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Unbundling in der Gaswirtschaft
Christian Growitsch
Marcus Stronzik
TU Clausthal11.01.2010
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Gliederung
1. Gaswirtschaft2. Unbundling3. Fragestellung4. Bisherige Empirie5. Daten6. Methodik7. Ergebnisse8. Fazit
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GaswirtschaftWertschöpfungskette
3
GaswirtschaftGasproduktion und Gasverbrauch
0%
20%
40%
60%
80%
1980 1985 1990 1995 2000 2005Consumption Production
4
GaswirtschaftImportabhängigkeit
5
GaswirtschaftTransportrouten
6
GaswirtschaftSpeicher
Importe
Inländische Produktion
Einspeicherung
Kältester Tag
Wärmster Tag
Gas
verb
rauc
h / T
ag
Importe und inl. Produktion
1.1. 31.12.
GasnachfrageG
asve
rbra
uch
/ Tag
Ausspeicherung
Kältester Tag
Wärmster Tag
7
GaswirtschaftAkteure
8
UnbundlingRegulierung von Netzwerkindustrien
• In der EU soll lediglich die Netzwirtschaft reguliert werden –der Bereich des Energiesektors, in dem Tendenzen zum natürlichen Monopol bestehen
• Dagegen sollen die Sektoren Erzeugung, Handel und damit auch die Versorgung der Endkunden wettbewerblich betrieben werden
• Problem: Netzmonopolist weiterhin als Anbieter auf der Endkundenebene aktiv –Diskriminierung von Konkurrenten und Konsumenten durch Kontrolle über Infrastruktur möglich
Endkundenmarkt
Händler
Netzzugangsbedingungenen
Netz-betreiber
Händler
NatürlichesMonopol
Wettbewerbs-Bereich
Händler
Der entbündelte Netzbetreiber im Wettbewerb
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UnbundlingNetzzugangsbedingungen - Diskriminierungspotenzial
• Preis • Quersubventionierung der wettbewerblichen Bereiche durch
überhöhte Netznutzungsentgelte • Subtraktionstest: Endkundenpreis – NNE – Commoditypreis =
Vertriebsmarge• viele Gebiete in D nicht angreifbar wegen negativer
Vertriebsmargen für Wettbewerber• Nicht-tarifär
• Verweigerung der Durchleitung bzw. des Netzzugangs • begrenzte Transportkapazitäten: rein physikalisch bereits
problematisch• „closed shop“
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UnbundlingFormen
• Vertikale Separierung = Entflechtung = Unbundling• Trennung des Netzes von den anderen Teilen der Wertschöpfungskette
(Förderung/Import, Großhandel, Endkunden)• Transport (Hochdruck): TSO (E.ON)• Verteilung: DSO (Stadtwerke Emden)
• Vermeidung von Interessenskonflikten • Formen (zunehmende Rigidität)
• Buchhalterische Entflechtung (Accounting Unbundling): separate Konten
• Gesellschaftsrechtliche Entflechtung (Legal Unbundling): separate Unternehmen, aber gemeinsamer Eigentümer
• Eigentumsrechtliche Entflechtung (Ownership Unbundling): separate Eigentümer
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UnbundlingTheoretische Vorteile
• Ziel: Wohlfahrtsmaximierung Vermeidung von Monopolgewinnen
• Annahme: je rigider die Entflechtung, desto größer die Vorteile
• diskriminierungsfreier Netzzugang: Verringerung des Diskriminierungspotenzials für Netzbetreiber über Quersubventionierung
• Vereinfachtes Regulierungshandling wegen klarerer Trennung zwischen Netz und anderen Bereichen (z.B. Kostenkontrolle)
• Stimulation von Markteintritten aufgrund des verbesserten Netzzugangs
• Erhöhung des Wettbewerbs durch (potenzielle) Marktzutritte
• Reduzierung der Endkundenpreise
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UnbundlingTheoretische Nachteile
• Verlust von Verbundvorteilen- Keine integrierte Planung mehr entlang der Wertschöpfungskette- Verlust an Informationen (z.B. über zukünftigen Absatz „open
season“-Verfahren)- Reduzierter Investitionsanreiz
• Gefahr einer doppelten Marginalisierung - oligopolistischen Strukturen in anderen Bereichen der
Wertschöpfungskette (z.B. Import/Produktion)- Doppeltes Mark-up anstatt einmaligem Aufschlag bei integriertem
Monopolisten• Höhere Kapitalkosten
- Portfolioeffekt aus Netz und anderen Assets- Reduzierter Investitionsanreiz
Raum für empirische Analyse: Was überwiegt?
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FragestellungEU-Kontext
• Wesentliche Schritte des europäischen Liberalisierungsprozesses• Erste Gasdirektive 1998: viele Wahlmöglichkeiten für Mitgliedsstaaten
• Stufenweise Marktöffnung (Wahlmöglichkeit für Endkunden) • Regulierter oder verhandelter Netzzugang (Third Party Access,
TPA)• Mindestanforderung: buchhalterische Entflechtung
Fragmentierter Markt, kaum WettbewerbDeutschland als „Nachzügler“ (nTPA, AU), UK und NDL als Vorreiter (rTPA, OU)
• Zweite Gasdirektive 2003: Prozessbeschleunigung• Vollständige Marktöffnung bis 2007• Regulierter Netzzugang verbindlich• Gesellschaftsrechtliche Entflechtung
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FragestellungEU-Kontext
• Zweite Gasdirektive (Forts.)Sector Inquiry 2006/7Netzzugangsprobleme: gebuchte aber nicht nominierte Kapazitäten Kapazitätshortung Keine festen freien Kapazitäten für Dritte buchbar („red lights“)Kaum funktionsfähige Sekundärmärkte für Transport- und SpeicherkapazitätenGeringe Wechselraten, Vermutung von Marktmachtmisbrauch
• Drittes Richtlinienpacket• Kommission für OU von TSOs• Gegenposition: D und FRA (zu weit reichend)
Kompromiss April 2009: OU + 2 Formen des Legal UnbundlingsOU geeignet, um Wettbewerb zu befördern?
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FragestellungEndkundenpreise (Haushalte)
0
200
400
600
800
1989 1994 1999 2004
USD
/107 k
cal
NDLUKSPAGER
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Fragestellung
• Endkundenpreise für Haushalte• Leichte Konvergenz• Unterschiedliche Entwicklung über die Zeit: NDL vs. UK
• Was sind die Ursachen für diese Entwicklungen?• Welche regulatorischen Maßnahmen sind erfolgreich?
• Erfolg: Endkundenpreise als Maßstab für Wohlfahrtseffekte• Verbesserung der sektoralen Wettbewerbssituation
Reduktion der Endkundenpreise• Vergleich mehrerer Länder über die Zeit = Panel (D:
unsymmetrisch)• Einflussfaktoren: Berücksichtigung von Länderspezifika
(„kontrolliert für …“)• Speziell: Hat Ownership Unbundling (TSO) eine
wettbewerbsfördernde Wirkung? Isolierung dieses Effektes
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Bisherige Empirie
Study Coverage List of Variables Model Countries Sector(s) Time Exogenous Regulatory Indicators Control Variables Steiner (2001) 19 OECD Electricity 1986 -
1996 • End-user prices • Price level industry • Price ratio
• Sector performance
• OECD Database • Power Exchange • Time
• GDP • Share of nuclear power • Share of hydro • Urbanisation
• RE • FE
Hattori / Tsutsui (2004)
19 OECD Electricity 1987 - 1999
• End-user prices • Price level industry • Price ratio
• OECD Database • Power Exchange • Time
• GDP • Share of nuclear power • Share of hydro
• RE • FE
Alesina et al. (2005)
21 OECD 3 Network industries incl. energy
1975 - 1996
• Investments • Capital stock
• OECD Database • Lags
• Dummies (year, sector) • Value added
Dynamic Panel
Copenhagen Economics (2005)
15 EU Gas 1993 - 2003
• End-user prices industry
• MOM Database • Lags
• Price for heavy fuel oil (lagged)
• Factor analysis • FE with AR(2)
Brau et al. (2007)
15 EU Gas 1991 - 2003
• End-user prices industry (nominal)
• OECD Database • Squared indicators
• GDP • Domestic gas production • Gas imports and exports • Consumer Price index
• GMM (Arellano / Bond 1991) • LSDV (Bruno 2005)
• Gibt es bereits eine Antwort? • Worin besteht der Mehrwert des Papiers?• 2. Teil der Rechtfertigung für ein wissenschaftliches Papier
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Bisherige Empirie
• Fokus
• Nur 2 Studien mit Gasfokus: Copenhagen Economics (2005) and Brau et al. (2007)
• Abhängige Variable: überwiegend Endkundenpreise
• OECD oder EU-15
• Regulierungsindikatoren• OECD International Regulation Database
• Copenhagen Economics: Market Opening Milestones (MOM)
• Methodik
• I.d.R. FE oder RE
• Dynamisch: Alesina et al. (2005) and Brau et al. (2007)
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Bisherige Empirie
• Ergebnisse- Reformen mit positiver (senkend) Wirkung auf Endkundenpreise- Unterschiedliche Ursachen identifiziert mit zum Teil widersprüchlichen
Aussagen, bzgl. Gas• Brau et al. (2007): Eigentümerstruktur und vertikale Entflechtung• Copenhagen Economics (2005): Eigentümerstruktur und
Tarifstruktur• Probleme
- Anwendung aggregierter Indikatoren, bzgl. OECD Datenbank• Willkürliche Gewichtung• Entflechtung von TSOs nicht erfasst
- Marginaler Effekt von Ownership Unbundling nicht identifizierbar- Indikatoren: Multikollinearität (Mehrfacherfassung eines Effektes)
Verletzung einer grundlegenden Schätzeigenschaft Schätzergebnisse eigentlich nicht mehr interpretierbar
- Endogenität: Reformen bedingt durch hohe Preise
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Bisherige EmpirieOECD Regulierungsindikator
Market Structure(Share of the
largest)
Indicator Gas
EntryRegulation
Ownership(Share of public
ownership)
VerticalIntegration
(Ownership-Legal-Integrated)
Third Party Access
Market Opening
EntryRestrictions
Production / Import
Transport
Distribution
Production / Import vs. Rest
Distribution vs. Retail
Retail vs. Rest
Production / Import
Retail
Transport
1/3
1/3
1/3
1/41/4 1/4 1/4
1/3
1/3
1/3
1/2
1/5
3/10
1/3
1/3
1/3
TSO?
21
Bisherige EmpirieEntwicklung des OECD Indikators
0
1
2
3
4
5
6
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Year
GERUKUSAFinland Japan Hungary
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• Endkundenpreise für Haushalte• Grund: Signifikante Wohlfahrtseffekte, wenn Wettbewerb auch
bei den Haushalten angekommen ist
• Quelle: IEA Energy Prices and Taxes
• Preise ohne Steuer: Vermeidung von Verzerrungen
• PPP-bereinigt: Vergleich über Länder
• USD2000: Vergleich über die Zeit (VPI der USA)• 29 OECD Länder• Zeitintervall: 1989 - 2007
• Aussagekraft für die Gegenwart• Abdeckung der Zeit vor und nach wesentlichen
Liberalisierungsschritten
DatenAbhängige Variable
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• Erfassung wesentlicher (länderspezifischer) Einflussfaktoren „Ausschaltung“ dieser Effekte auf die zu erklärende Variable
• Ölpreis • Ölpreisbindung von Gaskontrakten• West Texas Intermediate (WTI)• Ein Jahr verzögert (lag)
• Industrielle Endkundenpreise• HH-Preise evtl. durch Industriepreise getrieben• Evtl. höhere Nachfragelastizität im Industriesektor
• BIP pro Kopf – Wirtschaftsleistung• Energieangebot pro 1.000 USD BIP – Sektorstruktur• Andere denkbar (z.B. Speicherkapazität): i.d.R. fehlende Daten
DatenKontrollvariable
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DatenRegulierungsindikatoren
• Quelle: OECD International Regulation Database• Nutzung der nicht aggregierten Informationen unterste Ebene
Vermeidung der willkürlichen Gewichtung• Ausnahme: Eigentümerstruktur – Verwendung der originalen Angaben
(Prozent) und nicht der skalierten Werte (0-3-6)• nicht berücksichtigt: Marktstruktur
• Transport, da natürliches Monopol• Retail und Produktion: Überspezifizierung des Modells (AIC)
• Akaike Information Criterion – Nutzung zur Modellspezifikation (vs. R2)• Zusätzlicher Erklärungsgehalt vs. Verlust an Freiheitsgraden
Vermeidung von Überparametrisierung
• Ownership Unbundling: eigene Erhebung• Benchmarking Reports der Kommission• Telefoninterviews mit Regulierungsbehörden
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DatenRegulierungsindikatoren
• Netzzugang (Third Party Access) als diskrete Variable (regulierter TPA = 0)
• Grad der Marktöffnung in Prozent
• Eigentümerstruktur als diskrete Variable(0 = vollständig privatisiert)
• Ownership Unbundling von TSOs als Dummy (eigentumsrechtlich entflechtet = 1)
Variable Erwartetes Vorzeichen
Third Party Access Positiv
Marktöffnung Negativ
Eigentümerstruktur Positiv
Ownership Unbundling Negativ
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• Panel• unsymmetrisch• 29 Länder und 19 Jahre
• Statischer Ansatz: FE Schätzer mit asymptotisch robusten Standardfehlern
• y: Endkundenpreise Haushalte (log)• X: Ölpreis (log, log(-1))• Z: andere Kontrollvariable• R: Regulierungsindikatoren• λ: nicht beobachtbare länderspezifische Heterogenität• ε: Fehlerterm (N.V.~(0,1))
itiitititit RZXy ελρδβα +++++= '''
Methodik
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• Statischer Ansatz• FE
• Hausman Test: FE besser als RE• FE kontrolliert über λ für (nicht beobachtbare) länderspezifische
Heterogenität
• Asymptotisch robuste Standardfehler• Herkömmlicher FE-Schätzer unterstellt Unabhängigkeit der
Beobachtungen Unterschätzung der wahren Varianz hoher Fehler 1. Art
• Möglicherweise Cluster-korrelierte Daten (z.B. EU als Cluster)• Berücksichtigt Heteroskedastie zwischen und innerhalb von
Clustern• Berücksichtigt serielle Korrelation
Methodik
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• Dynamischer Ansatz: Least Squares Dummy Variable (LSDV) Schätzer von Bruno (2005)
• Verzögerte abhängige Variable als zusätzliche Erklärungsvariable
• Modellierung einer gewissen Gaspreisdynamik
• Vermeidung des Endogenitätsproblems
itiititititit RZXyy ελρδβγ +++++= −'''
1
Methodik
29
• Dynamischer Ansatz: Least Squares Dummy Variable (LSDV) Schätzer von Bruno (2005)
- Probleme: - begrenztes Zeitintervall: traditionelle LSDV-Schätzer nicht
anwendbar- kleines Sample (29 Länder): traditionelle dynamische GMM und
IV Schätzer nicht anwendbar- Unsymmetrisches Panel: Modifizierungen von GMM and IV
Schätzern (z.B. Kiviet (1999) und Bun/Kiviet (2003)) nicht anwendbar
- Korrektur für Verzerrungen in kleinen Stichproben durch Bootstrapping (1.000 Läufe) Simulierung einer größeren Stichprobe
- Anwendbar für endliche Zeithorizonte und unsymmetrische Panels
Methodik
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ErgebnisseÜbersicht
Fixed Effect Bruno (2005)RegulierungsindikatorenThird Party Access -0,045*** -0,005***
Marktöffnung -0,002*** -0,001***
Eigentümerstruktur -0,009*** -0,019***
Ownership Unbundling -0,049*** 0,035***
KontrollvariableEndkundenpreis Haushalte (t-1, log) -- 0,586***
Ölpreis (log) 0,093*** 0,110***
Ölpreis (t-1, log) 0,071*** 0,003***
Endkundenpreis Industrie (log) 0,063*** 0,069***
BIP pro Kopf (log) -0,522*** 0,077***
Energieangebot pro 1.000 $ BIP -5,443*** -0,035***
Konstante 11,445*** --
R2 0,335***
Anzahl von Beobachtungen 251 232
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ErgebnisseRegulierungsindikatoren
• Verzögerte Regulierungsindikatoren: bis 3 Jahre robuste Ergebnisse
• OU nicht signifikant kein signifikanter Einfluss von OU auf Endkundenpreise
• Haupteffekt durch Marktöffnung
- erwartetes Vorzeichen bestätigt
- FE: Ausweitung der Marktöffnung um einen Prozentpunkt führt zu einer Preisreduktion um 0,2%
• Bestätigung der Ergebnisse von Brau et al. (2007): abnehmende Skalenerträge der vertikalen Entflechtung
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ErgebnisseKontrollvariable
• Konsistente Ergebnisse: FE = Bruno
- Ölpreis
• Ölpreis hat signifikanten und positiven Einfluss auf Gaspreis
• Ölpreisanstieg um 10% führt in der gleichen Periode zu einem Gaspreisanstieg um ca. 1%
• Verzögerter Anpassungsprozess: Verzögerter Ölpreis bei FE und verzögerte abhängige Variable bei Bruno
- Kein Einfluss der Wirtschaftsleistung
• Unterschiede
- Einfluss der industriellen Endkundenpreise bei Bruno
- Einfluss der Strukturvariablen bei FE: höheres Angebot führt zu niedrigeren Endkundenpreisen
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Fazit
• Prozesse vor allem getrieben durch Aktivitäten der Kommission• Gassektor ist aus der Erstarrung erwacht zunehmende Marktdynamik
- Eintritt neuer Marktakteure- Veränderung der Bedeutung bestimmter Player- Zunehmende Europäisierung des Geschäftes- Neue Handelsformen und Handelsplattformen
• Immer noch deutliche Wettbewerbshindernisse im Bereich des Netzzugangs- Handel mit nicht genutzten Kapazitätsrechten unterentwickelt- Preisbildung genügt nicht einem wettbewerblichen Benchmark- Verbindung von Transport und Speichernutzung- Capacity Release Programme Zwangsangebot
• Eigentumsrechtliche Entflechtung anscheinend nicht der treibende Faktor• Aber: Die meisten der Länder haben erst gegen Ende des
Betrachtungszeitraumes OU implementiert → Reevaluierung
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