Was einem Mathematiker Kopfzerbrechen bereitet
• 66 Jahre, verheiratet, Mathematiker, keine Vorerkrankungen
• Seit 5 Wochen Rückenschmerzen lumbal und thorakal, vereinzelt Nachtschweiß, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme von 3 kg in 2 Wochen, seit 4 Wochen häufiger Husten
• KU: Klopfschmerz WS, ansonsten unauffälliger Befund, insbesondere ohne neurologische Ausfälle, unbetrübte Bewusstseinlage bei differenzierter Persönlichkeit
UntersuchungsbefundeLabor:Leuk: 7730/l, Hb: 13,4 g/dl, Th: 513.000/µlMonoklonales IgG-Lambda (IgG: 2210 mg/dl, freie lambda-LK (Serum): 219 mg/l, Quotient k/l: 0,0303) ß2-Mikroglobulin: 4,0 mg/lUrineiweiß: 0,16 g/24 h Urinelektrophorese: physiologische Albuminurie nachweisbar.
Differentialblutbild:Blasten 0 %, Segmentkernige 73 %, Eosinophile 4 %, Lymphozyten 16 %, Monozyten 7 %
Knochenmark:Histologie: Tumorartiges Infiltrat mit Plasmazellen mit Leichtkettenrestriktion (Infiltrationsgrad 20%), außerhalb der Infiltration keine Vermehrung der Plasmazellzahl.Zytologie: 5-10% PlasmazellenFISH-Analyse: Translokation t(11;14)
VerlaufNach 3 Tagen:Verwirrtheit, Desorientiertheit, Zittrigkeit, Agitiertheit, kognitives Defizit: einfache Rechnungen nicht mehr möglich, keine fokal motorischen Ausfälle, Reflexe bds. mittellebhaft, Babinski neg., Hirnnervenstatus o.B., keine Kopfschmerzen, kein Meningismus
- medikamenteninduziert?Absetzen von Tavanic und MCP – keine Besserung
- kein Anhalt für beginnende Sepsis
- Delir?kein Anhalt für stattgehabten Abusus
Häufige Ursachen zerebraler Symptomatik bei Tumorpatienten
- zerebrale Tumormanifestation (RF, Meningeosis, Blutung, Ischämie)
- Hypercalcämie
- Hyperviskositätssyndrom
- Sinusvenenthrombose
- -Nebenwirkung (Chemo-) Therapie
Diagnostik
C-CT/C-MRT:Keine enzephalitischen Veränderungen, keine Blutung, keine Ischämie, keine RF/Ödem, Ausschluss zerebrale Thrombose
Mikrobiologisch/virologisch (peripheres Blut):Kein Nachweis von Bakterien, Pilzen oder Viren.
Lumbalpunktion (initial): Glucose: 71,1 mg/dl, Protein: 90 mg/dl, Laktat: 2,4 mmol/l, Leukozyten: 6/µl, kein Nachweis lymphozytärer Zellen, keine Plasmazellen.Mikrobiologie: Kein Nachweis von MikroorganismenVirologie: HSV-/VZV-/CMV-/HHV-6-/ADV-/JCV-DNA PCR negativ.
EEG: Kontinuierlicher mittelschwerer Herdbefund links frontotemporal.
Weitere klinische Entwicklung
- 3 Tage fluktuierende neurologische Symptomatikohne wesentliche Dynamik
- Krampfanfall mit Aspiration und ggfs. auchzwischenzeitlicher Hypoxie
- Intensivverlegung – bei respiratorischer InsuffizienzIntubation erforderlich
- einmalig auftretende asystole Phase unklarerUrsache (echokardiogr. kein Hinweis auf kardialeAmyloidose)
Limbische paraneoplastische Encephalitis
Diagnostische Kriterien (mind. 1 Kriterium)
- Störung des Kurzzeitgedächtnisses- Krampfanfälle (temporal)- Affektstörung
plus 1 Kriterium - Tumor (auch anamnestisch)- Antikörper:anti-Huanti-Ma/TaVoltage-dep. K+-Kanal-AK
- MRI mit anderweitig unerklärtem Signaltemporomedial in T2/FLAIR
Bien und Elger, Epilepsy und Behavior 2007
Differentialdiagnose der limbischenEncephalitis
• HSV-Encepahlitis
• HHV6-Encephalitis bei Immunsupprimierten
• Gliome II°/III° bzw. Lymphome
• Wernicke-Korsakow-Encephalopathie
• Steroidresponsive Encephalopathie mit autoimmuner Thyreoiditis (SREAT)
• Lupus erythematodes
• Neurosyphilis
Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS)
(bei 0,1-1% der Tumorpatienten)
Syndrome des zentralen Nervensystems:- limbische Enzephalitis- subakute Kleinhirndegeneration- Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom- Tumor-assoziierte Retinopathie- Stiff-person-Syndrom
Syndrome des peripheren Nervensystems:- subakute sensorische Neuropathie- gastrointestinale Pseudoobstruktion
Syndrome der neuromuskulären Synapse und des Muskels:- Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom- Dermatomyositis
Die Rolle antineuraler Antikörper bei PNS
Antineuronale-AK bei PNS sind das Ergebnis einer kreuzreagierenden Autoimmunreaktiongegen Proteine (onkoneurale Autoantigene) des Tumor- und Nervengewebes.
� hohe Spezifität für das Vorliegen eines paraneoplastischen neurologischen Syndroms� negativer Auto-AK-Befund schließt das Vorliegen eines PNS nicht aus� die einzelnen Auto-Ak-Spezifitäten sind weniger mit einem bestimmten
neurologischen Syndrom, sondern eher mit einem bestimmten Tumortyp assoziiert.
Beispiel:
Assoziierte TumoreAutoantikörperKlinisches Syndrom
Ovarialtumoreanti-NMDA Rezeptor
SCLCanti-PCA2
Hodentumoreanti-Ma
SCLCanti-HuLimbische Enzephalitis
Weiterer klinischer Verlauf
- Patient weiter komatös, intubiert
- zunächst weiterhin Unklarheit hinsichtlich der Genese derneurologischen Veränderungen
- Antineuronale-AK: negativ
- C-MRT im Verlauf: suspekte Befunde bds. hippocampal, mit Signalanhebungen und fragl. Diffusionsstörungen, vermehrtes leptomeningeales und durales Enhancement nach KM-Gabe. Befund prinzipiell vereinbar mit Herpes-Enzephalitis oder limbischer Enzephalitis (vermehrtesEnhancement entzündlich, DD: post-LP)
- Erneute Lumbalpunktion
Das große Erwachen
Nachweis von Toxoplasmen-DNA im Liquor Diagnose einer zerebralen Toxoplasmose
Meningoencephalitis
umgehender Therapiestart mit Daraprim, Folinsäure und Sulfadiazin
(Begünstigung der Infektion aufgrund der Immunschwäche bei Plasmozytom)
Einfluss von Infektionen auf die Frühmortalität3107 Patienten aus UK-MRC-Trials 1980 – 2002
60-Tages-Mortalität 10%, davon 45% Infektionen
Augustson MB et al, JCO 2005
Inflammation and Myeloma:The TOLL-Connection
InfektionenPAMPPathogen-ass. mol. patterns
LoxoribineCpG-DNA
TLR 1,3,…7,9IL-6
ProliferationAntiapoptose
Montavi and Garlanda, Leukemia 2006Jego et al, Leukemia 2006
ENDE
Beginn einer Therapie mit Bortezomib, Melphalan und Prednison – gute Verträglichkeit –(Fortsetzung im Verlauf ambulant)
C-MRT im Verlauf: Leptomeningeales Enhancement fast vollständig rückläufig. Residual mäßigeVerschmächtigung der Hippocampus-Formation bds., die vorbeschriebenen Diffusionsstörungen sind nicht mehrnachzuweisen.
Vor Entlassung Umstellung der Toxoplasmose-Therapieauf Cotrim E forte-Saft 400/80; 2 x 10 ml