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Vorkurs Mathematik für Informatiker
-- 1 Potenzen und Polynome --
Thomas Huckle Stefan Zimmer (Stuttgart)
30.9.2015
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Vorwort
• Es sollen Arbeitstechniken vermittelt werden für das Informatikstudium • Der wesentliche Teil ist das Bearbeiten der Übungsaufgaben
• Aufgaben, die man nicht lösen konnte, kann man vergessen, daher gibt es keine „Musterlösungen“: „learning by doing“ • Stoffauswahl: - Wiederholung von Schulstoff - Informatik-relevante Mathematik - aber insgesamt relativ willkürlich, aber interessant
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Vorgehensweise
Mathematik: Definition von Objekten und Operationen.
Frage nach Eigenschaften der definierten Strukturen!
Vorlesung verstehen? Nacharbeiten!
Typischer Lösungsweg für Übungsaufgaben: Aus aktuellem Teil des Skripts/der Vorlesung die Definitionen anschauen, umformulieren, zusammenfügen Lösung
Jeder Zeit Fragen stellen! Anwesenheit!
Verschiedene Schwierigkeitsstufen.
Serlo: https://de.serlo.org/mathe/universitaet/tu-muenchen/vorkurs-mathematik-informatiker/44328
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„Potenzen“ bzgl. Addition Einführung der Zahloperationen, basierend auf 0 und 1: „Potenzen“ bezgl. „+“:
n=++++ 11...11
n-mal
Mächtigkeit einer Menge mit n Elementen (Äpfeln)
Addition: n+1 = (1+1+..+1+1) + 1 als Nachfolger von n
Multiplikation: nnnnmn ++++=⋅ ...
m-mal
als wiederholte Addition in Paketen oder Mächtigkeit von m Mengen der Mächtigkeit n
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Potenzen bzgl. Multiplikation Potenz als wiederholte Multiplikation:
nxxxxx :=⋅⋅⋅⋅
n-mal
als abkürzende Definition/Schreibweise „:=„
( ) ( ) mnnm xxxxxxxxxxxxxxx +=⋅⋅=⋅⋅⋅⋅⋅=⋅
m-mal n-mal m+n-mal
( ) ( ) ( ) ( )( ) ( )mmm xyxyxyyyxxyx ==⋅=⋅
m-mal m-mal m-mal
( ) ( ) ( ) mnmmnm xxxxxxxx ===
n-mal m-mal m-mal
n-mal
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Rekursive Definition
>⋅=
=+
00
:1
nfürxxnfürx
x nn
Präzise mathematische Definition:
Als Computer-Programm:
function Potenz( x: Real; n: Integer): Real; begin if n=1 then Potenz := x else Potenz := x ∙ Potenz(x, n-1) end;
Rekursives Programm (Ausführung von oben her)
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Loop programm
Induktives Programm (Ausführung von unten her)
function Potenz ( x: Real; n: Integer ) : Real ; var p: Real ; i : Integer ; begin p := 1.0 ; for i := 1 to n do p := p ∙ x ; Potenz := p ; end ;
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Brüche als Exponent Definition: Für eine positive Zahl x ϵ IR und n ϵ IN ist x1/n diejenige positive Zahl y, für die gilt yn = x .
Für n=2 bekommen wir die üblichen Wurzeln √¯¯
Entsprechend ist die n-te Wurzel definiert durch
nnn xxx11
: ==
Damit diese Definition vernünftig ist, sollte es nur eine solche Zahl y geben!
xyxy nn =⇔= 1
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Rechenregeln
Die Definition von x1/n wurde genau so gewählt, dass die alte Regel (xm)n = xm∙n weiter gilt:
( ) ?1 =nnx
( ) xxxxn
nnn ===⋅ 1
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Somit hebt der Exponent 1/n die Wirkung des Exponenten n auf, bzw. Exponent n hebt 1/n auf. Daher ist xn die Umkehrfunktion von y1/n (und umgekehrt).
( ) qpp
qp
qqp
xxxx 111
: =
==
⋅
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Ziel: Erweiterung des Potenzierens auf reelle Zahlen Brüche (positive rationale Zahlen), schon geschafft. Erweiterung jeweils so, dass die alten Regeln weiter gelten. Negative Exponenten:
nmnm xxx +=⋅ für m = 0: nnn xxxx ==⋅ +00
Daher muss x0 = 1 sein.
0xxxx nnnn ==⋅ +−−nmnm xxx +=⋅ für m = − n:
Daher muss sein wegen nn
xx 1:=− 1=⋅− nn xx
Später soll natürlich auch xy für definiert sein. ,0,, >∈ xRyx
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Polynome - Definitionen
Ein Term der Form xn heißt Monom (in x); x є ǀR: Unbekannte; n є ǀN: Potenz
Die ai , i=0,1,…,n, heißen Koeffizienten des Polynoms.
Entsprechend heißt ein Term
ein Polynom (in x).
01
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axaxaxa nn
n
i
ii +++=∑
=
Das Summenzeichen Σ dient der einfacheren Notation
nn
n
ii aaaaaa +++++= −
=∑ 1210
0
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Polynom als Code program Polynom; const n = 3; var a: array [0 . . n] of Real = (4.0 , 0.0 , 7.0 , 15.0 ); x: Real = 2.0; sum: Real; i: Integer; begin sum := 0.0; for i := 0 to n do sum := sum + a[i] * (x ** i); WriteLn (sum); end;
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Diskussion Das Programm wertet das Polynom aus. Man gibt also eine Stelle x ein und erhält dafür den Wert des Polynoms sum an dieser Stelle x.
Das Programm ist eigentlich ein schwerer Kunstfehler. Aufwändig und teuer! Es geht wesentlich geschickter!
Beispiele für Polynome:
1 (nach 0 das einfachste)
7 x + 3
15 x3 + 7 x2 + 4 ( ein „innerer“ Koeffizient ist 0)
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Grad eines Polynoms
Der Grad eines Polynoms ist „das größte i“ mit ai ≠ 0
Notation: nxn =:)deg(
Allgemein: nxan
i
ii ≤
∑=0
deg (= n, falls an ≠ 0).
Aufgabe: deg(1)=?, deg(7x+3)=?, deg(15x3+7x2+4)=?
deg(1)=0; deg(7x+3)=1; deg(15x3+7x2+4)=3;
deg(0)=?
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deg(0)? Rechenregeln für deg: Sei pn Polynom vom Grad n.
deg(pn ∙ pm) = n + m = deg(pn) + deg(pm) deg(pn+pm) <= max{n,m} = max{deg(pn),deg(pm)}
Speziell für pn=0 soll daher auch gelten:
deg(0∙pm) = deg(0) + m = deg(0) deg(0+pm) = max{deg(0),m} = m
→ deg(0) = ̶ ∞
Manchmal auch deg(0) = -1 in der Computeralgebra.
Also deg(0)<m, so dass deg(0)+1=deg(0)
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( ) ( ) ?312 22 =+−+++ xxxx
Addieren und Multiplizieren von Polynomen
Funktioniert mit den üblichen Rechenregeln.
( ) ( ) 42312 222 ++=+−+++ xxxxxx
Multiplizieren:
( ) ( ) ?312 22 =+−⋅++ xxxx
( ) ( )352363
22
312
234
2
23
234
22
+++++++
−−−++
=+−⋅++
xxxxxx
xxxxxx
xxxx
=
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Polynomdivision (mit Rest) Naheliegend: (x+1) : (x+1) = 1 (Vorsicht mit x=-1) oder p(x) = 2x+2 = 2(x+1) = 2q(x) p:q=2
Ähnlich: (x2-1) : (x+1) = (x-1) oder x2 - 1 = (x-1) (x+1)
( )( )( ) 13312
)13(35242222
234234
+−+−++=
=+−+++++=++++
xxxxxxxxxxxxxx
sieht man
Aus dem vorigen Beispiel ( ) ( )( )312352 22234 +−++=++++ xxxxxxxx
Formale Definition? Berechnung?
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Division mit Rest für lN Zu n,m ϵ lN gibt es eindeutig bestimmte q,r ϵ lN mit r<m, so dass n = q∙m + r gilt. Dabei ist q das Ergebnis und r der Rest der ganzzahligen Division von n durch m, n/m.
Übertragung auf Polynome:
Zu zwei Polynomen N und M mit Koeffizienten aus lR gibt es eindeutig bestimmte Polynome Q, R mit Koeffizienten aus lR mit deg(R) < deg(M), so dass N = Q∙M + R. Dabei ist Q das Ergebnis und R der Rest der Polynomdivision von N durch M, N : M.
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Beispiel
3x x+ 1+ )1/(121: 2 +−+−=+ xxxx)( 23 xx +−
2x−)( 2 xx −−−
x2)22( +− x1− (-1 ist der Rest)
( ) ( )
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Lineare Polynome
Wichtige Spezialfälle: Polynome von kleinem Grad
Im Fall deg(P) ≤ 1 heißt P linear und ist eine Gerade. P von der Form
bxaxPP +⋅== )(
z.B. in linearen Gleichungen: a∙x + b = 0
Ist leicht zu lösen, so lange a ≠ 0 ist.
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Quadratische Polynome Im Fall deg(P) ≤ 2 heißt P quadratisch, ist also von der Form P = P(x) = a∙x2 + b∙x + c (eine Parabel)
Dazu gehören die quadratischen Gleichungen (oBdA a=1): 02 =++ qpxx
mit den Lösungen qppx −±−=
42
2
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so lange p2 ≥ 4q ist (andernfalls komplexe Lösungen!)
Aufgabe: 2x2 – 14x + 24 = 0. Lösungen? x=3, x=4.
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Nullstellensuche Die Nullstellen x1 , x2 eines quadratischen Polynomes liefern eine Zerlegung in Linearfaktoren:
).)(( 212 xxxxqpxx −−=++
Sei P ein beliebiges Polynom vom Grad n mit Nullstelle x1. Dann kann man den Linearfaktor x – x1 abspalten durch Polynomdivision:
)()()( 1xxxQxP −⋅=
mit einem Polynom Q vom Grad n-1.
Die Nullstellen von P sind nun x1 und die Nullstellen von Q.
Hauptsatz der Algebra: Polynom zerfällt in n Linearfaktoren.
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Beispiele
Polynome P und rationale Funktionen P/Q sind wichtige Klassen von Beispielfunktionen und dienen als Baukasten, um kompliziertere Funktionen anzunähern (Potenzreihe, Computergraphik, Bildverarbeitung)
Annäherung der Exponentialfunktion bei x=0 durch Polynome wach- senden Grads.