Vergaberechtliche Grundlagen
und
Behandlung von Ortsansässigen im öffentlichen Beschaffungswesen
Petra Luchsinger
Dürnten, 21. Mai 2008
Teil I:
Vergaberechtliche Grundlagen
System der kantonalen Rechtsgrundlagen
Binnenmarkt-gesetz (BGBM)
Bundesgesetz über das öffentliche
Beschaffungswesen (BoeB)
Verordnung über das öffentliche
Beschaffungswesen (VoeB)
GATT / WTO-Übereinkommen
Bilaterales Abkommen
CH - EU
Interkantonale Vereinbarung
(IVöB)
Vergabericht-linien (VRöB)
KantonaleAusführungsbestimmungen
Beitritts-gesetz
Submissions-verordnung
Das freihändige Verfahren (1)
Grundsätze:
• Direkte Vergabe ohne Veröffentlichung• Verhandlungen sind zulässig (§ 31 Abs. 2 SVO)• Zuschlag erfolgt ohne Begründung an den
berücksichtigten Anbieter• Zu beachten sind die Nichtdiskriminierung und die
wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel• Beschwerde an das Verwaltungsgericht ist möglich
(z.B. wegen falschem Verfahren; innert 10 Tagen ab Kenntnis Vergabeentscheid)
Freihändiges Verfahren (2)
Anwendungsfälle:
• Gemäss den Schwellenwerten freihändiges Verfahren• Als Ausnahmen im Sinne der §§ 10 IVöB und 10 SVO
Achtung:
• Die Anwendung der Ausnahmebestimmungen hat restriktiv zu erfolgen!
Einladungsverfahren
• Vergabe ohne Ausschreibung
• Ausschreibungsunterlagen werden mindestens drei ausgewählten Anbietern zugesandt
• Keine fixen Fristen
• Nach Eingang der Offerten ist das Verfahren gleich wie beim offenen Verfahren (Protokollöffnung; Prüfung; Zuschlag)
Vergabekriterien (Kanton Zürich)
Eignungskriterien§ 22 SVO
Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Anbietenden.
Insbesondere in
• finanzieller
• wirtschaftlicher
• fachlicher
• organisatorischer
Hinsicht.
Bewertung der Angebote bezüglich ihrer wirtschaftlichen Günstigkeit (Preis-/Leistungsverhältnis).
Beispiele:• Preis • Nachhaltigkeit• Qualität • Kreativität• Zweckmässigkeit • Kundendienst• Termine • Lehrlings-• technischer Wert ausbildung• Ästhetik • Infrastruktur• Betriebskosten
Der niedrigste Preis ist als alleini-ges Kriterium nur bei weitgehend standardisierten Gütern zulässig.
Zuschlagskriterien§ 33 SVO
Vergabekriterien Kanton ZH (2)
Eignungskriterien:
• Eignungskriterien sind im Normalfall Ausschluss-kriterien (Zulassung o. Ausschluss bei Nichterfüllung)
• Sie müssen objektiv, sachgerecht, überprüfbar sowie auftrags- und objektspezifisch sein
Zum Beispiel:
• Mind. 2 vergleichbare Referenzobjekte in den letzten 8 Jahren• Anzahl Mitarbeiter mit Funktionen und Ausbildung in relevanten
Bereichen
Vergabekriterien Kanton ZH (3)
Zuschlagskriterien:
• Massgeschneidert auf Besonderheiten des Auftrags • Sachlich begründet und nicht diskriminierend• Aufführung in Ausschreibung in der Reihenfolge der
Bedeutung (Kanton ZH: Angabe der Gewichtung in Prozenten fakultativ!)
Zum Beispiel:
• Schlüsselpersonen (fachliche Erfahrung und Verfügbarkeit)• Termineinhaltung, Zweckmässigkeit der Organisation• Qualität der verwendeten Materialen
Vergabekriterien Kanton ZH (4)
Beispiele von unzulässigen Zuschlagskriterien:
• Ortsansässigkeit, Steuerdomizil, Verwendung einheimischer Produkte (Benachteiligung auswärtiger Anbieter)
• Allgemeiner Eindruck der Offerte (zu wenig bestimmt)• Bisherige eigene Erfahrungen mit einem Anbietenden
(benachteiligt andere Anbietende)• Unterschiede beim Anfahrtsweg (nur bei erheblicher
lokaler Mehrbelastung der Umwelt zulässig)
Wichtige Merkpunkte für Anbietende
• Auf Ausschreibungen achten! www.simap.ch• Ausschreibungsunterlagen rechtzeitig verlangen• Eignungs- und Zuschlagskriterien beachten• Allenfalls Auskünfte einholen (Vergabestelle / AWA)• Angebotsformulare vollständig + wahrheitsgetreu ausfüllen; nicht
verändern, Varianten separat beifügen, Unterschrift nicht vergessen
• Verlangte Nachweise (z.B. betreffend Eignung) beilegen• Einreichungsort beachten• Fristen einhalten (Eingang massgeblich!)• Bekanntmachung des Zuschlags und die Beschwerdefrist
beachten
www.simap.ch
Ausschreibungen per Mausklick
Besuchen Sie uns im Internet
www.beschaffungswesen.zh.ch
KRITERIUM
Information für Anbietende, Verbände und Behörden
Handbuch für Vergabestellen
Inhaltsverzeichnis
1 Einstieg ins Handbuch 2 Grundlagen3 Anwendungsbereich4 Vorbereitung einer
Beschaffung5 Verfahren im Nicht-
Staatsvertragsbereich6 Verfahren im
Staatsvertragsbereich7 Rechtsschutz8 Merkblätter9 Vorlagen
10 Erläuterungen zu denRechtsgrundlagen
11 Glossar12 Sachregister
Teil II:
Behandlung von ortsansässigen Anbietenden im öffentlichen Beschaffungswesen
Zentrale Anliegen des lokalen Gewerbes (“KMU-Forderungen“)
• Behörde soll bei den Vergaben Spielraum zu Gunsten des lokalen Gewerbes nutzen
• Behörde soll nicht nur Preis als Zuschlagskriterium berücksichtigen
• Gleich lange Wettbewerbsspiesse für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
Grundsätze: Ortsansässige Anbietende
Art. 3 Abs. 1 Binnenmarktgesetz:
(Beschränkungen des freien Zugangs zum Markt)
1 Ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern darf der freie Zugang zum Markt nicht verweigert werden. Beschränkungen sind in Form von Auflagen oder Bedingungen auszugestalten und nur zulässig, wenn sie:
a. gleichermassen auch für ortsansässige Personen gelten;b. zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen unerlässlich sind; undc. verhältnismässig sind.
Grundsätze: Ortsansässige Anbietende
Art. 5 Abs. 1 Binnenmarktgesetz:
(Öffentliche Beschaffungen)
1 Die öffentlichen Beschaffungen durch Kantone, Gemeinden und andere Träger kantonaler oder kommunaler Aufgaben richten sich nach kantonalem oder interkantonalem Recht. Diese Vorschriften und darauf gestützte Verfügungen dürfen Personen mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz nicht in einer Weise benachteiligen, welche Artikel 3 widerspricht.
Grundsätze: Ortsansässige Anbietende
Generell gelten die folgenden Prinzipien:
• Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Anbietenden• Wirksamer Wettbewerb und wirtschaftliche Verwendung
öffentlicher Mittel
• Unzulässig bzw. problematisch sind:
- Bevorzugung ortsansässiger Anbietender („Heimatschutz“)
- Kriterium Wohnsitz oder Geschäftsniederlassung
- Distanz vom Geschäftssitz zum Einsatzort
- Sachfremde Kriterien wie volkswirtschaftliche Gründe und regional-, steuer- oder strukturpolitische Überlegungen
Grundsätze: Ortsansässige Anbietende
Die Rechtsprechung hat sich bisher vor allem mit den Kriterien
Ortskenntnis sowie Distanz / Anfahrtsweg (Aspekte Umwelt und
Serviceleistung) beschäftigt.
► Ortskenntnisse:
• „... Das Abstellen auf Ortskenntnisse eines Bewerbers ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung auswärtiger Anbieter ausgesprochen problematisch…“ -► Ortskenntnis ist als Kriterium nur zulässig, wenn diese von besonderem Nutzen und sachlich gerechtfertigt ist (VGr ZH: VB 2004.00305).
Grundsätze: Ortsansässige Anbietende
► Distanz / Anfahrtsweg:
• Unzulässig: Abstellen auf die Distanz vom Geschäftssitz zum Einsatzort (ebenso unzulässig: generelles Abstellen auf die Länge des Anfahrtswegs; VGr ZH: VB 1999.00204)
• Umweltaspekt: Die Distanz zwischen dem Bereitstellungsort eines Anbieters und dem Verwendungsort der Leistung ist grundsätzlich kein geeignetes Zuschlagskriterium. Vorbehalten bleiben von den fraglichen Transporten ausgehende erhebliche Auswirkungen auf die lokale Umweltbelastung der auftraggebenden Gemeinde (u.a. VGr ZH: VB 1998.00369).
Grundsätze: Ortsansässige Anbietende
• Serviceleistungen: Ausnahmsweise zulässiges Zuschlagskriterium: Geografische Nähe zum Beschaffungsobjekt (Stichworte: Kundendienst, Erreichbarkeit, häufige und regelmässige Wartung, kurzfristig erforderliche Reparaturen, z.B. elektronische Einrichtungen, Operationsgeräte, Sauerstoffeinrichtungen von Spitälern; VGr GR; vgl. betr. Serviceleistungen aus der Nähe als zulässiges Kriterium, sofern daraus ein erheblicher Vorteil erwächst: VGr ZH, VB 1998.00252)
Grundsätze: Ortsansässige Anbietende
Möglich ist hingegen:
• Im freihändigen Verfahren und im Einladungsverfahren (v.a.) lokale Anbietende einzuladen (Preisniveau ab und zu testen!)
• Aber: Bei Einladung von Anbietenden aus anderen Regionen und Kantonen gilt das Gleichbehandlungsgebot (VGr ZH: VB
2000.00391)
Schlussfolgerungen
► Das Vergabewesen ist nur beschränkt dazu geeignet, lokale KMU gezielt zu fördern. Massnahmen zu Gunsten von KMU müssen durch entsprechende Vorkehren im betreffenden Sachbereich erfolgen.
► Für die KMU wichtig sind:• Hilfestellungen Kanton ZH:
- Informationsanlässe zu KMU-Themen- Broschüre „Information für Anbietende, Verbände und Behörden“ - Publikationsorgan „KRITERIUM“ und Internetseite der Kommission für öffentliches Beschaffungswesen (KöB; www.beschaffungswesen.zh.ch)
• Simap:Eröffnet Möglichkeit, sich ausserhalb der eigenen Ortschaft bzw. des eigenen Kantons für Aufträge zu bewerben und damit die Gewinnchancen zu erhöhen.
Ich danke Ihnen fürIhre Aufmerksamkeit!