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Hintergrund: USA Nr. 16 / Mrz 2015 | 1
US-Geheimdienste: Ist eine Kontrolle mglich?
Parlamentarische Initiativen haben wenig Aussicht auf Erfolg
Iris Froeba und Markus Kaiser
Anderthalb Jahre nach den Enthllungen von Edward Snowden hat die US-Regierung einen Bericht ver-
ffentlicht, der neue Richtlinien zur Datenspeicherung der US-Nachrichtendienste beinhaltet. Die Mel-
dung erregte in der deutschen ffentlichkeit kaum Aufsehen. Das ist bedauerlich, denn anders als auf
dieser Seite des Atlantiks wahrgenommen, schlugen die Enthllungen von Edward Snowden auch in
Amerika hohe Wellen.
Nicht nur in Europa, auch in den Vereinigten Staaten machten sich in der Folge der Snowden-Affre
Kritik und Misstrauen gegenber staatlicher berwachung breit. Jrgen Hardt, Koordinator der Bun-
desregierung fr die transatlantische Zusammenarbeit, lobte die jngst bekannt gewordenen Reform-
vorhaben und stellte fest, dass auch in den USA eine intensive Debatte ber das Spannungsverhltnis zwischen nationaler Sicherheit auf der einen und Schutz der digitalen Privatsphre auf der anderen
Seite entbrannt sei. Whrend in Europa die Praktiken der National Security Angency (NSA) und des britischen Government Communications Headquarters (GCHQ) im Mittelpunkt der ffentlichen Debat-
te stehen, diskutiert man in Amerika auch ber das Ausspionieren von Brgerinnen und Brgern durch
inlndische Ermittlungsbehrden. Bespitzelung ist nmlich nicht mehr allein eine Domne der Ge-
heimdienste. Auch inlndische Ermittlungsbehrden wie das FBI und selbst lokale Polizeistellen greifen
inzwischen technologisch massiv in die Privatsphre von US-Brgern ein.
2014 hatte Prsident Obama schrfere Regeln fr die berwachungspraxis der Geheimdienste ange-
kndigt. Der im Februar 2015 verffentlichte Bericht diente als eine Art Status-Update der angekn-digten Reformen. Kritiker bewerten die Schritte der Regierung zwar als positiv, doch die neuen Richt-
linien gehen ihnen nicht weit genug. Besonders kritisch sehen sie die massenhafte Speicherung von
Metadaten zu allen Telefongesprchen in und aus den USA, die wie gewohnt weiter praktiziert wird.
Daher appellieren sie an den Kongress, konkrete nderungen durchzusetzen. Doch der Kongress hat
bis heute keine wesentlichen Reformen erlassen, die den Handlungsspielraum staatlicher Behrden
einschrnken wrden.
Hintergrund:
USA
Nr. 16 / 13. Mrz 2015
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Hintergrund: USA Nr. 16 / Mrz 2015 | 2
Im Kongress scheiden sich die Geister
Zwar spaltet das Thema den Kongress nicht wie gewohnt entlang der Parteilinie, dennoch stehen sich
Kritiker und Verteidiger der Reformplne gegenber. Die verhrteten Fronten lhmen den Kongress
und mindern die Aussicht auf erfolgreiche Reformen. Denn Befrworter von Reformen befinden sich in
der Minderzahl. Dass sie die ntigen Mehrheiten in absehbarer Zukunft erreichen, ist in Anbetracht
der steigenden Bedrohung durch den Terrorismus unrealistisch. Jedoch zu behaupten, US-Amerikaner
stnden den Enthllungen Snowdens gleichgltig oder gar ablehnend gegenber, entsprche nicht der
Wahrheit.
In der Diskussion ber die Legitimitt von berwachungsmanahmen stehen der im Zuge des 11. Sep-
tembers erlassene Patriot Act sowie der Foreign Intelligence Surveillance Amendments Act im Mit-
telpunkt. Beide Gesetzespakete werden sowohl von der Exekutive als auch der Legislative und Judika-
tive reguliert, womit nach amerikanischer Auffassung kein Zweifel an ihrer demokratischen Legitimi-
tt besteht. Bei der weit weniger bekannten, aber nicht minder bedeutsamen Executive Order 12333 sei gerade dies nicht der Fall, erlutert Charlie Savage, Korrespondent der New York Times und seit
Jahren ein entschiedener Verfechter von Freiheitsrechten: Die besagte Exekutivorder wurde bereits
vor Jahrzehnten von Prsident Ronald Reagan erlassen, um die berwachung im Ausland zu regeln.
Sie dient den Geheimdiensten als Grundlage, smtliche Mobiltelefone auf der ganzen Welt zu ber-
wachen. Dabei werden auch massenhaft persnliche Daten amerikanischer Staatsbrger abgeschpft. Whrend die beiden zuvor genannten Gesetze nur im Rahmen einer gezielten berwachungsmanah-
me anwendbar seien, knnten unter Berufung auf die Executive Order 12333 verdachtsunabhngig alle mglichen Daten gesammelt werden. Neben Metadaten werden auch komplette Inhalte abge-
zapft. Ohne Zustimmung durch den Kongress nutzt die Regierung dieses Schlupfloch, um geheime Richtlinien zu schaffen, die festlegen, wann, wie und warum die NSA Daten von US-Amerikanern ab-
schpfen kann und dies komplett ohne institutionelle Kontrolle.
United States Capitol / Foto: Architect of the Capitol, http://commons.wikimedia.org
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Hintergrund: USA Nr. 16 / Mrz 2015 | 3
Der ehemalige Leiter der Abteilung fr Internetfreiheit im US-Innenministerium John Tye, der nach
den Snowden-Enthllungen sein Amt niederlegte, hat sich dem Kampf gegen derartige Praktiken ver-
schrieben. In seiner jetzigen Form gefhrden Erlasse wie die Exekutivorder 12333 die Grundpfeiler unsere Demokratie, ist er berzeugt. Der Kongress msse die rechtlichen Grundlagen, die die Sam-
melwut der Geheimdienste und Ermittlungsbehrden begrnden, kritisch berprfen, da damit letzt-
lich die verfassungsmigen Rechte eines jeden Amerikaners ausgehebelt wrden. Als Snowden seine
ersten Informationen preisgegeben hatte, sei er regelrecht erleichtert und voller Hoffnung gewesen,
dass sich etwas ndere. Diese Hoffnung habe sich jedoch nur bedingt erfllt.
Kein Geheimdienst darf Staat im Staate werden. Ihre Aufgabe ist nicht die Bespitzelung aller Brge-
rinnen und Brger, sondern die gezielte Aussphung und berwachung von Gefhrdern der westlichen
Demokratien. Nicht alles was die Technik ermglicht, ist im Rechtsstaat erlaubt. bekrftigt auch Sa-
bine Leutheusser-Schnarrenberger, ehemalige FDP-Justizministerin hierzu.
berwachung durch digitale Hintertren lngst Realitt
Auch US-amerikanische Polizeibehrden nutzen immer ausgefeiltere Technologien zur Strafverfol-
gung. So setzen inzwischen selbst lokale Polizeibehrden sogenannte Stingray-Gerte ein, die eine Handyberwachung und -ortung in Echtzeit ermglichen und ursprnglich nur von Geheimdiensten
genutzt wurden. Da der Kongress die Datenschutzgesetze seit zwanzig Jahren nicht angepasst hat,
hindert niemand die Polizei an derartigen Praktiken. Zudem fordern amerikanische Polizeibehrden
seit langem, dass Hersteller von Smartphones und Computern so genannte Backdoors, also beab-
sichtigte Sicherheitslcken, in
ihre Gerte einbauen, um Straf-
verfolgern jederzeit den Zugriff
auf Endgerte zu ermglichen.
Gerechtfertigt wird dies oftmals
mit dem Patriot Act, der im
Zuge des 11. Septembers einge-
fhrt wurde, da den Geheim-
diensten und der Bundespolizei
im Vorfeld der Anschlge nicht
gengend Informationen vorge-
legen htten. Patrick Eddington
vom US-amerikanischen Cato Institute hlt dies fr die grte
Lge aller Zeiten: Es habe nicht
an der Menge der Daten gelegen,
sondern an deren unzureichen-
der Auswertung. Der Kongress hat ein massiv in die Grundrechte eingreifendes Gesetz erlassen, das aufgrund eines nicht existieren-
den Problems geschaffen wurde. Auch Branchenriese Google lehnt die geforderte Einrichtung von Backdoors ab und arbeitet seit den Snowden-Enthllungen verstrkt an verbesserten Sicherheits-
standards im Bereich Datensicherung.
berreste der NSA-Abhranlage aus der Zeit des Kalten Krieges auf dem West-Berliner
Teufelsberg / Foto: Koen Colpaert, www.flickr.com
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Hintergrund: USA Nr. 16 / Mrz 2015 | 4
Alleingnge der Geheimdienste strker kontrollieren?
In den siebziger Jahren wurden im Kongress Ausschsse eingerichtet, um die Arbeit der Geheimdienste
zu kontrollieren. Die Meinungen ber die Funktion und Effektivitt der Ausschsse gehen allerdings
auseinander. J. Kirk Wiebe, ein langjhriger Analyst der NSA bemngelt, dass die Geheimdienste in
den vergangenen zehn Jahren zu eigenmchtig gehandelt und Informationen bewusst zurckgehalten
htten.
Vertreter ebendieser fhren ins Feld, dass fr die Missstnde das mangelnde Interesse der Parlamenta-
rier selbst ausschlaggebend sei. Auch wenn Amerikaner verfassungsgeschichtlich stets groes Interes-
se an wechselseitiger Kontrolle haben, scheinen nach Jahren geheimdienstlicher Alleingnge die Fronten bezglich einer strkeren parlamentarischen Beobachtung der Dienste durch den Kongress
verhrtet. Erneut wird deutlich, wie sehr das Thema den Kongress spaltet. Whrend die eine Seite
strkere Kontrollen der Geheimdienste befrwortet, steht die andere Seite diesen entweder gleichgl-
tig gegenber oder lehnt sie ab.
Trotz, oder gerade wegen solcher Hiobsbotschaften gibt es jedoch zahlreiche Kongressabgeordnete,
die bestndig gegen die Windmhlen des berwachungsapparates ankmpfen. Eine Initiative, das
Massie-Lofgren-Amendment, hatte beispielsweise zum Ziel, die staatliche Finanzierung so genann-
ter backdoor searches zu stoppen. Die NSA nutzt solche Hintertren, um ohne richterlichen Be-schluss auf Daten amerikanischer Staatsbrger zuzugreifen.
Auerdem sollte die Gesetzesnderung dafr sorgen, dass die US-Regierung keine privaten Unterneh-
men mehr damit beauftragen drfe, Hintertren in Hard- oder Software einzubauen. Obwohl die Ge-
setzesinitiative eine breite Mehrheit im Reprsentantenhaus fand und von Vertretern beider Parteien
untersttzt wurde, scheiterte sie letztlich im Senat. hnlich erging es dem Amash-Conyers-Amendment, das zum Ziel hatte, die Sammlung von Massendaten, und hier insbesondere die fl-
chendeckende Sammlung von Telefondaten von US-Amerikanern, zu beenden. Mit lediglich zwlf
Stimmen wurde diese Gesetzesnderung im Reprsentantenhaus abgelehnt, wobei sich Befrworter
und Gegner nicht entlang von Parteilinien teilten, was im momentanen politischen Klima Washing-
tons als sehr ungewhnlich gilt.
Fr den republikani-
schen Kongressab-
geordneten Thomas
Massie, der sich
selbst als unermdli-
chen Verfechter von
Brger- und Frei-
heitsrechten be-
zeichnet, ist Edward
Snowden ein Held,
der der Zivilgesell-
schaft und den Br-
gerrechten einen
groen Dienst erwie-
sen habe. Selbst
wenn Massies Ge-
setzesinitiative, die
bestehende Hintertren schlieen sollte, letztlich im Senat scheiterte, blickt der Abgeordnete fr den
ansonsten erzkonservativen Bundesstaat Kentucky optimistisch in die Zukunft:
Aktivisten demonstrieren am Union Square in New York ihre Untersttzung fr Edward Snowden / Foto:
Michael Fleshman, www.flickr.com
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Mit den Zwischenwahlen ist ein ganzer Schwung von Abgeordneten in den Kongress gestrmt, die stark brgerrechtlich orientiert sind, so der 44-Jhrige.
Blick ber den Atlantik
Bleibt zu hoffen, dass diese neue Generation von US-Politikern den Schulterschluss mit ihren euro-pischen Partnern sucht. Denn auch in Brssel kocht momentan die Debatte um Persnlichkeitsrechte
hoch, ohne dass deren Tragweite in den Mitgliedstaaten bereits voll erfasst worden wre. Dem weg-
weisenden Urteil des Europischen Gerichtshofes (EuGH) zur Unzulssigkeit der EU-Richtlinie zur Vor-
ratsdatenspeicherung (2014) folgte in Brssel jngst eine Debatte zur Neufassung der Richtlinie zur
europischen Fluggastdatenspeicherung (EU-PNR).
Die Rge des EuGH, dass die Richtlinie einen Eingriff von groem Ausma und besonderer Schwere in
die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten [beinhal-
tet], der sich nicht auf das absolut Notwendige beschrnkt, nahm das Europische Parlament zum
Anlass, seine Blockadehaltung hinsichtlich EU-PNR zu berdenken und die Kommission mit der Erar-beitung einer datenschutzkonformen Richtlinie zu beauftragen.
Auch am Beispiel von EU-PNR zeigt sich wieder einmal: (Supra-)staatliche Sammelwut ist grenzen-los; ihr klare Schranken zu setzen sollte daher grenzbergreifend abgestimmt werden.
Iris Froeba ist Programm-Managerin der FNF in Washington, DC.
Markus Kaiser ist Programm-Manager der FNF in Brssel.
Impressum
Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)
Bereich Internationale Politik
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