Download - Webbasierte Kommunikation: Indymedia
10.12.2007 Marlena Bräu, Marielle Hanke
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Webbasierte Kommunikation: Indymedia
Emanzipationspotenziale webbasierter Kommunikation
Internet und Gegenöffentlichkeit
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Gliederung1. Öffentlichkeit – verschiedene Theorieansätze
2. Gegenöffentlichkeit
3. Netzöffentlichkeit
4. Computergestützte Gegenöffentlichkeit
4.1 Allgemeine Chancen und Vorteile
4.2 Formen
4.3 Gefahren und Risiken
5. Fazit
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Öffentlichkeit
Sachdimension Sozialdimension
Öffentlichkeit als...
1) ...Staatlichkeit / Amtlichkeit
3) ...Publizität
2) ... Allgemeinheit 4) ... Publikum
Grundlegende Bedeutungszuweisungen
(nach Merten, 2000: 212, Pöttker, 2005)
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Verschiedene Öffentlichkeitskonzepte
Öffentlichkeit... Ausgewählte Autoren
...als Publikum Faulstich (2002), Maletzke (1963),Merten (1987b), Plake et al
...als Systemkonstrukt Gerhards (1994), Luhmann (1990a, 1996a), Marcinkowski (1993), Thiedeke (1997)
...als Diskursmodell Habermas (1988a, 1990), Imhof (2003c)
...als intermediäre Kommunikationsstruktur
Etzioni (1968), Gerhards (1993a), Gerhards & Neidhardt (1990, 1991), Habermas (1992a), Neidhard (1994a)
...als Kommunikationsnetzwerk Habermas (1992a)
Öffentlichkeit zwischen Ideal und Diskurs
Habermas (1962)
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Öffentlichkeit:Idealbild der bürgerlichen Öffentlichkeit: „ein allen Interessierten undoffen stehender Kommunikationsraum, in dem sich übervernunftgeleitete Diskussionen öffentliche Meinung konstituierenkann“. Diskursfähige Öffentlichkeit im 18 Jhd. als Gegenpol zum
Absolutismus
Verschärfter kapitalistischer Konkurrenzdruck schränkt unbegrenzte Kommunikation ein;
Publikum teilt sich in konkurrierende Interessensgruppen, anstelle von Herrschaft und Macht treten Werbung, PR und Marketing
Netzwerk für Kommunikation von Meinungen, das als intermediäre Instanz zwischen Lebenswelt und anderen funktionalen Teilsystemen vermittelt
Funktionen moderner Öffentlichkeit
Etzioni (1968) bzw. Gerhards/Neidhardt (1990/91)
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Funktionserwartung an Öffentlichkeit
Informations-
Sammlung
(Input)
Offene Selektivität
Transparenz-
Funktion
Informations-
Verarbeitung
(Throughput)
Diskurs /
Synthetisierung
Validierungs-
Funktion
Informations-
Anwendung
(Output)
öffentl. Meinung /
Entscheidung
Orientierungs-
Funktion
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Encounter-Ebene (Kommunikation au trottoir)
Einfache Interaktionszusammenhänge
Ebene der Versammlungs-/ Themenöffentlichkeit
Thematisch zentrierte Interaktions- und Handlungszusammenhänge
Medienöffentlichkeit
Massenmedien
Drei Ebenen von Öffentlichkeit
Spiegelmodell der Öffentlichkeit
Niklas Luhmann
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Öffentlichkeit...
... erfüllt lediglich Transparenzfunktion
... dient der Selbstbeobachtung der Gesellschaft und ihren unterschiedlichen Sozialsystemen (Bsp. Wirtschaftsystem orientiert sich an Markt und variablen Preisen)
... führt nicht mehr zur Bildung eines rational begründeten öffentlichen Konsens, sondern nur zu Anschlusskommunikation
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Gegenöffentlichkeit
„Ein Gegenbegriff gegenüber einer vonMassenmedien und politischen Autoritäten
manipulierter Öffentlichkeit. Gerichtet gegen die „Manipulationszentren“ und die täglichen
„Produktions- und Reproduktionsorgane“, die Öffentlichkeit dem Scheine nach herstellen. Insofern
ist Gegenöffentlichkeit auch ein Kampfbegriff, der sich gegen das den Herrschaftszusammenhang
legitimierende Mediensystem wendet, gegen dessen Struktur und Arbeitsweise.“
(Stamm, 1988)
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Gegenöffentlichkeit
will Themen bewusst machen, die von den Massenmedien ignoriert und nicht publiziert werden: sieht sich als Gegenentwurf zur (dominierenden) Öffentlichkeit
Historische Entwicklung:• Bertolt Brecht: Bereits Anfang der dreißiger Jahre Auseinandersetzung mit dem Begriff und Forderung nach partizipativen Medienformen (Radiotheorie)
• Bekannt werden des Begriffs in den 60er Jahren, zur Zeit der Studentenbewegung
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Theorien zur Gegenöffentlichkeit: (nach Oy, 2001)
1) Modell der gegenöffentlichen Kommunikation:
Zwei idealtypische Strategien: versuchte Einflussnahme auf die vorherrschende bürgerliche
Öffentlichkeit, damit verbunden die Instrumentalisierung massenmedialer Öffentlichkeit durch Aufmerksamkeit erregende Aktionen
Radikalisierung der Aktionen und publizierter Inhalte, zunehmende Abschottung gegenüber der bürgerlichen Öffentlichkeit
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Theorien zur Gegenöffentlichkeit: (nach Oy, 2001)
2) Modell der authentischen Kommunikation:
es existieren „wahre“, bzw. „authentische“ Bedürfnisse des Menschen, die durch die Massenmedien nicht ausreichend befriedigt werden, nur „Betroffene“ können ihre gesellschaftliche Situation authentisch artikulieren
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Theorien zur Gegenöffentlichkeit: (nach Oy, 2001)
3) Modell der emanzipativen Kommunikation:
Modell fordert eine kritische Umgestaltung des SenderEmpfänger-Schemas der Massenkommunikation.
Zwei spezifische Dimensionen:
1. Technischer und medienstruktureller Wandel erlauben neue Formen emanzipativer Kommunikation
2. Im Rahmen der Gegenöffentlichkeit initiierte Kommunikationsprozesse bleiben erfolglos, wenn sie nicht im Alltag der Rezipienten verankert sind.
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Institutionen von Gegenöffentlichkeit
1. NSB / NGO
2. Alternative Medien
3. (Netz-) Aktivisten
4. Kommunikationsguerilla
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Netzöffentlichkeit:Neue Art der Verbreitung von Informationen durch netzwerkartige
Kommunikation
Massenmedien Netzwerkmedien
Anzahl der erreichbaren Personen
Sehr viele Sehr viele bis wenig
Raumbezug Lokal (z.T. auch global) Global
Zeitbezug Zeitabhängig Zeitunabhängig
Medien Fernsehen, Radio, Presse Internet, Mobilfunk
Anzahl derkommunizierendenPersonen
Wenige Viele
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Internet als ideales Medium für kritische Öffentlichkeiten?
Computergestützte Gegenöffentlichkeit
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Allgemeine Chancen und Vorteile
Internet bietet Möglichkeiten, diagnostizierte Funktionsmängel der Öffentlichkeit zu überwinden
ökonomische und technische Barrieren müssen kaum überwunden werden kein Durchlaufen journalistischer Gatekeeper unabhängig von Faktoren wie Macht oder Prominenz kann im Internet
sachlich diskutiert werden herrschaftsfreier Diskurs führt zu einer rationaleren Argumentation Internet als institutionelles Medium Internet als technisches Instrument weltweite Vernetzung und Unterstützung von Protestbewegungen mit
vergleichsweise geringem Aufwand Newsgroups, Mailinglists, Chatrooms, Archive und Blogs bieten zahlreiche
Möglichkeiten, die Verinselung der Gegenöffentlichkeit zu durchbrechen
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Enorme Zeiteinsparung
Geldeinsparungen
Konzentration der Kommunikation
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Formen
1) Online-Proteste Finden ausschließlich im Netz statt, keine realen Proteste
Strategisch „negative Kampagnen“ gegen Personen, Parteien, Unternehmen usw., Protestaufrufe
Können über den Weg journalistischer Recherche Gegenstand der Berichterstattung der traditionellen Medien werden
Petitionen per Kettenmail, Websites werden mit Protestlogos versehen, „Belagerung“ von Websites (übermäßiger Aufruf), was zu Serverzusammenbrüchen führt, Mail-Bomben, die Email-Server außer Kraft setzen, Web-hacking
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Pro: kann enorme Image-
Schädigung des bekämpften Objektes bewirken und auch zu beträchtlichen kommerziellen Schäden führen
Contra: Protest ist anonymisiert und
automatisiert, wirkt dadurch weniger authentisch
Protestanten stehen nicht wirklich für ihre Taten ein, keine Solidarisierung der Protestgemeinde
bei der Mobilisierung ist mit hohen Streuverlusten zu rechnen
Würde sich Gegenöffentlichkeit nur auf Aktivitäten im Cyberspace beschränken, so kämen Bedeutungen und Motive nicht zustande, die Voraussetzung für politische Aktionen außerhalb vermachteter Zusammenhänge sind.
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2) Wirtschaftlicher Protest / Boykott
Nachhaltige Form von Protesthaltung
wirtschaftlicher Boykott eines Unternehmens als Ausdruck von Konsumentensouveränität
Formen
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Beispiel: Nestlé-Boykott der NGO Infact
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70er Jahre: Protest gegen fragwürdige Werbepraktiken des Lebensmittelkonzerns Nestlé in Afrika
USA: gleichgesinnte Kritiker agieren, unterstützt von den mächtigen amerikanischen Kirchen
Nestlé beendet sein Engagement nicht, kann darauf setzen, dass verschiedene Protestbewegungen nichts voneinander erfahren: Boykottaktivitäten und öffentliche Wahrnehmung auf den US-Markt beschränkt
Anfang der 80er Jahre: Boykott wirkt sich aufgrund zunehmender Kommunikationsvernetzung auf europäische Länder aus: Nestlé lenkt ein
Grundsätzlich ließe sich Protest- und/oder Boykottverhalten auch ohne CvK- Techniken organisieren. Neue Möglichkeiten versprechen allerdings viel schneller eine größere Reichweite
Beispiel: Nestlé-Boykott der NGO Infact
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3) Bewusstseinsbildung: Nutzung des Internet als institutionelles Medium
Für Dritte kaum nachvollziehbare Aktivitäten multinational tätiger Firmen werden beobachtet und bekannt gemacht
Mögliche Ungereimtheiten oder Skandale werden publiziert
Verletzung von Menschenrechten, Umweltverbrechen, Korruption soll aufgedeckt werden
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Beispiel: www.corpwatch.org
„CorpWatch investigates and exposes corporate violations of human rights, environmental crimes, fraud and corruption around the world. We work to foster global justice, independent media activism and democratic control over corporations
begann 2002 Firmen wie den texanischen Ölkonzern Halliburton zu beobachten, der sich angeblich wissentlich durch den Irakkrieg bereicherte
die Ergebnisse wurden u.a. in Michael Moores Film „Fahrenheit 9/11“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt
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4) Öffentlichkeitswandel als Prozess
Protest oft nur Selbstzweck, also Darstellung einer abweichenden Meinung
von der massenmedialen Öffentlichkeit wird oft eher die Verwerflichkeit dieser Ausdrucksform, als die Motive des Protestes wahrgenommen
Bewusstseinsbildung überhaupt erst durch Digitalisierung der Kommunikation ermöglicht worden, bleibt aber zunächst auf eine spezifische Teilöffentlichkeit im Internet beschränkt
Öffentlichkeitswandel als Prozess zielt ergänzend auf Veränderung ab, die Themen und Meinungen sollen in die traditionellen Massenmedien eingehen und einem breiten Publikum bewusst werden
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Gefahren und Risiken
Potenzial der neuen Medien vergrößert Gefahr der Überlastung und Fehlnutzung USA: inzwischen über vier Mio. Weblogs, von denen nur ein Bruchteil regelmäßig frequentiert und aktualisiert wird
Prinzip der Gegenöffentlichkeit droht in einem Meer von publizierten Belanglosigkeiten zu versinken
Internet als Sammelbecken von falschen, nicht überprüften und fragwürdigen Informationen
die im Netz veröffentlichten Themen und Meinungen können nicht als allgemein bekannt angesehen werden, bevor sie nicht auf die Ebene der Medienöffentlichkeit gelangen
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(1) Input (2) Throughput (3) OutputTransparenzfunktion Validierungsfunktion Orientierungsfunktion
Internet als technisches Medium
Internet als institutionelles Medium
(Medien-)Wirkungen
Bsp:-Kommunikation unter Aktivisten-Weltweite Mailings-Aufbau einer virtuellen Gemeinschaft -Blogs, Foren, Newsletter-Online-Datenbanken
Bsp:-Archiv-Abfrage ohne Vorselektion, Rezeption „unterschlagener Wirklichkeiten“-Links bzw. Netzwerke zwischen Experten, Prominenten, Interessierten: Aufbau zusätzlicher Kommunikationswege-Mobilisierungseffekte in Teilöffentlichkeiten-hohe Aufmerksamkeitswerte in verschiedenen Teilöffentlichkeitssystemen
Bsp:-Wahrnehmungseffekte in Massenmedien-Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Reichweite des Problems, Akkzeptanzeffekte- politisch-öffentliche Wahrnehmung über Protestverhalten-Wiedergabe durch Massenmedien
Fazit
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Generell besitzen neue Medien auf allen Ebenen öffentlicher Kommunikation Einfluss auf Gegenöffentlichkeit und deren Verhältnis zur Öffentlichkeit:
Mikroebene: durch die Nutzung und Rezeption neuer Medien durch Aktivisten
Mesoebene: durch die Nutzung durch kollektive Akteure und Organisationen, wie z.B. NSBs, NGOs
Makroebene: durch die Veränderungen im Verhältnis zur Öffentlichkeit an sich
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idealtypische Annahme: Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit verschieben sich
„das dialogisch-interaktive Potenzial des Internet sowie seine Dezentralität führen dazu, dass
Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit sich neu konstituieren. Und zwar so, dass sie vom politischem
Zentrum wie auch von den ideologischen Herausforderern innerhalb und außerhalb der
Systemgrenzen nicht mehr wie zu den Zeiten der alten Massenmedien kontrolliert und bekämpft werden
können.“ (Plake et al. 2001)
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ABER: Wirklicher Einfluss von Gegenöffentlichkeit auf traditionelle
politische Öffentlichkeit bisher unbeantwortet
Verwechslung von technische Möglichkeiten und Verfügbarkeit von Information mit der tatsächlichen Nutzung
Protestpotenzial des Internets oft überschätzt
Annahme: Von den Eigenschaften neuer Medien (z.B. Recherche-, Reaktions- und Präsentationsmöglichkeiten) profitieren auch dominante Massenmedien und etablierte politische Akteure
erhöhte Einflussnahme auf öffentliche Agenda, und Resistenz gegenüber der Gegenöffentlichkeit
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!
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Diskussionsfragen
Kann das Internet als ideales Medium für Gegenöffentlichkeit gesehen werden?
Wie hoch schätzt Ihr die Chancen, dass ein Thema den Sprung in die klassische Medienagenda schafft?
Welcher Mittel bedarf es, um diesen Sprung zu bewältigen?