VL Finanzwissenschaft I5. Die Okonomik der staatlichen Sozialversicherung
PD Dr. Jan Schnellenbach
Lehrstuhl fur FinanzwissenschaftRuprecht-Karls-Universitat Heidelberg
Der Wohlfahrtsstaat in der PraxisEin Grundmodell staatlicher Versicherung
Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Uberblick
Der Wohlfahrtsstaat in der PraxisZeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Ein Grundmodell staatlicher VersicherungAnnahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Staatliche Sozialversicherungen: praktische ProblemeEin GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
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Der Wohlfahrtsstaat in der PraxisEin Grundmodell staatlicher Versicherung
Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Zeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Gesamte Sozialausgaben 1980-2001
Quelle: Willem Adema & Maxime Ladaique, Net Social Expenditure. 2005
Edition, Paris: OECD
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Zeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Gesamte Sozialausgaben 1980-2001
Quelle: Willem Adema & Maxime Ladaique, Net Social Expenditure. 2005
Edition, Paris: OECD
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Zeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Gesamte Sozialausgaben 1980-2001
Was ist darin enthalten?
Quelle: Willem Adema & Maxime Ladaique, Net Social Expenditure. 2005
Edition, Paris: OECD
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Zeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Offentliche Sozialausgaben 2003 in Prozent des BIP
Quelle: OECD, Social Expenditure Database 2007.
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Zeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Offentliche Sozialausgaben 2003 in Prozent des BIP
Quelle: OECD, Social Expenditure Database 2007.
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Zeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Offentliche Sozialausgaben nach Ausgabenarten
Quelle: Willem Adema & Maxime Ladaique, Net Social Expenditure. 2005
Edition, Paris: OECD8 / 56
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Zeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Typen von Wohlfahrtsstaaten
I sozialdemokratische Variante (insbesondere Skandinavien)I umfassende SozialleistungenI wahrgenommenes Recht des einzelnen Burgers auf diese
LeistungenI Betonung aktiver ArbeitsmarktpolitikI finanziert vor allem durch Steuern
I liberale Variante (z.B. USA, Großbritannien)I residualer Wohlfahrtsstaat: Versicherung gegen extreme RisikenI strikte Prufung der Bedurftigkeit im EinzelfallI haufig Bezug von Sachleistungen
I korporatistische Variante (z.B. Deutschland, Frankreich)I Finanzierung von Sozialleistungen durch BeitrageI gemeinsame Finanzierung durch Arbeitnehmer und ArbeitgeberI starke Belastung von Arbeitseinkommen
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Zeitreihen fur OECD-LanderQuerschnittsdaten fur OECD-LanderSchwerpunkte nach AusgabenartenTypen von Wohlfahrtsstaaten
Typen von Wohlfahrtsstaaten
Zwei Funktionen von Wohlfahrtsstaaten:
I Versicherung gegen Risiken
I Umverteilung von Einkommen
I Hier zunachst: Konzentration auf den Versicherungsaspektsozialer Sicherungssysteme
I allerdings: klare Trennung beider Funktionen in der Realitatunrealistisch
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Annahmen des Modells
I Unsicherheit der Einkommen der Burger (uber die gesamteLebenszeit gerechnet)
I individuell kontrollierbare Einflusse, z.B.I Investitionen in eigenes HumankapitalI individuelles Bilden von ErsparnissenI individuelles Arbeitsangebot
I nicht individuell kontrollierbare Einflusse, z.B.I konjunkturelle EinflusseI unterschiedliche Nachfrage nach spezifischem HumankapitalI Einkommensschicht der Eltern
I Risikoaversion der Burger
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Annahmen des Modells
Einfaches Modell:
I alle Individuen erhalten die gleiche Ausstattung h mitHumankapital
I alle Individuen mussen mit einem stochastischen Schock εrechnen
I Individuen erwirtschaften Einkommen in Hohe von y = h + εmit E [ε] = 0
I die Individuen maximieren E [u(c)]I ohne Versicherung: c = yI mit Versicherung: c = (1− t)y + z
I strikt konkave Nutzenfunktion: u′(c) > 0 > u′′(c)
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Annahmen des Modells
Einfaches Modell:
I vereinfachende Annahme: ε ∈ {ε0, ε1} mit ε0 < 0 < ε1.
I Eintrittswahrscheinlichkeit fur ε1: p
I erwarteter Konsumnutzen ohne Wohlfahrtsstaat:
E [u(c)] = pu(c1) + (1− p)u(c0) (1)
I und wegen Risikoaversion gilt:
u(E [c]) = u(pc1+(1−p)c0) > pu(c1)+(1−p)u(c0) = E [u(c)](2)
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Annahmen des Modells
aus: Corneo (2007), S. 106.
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Steuer-Transfer-System
Annahmen:
I lineares Steuer-Transfer-System mit proportionalem Steuersatzt
I einheitlicher Pauschaltransfer z (ahnlich Meltzer & Richard1981)
Fragestellung: welche Politik (t∗, z∗) ist effizient?
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Steuer-Transfer-System
aus: Corneo (2007), S. 107.
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Steuer-Transfer-System
Wirkung des Steuer-Transfer-Systems:
I Bei einer großen Zahl von Individuen entspricht dasDurchschnittseinkommen dem Erwartungswert
E [y ] = h (3)
I so daß t ·E [y ] = t ·h und bei ausgeglichenem Budget z = t ·h.
I Fur den einzelnen Burger gilt
c = (1− t)y + th = y + t(h − y) (4)
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Steuer-Transfer-System
Wirkung des Steuer-Transfer-Systems:
I ex post: Nur Individuen mit y < h profitieren vom System →keine Paretoverbesserung aus dieser Perspektive!
I ex ante: Unsicherheit uber das eigene Einkommen mußberucksichtigt werden. Erwartungsnutzen eines Burgers:
E [u((1− t)(h + ε) + th)] (5)
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Steuer-Transfer-System
Das optimale Steuer-Transfer-System:
I Bedingung erster Ordnung:
dE [u]
dt= −E [(h + ε) · u′((1− t) · (h + ε) + th]
+h · E [u′((1− t) · (h + ε) + th] = 0 (6)
⇒ −{E [y · u′(c)]− E [y ] · E [u′(c)]
}= 0
⇒ −Cov [y , u′(c)] > 0 (7)
I notabene:Cov [X1,X2] = E [(X1 − µ1)(X2 − µ2) = E [X1X2]− µ1µ2
I Also: maximaler Steuersatz ist optimal → (t∗, z∗) = (1, h)
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Steuer-Transfer-System
Problem des Grundmodells in dieser Version:
I h, ε sind exogen
I keinerlei Verhaltensanpassung der Individuen an dasSteuer-Transfer-System
I realistischer: endogene Investition in das individuelleHumankapital
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Modell mit Anreizwirkungen
I Modell mit zwei Phasen
U = u(c1) + E [u(c2)] (8)
Achtung: Index ist nun ein Zeitindex!
I Individuen verfugen in der ersten Phase uber eineAnfangsausstattung
k = c1 + h (9)
I Einkommen in der zweiten Phase ergibt sich wie imGrundmodell.
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Modell mit Anreizwirkungen: Laissez-faire
I Mit rationalen Individuen gilt c2 = y und
U = u(k − h) + E [u(h + ε)] (10)
I Maximierung fuhrt dann zu
−u′(c1) + E [u′(c2)] = 0 (11)
I so daß fur jedes effiziente h gilt
u′(k − h) = E [u′(h + ε)] (12)
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Modell mit Anreizwirkungen: Laissez-faire
Was ware die effiziente Losung?
I Nutzenfunktion erfordert fur ein Maximum die perfekteGlattung des Konsums: c∗1 = c∗2 .
I unter Sicherheit ware c∗2 = h∗.
I und somit
h∗ =k
2(13)
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Modell mit Anreizwirkungen: Laissez-faire
Ein Vergleich:
I Keine Ubereinstimmung zwischen (12) und (13): OptimaleInvestitionen in Humankapital unter Laissez-faire undUnsicherheit fuhren nicht zu einer perfekten Glattung desKonsums.
I Bei sinkender absoluter Risikoaversion R(c) = −u′′(c)u′(c) wird
zuviel in individuelles Humankapital investiert.
I Grund: individuelle”Versicherung“ gegen ungunstiges ε.
I Mit sinkendem R(c): Asymmetrie zwischen positiven undnegativen Abweichungen vom Erwartungswert.
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Modell mit Anreizwirkungen: Wohlfahrtsstaat
I Lineares Steuer-Transfer-System (t, z) wie oben.
I Erwarteter Nutzen:
u(k − h) + E [u((1− t)(h + ε) + z) (14)
I ...und die Bedingung erster Ordnung:
u′(k − h) = E [u′((1− t)(h + ε) + z) · (1− t)] (15)
I ...oder mit Berucksichtigung von z = th
u′(k − h) = E [u′(h + (1− t)ε) · (1− t)] (16)
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Annahmen des ModellsEin Steuer-Transfer-SystemAnreizwirkungen des Steuer-Transfer-Systems
Ein Modell mit Anreizwirkungen: Wohlfahrtsstaat
Was bedeutet dies?
I Individuen passen h an den Steuersatz an: h = h(t)
I Investition in Humankapital sinkt mit steigendem SteuersatzI t = 1 ist nicht mehr die optimale Losung
I hier: sofortiger Konsum der Anfangsausstattung in der erstenPhase
I Konsumglattung ist nicht mehr moglich
I Form von moral hazard: Burger reagieren auf Besteuerung(Versicherung) mit einer verborgenen Handlung (Reduktionihrer Investition)
I Ohne dieses Problem konnte der Staat ein optimales h∗
einfach verordnen.
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Eine einfache Versicherung
I Individuen konnen Einkommen y2 < y1 erzielen
I Eintrittswahrscheinlichkeit des”guten“ Zustandes: (1− π)
I Nutzenfunktion der Invdividuen:
U = (1− π)u(c1) + πu(c2) (17)
I mit c1 = y1 − qv und c2 = y2 − qv + v
I q: Versicherungspramie; v : vertraglich vereinbarte Zahlung imKrankheitsfall
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Eine einfache Versicherung
I Dies fuhrt zu
U = (1− π)u(y1 − qv) + πu(y2 + v(1− q)) (18)
I und zur Bedingung erster Ordnung:
−(1− π)qu′(y1 − qv) + π(1− q)u′(y2 + v(1− q)) = 0 (19)
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Eine einfache Versicherung
Die Angebotsseite des Marktes:
I risikoneutrale Versicherer
I vollstandige Konkurrenz
I π ist den Anbietern bekannt
I Versicherer hat aus einem Vertrag Einnahmen qv und zahltmit einer Wahrscheinlichkeit π die Entschadigung v aus.
I Nullgewinnbedingung: qv = πv
I versicherungsmathematisch fairer Pramiensatz: q = π
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Eine einfache Versicherung
Das Marktgleichgewicht:
I Einsetzen von q = π in die Bedingung erster Ordnung fuhrtzu: c1 = c2
I und damit y1 − qv = y2 + v(1− q)
I daraus folgt v = y1 − y2
I und schließlich c1 = c2 = y1 − π · (y1 − y2)I Also:
I vollstandige Versicherung des RisikosI Pramie entspricht dem erwarteten Schaden π · (y1 − y2)
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Wieso staatliche Sozialversicherungen?
Folgen von Informationsasymmetrien: adverse Selektion
I wahres Schadensrisiko einzelner Individuen nicht beobachtbar
I Versicherer formulieren ein einheitliches Angebot fur alleNachfrager
I Individuen mit geringem Schadensrisiko versichern sich nicht
I nur schlechte Risiken bleiben in der Versicherung zuruckI keine pareto-effiziente Losung:
I gute Risiken konnen ihr Risiko nicht zu akzeptablen Pramienversichern
I schlechte Risiken zahlen zu hohe Pramien
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Wieso staatliche Sozialversicherungen?
Folgen von Informationsasymmetrien: adverse Selektion
Mogliche Gegenmaßnahmen:I Differenzierte Versicherungsvertrage, z.B. mit Selbstbehalten
I screening der Versicherten durch Wahl passender VertrageI Quersubventionierung zwischen Versichertengruppen begrenzt
moglichI Problem: Risiko wird in geringerem Ausmaß uber die
Gesamtpopulation gestreut
I Abschluß von Vertragen, bevor Individuen selbst uber ihrRisiko informiert sind
I Versicherungszwang
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Das Versicherungsmodell mit asymmetrischer Information
I Zwei Gruppen von Individuen mitSchadenswahrscheinlichkeiten πB > πA
I Bei unterschiedlichen Risikoklassen in einem perfektenVersicherungsmarkt also qA = πA und qB = πB
I Asymmetrische Information:I Zugehorigkeit der Individuen zu A und B ist fur den
Versicherer nicht beobachtbarI Lediglich die Verteilung beider Typen in der Bevolkerung ist
bekanntI Es existiert also nur ein Preis fur den Versicherungsschutz
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Der Wohlfahrtsstaat in der PraxisEin Grundmodell staatlicher Versicherung
Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Das Versicherungsmodell mit asymmetrischer Information
I Konsumniveaus in den beiden Zustanden: c1 = y1 − qv undc2 = y2 + (1− q)v
I nach Einsetzen: c2 = y2 + (1− q)y1−cy
q ...
I ...und nach einigem Sortieren:
(1− q)c1 + qc2 = (1− q)y1 + qy2
⇒ c1 +
(1− q
q
)c2 = y1 +
(1− q
q
)y2 (20)
I1− q
qals
”Preis“der Ausweitung des Konsums im schlechten
Zustand, gemessen in Einheiten des Konsums im gutenZustand.
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Der Wohlfahrtsstaat in der PraxisEin Grundmodell staatlicher Versicherung
Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Das Versicherungsmodell mit asymmetrischer Information
aus: Corneo (2007), S. 126. In Z : v = 0, in P: v = y1 − y2
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Das Versicherungsmodell mit asymmetrischer Information
I Aus den Nutzenfunktionen der Individuen mit T ∈ {A,B}folgt mittels impliziter Differentiation
uT = (1− πT )u(c1) + πTu(c2) = uT
⇒ dc2
dc1= −
(1− πT
πT
)· u′(c1)
u′(c2)(21)
I Indifferenzkurven sind fallend und konvex
I Steigung bei c1 = c2 ist stets 1−πTπT
I An jedem Punkt (c1, c2) ist die Indifferenzkurve von Typ Asteiler als die von Typ B (single crossing property)
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Das Versicherungsmodell mit asymmetrischer Information
aus: Corneo (2007), S. 126.
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Das Versicherungsmodell mit asymmetrischer InformationWas passiert bei einem einheitlichen Versicherungsvertrag?
aus: Corneo (2007), S. 128.
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Wie verhalten sich die Anbieter?
I Gesamtnachfrage auf dem Markt: V = V A + V B . JederVersicherer j versichert Vj Einheiten Einkommen
I j erhalt Einnahmen in Hohe von qVj
I j erwartet Ausgaben in Hohe von V A
V VjπA + V B
V VjπB
I mit der Nullgewinnbedingung folgt dann
q =V A
V A + V BπA +
V B
V A + V BπB (22)
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse Selektion
I Zum Einheitspreis q kaufen die Individuen der Gruppe Bzuviel Versicherung
I”Uberversicherung“: Konsum im Schadensfall ist hoher als im
Nicht-Schadensfall
I Individuen der Gruppe B sind relativ zur Losung mitdifferenzierten Marktpreisen unterversichert
I Ist ein volliges Verdrangen der guten Risiken moglich?I Beispiel: Abb. VI.4I Randlosung in A fur Individuen der Gruppe AI q = πB bleibt als versicherungsmathematisch fairer Pramie fur
die verbleibenden Versicherten
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse Selektion
aus: Corneo (2007), S. 128.
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse SelektionIst das Marktgleichgewicht mit adverser Selektion effizient?
I Durchschnittseinkommen in der Gruppe A:
γA ≡ (1− πA)(y1 − qvA) + πA(y2 + (1− q)vA)
= (1− πA)cA1 + πAcA
2 (23)
I Das Durchschnittseinkommen ist (bei hinreichend großer Zahlvon Individuen) keine Zufallsvariable mehr
I Umverteilungsmoglichkeiten:
cA2 =
γA
πA−
(1− πA
πA
)cA1 (24)
I Umverteilung innerhalb von A von Individuen mit gutem zuIndividuen mit schlechtem Zustanz moglich.
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse Selektion
aus: Corneo (2007), S. 129.
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
VertragswettbewerbWas passiert, wenn die Versicherer doch unterschiedliche Vertrageanbieten?
I Ein Vertrag j bestehen ausI einer Pramie Pj , die im Fall eines hohen Einkommens vom
Versicherten gezahlt wirdI einer Entschadigung Ej , die im Fall des niedrigen Einkommens
an den Versicherten gezahlt wird
I Vertrage sind ausschließbar: nur eine Entschadigung istmoglich
I Betrand-Wettbewerb: Anbieter legen Konditionen ihrerVertrage fest, Nachfrager entscheiden sich
I Definition eines Wettbewerbsgleichgewichtes:I Jeder Vertrag erzielt einen Gewinn von NullI Kein nicht angebotener Vertrag konnte einen positiven
(erwarteten) Gewinn erbringen, wenn er gleichzeitig mit denbereits angebotenen Vertragen angeboten wird.
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Vertragswettbewerb
I Konsummoglicheiten der Individuen bei Vertragsabschluß:
c1 = y1 − P; c2 = y2 + E (25)
I Zur Erinnerung: bei nur von einer Gruppe nachgefragtenVertragen entspricht die Nullgewinnbedingung derversicherungsmathematisch fairen Pramie fur diese Gruppe
I Abbildung 6: Screening durch ein zusatzlichesVertragsangebot {P ′,E ′}
I Problem: Anbieter fahrt Gewinne ein!
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse Selektion
aus: Corneo (2007), S. 132.
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse SelektionNicht-Existenz eines Pooling-Gleichgewichtes:
aus: Corneo (2007), S. 133.
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse SelektionAlso: Wenn ein Gleichgewicht existiert, dann muß es eintrennendes Gleichgewicht sein.
aus: Corneo (2007), S. 135.48 / 56
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse Selektion
Aber: mogliche Nicht-Existenz eines Gleichgewichtes
I Aggregierte Wahrscheinlichkeit eines niedrigen Einkommens inder gesamten Bevolkerung:
π = λπA + (1− λ)πB (26)
mit λ als Anteil der guten Risiken in der Bevolkerung.
I Steigt λ, so dreht sich die Gerade mit der Steigung−(1− π)/π nach rechts...
I ...und schneidet irgendwann die durch A verlaufendeIndifferenzkurve der guten Risiken
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse Selektion
aus: Corneo (2007), S. 136.
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse Selektion
Aber: mogliche Nicht-Existenz eines Gleichgewichtes
I In der schraffierten Flache konnen Vertrage angebotenwerden, die das trennende Gleichgewicht aufheben
I Diese Vertrage sind mit Gewinnen verbunden: impliziter Preisq ist hoher als π
I Diese Situation kann allerdings kein Gleichgewicht sein
I Resultat: der Versicherungsmarkt bricht zusammen
I Individuen konnen sich letztendlich gar nicht mehr versichern
I Losung: Staatlicher Versicherungszwang und Angeboteiner fur die Gesamtbevolkerung fairen Losung S
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Der Wohlfahrtsstaat in der PraxisEin Grundmodell staatlicher Versicherung
Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse SelektionBei Existenz eines trennenden Gleichgewichtes:
aus: Corneo (2007), S. 140.Effiziente staatliche Quersubventionierung der schlechtenRisiken
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Adverse SelektionBei Existenz eines trennenden Gleichgewichtes:
aus: Corneo (2007), S. 140.Effiziente staatliche Grundsicherung mit privaterZusatzversicherung
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Ein weiteres Problem: moralisches Risiko
Folgen von Informationsasymmetrien: ex ante moral hazardI Beispiel: Arbeitslosenversicherung
I Risiko der Arbeitslosigkeit ist nicht exogenI freiwillige Arbeitslosigkeit ist grundsatzlich moglich
I Problem nimmt mit dem Grad der Absicherung gegen dasversicherte Risiko zu
I Folge bei privaten Vertragen: geringeres Ausmaß derAbsicherung relativ zu einer Welt ohne ex ante moral hazard
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Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Ein weiteres Problem: moralisches Risiko
Folgen von Informationsasymmetrien: ex post moral hazard
I Die wahren Kosten sind beim Eintritt des Schadensfalls furden Versicherer nicht perfekt kontrollierbar
I Beispiel: angebotsinduzierte Nachfrage im Gesundheitswesen
I Problem: Kosten der Versicherung sind hoher als die eigentlichversicherungsmathematisch gerechtfertigte Pramie(Zusammenspiel mit adverser Selektion)
I Losungen: z.B. managed care, andere Formen vertikalerIntegration, Fallpauschalen
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Staatliche Sozialversicherungen: praktische Probleme
Ein GrundmodellAdverse SelektionMoralisches Risiko
Fazit
Adverse Selektion, ex post und ex ante moral hazard:
I graduelles Problem: bei allen versicherten Risiken mehr oderweniger vorhanden
I besonders problematisch allerdings bei typischerweise vomStaat versicherten Risiken
I ArbeitslosigkeitI Krankheit, PflegeI Alter?
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