine Aneinanderket-tung von Zufällen, die nur darauf bedacht sind, dich beim nächsten Mal eiskalt zu er-
wischen? Dich zum Stolpern zu bringen mit ei-nem Gin Tonic in der Hand, mit dem Kinn voran in die Scherben zu stürzen, um Farbe in deinen Alltag zu bringen in jeder möglichen Variation? Gerne höre ich mich halbtrunken raunen:„Du hör mal, ich hab die Müdigkeit um die Ecke ge-bracht und ich vermisse sie schon jetzt und gerne sehe ich mich befreit von gänzlich jeden Zwän-gen irgendwo herumstehen, eben nichts zu tun, denn das ist ein Ding der Unmöglichkeit.“Die Ge-danken gleichen einem Roulette, schwarz, rot, schwarz, rot, schwarz, die Unfähigkeit eine Aus-zeit zu nehmen, das Geld in der Tasche zu lassen, das Gewissen blank poliert und das Lächeln von jeder Schuldfrage befreit, jemand könnte so et-was sagen wie „willst du mit mir gehen?“
Und ich könnte so etwas erwidern wie „Ja möglicherweise, nur meine Fersen habe ich heiß gelaufen und puste ein wenig und frag nicht mehr danach, ich bitt dich drum.“ Die Stille würde unverkennbar von einer Endlosigkeit durchtränkt sein, die auch mir den Atem raubt und wäre es nicht schön einen Moment ganz schweigsam sein, Dasein zu fristen und die Einsamkeit hockt auf unseren Schultern wie eine Eule. Sie schläft nie ein. „Wann hat das bittere Gefühl begon-nen?“, möchte ich fragen und kratze mich an den Ellbogen, obwohl gerade diese Stellen selten zu jucken beginnen und vielleicht begann es in die-ser Bar, in der alles so spottbillig ist, dass man sich kaum traut zu bestellen, aus Angst diese Illusion einer preiswerten Flucht zu zerstören. Doch man kann nicht anders, die Zitronen bröckeln auf der Zunge und lösen den Geschmack des zu warmen Alkohols nicht auf, ihr Saft reicht gerade mal bis zum zweiten Backenzahn und da beginnt man zu verstehen und ergibt sich dem Lauf des angefan-genen Abends. Vielleicht begann es auch in der einen Nacht, in mir wuchs der Drang die Gedan-ken in meinem Kopf in eine Form zu pressen, da-mit sie mich in Ruhe lassen, einmal nur die falti-
ge Haut von mir stülpen und durch die Straßen zu tingeln ohne nennbares Ziel und ohne nennba-res Ende. Also presste ich und jede Silbe hinter-ließ einen Schatten, meine Lippen sind von einer Farblosigkeit ergriffen, die jedes gesprochene Wort monoton klingen lassen und vergänglich. Vielleicht begann es auch später zwischen dieser Nacht und dieser Bar kurz vor der Kollision von Herz und Intensität, des Zusammenstoßes von ich möchte und ich kann nicht, wo ich durch die Straßen tingelte und die Einsamkeit wie ein Uhu klang und mich das nicht verwunderte und ich zu müde war, ihn zu verscheuchen und dennoch kei-nen Schlaf fand und der Drang zu stark brannte, sich zu jeder Zeit verdeutlichen zu können.Viel-leicht existiert auch kein eindeutiges Datum ei-ner Phase, die sich, wie die Flut in der Bretagne so weit ausbreiten kann, dass die Steinmonumente verschluckt werden. Monologe vor verschlosse-ner Türe und Deja vues hinter schwarz getusch-ten Wimpern.
Komm, pack mich am Kragen, schüttele mich so lange bis mir die Prothese im Mund zu unhand-lich wird und ich zu spucken beginne auf deine Segelschuhe, die immer einen Tick zu weiß sind für meinen Geschmack.
Du da, der du nicht in meiner Reichweite tanzt, du da, den ich nur betrachten würde aus sicherer Distanz und wenn du dir eine Zigarette anzün-dest mag ich dich so gerne. Wir reihen uns in die Schlangen ein und warten darauf unsere Män-tel in den Garderoben zu lassen und unsere aktu-ellen Erinnerungen stecken wir Wildfremden zu und vor den Theken hängen wir unsere aufgereg-ten Arme den Zapfhähnen entgegen. Wir nippen an unserem zu wässrigen Bier, als wäre es geseg-netes Gesöff, wir gehen mit wachsamen Augen aneinander vorüber und jeder Schritt hat eine Richtung und doch bewegen wir uns immer nur in einem abgegrenzten Gebiet, nur zugeben würde das keiner. Eigentlich sind wir es müde jung sein zu müssen und der Körper strotzt nur so vor ju-gendlichem Leichtsinn, das Leben liegt noch vor uns und das nächste Bier kriegen wir umsonst, es
schmeckt noch wässriger als das davor, aber wir wissen ja, diese Jahre lebt man nur einmal und wir tun unser Bestes, bevor wir über dem Rinn-stein hängen und die weggesteckten Erinnerun-gen uns sprichwörtlich zum Halse raushängen.
Ja, wir stumpfen ab mit den regelmäßigen Clubgängern im Kanon und wir grölen die Lie-der lauthals mit, bis die Kehle einem Minenfeld gleicht, aufgeraut und zerbombt und das Glas in unserer Hand zu schwer wird und wir erschöpft auf die Straße torkeln und uns erinnern, Bitter-keit hängt uns am Gaumen, wie ein farbloser Schleim. War es gestern, wo wir gegen die Tisch-kanten stießen mit den Hüften voran, weil die Gegenstände im Weg standen und nicht unsere Körper zu waghalsig ein Ziel anpeilten und ver-fehlten, wo das pochende Gefühl unter der tau-ben Hautschicht einen bevorstehenden blauen Fleck signalisierte und ein glühender Funke aus Asche sich durch den Handrücken ätzte?
War es gestern, wo wir an einer Mauer lehn-ten und der Boden ein lebendes Organ zu sein schien und wir den nächst besten umarmten für ein bisschen Wärme, für einen kleinen Kuss, für einen langen Kuss, für ein paar gut gemein-te Sätze, die nicht hängen bleiben wollten, so sehr wir auch versuchten sie zu halten? War die-se Nacht bloß gestern so intensiv, dass es kurze aufblitzende Minuten gab, in denen der Uhu lau-te Geräusche machte, die uns in helle Panik ver-setzten und den letzten Rest Kontrolle mutwil-lig als Schnäppchen verscherbelten und der mor-gen viel zu schnell in den roten Augen brannte und die Müdigkeit sich viel zu schnell in den Kno-chen verteilt hatte, so dass an Schlaf nicht mehr zu denken war und auch nicht mehr ans Wach-bleiben. War es gestern, diese Bitterkeit in unse-ren durchgeschwitzten Klamotten, die uns nicht schlafen ließ und auch heute nicht und als wür-de diese Nacht nicht enden wollen, spüre ich sie noch jetzt sehr deutlich.
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DAMALS Von Marco Schalk
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nichts als gespenster
Was nun? Wie soll ich jetzt weitermachen? Was ist richtig und was ist falsch. Phase 3 zieht dir den Boden unter den Füßen weg. Es herrscht Chaos und Verwirrung. Du bist verunsichert und ratlos. Zu viele unterschiedliche Stimmen schwirren in deinem Kopf herum. Du hast keine Orientierung mehr. Lauter Fragezeichen, wilde Phantasien und gewagte Hypothesen schreien dich an, aber entscheiden kannst du nichts. Du bist frustriert.
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wohin
Humanmedizinverklebt mir das Hirn.Ich denke und denkeund fühl
nicht wohin. verklebt
mir das Hirn.Ich denke und denkeund fühl
nicht wohin. verklebt mir das Hirn.Ich denke und denkeund fühl
nicht wohin.
Ich hab nichts zu sagenich wüsste nicht was.Mich plagen stattdessennur wortlose Fragen.
In Fülle nur Hüllehaltloses Nichts.Gesichter erkenn ichdoch kenn ich sie nicht.
Humanmedizinverklebt mir das Hirn.Ich denke und denke
und fühl nicht wohin.
Von Florian Lott
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können! wollen?
scheitern.
Mir geht es schlecht. Keiner merkt es, man kann es nicht merken, denn eigentlich geht es mir gut. So gut, dass es mir von Tag zu Tag mehr Kummer bereitet. Von außen betrachtet, scheint mein Le-ben ein Traum zu sein. Das Studium läuft super, die Noten sind gut, ich habe eine tolle WG gefun-den, mich super eingelebt und sogar die Finan-zierung dieses gerade begonnenen Lebensabschnitts, von dem man so oft sagt, es sei die schönste Zeit im Leben, ist, BAFöG sei Dank, gesichert. Ein Bilderbuchbeispiel eines Studentenlebens. Ein Traum, mit dem ich nicht glücklich bin.
Ich entwerfe mich selbst, versuche, mir das optimale Leben zu konstruieren, sehe mich im Studium ebenso wie in meinen Freizeitaktivitä-ten wachsen. Ich häufe enorme Mengen von Wissen an, werde besser, schneller, effizienter, kreativer, und ein Ende scheint nicht in Sicht. Aber eines werde ich nicht: glücklich. Ich fühle mich nicht, als durchlebte ich gerade die schöns-te Zeit meines Lebens. Ich fühle mich das erste Mal im Leben wirklich deprimiert. Ich habe Angst. Angst, auf dem falschen Weg zu sein. Angst zu scheitern.
Ich bin multitalentiert, in vielerlei Hinsicht begabt. Ich kann mich ohne Probleme den unter-schiedlichsten Herausforderungen stellen, wer-de zahlreichen Ansprüchen gerecht, manchmal sogar meinen eigenen. Eine Gabe, um die mich viele beneiden. Ein Schicksal, das ich keinem Menschen auf dieser Welt wünschen möchte.
Die Welt steht mir offen, ich könnte mich in so vielen Dingen behaupten, vieles erreichen. Doch ich weiß nicht, was aus mir werden soll.
Mein Leben ist immer perfekt nach Fahrplan verlaufen, alle Entscheidungen waren richtig, die Ergebnisse sehenswert. Dabei blieben Spaß, Feiern und all die Dinge, die das Leben wirklich lebenswert machen, nie auf der Strecke. Im Ge-genteil: Verlauf und Ergebnisse meiner Schulzeit bilden einen äußerst unterhaltsamen Kontrast. Früher wurden Anforderungen an mich gestellt. Heute stelle ich selbst Anforderungen an mich und muss merken, dass nichts so ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hatte nie die Chance, aus Fehlern zu lernen. Diese Tatsache besitzt auf eine seltsame Art und Weise ihre ganz eigene Tragik. Sie macht mir das Leben schwer.
Nach dem Zivildienst habe ich mich für alle möglichen Studiengänge beworben, die in ir-gendeiner Art und Weise mein Interesse wecken könnten. Immer auch mit dem Hintergedanken, endlich eine Schwachstelle finden zu können, für etwas nicht geeignet zu sein, etwas aus-schließen zu können. Ich habe Motivations-schreiben verfasst, Eignungstests absolviert, Vorstellungsgespräche geführt und schließlich Studienplätze angeboten bekommen, für die sich viele eine Zulassung gewünscht hätten. Selbst die ZVS war kein Hindernis.
Ich habe sie alle links liegen gelassen und mich für ein Lehramtsstudium eingeschrieben. Zulassungsfrei. Unspektakulär. Überlaufen. Kei-
ne Eignungstests. Keine Motivationsschreiben. Kein NC. Dafür aber mehr als genug Kommilito-nen, endlose Wartelisten für Seminarplätze und noch endlosere Stundenplanbasteleien in der Hoffnung, ohne allzu viele Überschneidungen und Ausfälle durch das anstehende Semester zu kommen. Ich hätte problemlos besseres bekom-men können. Wollte ich es nicht besser? Wäre et-was anderes überhaupt besser? Zu viele Konjunktive. Zu viele Fragezeichen. Ich nehme sie alle jeden Morgen mit in die Uni. Sie bedrü-cken mich. Sie demotivieren mich. Sie werfen Zweifel auf. Sie stellen meine Zukunft in Frage. Ich stelle meine Zukunft in Frage!
Ich bin unglücklich. Unglücklich auf sehr ho-hem Niveau. Die Ergebnisse der ersten Prüfun-gen sind ausgezeichnet. Doch der Spaß ist verflogen. Ist er das wirklich? Oder habe ich ihn nur begraben unter all den Selbstzweifeln, der Unzufriedenheit, den Fragezeichen und Kon-junktiven? Wäre er wieder da, wenn ich mich einfach nur auf mein Leben einlassen würde? Wenn ich all die Sorgen hinter mir lassen würde, für die es rein faktisch betrachtet sowieso kei-nen Anlass gibt? Oder ist es ein eindeutiges Zei-chen, diesen Weg zu verlassen, bevor die Brücken hinter mir abgebrochen werden und es kein Zurück mehr gibt? Wieder nur Fragezeichen.
Ist es wirklich besser, noch einmal neu zu starten? Den sicheren Hafen zu verlassen und das erträumte Architekturstudium zu wagen,
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gerade in Zeiten, in denen ich immer öfter beobachte, wie Freunde, gescheitert in ihrem Studium, desillusioniert vom vermeintlichen Traumfach, schockiert vom aussichtslosen Arbeitsmarkt, in diesen sicheren Hafen einlaufen und doch Lehrer werden, weil es ja „nichts Schlechtes ist“. Ist es der Traum vom Architekturstudium überhaupt wert, geträumt zu werden? Oder ist er nur eine Seifenblase, die aus dem Ge-danken, es gebe etwas besseres als das Jetzt, etwas, was mich mehr erfüllt, mich glücklicher macht, entstanden ist und die zerplatzen wird, sobald ich versuche, nach ihr zu greifen? Ist die momentane Unzufriedenheit mit dem Weg, den ich gehe, ebenfalls nur aus diesem Gedanken erwachsen? Ich weiß es nicht. Und ich werde es nicht wissen können, bevor ich mich nicht entschieden habe. Ich muss an Schrödingers Katze den-ken. Ich könnte mir eine Zukunft als Lehrer gut vorstellen. Dieser Gedanke wird aber immer begleitet von der Angst, et-was Besseres verpassen zu können. Etwas, das sich die meis-ten viel mehr ersehnen als das Leben eines Lehrers. Etwas, das für mich keine Sehnsucht sein muss, sondern realisierbar wäre, wenn ich mich nur dazu entscheiden könnte, es wahr zu machen.
Noch ist nicht alles vorbei. In diesem Sommer kann ich mich noch einmal bewerben. Noch einmal neu starten. Ei-nen anderen Weg wählen. Es wird der Sommer der Entschei-dung werden. Ich lege mich auf ein Studium fest. Auf einen Beruf. Auf einen Lebensentwurf. Auf meinen Lebensent-wurf! Ich habe Angst vor dem Moment der Entscheidung. Angst, mir später vorwerfen zu müssen, es hätte eine bessere Alternative gegeben. Angst, nie wirklich im Leben anzukom-men. Angst, an mir selbst und meinen Anforderungen zu scheitern. Nichts ist bedrückender als die Freiheit, zwischen allen Möglichkeiten wählen zu dürfen. Alles ist erreichbar, aber nur ein Traum darf gelebt werden. Umtausch ausgeschlossen.
nichts ist bedrückender als die freiheit, zwischen allen möglichkeiten wählen zu dürfen.
Treffe ich diese Ent-Treffe ich diese Entscheidung für mich? können! wollen?
scheitern.
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Ich besitze sogar einen Balkon. Vielleicht könnte ich bemängeln, dass dieser an der Seite des Hauses
klebt, wo täglich Tausende von lauten und leisen Autos vorbeistottern. Mal in langsamen, mal im halsbrecherischen Tempo, vielleicht mit aufgedreh-ter Musikanlage.
Das höre ich schon nicht mehr, wenn ich auf meinem Balkon sitze, den Tauben wie Bierflaschen zu größten Teilen für sich eingenommen haben. Ein kleiner Platz besteht für mich. Ein Sessel. Opas alter Ohrensessel, in den er seinen groben Körper 30 Jahre lang nach seiner Arbeit hat einsinken las-sen. Und wenn ich auf eben diesem sitze, kann ich hinter allem Lärm, der von der Straße zu mir hoch dringt, seine Stimme hören. Eine laute poltern-de, die bereits in seiner Stimmlage sich selbst gerecht wurde.
Endlich Arbeit und Geld verdienen, ruft er. Der Mond lächelt müde auf die mittelgroße Stadt hinunter. Weder Sichel noch Kreis. Ein Püree aus bei-dem. Unfotogen.
Und nach all den Jahren, die ich unterwegs war, in anderen mittelgro-ßen Städten, in fernen Bundesländern, glaube ich an jenen Abenden, die ich hier verbringe, auf diesem Balkon, ein Stück Heimat in meinem rech-ten Knie zu verspüren. Es hält nur kurz an. Vielleicht aber ist es wichtig, dass es da ist.
Tauben gurren in die Nacht hinein. Ein glänzendes überdimensionales Rabentier aus Plastik in wetterfester Optik ist bei Ebay ersteigert worden. Tauben haben ein sogenanntes „Rabengen“. Fest in ihrem Erbgut ist die Furcht vor ebendiesen Feinden verankert.
Heute sitze ich wieder da, in Opas altem Ohrensessel. Bin 25 und alles andere bleibt ebenso bestehen. Das Zweizimmergehäuse wie die Geräu-sche des Innenstadtringes. Es macht mir Angst, dieses alltäglich einkeh-rende Normale. Das Bier am Abend allein. Die Spülberge in meiner Küche. Das morgendliche Aufstehen und zur Arbeit zu gehen.
D as Paradoxon einer verschwenderischen Jugend mit alltäglich neu hinzukommenden Verpflichtungen. Ein Spaghettinest aus beruflichem Perfektionismus, geträumten jugendlichem Aktionismus und Erwartungen des kommenden Lebens.
Es verwirrt mich. Und wie so oft verliere ich wieder den Faden, den roten. Will die Gassen der Nacht stürmen und Sterne anlallen. Der Unbeschwert-heit noch einmal so nahe sein, wie ich es nach der Schule war. In den Tag hineinleben. Vielleicht Karten spielen in einem Park dieser mittelgroßen
Stadt. Mittags in irgendeiner WG Küche sitzen und Espresso aus Ikea Espres-sokannen testen, rauchen und schwelgen. In nur diesem Gefühl. Erwar-tungsvoll der Zukunft ins Auge blicken. Umgeben von dem Duft süßer Kaffeebohnen. Klausuren hinter mich lassen. Lautstark über eben diese re-den. Den Abend auf mich zukommen lassen. Zu wissen, es sind alle da. Jene die Klausuren mitschrieben und jene, die gerade angefangen haben, irgendwas zu studieren. Jene, die noch immer nicht wissen, wohin des Weges. Und zweifelnd an ihrer Bierflasche nippen, Tüten bauen mit einer Normalität, die fast banal ist.
So sitze ich hier auf meinem Balkon, der an der Straßenseite klebt. Jeden Abend aufs Neue. Neben mir mein Bier und eine Portion Sehnsucht, lieblich und herb zugleich auf einem bunten Plastikteller angerichtet. Meine Gedan-ken in der Zukunft. Wieder einmal die Frage, was ich noch alles machen will, werden will und schaffen will. Die Zeit rast und ich schaffe es kaum, sie zu verfolgen. Denke an meinen Beruf. An Gehälter. Manchmal an Aufstiegs-möglichkeiten und weiß dabei, dass ich eigentlich kein Mensch bin, der an ebendiesen Dingen Gedanken verschwenden will. Weglauftendenz nennt Nina diese gedankliche Misere. Dieses Loch in meinem Kopf, das immer mehr Fülle verlangt.
Ich kann es nicht, ruft es manchmal. Such dir was Neues, spricht es zu mir. Wie kreativ warst du einmal, lästert es. Wohin sind deine Träume, deine Vorstellungen und Ideale raunt es. Und ich höre es, suche für zwei Stunden oder mehr lethargisch das World Wide Web ab. Nach anderen Berufen, alten Idealen und bekannten Träumen. Um für einen Moment diese freie Aus-wahl zu genießen.
Fotografie zu studieren. Oder zumindest sowas mit Design. Ich kenne sie alle, diese Seiten. FHs und Ratgeber reihen sich in meine Lesezeichen ein. Finanzierungsmöglichkeiten. Oder doch was Soziales, etwas, dass auf mei-nen Beruf aufbaut. Alles was möglich und annähernd vorstellbar ist, wird geaddet. In Tabs, auf Merkzetteln und in meinem Kopf. Und wenn ich mor-gens aufwache und zur Arbeit laufe, ist es da. Dieses euphorische Gefühl, der kurze Augenblick einer getroffenen Entscheidung, die mich über man-chen Tag rettet. Gemischt mit Lethargie und Einsicht.
So wie es gerade ist, läuft es.Ich habe ein nettes Zweizimmergehäuse inmitten einer Stadt Sie ist
nicht größer als Köln und auch nicht kleiner als Gelsenkirchen. Mein Bal-kon klebt an der Straßenseite. Ich kann es bezahlen und einfach mal so in den Urlaub fahren. Ich verspüre ein existentes Gefühl von Heimat.
ich bin 25, stehe seit einem jahr im berufsleben und bewohne ein günstiges zweizimmer-gehäuse in einer mittelgrossen stadt. alleine.
Von Clara Motta
D
weglauf tendenz
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Hin und wieder sehe ich die Üb-riggebliebenen aus den alten Zeiten. Und ein jeder kämpft mit sich, mal mehr und auch mal weniger. Auch sie haben
noch ihre Träume. Ihre Weglauftendenzen. Manchmal erscheinen sie mir gefestigter. Manchmal fühle ich mich allein mit den Ge-danken an ein berufliches Weglaufen. Manch-mal frage ich mich aber auch, wie hoch die Weglauftendenzen sind, wenn ich einen mei-ner Träume erfülle. Ist sie zu groß, die Idealvorstellung?
Ich sitze auf meinem Balkon, der Mond nimmt ab und er nimmt zu, selten erhasche ich den Augenblick einer perfekten Sichel. Den Augenblick der Klarheit. Gähnend blickt er zu mir hinunter, seine Form ist weder vollendet noch am Anfang.
Ein Püree aus beidem. Und wenn ich ihn ansehe, stelle ich fest, wie unfotogen die-
ser Moment gerade erscheint.
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warum behaupten eigentlich alle in letz-ter zeit, unsere generation sei entscheidungs-unfähig? eine verteidigung der wahlfreiheit.
Von Christoph Koch
ganz entschlossen un-entschlossen
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F
WW as haben wir uns nicht schon alles anhören müssen. Dass wir zu wenig Kinder kriegen. Dass wir Wohlstandskinder sind. Doch die neu
este Anschuldigung ist ein Stachel, der tiefer steckt. Sie greift unser Weltbild an: Immer häufiger wird unsere Generation mit dem Vorwurf konfrontiert, sich nicht entscheiden zu können. Sich nicht festlegen zu wollen. Wankelmütig und unentschlossen zu sein. Die ShellJugendstudie aus dem Jahr 2006 zeigt sich besorgt, dass sich die Generation der 14 – bis 25Jährigen durch mangelnde Entscheidungsfreude »großer Chancen« beraubt. Das kurzfristig auferstandene Zeitgeistblatt »Tempo« geißelt uns als Jeinsager, denen alles so irgendwie halb egal ist. Und eine große deutsche Zeitung ruft die »Generation Option« aus. Doch was, wenn ein Wesenszug dieser Generation – das Aufschieben von Entscheidungen – gar keine Unfähigkeit darstellt? Was, wenn die Bereitschaft, bereit zu bleiben für Neues, eine Tugend ist, aus der Not, der Wirklichkeit, geboren?
Es soll hier nicht um Leute gehen, die stundenlang auf Karten starren und sich nicht entscheiden können, ob sie lieber ein Bier trinken mögen oder einen Gin Tonic. Diese Menschen sind vor allem eins: anstrengend. Es geht hier auch nicht um Leute, die wahllos von Studi-enfach zu Studienfach hüpfen und nicht den Schim-mer einer Ahnung haben, was sie mit ihrem Leben
anfangen sollen. Diese Menschen sind bedauernswert. Nein, hier soll die Rede sein von denen, die durchaus wissen, wohin sie wollen – aber eben auch, dass der Weg kurvenreich sein kann. Und die ahnen, dass die
Welt sich so schnell ändert, dass wir in zehn oder viel-leicht in fünf Jahren schon wieder andere Wünsche ha-
ben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Nicht aus Wankelmütigkeit. Sondern weil sich
die gesellschaftlichen Parameter verändert haben.Dem Drehbuchautor, der von seinem Wunschberuf
noch nicht leben kann und der deshalb dreimal die Wo-che kellnern geht, wird gerne vorgeworfen, er sei halb-herzig. Er solle Flagge zeigen, Schluss machen mit den Kompromissen. Der jungen Designerin, die mit ihren Verkäufen im Moment gerade ihre Kosten deckt und
die deshalb halbtags in einem Callcenter arbeitet, hal-ten andere gerne fehlenden Idealismus, einen Mangel an Mut, ein Minus an Entschlusskraft vor. Dabei haben beide eine klare Entscheidung getroffen: zu versuchen, das zu tun, was sie wirklich, wirklich wollen – auch zu dem Preis, zumindest zeitweise einer ungeliebten Tä-
tigkeit nachzugehen.»Kannst du dich nicht endlich mal verbindlich ent-
scheiden?«, fragte die Hamburger Band Die Sterne vor zehn Jahren in einem Song – und diese Forderung hört
man heute öfter denn je. Sie an die beiden beschriebenen Doppeljobber zu richten, bedeutet im Grunde, dass der Autor einen Job annehmen müsste,
bei dem er für Sat1 schlechte Comedyserien mit halbgaren Pointen ver-sieht. Dass die Designerin die Nähmaschine in den Schrank räumen sollte
und Vollzeit im Callcenter anheuert. Beides kann zu einem geregelteren Leben führen – aber mit ziemlicher Sicherheit auch zu Unzufriedenheit,
Selbsthass und einem Leben in stiller Verzweiflung.Darüber, wie viele Menschen in zweigleisigen Arbeitsverhältnissen le-
ben und ihre Zeit zwischen reinem Broterwerb und leidenschaftlicher Tä-tigkeit aufteilen, gibt es keine genauen Zahlen. Ein guter Indikator dafür, dass es ständig mehr werden, ist die Künstlersozialkasse (KSK). Hier kön-nen sich freiberufliche Künstler günstig sozialversichern – 2006 machten über 154 000 Deutsche von diesem Angebot Ge – brauch, mehr als dreimal so viele wie fünfzehn Jahre zuvor. Dass dieser Zuwachs nicht durch schwer reiche Bildhauer und überbezahlte Bestsellerautoren zustande kam, sondern eher durch »Durchwurstler«, zeigt das Durchschnittsein-kommen der Versicherten: weniger als 1000 Euro pro Monat.
F rüher war wie immer alles einfacher – alle waren sich einig, was es zu erreichen galt (Festanstellung, Kinder, Eigenheim) und wie man
es erreichte (gute Noten, Verlobung, Bausparvertrag). Das war klar – aber nicht unbedingt gut. Nach den Zeiten, in denen ein Sohn den
Beruf seines Vaters übernehmen musste und Frauen sowieso nicht gefragt wurden, was sie mit ihrem Leben jenseits eines Mutterdaseins anfangen woll
ten, sehnt sich jedenfalls niemand zurück. Ebenso wenig nach der Zeit, in der man sich als junger Mensch entscheiden musste, ob man Popper sein wollte
oder nicht. Doch genau an diese überholten Abgrenzungen aus den 80ern erinnert der Befehl an unsere Generation, jetzt doch bitte mal das Herumspielen
sein zu lassen und sich mit Haut und Haaren der einen Karriere zu verschreiben, die man gerade ergattern kann. Der Essayist Paul Graham plädiert indes
für das exakte Gegenteil: In seinem Aufsatz »How To Do What You Love« wirbt er dafür, sich nicht mit weniger zufriedenzugeben als mit dem Job, den man
liebt. Und gibt offen zu, dass man unter Umständen 30 oder 40 Jahre alt werden muss, um dieses Ziel zu erreichen. »Entscheidet euch nicht zu früh«, rät er.
»Kinder, die schon früh wissen, was sie später tun wollen, wirken beeindruckend, so, als ob sie eine Matheaufgabe vor allen anderen Kindern gelöst hätten. Sicher, sie haben eine Antwort, doch die Chance, dass sie falsch liegen, ist
hoch.« Graham plädiert dafür, beim Design des Lebens auf dieselben Dinge zu vertrauen wie alle Designer: auf flexible Werkstoffe.
Es geht ja nicht nur um die Berufswahl, sondern um die gute alte Frage: »Wie will ich leben?« Die Extreme haben dabei die Generationen vor uns bereits ausgelotet, sei es in Form der durchpolitisierten 60er Jahre oder in der hedonistischen Variante der 80er. Aus beidem haben wir gelernt. Wir haben verstanden, dass auf ein paar zusammengeschobenen Holzpalet-ten ebenso unerträgliche Idioten schlafen können wie auf feinstem Da-mast. Aber auf beidem eben auch kluge und liebenswerte Geschöpfe.Wir haben gelernt, die Extreme zu meiden – oder spielerisch mit ihnen umzugehen. Das mag den Befürwortern radikaler Entscheidungen wie fragwürdiges Wischiwaschi vorkommen. Aber ist es nicht weit weniger fragwürdig zu versuchen, menschenwürdig über die Runden zu kommen, als eine stringente, kon-sequent geplante und durchgezogene Karriere als Fili-alleiter zu verfolgen? Der Gedanke, sich so früh wie möglich auf
ganz entschlossen un-entschlossen
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einen Lebensentwurf festzulegen, ist nicht nur absurd, er ist auch gefähr-lich. Sicher können wir schon während unserer Schulzeit Neigungen und Begabungen feststellen. Doch selbst nach einer Handvoll Praktika wissen wir im Grunde wenig darüber, wie es wirklich ist, in diesem oder jenem Beruf ein Leben lang zu arbeiten. Warum sollten wir also gezwungen wer-den, uns verbindlich auf einen festzulegen? Die Studie »Globalife«, die fünf Jahre lang Lebenslaufentscheidungen in einer globalisierten Welt untersucht hat, verteidigt diejenigen, die sich dafür entscheiden, sich Op-tionen offenzuhalten – im beruflichen wie im privaten Bereich. Die Wei-gerung, sich fest zu binden, entspringe nicht, wie so oft behauptet, einer unsozialen Selbstsucht, so der Studienleiter Hans-Peter Blossfeld, sondern stelle einen vernünftigen Selbstschutz dar. Angesichts des dramatischen Wandels, den die Globalisierung mit sich bringt, ist der Wunsch nach Fle-xibilität verständlich. Auch Holm Friebe, der zusammen mit Sascha Lobo das Buch »Wir nennen es Arbeit« geschrieben hat, bricht eine Lanze für die Entscheidung, sich erst mal noch nicht zu entscheiden. »Zweigleisig zu fahren mit einer Tätigkeit, die einem Spaß macht, aber noch kein Geld bringt und einem Graubrotjob, der die Miete zahlt, kann ein sinnvolles Modell sein«, erklärt der Autor. »Ich halte es nur für wichtig, dass man sich einen Graubrotjob sucht, der nicht zu viel Spaß macht. Sonst besteht die Gefahr, dass man sich irgendwann damit zufriedengibt und das eigentli-che Ziel aus den Augen verliert.«
Natürlich wäre es schön, wenn alle Menschen das tun könnten, was sie wollen. Wenn das Geld vom Himmel fiele. Wenn niemand Jobs annehmen müsste, um die Miete zu bezahlen. Doch als wir das letzte Mal nachgesehen haben, war dieser Zustand nicht in Sicht. Und so lange dies nicht so ist, sind wir gut beraten, wenn wir denen, die uns ihre eigene Unfreiheit aufzwingen wollen, ein Schnippchen schlagen. Und dafür die Freiheiten, die uns gege-ben sind, so intensiv wie möglich umarmen. Mit Unentschlossenheit und schwacher Willenskraft hat das nichts zu tun. Sondern nur mit der Er-kenntnis, dass ein Weg nicht automatisch der richtige ist, nur weil es ein gerader ist. Wenn er uns an einen Ort führt, an dem wir nicht sein wollen, nehmen wir lieber die Serpentinenstraße.
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was die angst so treibt, wenn sie nicht mehr wei-
ter weiss
„Trinken wir auf die Zukunft“, sprach der Wunsch. „Nä...auf die trink ich nicht“, sprach die Angst miesepetrig, „wollte mich gestern mit ihr treffen, nur auf Drängen vom Optimismus, doch sie kam nicht und entschuldigte sich noch nicht einmal! War wahrscheinlich mit dem Schicksal wieder ei-nen heben! Die Nuss.“
„Richtig so!“ lallte der Pessimismus, „auf die kann man sich doch nicht verlassen! Die kapiert ja doch nicht, dass das Schicksal nur mit dem Rad spielen will, was die damals von Fortuna bekommen hat. Pah, lässt sich auf der Nase rumtanzen. Dabei macht das Schicksal, was es will, und die Zukunft macht da auch noch mit...pfui!“ „Nanana?“, zwitscherte der Froh-sinn, „Die Zukunft wird schon einen guten Grund gehabt haben. Ach Angst, vergiss es doch einfach und trink mit uns ein Glas Euphorie! Ganz bestimmt geht‘s dir danach besser“
„Oh nein“, antwortete jammernd die Angst. „Hab mich erst gestern fla-schenweise mit Euphorie abgeschossen. Dachte mir ja schon, dass die Zu-kunft nicht zu unserem Treffen kommt und wollte mich anderweitig beschäftigen, als auf sie warten zu müssen. Ich war so aus der Sphäre, dass mich doch glatt die Realität wieder runter holen musste. Und die hat mir so in s Gewissen geredet über den Missbrauch von Euphorie, dass ich gleich die Furcht angerufen hab und die mich dann nach Hause bringen musste.“
„Ach, in Maßen kann das jeder genießen – du sollst es ja auch nicht gleich übertreiben“ jauchzte der Frohsinn und kippte die Euphorie runter.
„Ich wollte ja auch nicht soviel davon nehmen, aber die Sucht und der Wahnsinn haben mir immer wieder einen ausgegeben!“ verteidigte sich
die Angst „Auf diese Idioten hört man doch auch nicht, Angst! Die küm-mern sich nur um ihren Schweinehund und sonst um niemanden! Mir scheint, du hast grade zuviel mit der Naivität zu tun“, mischte sich da wie-der volltrunken der Pessimismus zu Wort.
„Spinnst du? Die Naivität ruft mich zwar immer wieder an und will was unternehmen – aber ich komm nicht wirklich mit ihr klar. Deswegen hat der Optimismus mir ja auch geraten, mit der Zukunft zu reden ... weil ... weißt du ... ich hab mich n bisschen in das Leben verguckt ... aber ich weiß einfach nicht wie ich es ansprechen soll ... und die Naivität nervt mich ein-fach nur ... deswegen sollte mir die Zukunft ja ein paar Tipps geben, wie ich am besten das Leben ansprechen kann.“
„Hmm, darf ich mich mal einmischen? Hab grade etwas gelauscht“, gab die Motivation zu und beugte sich vom Nachbartisch herüber. „Also ich kenn ja die Zukunft ganz gut, wir arbeiten öfter an gemeinsamen Projek-ten... und eins muss ich dann doch sagen... Liebe Angst, die Zukunft kann dir auch nicht weiterhelfen, die ist sehr beschäftigt und schnelllebig. Das musst du selber rausfinden, wie du dem Leben begegnen könntest. Versuch s doch einfach mal und packe es am Kragen und beginnen mor-gen noch mal neu.“ „Was mischst du dich denn da ein?“ fragte der Pessi-mismus. „Hast doch selber keine Ahnung von Nichts, willst dich überall dazwischen drängen und verschwindest jedes Mal schnell, wenn s wich-tig wird! Und die Muse ist auch nicht besser! Unstetig seid ihr, nichts anderes!“
„Wollte ja nur helfen, ich geh ja schon wieder“, mur-melte die Motivation und trottete Richtung Bar
„Bring doch alles nichts“, nuschelte der Pessimismus, „ich hol mir mal‘n
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wenn emotionen einen trinken gehen. Antje Willig
kräftigen schwarzen vom Humor“ und schlurfte grummelnd Richtung Theke, an der grade der Humor von seinem Frühstück mit dem Clown berichtete. „Toll, jetzt sitz ich wieder hier alleine rum und weiß immer noch nicht, wie ich das Leben ansprechen soll“, dachte sich die Angst und rutschte tiefer in ih-ren Sitz.
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Und so wie es war, soll es nie wieder sein. Und so wie es ist, darf es nicht bleiben. Und wie es dann wird, kann vielleicht nur der bucklige Winter entscheiden
fast jeden tag irre ich wie einer herum der nicht weis wo er ankommen will und wo er sich jetzt am liebsten aufhalten will. selbst diese banalen dinge, wo will ich hin, was macht mich für den augenblick glücklich bin ich nicht in der lage zu beantworten. seit sie weg ist und mein herz mitgenommen hat scheint alles um mich herum nur da zu sein. mitzuleben aber nicht meinetwegen sondern wegen irgend jemanden
jeden tag dort zu sein. selbst dann sieht die welt aus wie je-den morgen. grau. wie in meinem herzen alles grau ist.
ich blicke da nicht mehr durch was das alles soll. wofür lebt der einzelne wofür. erzählen lasse ich mir vielles wofür ande-re leben aber denken die wirklich mal ne minute drüber nach wozu das alles. ich lebte mal für die eine person die mir alles war. seit vielen monaten und einem jahr dazwischen ist es immer noch so, dass mein herz nicht zurück kommt und im-
jeden tag dort zu sein. selbst dann sieht die welt aus wie jeden morgen. grau. wie in meinem herzen alles grau ist.
ich blicke da nicht mehr durch was das alles soll. wofür lebt der einzelne wofür. erzählen lasse ich mir vielles wofür andere leben aber denken die wirklich mal ne minute drüber nach wozu das alles. ich lebte mal für die eine person die mir alles war. seit vielen monaten und einem jahr dazwischen ist es immer noch so, dass mein herz nicht zurück kommt und immer noch an ihr
jeden tag dort zu sein. selbst dann sieht die welt aus wie je-den morgen. grau. wie in meinem herzen alles grau ist.
ich blicke da nicht mehr durch was das alles soll. wofür lebt der einzelne wofür. erzählen lasse ich mir vielles wofür ande-re leben aber denken die wirklich mal ne minute drüber nach wozu das alles. ich lebte mal für die eine person die mir alles war. seit vielen monaten und einem jahr dazwischen ist es immer noch so, dass mein herz nicht zurück kommt und im-
und doch brauche ich zeit
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.Ich bin multitalentiert, in
vielerlei Hinsicht begabt. Ich kann mich ohne Probleme
den unterschiedlichsten Heraus-forderungen stellen, werde zahl-reichen Ansprüchen gerecht, manchmal sogar meinen eigenen. Eine Gabe, um die mich viele be-neiden. Ein Schicksal, das ich kei-nem Menschen auf dieser Welt wünschen möchte. Die Welt steht mir offen, ich könnte mich in so vielen Dingen behaupten, vieles erreichen. Doch ich weiß nicht, was aus mir werden soll.
Mein Leben ist immer perfekt nach Fahrplan verlaufen, alle Ent-scheidungen waren richtig, die Er-gebnisse sehenswert. Dabei blieben Spaß, Feiern und all die Dinge, die das Leben wirklich le-benswert machen, nie auf der Strecke. Im Gegenteil: Verlauf und Ergebnisse meiner Schulzeit bil-den einen äußerst unterhaltsa-men Kontrast. Früher wurden Anforderungen an mich gestellt. Heute stelle ich selbst Anforde-rungen an mich und muss mer-ken, dass nichts so ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hatte nie die Chance, aus Fehlern zu lernen. Diese Tatsache besitzt auf eine seltsame Art und Weise ihre ganz
wird, sobald ich versuche, nach ihr zu greifen? Ist die mo-mentane Unzufriedenheit mit dem Weg, den ich gehe, eben-falls nur aus diesem Gedanken erwachsen? Ich weiß es nicht. Und ich werde es nicht wissen können, bevor ich mich nicht entschieden habe. Ich muss an Schrödingers Katze denken. Ich könnte mir eine Zukunft als Lehrer gut vorstellen. Dieser Ge-danke wird aber immer beglei-tet von der Angst, etwas Besseres verpassen zu können. Etwas, das sich die meisten viel mehr ersehnen als das Leben ei-nes Lehrers. Etwas, das für mich keine Sehnsucht sein muss, son-dern realisierbar wäre, wenn ich mich nur dazu entscheiden könnte, es wahr zu machen.
Noch ist nicht alles vorbei. In diesem Sommer kann ich mich noch einmal bewerben. Noch einmal neu starten. Einen ande-ren Weg wählen. Es wird der Sommer der Entscheidung wer-den. Ich lege mich auf ein Studi-um fest. Auf einen Beruf. Auf einen Lebensentwurf. Auf mei-nen Lebensentwurf! Ich habe Angst vor dem Moment der Ent-scheidung. Angst, mir später vorwerfen zu müssen, es hätte
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u n d w e n n d u k u r z d a v o r b i s t , k u r z
v o r d e m f a l l , u n d w e n n d u d e n k s t , „ f u c k i t a l l ! “ u n d
w e n n d u n i c h t w e i s s t , w i e s o l l e s w e i t e r g e h e n :
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phase 3
alles neu
In Phase 4 lichtet sich der Nebel. Du witterst Morgenluft und beginnst an die Realisierbarkeit von Möglichkeiten zu glauben. Wege werden plötzlich sichtbar, der Blick weitet sich. Du kannst klarer sehen und fasst wieder Mut, um einen Neuanfang zu wagen. Das Hinund Her hat ein Ende und bald kannst du konkrete Pläne umsetzen. Keine Verdrängung mehr. Du atmest auf. Alles was erst so mühsam war, ist jetzt ganz einfach. Du fühlst dich bereit und voller Tatendrang. Deine Neugier ist wieder da. Es kribbelt in deinen Fingern, du hast Pläne und bist gefangen von dem Zauber des Neuanfangs.
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Streng genommen hatte ich
unverschämtes Glück. Ich habe Ger-
manistik studiert, obwohl mir alle
sagten, man könne damit bestenfalls
Taxifahrer werden, und obwohl der
einzige Geisteswissenschaftler beim
Berufsorientierungstag in der Ober-
stufe mit unglaublich temperaments-
loser Stimme darauf hingewiesen
hatte, man könne auch als Germanist
einen Job finden, als Beipackzettel-
texter für einen Pharmakonzern zum
Beispiel. Die Mentorin in der Studie-
neinführungswoche war ein ähnli-
ches Energiebündel und legte uns vor
allem nahe, am Anfang bloß nicht zu
viele Seminare zu belegen – ich wun-
derte mich nicht, dass ich sie, die zu
Beginn meines Studiums im neunten
Semester gewesen war, gegen Ende
meiner Magisterprüfungsphase im-
mer noch auf dem Campus sah.
Dass ich mich von diesen beiden ers
ten Geisteswissenschaftlern, die ich ken
nen lernte, nicht abschrecken ließ, kann ich
heute nur bestaunen. Ich studierte mich
also durch den Magister, belegte die Einfüh
rung in die Literaturwissenschaft in jedem
meiner drei Fächer einmal, lernte etwas über
Rilke, Nerval, Brecht und Whitman, über
setzte, schrieb Hausarbeiten und machte
ein Verlagspraktikum, bei dem ich meinen
späteren Freund kennen lernte. Im Gegen
satz zu den meisten männlichen Germanis
ten wollte ich nämlich später bei einem Ver
lag arbeiten – es scheint ein Naturgesetz
zu geben, das besagt, dass männliche Ger
manisten an der Uni bleiben und Professo
ren werden, was dazu führt, dass in einem
zu achtzig Prozent von Frauen studierten
Fach fast alle Dozenten männlich sind. Die
Frauen dagegen gehen offensichtlich lieber
in die freie Wirtschaft, um sich in PRAgen
turen, Verlagen und Zeitungsredaktionen
für wenig Geld ausbeuten zu lassen.
Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass
die Einstiegsgehälter unterirdisch sind. Um
als Absolvent eine Verlagsstelle zu bekom
men, muss man erst einmal ein Volontariat
machen, das bei den meisten Verlagen mit
weit unter 1.000, Euro brutto bezahlt wird
(und auch später wird man nicht gerade
reich). Dafür darf man dann aber gern Über
stunden machen. Bei einem Vorstellungs
gespräch in Hamburg bot man mir, elegant
auf den Hafen blickend, ein Gehalt von 500,
Euro an, betonte, ich müsse dafür natür
lich besonderes Engagement zeigen, und
wunderte sich, dass ich am nächsten Tag
absagte. Dieses Ausbeutersystem funktio
niert so gut, weil erstens so viele Germanis
tinnen in die Verlage wollen und zweitens
kaum jemand weiß, wie viel Geld anderswo
bezahlt wird, und somit auch kaum jemand
verhandelt. Ich hatte, wie oben erwähnt,
unverschämtes Glück, da ich erstens einen
Verlag fand, der mir sympathisch war und
mir zudem ein menschenwürdiges Volon
tariatsgehalt zahlte, und zweitens dort nach
dem Volontariat auch noch bleiben durfte –
unbefristet. Gibt es das heutzutage eigent
lich noch?
An dieser Stelle kommt nun aber der Esel
ins Spiel, der aufs Eis geht, um zu tanzen. Ich
könnte mich ja zurücklehnen – feste Verhält
nisse, eine Stelle, die dem entspricht, was ich
mir immer vorgestellt habe, Freunde, feste
Beziehung zu einem Menschen, der auch
noch in der gleichen Stadt wohnt – alles da.
Meine Freunde, wenn es ihnen ähnlich geht,
fangen an, Häuser zu bauen und zu heiraten.
Und plötzlich fängt die Decke nach vier Jah
ren im gleichen Job an, mir auf den Kopf zu
fallen. Die entspannte Arbeitsatmosphäre
ohne Überstunden oder ähnlichen Stress
wird zur Langeweile, die netten, etwas uri
gen Kollegen gehen mir auf die Nerven, die
Arbeit, die mir immer so gut gefiel, weil sie
so weit
entfernt war von den miefigen Strukturen
der Universität, ist mir auf einmal zu abseits
von meinem Studium. Was ich den ganzen
Tag über tue, ist organisieren, koordinieren,
EMails schreiben, Druckaufträge erteilen,
telefonieren, verhandeln und Verträge auf
setzen, statt zu lesen oder zu schreiben –
wie sich das andere Menschen vorstellen,
wenn man sagt, man arbeite im Verlag.
In meiner Firma gibt es noch nicht ein
mal ein Lektorat, wir produzieren und ver
kaufen lediglich etwas, das Buch heißt und
nicht Sonnenschirm oder Turnschuh.
Bisher hat mich das nicht gestört, doch
plötzlich will ich Text, als hätte ich nicht
genügend Bücher zu Hause stehen. Zwar
will ich nicht an die Uni zurück, aber ich will
lesen, und wenn es nur Korrekturlesen ist,
ich will schreiben, übersetzen, umgestal
ten, und zwar am liebsten alles auf einmal,
und dann bewerbe ich mich bei allen mög
lichen Unternehmen um eine der raren Lek
toratsstellen und überlege mir gleichzeitig,
meine Arbeitszeit in meiner aktuellen Firma
zu reduzieren, um nebenher übersetzen
zu können. Dass bisher weder jemand auf
meine Bewerbung reagiert noch mir einen
einzigen Übersetzungsauftrag erteilt hat,
bringt mich leider nur kurzfristig aus dem
Konzept, ebenso wenig wie die Tatsache,
dass es sehr unwahrscheinlich ist, eine Stelle
hier in der Gegend zu finden, die am besten
auch noch unbefristet ist. Leider habe ich
offensichtlich ein strukturelles Problem –
nach einigen Jahren des Wohlbefindens
muss ich mich häuten wie eine Schlange
und etwas Neues tun, ob das nun sinnvoll ist
oder nicht. Vielleicht sollte ich mal ein Buch
darüber schreiben.
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dankeIch danke allen, die an diesem Magazin mitgearbeitet haben. Besonderer Dank geht an Daniela Hensel, Prof. Jürgen Huber, Gisela Matthes, Tobias Machhaus, Sin-U Ko und allen Autoren.
bilderDennis Williamson / Quelle williamson-foto.de .....................................61, 62Drunkenbutterfly/ Quelle photocase.de ................................................................1Ig3l / Quelle photocase.de ........................................................................................... 31Jadon / Quelle photocase.de ...................................................................................... 12JingleT / Quelle photocase.de .............................................................................63, 64Kobierski / Quelle photocase.de ............................................................................... 82Konstanze Krüger ...............................................................................18, 21 33/34, 35,
39/40, 41, 44, 45/46, 78, 83Leicagirl / Quelle photocase.de ...................................................................29/30, 60Madochab/ Quelle photocase.de ............................................................................ 38Mella/ Quelle photocase.de ............................................................................5, 23/24Mister QM/ Quelle photocase.de ............................................................................ 48Muffinmaker/ Quelle photocase.de............................................7, 10, 25, 27, 49,
57/58,Nadine Platzek/ Quelle photocase.de ............................................................ 89/90Style FM/ Quelle photocase.de ................................................................................. 55Tobias Machhaus/ Quelle machhaus.com .................. 26, 50, 51, 57/58, 67,
71/72, 79Una.Knipsonelina/ Quelle photocase.de ............................................................. 17Warnermusic .................................................................................................................... 73
„Ein Neuanfang“ (S. 76/77) aus dem Buch „Schöner Irrsinn – Die Ahnung von der Unvollkommenheit“ von Felix Wetzel, erschienen im wort handel: verlag, 1. Auflage im Juni 2010, ISBN 978-3935259187
Berlin 2011
transform # 1 körper
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