ARGE NÖ Heime 2016 Roller-Wirnsberger, 2016
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Was uns im A l l t a g langsamer m a c h t . . .
Medizinische Grundlagen zum Altern
Regina Roller - Wirnsberger
Altern ist ein generelles Phänomen !
Altern von Menschen
Altern beim Menschen ein sozial komplexes vieldimensionales Durchlaufen der Lebensspanne von Geburt bis Tod.
Biologischen Veränderungen sind das zentrale Element der komplexen Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt.
Vorgang des Alterns unterliegen subjektiven, biologischen, biographischen, sozialen und kulturellen Bewertungen.
Allgemeiner Sprachgebrauch: Altern mit negativen Veränderungen, mit Verfall, Verschlechterung und Degeneration der sensorischen und körperlichen Fähigkeiten assoziiert. – entspricht eher der Seneszenz.
Terminologie
”Altern" = Graduelle bzw. spontane Reifungs-prozesse von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter mit Rückbildung im späteren Lebensalter.
"Seneszenz" = Verlust der Kapazität für Zellteilung, Wachstum und Funktionalität im Laufe des Lebens.
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Was heisst “Altern”?
Seneszenz abgeleitet von … Senex (lat.) = ”alter Mann" oder ”hohes Alter."
Die Alterungsrate hat sich inden letzten tausend Jahren nicht verändert.
Die Lebenserwartung ist …… unabhängig von der Alterungsrate. … abhängig von vielen Faktoren.
TelomereSubtelomeric region
Subtelomeric region
Telomere
centromereTelomeric DNArepeats (human):(TTAGGG)n
Metaphasechromosome
Telomere Location
Telomere Theory …
Telo
mer
e le
ngth
in b
p (h
uman
blo
od c
ells
)
Telomere length declines in dividing cells as we age
8,000
1,500
3,000
0 35 65Age in years
Mammalian Life Histories
Smallrodents Dog &
catsOther primates Humans
Maturation is quickFertility is highAdults die young
Maturation is delayedReproduction is slowAdults grow old
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Warum altern wir Menschen ?
Kumulative Schäden (Umweltfaktoren)
Vererbung = genetisch (passiv oder programmiert)
Interaktionen zwischen Genen und Umwelt
Der Lebenszyklus ...
Veränderte Grundstruktur (Organe, Muskel, Knochen etc.)
Veränderter Wasserhaushalt
Verminderte Stoffwechselkapazität
Veränderte Organfunktion(Funktionsreserve)
Altern und Funktionalität
Hanson MA et al, J Physiol 2016
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Physische und psychische Aspekte des Alterns nicht zwingend synchron.
Körperliche degenerative Prozesse mitunter zeitgleich mit einer Zunahme mentaler Agilität.
Parallel zu einem möglichen Rückgang der Gedächt-nisleistung (fluide Intelligenz) mitunter unbeeinflusste Reflexionsleistungen (kristalline Intelligenz).
Verlangsamung der vom ZNS gesteuerten Verhaltens-reaktionen (individuell sehr unterschiedlich).
Eric Kandel, geb. 1929 Nobel Preis 2000 für die “Pathophysiologische Grund-lagen des Gedächtnis auf Neuronenbasis“
Auf der Suche nach dem Gedächtnis ...
Aplysia
Wie “altert“ unser Gehirn ?
Gehirn ... 2 % des Körpervolumens, braucht aber 25 % des Energieumsatzes.
Gehirn schrumpft pro Dekade um 2 %.
Abbau setzt ca. mit dem 30. Lebensjahr ein.
Ab dem 40. Lebensjahr sterben ca. 10.000 Nervenzellen pro Tag.
Menge der Neurotransmitter nimmt ab.
Kompensation durch Zunahme von Nervenverbindungen.
Langsamkeit des Alters ...
Abbau der Nervenhüllen ab dem mittleren Alter
Einbußen in der Reaktionsgeschwindigkeit
Beeinträchtigt das Denken, die Wahrnehmung und die Bewegung
Plastizitätskonzept: Anpassungs- und Lernleistungen des Alters Möglichkeiten, wie man eine verringerte Lernfähigkeit in einem Bereich durch andere Bereiche ausgleichen kann.
Handlungsstrategien auf Genauigkeit fokussiert (Fehler-vermeidung, Prozesse vorsichtiger und langsamer, Schapkin SA et al 2012).
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Dimensionen des Gedächtnis
Explizite Gedächtnisfunktion- semantisches Gedächtnis (z.B. Wissen)
- episodischess Gedächtnis (z.B. Autobiografien, Episoden)
Prozedurales Gedächtnis (Durchführung von Fertigkeiten)
Exekutivfunktionen (Frontalhirn)
Geschwindigkeit der Verarbeitung, Problemlösungen, rationales Aufarbeiten, ...
Altersveränderungen: soziale Intellegenz, emotionale Intellegenz, Schlussfolgerungen auf Grund der Erfahrung (“Weisheit“), Anpassungsfähigkeit
Altert das Gehirn unaufhörlich ?
Nicht immer !
115jährige Holländerin (Super - Hundertjährige)Psychologische Tests mit 112 Jahren - bessere Ergebnisse als bei 60 bis 65jährige VergleichspersonenAutopsieergebnisse - keine Atherosklerose, - keine Amyloidablagerungen
Gehirnveränderungen bei Demenz sind beeinflussbar, aber mit zunehmendem Lebensalter werden sie ein Teil des Alterungsprozesses !
denDunnen jr, Neurolbiol Aging
Performance von Schachspielern über die Lebensspanne
Kristalline Intellegenz
Analysefähigkeit
Episodisches Gedächtnis
Prozess-geschwindigkeit
Alter
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Multitasking zur erfolgreichen Bewältigung des Alltags
Exekutivfunktionen ...
... beziehen sich auf kognitive Prozesse, diezielgerichtete Aktivitäten und den Ablauf koordinierterTätigkeiten planen und orchestrieren.
... koordinieren die Aufmerksamkeitsresourcen zwischenmehreren gleichzeitigen Aufgaben.
Möglicher Screening Test: Uhrentest.
Springer S. et al. Movement Disorders 2006; 21: 950-957
Kohortenstudien belegen eine Zusammenhang zwischender Kognition und der Physischen Performance alterMenschen.
Schneller Gang ist ein unabhängiger Risikofaktor für dieVerschlechterung eines kognitiven Status (MMSEgemessen) innerhalb von 3 Jahren.
Die Überprüfung der neuromuskulären Anforderungwährend des Gehens könnte als Marker für einenkognitiven Abbau über die Zeit verwendet werden.
Dehpande et al. Age Ageing 2009;38:509-514
Kognition und Sturz ...
Gesundheit und Funktionalität
Singh M. et.al. Mayo Clin Proc. 2008;83:1146-1153
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Definition der Frailty3 ‐ 5 von 5 Kriterien
Gewichtsverlust
Antriebslosigkeit
Geringe Aktivität
Schwäche
LangsameGehgeschwindigkeit
Fried et al. J Ger Med Sci 2001
Kognitives Defizit und Frailty
Änderung des affektiven Verhaltens: Erschöpfung, Depression, ...
Rockwood integriert diese Komponenten in sein Assessment.
Demenz per se ist ein abgegrenztes Phänomen. Delirium als Marker für den Verlust der
Homöostase bzw. kognitiven Reserve ist ein Marker für die Dynamik einer Frailty.
Was verstehen wir unter “Frailty“ ?
AbhängigkeitChronische Limitierungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens
Ein oder mehr funktionelle, kognitive oder soziale Behinderungen
VerletzbarkeitVerlust der physiologischen Reserven
Verlust funktioneller Stabilität
Ko-Morbiditätenv.a. alte Menschen mit chronischen Erkrankungen
(Zuweisungen in den Gesundheits- und Sozialbereich)
Fakten und Zahlen ...
350.000 Pflegegeldbezieher
290.000 > 60 Jahre alt
Deutlich erhöhtes Pflegerisiko um den 80. Geburtstag
»Über 80 Jahre« 50% als Pflegefälle bezeichnet
Bis 2030 um ca. 65 % + und bis 2050 um ca. 125% +
»Der Staat zahlt jedes Jahr 1,5 Milliarden €an Pflegegeld.«
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Pflegebedürftige und Ausmaß der Unterstützung
300
400
500
600
700
800
900
2000 2010 2020 2030 2040 2050
Hauptvariante
Hohe Lebenserwartung
1
2
3
4
5
2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050
Potentielle Unterstützungsrate(15- bis 64-Jährige pro Person > 65 Jahre)
Anzahl der Pflegegeldbezieher (in 1.000)
Altern
KognitiveEinschränkungen
Isolierung
Die “Langsamkeit des Alters“
Scheffer M, Nature 2010, 467:411-412.
Was passiert ?
Die NEUE Definition von Gesundheit beimultimorbiden, alten PatientInnen
= Resilienz
= Dynamische funktionelle Reserve
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Physisches Wohlbefinden / Funktion Psychisches
Wohlbefinden
Soziales Wohlbefinden
Spirituelles Wohlbefinden
Ferrell, Grant, Vermuri & Rhiner. Haworth Press 1991
Alternsperspektiven
20 40 60 80
Lebensverlängerung
Lebensqualität
Mission impossible ?
Unterschiedliche Zielgruppen
Dritter LebensabschnittGute Funktionalität
Unabhängig, zu Hause lebend - Frailty Risiko
Frail - zu Hause lebend - Risiko der
Institutionalisierung
Pflegeheim -Bewohnerinnen
Primär/Sekundärprävention (> 65 Jahre)
Sekundärprävention(> 75 Jahre)
Sekundär/Tertiärprävention(> 80 - 85 Jahre)
Tertiärprävention(> 85 Jahre)
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Präventionsziele im Alter
Primärprävention
Sekundärprävention
Tertiärprävention
• Arterielle Hypertonie• Hyperlipidämie• Sitzender Lebensstil• Soziale Inaktivität• Adipositas• Diabetes mellitus• Stress• Depression• Niedriges Bildungsniveau
Geriatrische Syndrome•Vaskuläre Erkrankungen•Mobilitätseinschränkungen•Stürze, Frakturen•Frailty Mangelernährung•Einsamkeit•Depression•Kognitiver Abbau
• Behinderung• Pflegeabhängigkeit• Institutionalisierung• Reduzierte Lebensqualität• Tod
1st October 2015 ...
3 Key Areas for Action …
Places we live in much more friendly to older people.
Realigning health systems to the needs of older people.
Develop long-term care systems that can reduce inappropriate use of acute health services and ensure people live their last years with dignity.
Was ist zu tun?
Unsere Städte müssen ein senioren-
freundliches Leben ermöglichen.
Anpassung der Gesundheitssysteme an
die Bedürfnisse älterer Menschen.
Entwicklung von Pflegestrukturen,
die den Spitalsbereich entlasten.
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5 Dimensionen der Gesundheit nach WHO
Physische Gesundheit
Psychische Gesundheit
Soziale Gesundheit
Ökonomischer Status
Selbsthilfefähigkeit