Moderne Mastitistherapie
Volker Krömker
Hochschule Hannover – Mikrobiologie
Gliederung
• Politische Aspekte
• Zielgerichtete Antibiotikatherapie
– Laktation
– Trockenperiode
• Fazit
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Aktuell:
Antibiotikaresistenz ist
für ca. 50.000
Todesfälle in den USA
und Europa
verantwortlich.
Weltweit: ca.
700.000 Todesfälle pro
Jahr
Prognostiziert für
2050:
ca. 10 Millionen
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COMMISSION NOTICE – Leitlinien für die umsichtige
Verwendung von antimikrobiellen Mitteln in der
Veterinärmedizin (2015/C 299/04)
• Vermeidung der systematischen Behandlung von Kühen während der Trockenstellung
sowie Prüfung und Durchführung alternativer Maßnahmen im Einzelfall
• Einführung gründlicher Hygienemaßnahmen und guter landwirtschaftlicher Praktiken
und Strategien beim Umgang mit Gefahren, um die Entwicklung und die Ausbreitung
von Mastitis bei Milchkühen auf ein Mindestmaß zu beschränken
• Förderung der Verwendung von Schnelldiagnosetests zur Identifizierung von Keimen,
die Mastitis verursachen, um so die Verwendung sowohl intramammärer als auch
injizierbarer antimikrobieller Mittel bei milchenden Kühen auf ein Mindestmaß zu
beschränken;
• Vermeidung der Fütterung von Kälbern mit Abfallmilch von Kühen, die mit
antimikrobiellen Mitteln behandelt wurden
Europäische Arzneimittelagentur (EMA) - Antibiotika
mit kritischer Bedeutung für den Menschen
Kategorie 1: Niedriges/begrenztes Risiko für die menschliche Gesundheit
• Schmalspektrum Penicillins, Macrolides, Tetracyclines, Polymixins
• Ein verantwortlicher Umgang muss gewährleistet sein
Kategorie 2: Höheres Risiko für die menschliche Gesundheit
• Fluoroquinolones, systemic 3/4 G Cephalosporins,
(Aminoglycosides?, broad-spectrum Penicillins?)
• Eingeschränkte Verwendung, wo es keine Alternativen gibt oder diese
schlecht wirken
Kategorie 3: Antibiotika mit kritischer Bedeutung für die menschliche
Gesundheit nicht im veterinärmedizinischen Einsatz
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Erfordernisse der Zeit in der Mastitistherapie
• Verminderung der antibiotischen Dosen in der
Mastitistherapie
• Verminderung von Cephalosporinen der 3. und 4. Generation
und Fluorquinolonen
• Selektives Trockenstellen
• Mehr Diagnostik und Antibiogramme
• Mehr Nachvollziehbarkeit in der Therapie
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Mastitiseinteilung (IDF 1999):
• Schwer: Systemische Antibiose, Flüssigkeitstherapie, Entzündungshemmer
(NSAID)
• Mittel und mild: Therapieentscheidung hängt vom jeweiligen Tier ab und
vom Erreger, Entzündungshemmer (NSAID)
• Subklinisch (Zellzahl erhöht): keine Behandlung in der Laktation mit
Ausnahme von:
– Sc. agalactiae/ Sc. canis – sofortige Therapie (Penizillin)
– S. aureus in den 1. 30 Tagen der 1. Laktation
(Erskine et al., 2002; Mansion-de Vries et al., 2015; McDougall et al., 2009; Pinzon-Sanchez et al., 2011;
Roberson et al., 2012; Wenz et al., 2001; 2005; Zecconi et al., 1999)
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Die Behandlung hängt vom Erkrankungsgrad ab
Was sind klinische Mastitiden?
Therapeutische Häufigkeit (Dokumentation)
Einteilung in leicht (Milch), mittel (+Milchdrüse), schwer (+syst. Erkrankung)
(>39,5°C) n. IDF 1999
Klinische Heilung am Tag 5 > 50 % = 1 Scoregrad besserist mit bakteriologischer Heilung verbunden OR = 6,1 (KI 95% 2,4-15,4))
= ohne Verbesserung – Antibiotische Behandlungspause – (Schnell)test
Neuer Fall >14 Tage nach Erstfall
Innerhalb 14 Tagen = Therapieversager
Wie viele Fälle sind normal? (n= 189 Betriebe)
Max. 214 Fälle
97, 5 % 112 Fälle
Median 32 Fälle
2,5 % 5 Fälle
Min. 2 Fälle
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pro 100 Kuhjahre
unter Risiko
Ziel International: 24 % o.
2 % pro MonatBefund
Grad 1
(n=196)
Grad 2
(n=149)
Grad 3
(n=38)
Gram-negativ 13% 25% 40%
Gram-positiv 44% 47% 47%
Mischinfektion 5% 9%
Kein Wachstum 39% 19% 13%
Risikofaktoren:
• Herdenalter
• Erreger
• Neuinfektionsrate TP und L
• Anteil chronischer subklinischer Mastitiden
Therapeutische Entscheidungsfindung bei Mastitiden
• Klinischer Score
– subklinisch, mild, mittel, schwer (IDF 1989; Zecconi et al. 2011; Landin et al. 2012)
• Mikroorganismus
– Bakteriologische Heilungsrate:
– Trockenperiode: > 85 % alle Mikroorganismen
– Laktation: ca. 60 % Enterobacteriaceae 87 % (vor allem Selbstheilung), Streptokokken74 %, KNS 71 %, S. aureus 47%
– Ausscheidungsrate: < 10 KbE/10µl = 85 %, 10-50 KbE/ml = 79 %, > 50 KbE/ml = 71 %
• Neuinfektionsrate
– Hohe vs. niedrige Neuinfektionsrate (Barlow et al. 2009)
• Tierindividuelle Daten
– Alter, Chronizität, andere Erkrankungen (Krömker 2003, Degen et al. 2014)
– Klinische Mastitiden in der Laktation: 0 = 79 %, 1 = 76 %, > 1 = 50 %
– Niedrigere Zellzahl vor dem Fall = höhere Heilungsraten
• Pharmakologie
– Lokal vor parenteral, schmal vor breit, entsprechende Empfindlichkeit für den Wirkstoff
Wie viele Fälle sind nicht antibiotisch heilbar?
Somatische Zellzahl: 3 x über 700.000 Zellen/ml Milch in der MLP
(Osteras 2006)
= Soll: < 1 % der Herde
Vorgeschichte: > 2. Mastitis in der Laktation
(Pinzón-Sánchez und Ruegg, 2011)
= Soll: < 1 % der Herde
Antibiotisch Therapieunwürdig: Heilungswahrscheinlichkeit lässt
sich durch antibiotische Behandlung nicht steigern,
Antibiotikaverzicht
Behandlung therapieunwürdiger Tiere:
NSAID-Gabe (Friedrich et al. 2013)
Enzymtherapie anstatt Antibiose (Ziesch et al. 2017)
11
15 % der Fälle,
4 % der Kühe
0 %
57 % der Fälle,
11 % der Kühe
Therapieunwürdige Tiere
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Evidenzbasiertes Therapiekonzept
• Bei allen Mastitiden hat die Gabe eines NSAIDs eine positive Auswirkung
auf die klinische und bakteriologische Heilung sowie auf die Milchmenge (Suojala et al., 2010; Krömker et al., 2011)
• Aufgrund der Gefahr einer Septikämie sollte bei Mastitisgrad 3 immer eine
parenterale Antibiotikatherapie erfolgen (Wenz et al., 2001)
• bei Mastitisgrad 1 und 2 kann eine lokale Antibiotikatherapie differenziert
nach der Erregergruppe erfolgen
Selektive Antibiotikatherapie möglich
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Schnelltest
Gram-positiv Gram-negativ Kein Erregerwachstum
lokale Antibiotikagabewirkt sich positiv
auf die Heilungsrate
aus
(Roberson et al.,
2004; Hillerton und
Kliem, 2002)
keine besseren Heilungsraten durch eine lokale Antibiotikagabe, sehr hohe
Selbstheilungsrate
(Wilson et al. 1999, Roberson et al. 2004,
Soujala et al. 2010)
"Schnelltests" zur Entscheidungsfindung in
der Mastitistherapie (12-14 h)
Petrifilm
3m
MastDecide
www.quidee.de
Schnelltest-Anwendung
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Schnelltest-Auswertung
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Testmedium 1 –weiß markiert
(Erregerwachstum allgemein)
Testmedium 2 –gelb markiert
(Gram-positiv)
Testergebnis
weiß rosa Gram-negativ bzw. Coliformea
weiß weiß Gram-positivb
rosa rosa kein Erreger nachgewiesen
Gram-negativer
Erreger
Gram-positiver
Erreger
Kein Erreger
nachgewiesen
Was ist zu beachten?
• Vergleich mit der mikrobiologischen Routineuntersuchung im Labor (10 µl)
• Schnelltest testet 10-fache Milchmenge
• andere Nachweisgrenze
• weniger Befunde ohne Erreger-
• wachstum (Vergleich zu Labor-US)
• Mischinfektionen oder kontaminierte Proben
• Erreger können sich im Wachstum gegenseitig hemmen
• Zeitpunkt der Probennahme, Vorbehandlung
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Verlängerte Therapie
• Erstfälle in den ersten drei Laktationen (bei Gram-positivem Erreger):
• lokal verlängerte Antibiotikatherapie (Sol et al., 2000; Krömker et al., 2010; Krömker et al., 2015)
Individuelle Kuhfaktoren/Therapiewürdigkeit geprüft □
Erste Mastitis in der 1. bis 3. Laktation □ -> verlängerte Antibiose bei
Gram-positivem Erreger
Dritte Mastitis in der Laktation □ -> keine lokale Antibiose
3 x > 700.000 Zellen/ml in der MLP □ -> keine lokale Antibiose
Kommentare:__________________________________________________________
Antibiose lokal ja □ nein □
Verlängerte Antibiose ja □ nein □
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Klinische Mastitis
Probe ziehen
Leicht (Grad 1)Mittel (Grad 2) Schwer (Grad 3): gestörtes
Allgemeinbefinden
therapiewürdig
Bis zu 3 Tage
EntzündungshemmerKeine lokale Antibiose
Lokale Antibiose (Eutertube)
Bis zu 3 Tage
Entzündungshemmer
Entzündungshemmer(NSAID) geben
Systemische AntibioseFlüssigkeitstherapie
Schweregrad bestimmen
Therapiewürdigkeit checken
Schnelltest-Ergebnis
Grampositiv
Gramnegativ/Kein Erreger
Schnelltest ansetzen
therapieunwürdig
Wie behandeln?
Wenn nicht jeder im Betrieb gleiche
Fälle gleichartig behandelt, ist
Verbesserung und sachgerechte
Beratung nicht möglich.
Vergleich normale Behandlung und schnelltestbasierte
Behandlung
HeilungsratenResistenzentwicklung
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Bakteriologische Heilungsraten – normale
Behandlung vs. schnelltestbasierte Behandlung
Vorphase
(n=186)
Schnelltest-Phase
(n=431)
Heilungsraten 81%
Anteil lokal antibiotisch
behandelter Mastitiden90%
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83%
33%
Definition Bakteriologische Heilung:
Der Erreger der Mastitisprobe ist in beiden Kontrollproben (Tag 14/Tag 21)
nicht nachweisbar. Ist eine Kontrollprobe kontaminiert, zählt die andere alleine.
AntibiogrammeGram-negative Erreger, Empfindlichkeit (in %)
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Empfindlichkeit (%) E. coli andere coliforme
VOR (n=17) ST (n=44) VOR (n=26) ST (n=33)
Cefquinom 88 91 96 97
Danofloxacin 82 95 100 97
Sulfamethoxazol/
Trimethoprim88 86 100 100
VOR: Vorphase
ST: Schnelltest-Phase
Mittlerer Durchmesser
Hemmhof (mm)
Cefquinom 22,3 (n=5) 27,7 (n=36) 27,3 (n=7) 34,5 (n=29)
Danofloxacin 25,5 (n=5) 27,8 (n=36) 24,8 (n=7) 35 (n=29)
Sulfamethoxazol/
Trimethoprim24,5 (n=5) 23,3 (n=36) 27,1 (n=7) 31,3 (n=29)
AntibiogrammeStreptokokken, Empfindlichkeit (in %)
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S. uberis S. dysgalactiae
VOR (n=17) ST (n=74) VOR (n=8) ST (n=9)
Cefquinom 88 99 88 100
Cefalexin/Kanamycin 53 100 (n=17) 63
Amoxicillin/Clavulansäure 80 (n=15) 99 88 100
Cloxacillin 71 93 100 100
Penicillin G 100 100 100 100
VOR: Vorphase
ST: Schnelltest-Phase
AntibiogrammeStaphylokokken, Empfindlichkeit (in %)
Seite 26
S. aureus KNS
VOR (n=11) ST (n=12) VOR (n=19) ST (n=36)
Cefquinom 82 100 95 100
Cefapirin 82 100 79 100
Cefalexin/Kanamycin 82 100 95 100 (n=7)
Amoxicillin/Clavulansäure 100 100 95 100
Cloxacillin 100 100 89 97
Penicillin G 91 100 84 100
VOR: Vorphase
ST: Schnelltest-Phase
Antibiotische Trockenphasentherapie
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Für wen kommt selektives Trockenstellen in Frage?
Da das selektive Trockenstellen immer auch Risiken für die Eutergesundheit
birgt, sollten nur Betriebe mit einem guten Eutergesundheitsmanagement
selektiv Trockenstellen. Das heißt:
• Wenig Probleme mit klinischen und subklinischen Mastitiden
• Gutes Hygienemanagement (Boxenpflege, Applikation von
Trockenstellern und Zitzenversieglern)
• Regelmäßige Kontrolle der MLP Daten
• Regelmäßige mikrobiologische Untersuchungen von Milchproben
euterkranker Tiere; Erregerspektrum des Betriebes bekannt
• Kein Galt / Sc. canis im Bestand / kein S. aureus Sanierungsbetrieb
• Gutes Trockenstehmanagement; hohe Heilungsrate, niedrige
Neuinfektionsrate
Trockenstelltherapie – SelektionskriterienKiesner et al. 2016
• 250 Kühe aus Biobetrieben zum TS
• Erhobene Daten für die Regressionsanalyse:
– MLP Daten
– Klinische Daten
– CMT
– Viertelgemelksuntersuchung
Ziel: Identifikation der besten
Selektionskriterien im Vergleich zur zyto-
bakteriologischen Untersuchung
• Heilung ist signifikant besser mit:
– Antibiotischem TS (OR: 8.015)
– Zitzenversiegler (OR: 7.352)
– Kürzerer Länge TP (OR: 0.420)
• Weniger NI mit: Zitzenversiegler
(OR: 0.407)
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30
Zellzahl
Herdensammelmilch
Mehrkalbskühe 1. Laktation
< 100 250 200
100-150 200 150
150-200 150 100
200-250 100 50
> 250 50 50
Die englische Lösung: Antibiotisches Trockenstellen anhand der
Herdensammelmilchzellzahl und der Einzeltierzellzahl (Biggs et al. 2015)
Fazit – Moderne Mastitistherapie heißt ….
Streptokokken S. aureus Andere
1. Laktation 2. Laktation > 2 Laktationen
NIR < 10 10-20 >20 %
Trockenperiode Laktation klinisch Laktation subklin.
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… die richtigen Präparate in richtiger Dosierung bei den richtigen
Tieren/Vierteln anzuwenden.
Effektiv
Wenig effektiv
… auch in der Zukunft wirksame Präparate zu haben
Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit!
mastDecide
• Wo zu kaufen?
• Kosten: 58,00€ (zzg. 19% UST)
• Inkubatoren
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