318 / 2020B I L D E R
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BILDER-MAGAZIN NR. 318 / 2020 Impressum: Medieninhaber und Herausgeber FOTOGALERIE WIEN Verein zur Förderung künstlerischer Fotografie und neuer MedienWähringer Str. 59, 1090 Wien, Austria, Tel. + 43-1-408 54 62GZ 02Z031972SFür den Inhalt verantwortlich: FOTOGALERIE WIEN – Kollektiv Hermann Capor, Christian Eiselt, Susanne Gamauf, Brigitte Konyen, Michael Michlmayr, Andreas Müller, Petra Noll-Hammerstiel, Johan Nane Simonsen und Patrick Winkler
Vorschau:
BORDERLANDAnne Glassner (AT), Rosa John (AT), Kevin Kirwan (IE), Peter Köllerer (AT), Liddy Scheffknecht (AT), Stefanie Seufert (DE), Claus Troelsgaard (DK), Maria Vill (AT)
Eröffnung: Montag, 20. April, 19.00 UhrAusstellungsdauer: 21. April – 23. Mai 2020
RITUALE III Macht
Rituale sind ein wichtiger Bestandteil des Ausdrucks- und Kommunikations-verhaltens des Menschen und sagen viel aus über Werte, Rollenverständnis und das soziale Miteinander, in dem sie häufig eine regulierende, unterstützende Funktion einnehmen. Die komplexe Inhaltlichkeit und große Bedeutung des Rituals für den Menschen hat das kuratorische Team der FOTOGALERIE WIEN dazu inspiriert, einen Schwerpunkt mit vier Ausstellungen mit internationalen KünstlerInnen in den Jahren 2019/2020 zu konzipieren. Der Begriff „Ritual“, ursprünglich nur im liturgisch-zeremoniellen Kontext üblich, wird heute für alle gesellschaftlichen Bereiche verwendet. Das Ritual ist eine nach vorgegebenen Regeln und meist in festgelegter Reihenfolge durchgeführte Handlung mit pri-mär identitäts- und sinnstiftendem Ziel, d.h. mit dem Wunsch nach Orientierung, Erkenntnis und gemeinschaftlichem Handeln. Es setzt sich ab von alltäglichen Gewohnheiten bzw. instrumentellen, regelmäßigen und vor allem zweckorien-tierten Tätigkeiten, denen aber ein „ritueller Charakter“ zugeschrieben werden kann. Das Ritual besetzt somit vor allem den geistigen und emotionalen Raum. Charakteristisch für das Ritual sind zudem Inszenierung, Prozessualität und meist hohe Symbolhaftigkeit.Die vier Ausstellungen beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Ritualen und den damit einhergehenden Beziehungsgeflechten; mit Ritualen, in denen sich Machtdemonstration, Unterdrückung und Ausgrenzung artikulieren, sowie mit religiösen und anderen zeremoniellen Ritualen. Im Zuge dessen werden die mit den verschiedenen Ritualen verbundenen Codes, Haltungen und Kommunikationsformen untersucht.
Die KünstlerInnen der dritten Ausstellung analysieren und dekuvrieren Demon-strationen von Macht, wie sie von Autoritätspersonen inszeniert werden; diese zielen auf Beherrschung, Unterdrückung, Indoktrinierung, Kontrolle und Disziplinierung von Menschen. Hierzu gehören symbolische Formen wie Gestik, Mimik und Pose sowie in Szene gesetzte Insignien der Macht und suggestive oder aggressive verbale Order. Diese sind in allen Ländern und Gesellschaften üblich und oft ähnlich; sie sind auf Grund ihres gezielt eingesetzten und sich wiederholenden Charakters als Rituale der Macht zu lesen. Die KünstlerInnen untersuchen Mechanismen von Machthabenden aus u.a. Politik, Militär, Polizei und Kirche sowie in hierarchisch orientierten Gesellschaften, wobei zum Teil eigene Erfahrungen von Repressalien einfließen. Vielfach werden Macht-demonstrationen als (sinn-)entleerte, absurde Rituale entlarvt. Angesprochen werden auch aus Machtansprüchen resultierende Rituale des Protests, der Verweigerung oder der Befreiung der Unterdrückten.
Dank an: Rita Jelinek und Frédéric-Gérard Kaczek – Jüdisches Filmfestival Wien; Christiane Kuhlmann, Museum der Moderne Salzburg; MUSRARA, The Naggar School of Art and Society, Jerusalem; Lisl Ponger, Wien; Carla Bobadilla, Wien; Galerie carlier | gebauer, Berlin/Madrid; Pro Av Saarikko Oy, Espoo, Finnland; Ruth Films, Jerusalem
ANNA MITTERER & MARCUSE HAFNER www.annamitterer.net http://renfah.netAnna Mitterer, * in Innsbruck (AT), lebt und arbeitet in Wien. 2000–2005 Akademie der bildenden Künste Wien. Sie arbeitet in den Medien Video und Kurzfilm, Installation, Fotografie und Zeich-nung; wiederkehrende Themen sind Zeit, Erinnerung und die Wahrnehmung davon.Marcuse Hafner (AT). Künstler, Philosoph: 1999 Studium der Medienkunst bei Peter Weibel, Karel Dudesek und Tom Fürstner, Universität für angewandte Kunst Wien. 2011 Doktorat der Kulturwis-senschaften bei Roman Horak und Christian Reder. 2004 Diplompreis der Universität für angewandte Kunst; 2008 Podium Salzburg Award. 2014 Medienkunstpreis Salzburg und Memefest Award for Innovative Critical Intervention, Melbourne.
SANDRA MONTERROSO www.sandramonterroso.com* 1974 in Guatemala City (GT). Doktorandin an der Akademie für bildende Kunst Wien. Zahlreiche Einzelausstellungen und Teilnahmen an Biennalen, u. a.: Biennale von Venedig; Biennale von Havan-na; Triennale de Sorocaba, Frestas (BR); BACA Bienal (CN). Vertreten in internationalen Sammlun-gen, u. a.: Museum für zeitgenössische Kunst und Design, San José (CR); Fundación Ortiz-Gurdián, Managua (NI); Paiz-Stiftung und Yaxs-Sammlung, Guatemala City.
LISL PONGER www.lislponger.comLebt und arbeitet in Wien (AT). Sie beschäftigt sich vorrangig mit Stereotypen und Rassismen an der Schnittstelle zu Kunst, Kunstgeschichte und Ethnologie. Kuratorin des MuKul, des (fiktiven) Muse-ums für fremde und vertraute Kulturen. Einzelausstellungen, u. a.: 2019 MuKul Museum präsentiert: The Vanishing Middle Class, Indian(er) Jones I–V and Lost Horizons, Kunsthaus Dresden / 2018 Professione: fotografa, Museum der Moderne, Salzburg / 2017–2019 MuKul Museum präsentiert: The Master Narrative, Weltmuseum Wien / 2014 MuKul Museum präsentiert: The Vanishing Middle Class und Wild Places, Secession, Wien.
ELINORA SCHWARTZ* 1960 (IL), lebt und arbeitet derzeit in Jerusalem als multidisziplinäre Künstlerin. Sie studierte Tanz an der Rubin Academy und Fotografie an der Musrara School of Art, Jerusalem. Schwartz’ me-dienübergreifende Arbeiten konzentrierten sich auf autobiografische Erfahrungen und setzen sich kritisch mit Themen wie Geschlecht, Hierarchie, Machtverhältnissen und Identität auseinander.
ANGELIKA WISCHERMANN www.angelikawischermann.com* 1983 in Herdecke (DE), lebt und arbeitet in Wien. 2006–2009 Studium der Bildhauerei und Me-dienkunst, Muthesius Kunsthochschule Kiel; 2009–2013 Studium der Bildhauerei und Multimedia, Universität für angewandte Kunst Wien. In ihren Arbeiten, die langwierige, sich wiederholende Handlungen zeigen, macht sich Wischermann die Funktionen und Eigenschaften von Materialien und Objekten zunutze oder führt diese ad absurdum.
Währinger Strasse 59 / WUK, 1090 Wien – AustriaT: +43-(0)1-408 54 62 / F: +43-(0)1-403 04 78 [email protected] / www.fotogalerie-wien.at
Di + Fr 14.00–19.00 / Mi + Do 12.00–19.00 / Sa 10.00–14.00An Feiertagen ist die Galerie geschlossen.
Verein zur Förderung künstlerischer Fotografie und neuer MedienAssociation for the Promotion of Art Photography and New Media
RITUALE III MachtCHRISTIAN EISELTKÖKEN ERGUNG.R.A.M. ANNJA KRAUTGASSEREDGAR LECIEJEWSKIAERNOUT MIK ANNA MITTERER & MARCUSE HAFNERSANDRA MONTERROSOLISL PONGERELINORA SCHWARTZANGELIKA WISCHERMANN
Eröffnung: Montag, 2. März, 19.00 UhrEinführende Worte: Petra Noll-Hammerstiel
Ausstellungsdauer: 3. März – 4. April 2020
Begleitprogramm: Donnerstag, 19. März 2020, 19.00 Uhr:Videoscreening Memory Trilogy, Maya Zack (IL)In Kooperation mit dem Jüdischen Filmfestival Wien
Christian Eiselts Künstlerbuch 08/15 basiert auf Tagebucheintragungen aus seiner Militärzeit An-
fang der 2000er-Jahre in Österreich, Geschichten eines ganz normalen – 08/15 – Soldatenalltags,
kombiniert mit Fotos eines Reenactments einer Schlacht, das 2014 zum 100-jährigen Jubiläum der
Kämpfe zwischen der k.u.k.- und der russischen Armee inszeniert wurde. Rituale der Machtaus-
übung von Oberen mit allen ihren Insignien und Uniformen prallen auf die Rituale des bis ins
Kleinste vorgegebenen Alltags von Militärdienstleistenden. Immer und überall verlaufen diese
ähnlich, wenn Menschen für kriegerische Zwecke ausgebildet werden. Der Wahnsinn des Krieges
ist allgegenwärtige Bedrohung. Um diese zeitlose Gültigkeit zu signalisieren, erhielt das Buch ein
antiquiertes Layout. In der Mitte sind Seiten herausgerissen – zwei Geschichten prallen aufeinan-
der, im militärischen Kontext entsteht Gewalt und Zerstörung.
Köken Erguns Zweikanal-Videoinstallation I, Soldier ist der erste Teil einer kritischen Analyse staat-
lich kontrollierter Zeremonien anlässlich der Nationalfeiertage der Türkischen Republik. Diese
großdimensionierten Festlichkeiten sind begleitet von nationalistischen und militaristischen At-
tributen und Ritualen. I, Soldier wurde am Nationalfeiertag für Jugend und Sport gefilmt, dem Tag,
an dem der Unabhängigkeitskrieg unter Mustafa Kemal Atatürk gegen die Alliierten 1919 begann.
Die jährliche Zeremonie findet jeweils im größten Stadion der beteiligten Städte statt und be-
steht aus Vorführungen von Jugendlichen, die zeitlos sozialistisch-realistisch choreografiert sind.
In dem Video I, Soldier wird ein nationalistischer Hip-Hop-Song während der Gymnastikvorfüh-
rungen von Militärschülern gespielt, untermalt von einem herrischen Gedicht eines hochrangigen
Soldaten über soldatische Tugenden.
Die Künstlergruppe G.R.A.M., Martin Behr und Günther Holler-Schuster, zeigt auf Zeitungspapier
gedruckte Fotografien – Reenactments von Situationen mit in erster Linie politischen Machtha-
benden, die auf Pressebildern basieren und deren Titel realen Zeitungsmeldungen entstammen.
In persiflierender Weise wurden diese Männer abseits der Zwänge und Manierismen protokolla-
rischer Handlungen und Haltungen inszeniert. Posen, die gewöhnlich eingesetzt werden, um sich
wichtig und mächtig zu präsentieren, werden als leere Rituale entlarvt und ad absurdum geführt,
wie beispielsweise bei der Nachstellung des Treffens von US-Außenminister John Kerry mit Präsi-
dent Wladimir Putin 2016 in Moskau, in dem beide Männer in unattraktiver Position und – wenn
es nicht den Titel gäbe – in unklarer Absicht aufeinander zugehen.
In ihrem Performance-Video Rollenszenen beschäftigt sich Annja Krautgasser mit Manipulation
und Fremdbestimmung des Individuums durch die Gesellschaft. Eine Frau in weißem Overall sitzt
in einem weißen, klaustrophobischen Raum an einem Tisch und blickt frontal in die Kamera. Aus
dem Off kommen provozierende existentielle Fragen, Beurteilungen, Vorwürfe und Regieanwei-
sungen für Positionen und Handlungen von Unbekannt, die die Protagonistin bereitwillig ausführt,
ebenso wie sie auf Anforderung Aussagen wiederholt. Gefühle werden ihr suggestiv eingeredet,
sie wird mit Ängsten und Unsicherheiten konfrontiert. Die „von oben“ vorgegebene Struktur ist
als Ermächtigung, als Ritual der Disziplinierung zu lesen. Erst am Ende schafft sie es, sich der Steu-
erung von außen zu widersetzen und der Konformität zu entgehen, die uns alle bedroht.
Edgar Leciejewskis 77-teilige Fotoinstallation A Circle Full of Ecstasy zeigt internationale Personen
der politischen Elite und Würdenträger, die die rechte Hand in ähnlicher Weise heben. Die Bilder
basieren auf angeeignetem Pressematerial, das Leciejewski in Cyanotypien übertragen hat. Der
Bilderblock beginnt und endet mit einer Frontalansicht; die an dem Zyklus beteiligten 77 Perso-
nen drehen sich um 360 Grad. Das Ritual der Handhebung, das jeweils visuell fokussiert wird, ist
immer anders zu interpretieren – als harmlos-freundliche Begrüßung, als werbender Solidaritäts-,
schützender Segens- oder Friedensgestus, aber auch als manipulative Verführungspose sowie als
dominante Machtdemonstration. Ein zusätzlicher Aspekt des in Bezug auf die Drehung („Tanz“)
der Körper im Kreis angelegten Tableaus ist der Bezug auf das Ritual des muslimischen Sufi-Tanzes.
In Aernout Miks Zweikanal-Video A swarm of two brechen soziale Ordnungen und Strukturen
zusammen, werden Rituale der Macht ad absurdum geführt. Schwarze und weiße PolizistInnen
schlendern nachts durch eine ausgestorbene Einkaufsstraße. Grundsätzlich gelten sie als Garan-
ten für Sicherheit und Schutz vor (vermeintlicher) äußerer Bedrohung. Ihre Uniformen und schwere
Bewaffnung, ihre Codes und Gesten symbolisieren Autorität und Macht. Plötzlich wird ihr Kon-
trollgang durch eine absurde, melodramatische Choreografie von Macht und Unterwerfung, An-
ziehung und Misstrauen gebrochen. Sie legen Teile ihrer Uniform ab, geraten in eine ambivalente
Interaktion, agieren feindselig und liebevoll zugleich, stürzen, krabbeln, werfen sich voreinander
auf die Knie. Ihr Auftrag hat seinen Sinn verloren. Die absolute Stille verstärkt das Gefühl von
Desorientierung, Ausgeliefertsein und Bedrohung.
Auch in dem Kurzfilm La Chambre d’Ortolan von Anna Mitterer & Marcuse Hafner werden Rituale
der Macht bloßgelegt. Szenario ist ein theatralisch inszenierter Raum mit wenigen Personen bei
der Zeremonie des letzten Mahls eines alten, ehemals mächtigen Politikers. Nun ohne politische
Funktion vermag er dennoch, mit nur minimal eingesetzter Gestik und Mimik andere zu beherr-
schen, was sich in deren Reaktionen widerspiegelt. Die Ohnmacht gegenüber dem Alter verspielt
er mit seinem Machtgebaren. Es wird ihm ein Ortolan, ein streng geschützter Singvogel, serviert –
eine Delikatesse der Elite und damit Symbol für Macht. Beim Essen sind Tücher über den Kopf
gestülpt, um nicht zu sehen und zu hören, wie der Vogel verspeist wird. Auch die anderen Gäste –
inklusive des Dieners – haben die Tücher über dem Kopf, bekommen aber signifikanterweise kei-
nen Vogel zu essen.
Sandra Monterroso fokussiert in ihrer Arbeit postkoloniale Kritik, dekoloniale Strategien sowie
Ahnenpraktiken und Missstände ihres Heimatlandes Guatemala. Ihr Performance-Video Musiq’ /
Respiración del espíritu / Breath of the Spirit thematisiert die koloniale Machtausübung auf ihr Land,
die noch heute für rassistisches Gedankengut verantwortlich ist, und ihre individuelle Weise der
Befreiung davon. Sie läuft, bekleidet mit einem Maya-Kostüm, durch eine Schulklasse und atmet
mit einer Papiertüte. Das Atmen versteht sie als Ritual zur Befreiung des Geistes und signalisiert
damit ihren Glauben an die Möglichkeit einer besseren Welt. Auf der Tüte steht geschrieben:
„Rassismus ist eine Wunde aus der Kolonialzeit, die geheilt werden kann.“ Trotz der Ernsthaftig-
keit der Problematik wirkt die Arbeit leicht und fast spielerisch, poetisch und mystisch zugleich.
Auch Lisl Ponger beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Machtausübung von Kolonialländern
auf indigene Völker sowie mit (kultureller) Identität und der oft verzerrten Vorstellung vom „An-
deren“. Die Wegnahme außereuropäischer Kultur- und Wirtschaftsgüter und deren Aneignung
ist eine Ermächtigung über fremde Dinge, denen eigene Vorstellungen oft radikal übergestülpt
werden. Die Fotografie Western Still Life zeigt solche Trophäen, die, in einer stilllebenhaften,
rituellen Inszenierung auf roten Stoffen präsentiert, das westliche Selbstverständnis ironisch-
kritisch hinterfragen. Das Foto Geisterbeschwörung, eine doppelte Aneignung, basiert auf dem
Bild „Nachtessen in Dresden“ von Georg Baselitz. Ponger hat Mitglieder der Künstlergruppe „Die
Brücke“ nachgestellt; diese inszenieren außereuropäische Objekte, die auf den Gemälden der
Künstler vorkommen bzw. die diese von ihren Reisen nach Papua-Neuguinea mitgebracht haben.
Elinora Schwartz zeigt Videos und Fotos, die die Unterdrückung der Frau in Israel auf der Basis
autobiografischer Erfahrungen und ihren Kampf dagegen thematisieren. Vor ihrer jüdischen ultra-
orthodoxen Community muss sie ihre künstlerischen (und zudem kritischen) Aktivitäten verbergen.
Ihre Arbeit zeigt den Schmerz von Frauen, die in einer autoritären, männergeprägten Gesellschaft
im Namen der Religion benutzt, unterworfen und zum Schweigen gebracht werden. In dem Video
You are consecrated to be silent wird eine Frau – die Künstlerin selbst – durch mehrfach wiederhol-
tes, wie ein Ritual inszeniertes Überstülpen von Strumpfhosen symbolisch zum Stillsein verdammt.
In dem Video Requiem ist sie vor dem Hintergrund ritueller, bedrohlich-eindringlicher Gebetsge-
sänge alter Männer als Schlafende und Träumende zu sehen. Auch die Fotoarbeiten zeigen die
Protagonistin in Situationen der Einengung und Begrenzung.
In Angelika Wischermanns Videoinstallation Gespannt erwarten wird auf mehreren Röhrenfernse-
hern gezeigt, wie eine Vase, die vor einer weißen Wand steht und in einem langsamen, rituellen
Prozess solange von der Künstlerin mit einer weißen Schnur umspannt wird, bis sie unter dem zu
groß gewordenen Druck zerbricht. Wischermann beschäftigt sich mit Zeit, mit Wiederholung,
Dauer und Zweck von Handlungen. Sie ist hierbei an der Frage interessiert, ob Handlungen, die
sich wiederholen oder sehr lange andauern, nicht gerade durch die zeitliche Ausdehnung ihren
Sinn verlieren, weil sie nicht länger zweckgerichtet sind. Die Vase zerbricht auf Grund einer be-
wusst eingesetzten, körperlich anstrengenden Aktion, die keine praktische Funktion hat – ein
Ritual, das vielmehr geistige und emotionale Ebenen eröffnet und auch als Symbol für die Auswir-
kungen von Machtausübung gelesen werden kann.
Petra Noll-Hammerstiel
ANGELIKA WISCHERMANN
Gespannt erwarten, 2016 Videoinstallation
CHRISTIAN EISELT KÖKEN ERGUN
aus: 08/15, 2015Künstlerbuch, Texte und Fotografien
Stills aus: I, Soldier, 2006Video, Farbe, Ton, 07:14 min.
G.R.A.M. ANNJA KRAUTGASSER
Mehr als hundert Journalisten wurden zum Parteitag eingeladen, durften dann aber nicht in die Halle. Draußen wurden sie überwacht., 2016Druck auf Zeitungspapier, 79 x 56 cm Courtesy: Galerie Christine König
Stills aus: Rollenszenen, 2019HD Video, Farbe, Ton, 32:00 min.
EDGAR LECIEJEWSKI AERNOUT MIK
A Circle Full of Ecstasy, 2016 77 Portraits von PolitikerInnen und Staatsoberhäuptern. Scans nach Cyanotypien, gesamt ca. 200 x 244 cm
Stills aus: A swarm of two, 2017Zweikanal-Videoinstallation, Farbe, ohne Ton, 27:38 min.Courtesy: Galerie carlier | gebauer, Berlin/Madrid
ANNA MITTERER & MARCUSE HAFNER SANDRA MONTERROSO
Still aus: La Chambre d’ Ortolan, 2016Kurzfilm/Video, Farbe, Ton, 20:00 min.
Stills aus: Musiq’ / Respiración del espíritu / Breath of the spirit, 2016Performancevideo, Farbe, Ton, 04:14 min.
Stills aus: You are consecrated to be silent, 2018Video, Farbe, Ton, 03:28 min.
Western Still Life, 2013Analoger C-Print, 126 x 150 cm
ELINORA SCHWARTZ LISL PONGER
CHRISTIAN EISELT www.eiselt-photography.com* 1983 in Wien (AT), lebt und arbeitet in Wien. 2014–2015 Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie, Wien; seit 2017 Kollektivmitglied der Fotogalerie Wien.
KÖKEN ERGUN * 1976 in Istanbul (TR). Schauspielstudium an der Istanbul University, Altgriechische Literatur am King’s College London, Kunstgeschichte an der Istanbul Bilgi University. Nach der Zusammenarbeit mit Robert Wilson Beschäftigung mit Video und Film. Ausstellungen, u. a.: Documenta 14, Athen; Pa-lais de Tokyo, Paris; Stedelijk Museum Bureau Amsterdam; Kunsthalle Winterthur. Filmpreise, u. a.: Tiger Award for Short Film, Rotterdamer Filmfestspiele 2007; Special Mention Prize, Berlinale 2013.
G.R.A.M. https://christinekoeniggalerie.comG.R.A.M. (AT) wurde 1987 von Günther Holler-Schuster, Ronald Walter, Armin Ranner und Martin Behr gegründet. Das Kollektiv ist multimedial tätig (Fotografie, Film, Video, Installation, Malerei, Grafik, Performance, DJing). Zahlreiche internationale Ausstellungen, Preise und Stipendien, u. a. in Los Angeles, London, Chengdu und Istanbul. G.R.A.M. beschäftigen sich mit einer klischeehaf-ten Bilder- und Zeichenwelt, die oft aus der Alltags-, Medien- und Warenästhetik kommt.
ANNJA KRAUTGASSER www.annjakrautgasser.net* 1971 in Hall in Tirol (AT), lebt und arbeitet in Wien. Studium der Architektur an der TU Wien. Studium Visuelle Mediengestaltung/Neue Medien an der Universität für angewandte Kunst Wien. Ausstellungen, u. a.: Set This House in Order, Neuer Kunstverein Wien; Accentisms, Taxispalais Kunsthalle Tirol, Innsbruck; Asymmetrical Focus, Galerie Stadtpark, Krems; CINEPLEX, Seces-sion Wien. Artist-in-Residencies in London, Los Angeles (MAK Schindler), Paliano (IT), Amster-dam, Krumau (CZ) und Glurns (IT).
EDGAR LECIEJEWSKI www.edgarl.de* 1977 in Berlin (DE), lebt und arbeitet in Leipzig und Ho Chi Minh City (VN). Studium bei Peter Piller, Christopher Muller und Timm Rautert an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Zahlreiche Einzelausstellungen, u. a.: G2 Kunsthalle, Leipzig; Museum der bildenden Künste, Leip-zig; MEWO Kunsthalle Memmingen (DE); Künstlerhaus Bethanien, Berlin; Forum für Fotografie, Köln; Fogo Island Art Gallery (CA); NSCAD University Halifax (CA); Stadtmuseum München.
AERNOUT MIK www.carliergebauer.com/artists/aernout_mik* 1962 in Groningen (NL), lebt und arbeitet in Amsterdam. Einzelausstellungen, u. a.: Art Sonje Center, Seoul; MoMA New York; BAK, basis voor actuele kunst, Utrecht; Haus der Kulturen der Welt, Berlin; Stedelijk Museum, Amsterdam; Jeu de Paume, Paris; Museum Folkwang, Essen; CA2M Centro de Arte Dos de Mayo, Madrid. 2007 Biennale Venedig, Pavillon der Niederlande. Teilnahme an weiteren internationalen Biennalen, u. a.: Sao Paulo Biennial; Tirana Biennial; Art Focus – Israel Biennial; Istanbul Biennial; Berlin Biennale.