14 Weinwirtschaft 21/2016
Südtirol WEINMACHER
Die GipfelstürmerIn Südtirol geht es weiter steil bergauf. Die Zahl der Prestigeweine steigt, die Preise auch, und selbst die
Weingärten erklimmen zunehmend schwindelerregende Höhen
In Südtirol geht es aufwärts; sowohl mit den Weinbergen als auch mit den Preisen
Die deutschen Italienspezi-
alisten betrachten die Ent-
wicklung mit gemischten
Gefühlen. Viele meinen,
dass Südtirol den Markt
einer allzu dynamischen, also gefähr-
lichen Preisentwicklung aussetzt. Eini-
ge halten den kollektiven Drang nach
Spitzenpositionierung durchaus für
gerechtfertigt.
Südtirol rüstet sich. Die rund
5.300 Hektar kleine Weinschatztruhe
will es mit internationalen Spitzenre-
gionen wie dem Burgund aufnehmen
und einen ähnlichen Stellenwert errei-
chen. Südtirol mag einen Napoleonkom-
plex haben, aber der Weinsektor arbei-
tet tatsächlich seit Jahrzehnten an sich
wie kaum in einer anderen Region Itali-
ens. Zu den außergewöhnlichen Anbau-
bedingungen im alpin-mediterranen Kli-
ma kommt ein nimmermüder Ehrgeiz
der Südtiroler, stets und überall die Bes-
ten zu sein.
Die Kellerei Terlan gab 2014 als ers-
te Kellerei die Marschrichtung vor. Sie
präsentierte der verblüYten WeltöYent-
lichkeit den mit großem Abstand teu-
ersten Weißwein Italiens. Der Terlaner I
(sprich: Primo) Grande Cuvée kostet den
Endverbraucher strategische 195 Euro
pro Flasche. Kellermeister Rudi Koaer
und Geschäftsführer Klaus Andergassen
gehen mit jedem neuen Jahrgang des
Primo auf Tournée und lassen ihn mit
anderen hochkarätigen Weinen des glei-
chen Jahrgangs blind verkosten. Beim
aktuellen 2013er haben sie es richtig
krachen lassen. Er wurde in diesem Mai
von zwei Grand Crus aus dem Burgund
aankiert, einem Bâtard-Montracht von
der Domaine Leaaive und dem Cheva-
lier-Montrachet von Etienne Sauzet. Bei-
de kosten das Doppelte vom Primo. Der
Terlaner schlug sich gut, sogar bestens,
denn er hat seine Heimat nicht verleug-
net und war als Südtiroler zu identiezie-
ren. Im direkten Vergleich zu den span-
nungsreichen, furchtbar jungen und
noch holzgeprägten Diven kam er wie
ein mediterraner Sonnyboy daher, viel
zugänglicher, großzügig im Ausdruck,
freilich auch mit Tiefe, Rafnesse und
Druck gesegnet. Er hat zwar noch kei-
ne Geschichte, aber an seiner Langlebig-
keit dürfte kein Zweifel bestehen. Sie ist
das Markenzeichen der Kellerei. Die Kel-
lereien St. Michael-Eppan und Schreck-
bichl hatten zur Zeit der Primo-Urauf-
führung mit dem »Appius« und dem
»LR« natürlich auch schon eine Super-
cuvée im Ausbau. Sie kosten je 99 und
80 Euro, was keinesfalls bedeutet, dass
sie weniger als der Primo wert sind.
Die jüngsten Superlativen. Dem Drei-
gestirn folgten, da in Südirol jeder Akt
im Weinsektor eine Kettenreaktion aus-
löst, sofort viele andere Kellereien mit
Prestigeweinen. Der Klassiker Hofstät-
ter stieß sein ehrwürdiges Pinot-Nero-
Monumet Vigna Sant‘Urbano Ende 2015
vom Thron und setzte ihm den »Roccolo
Ludwig Barth von Barthenau Pino Nero«
vor die Nase, Kostenpunkt ca. 195 Euro.
Das Dreamteam Gerhard Ko\er, Keller-
meister, und Oscar Lorandi, Geschäfts-
führer der Kellerei Girlan, hat den Be-
trieb in den letzten Jahren vorbildlich
vorangetrieben, sowohl die Qualität der
Weine als auch das Image. Girlan hat
sich zum Blauburgunder-Spezialisten
unter den Kellereigenossenschaften ent-
wickelt und im letzten November den
Cru Blauburgunder Riserva »Vigna Gan-
ger« vorgelegt, dessen Trauben auf dem
Mazoner Kalkfelsen gedeihen. Ebenso
sportlich wie die Terlaner Kollegen, lie-
ßen Ko\er und Lorandi die Vigna Gan-
ger in Gesellschaft von Burgundern so-
wie Spitzenprodukten aus Deutschland,
der Schweiz und Oregon blind verkos-
ten. Der perfekt ausbalancierte Wein
machte eine Superbgur, sieben Weine
steckte er in die Tasche und allein gegen
den Chambertin Grand Cru von Rous-
seau und den Nuits Saint Georges 1er
Cru Clos de la Maréchale von Mugnier
hatte er es wirklich schwer. Chapeau
also, leider kostet er 165 Euro. Christian
Plattner vom Ansitz Waldgries in Bozen,
bekannt durch zahlreiche Auszeichnun-
gen beim Vernatsch Cup für seine Vari-
ationen des St. Magdalener, hat indessen
dem heimischen Lagrein ein Denkmal
gesetzt. Der geschlidene, konzentrierte
und doch feine »Roblinus«, zu 20 Pro-
zent aus angetrockneten Trauben und
mit extremer Ertragsreduktion herge-
stellt, ist der Königslagrein, mit dem sich
Schweizer und Südtiroler Sternerestau-
rants schmücken. Sein Endverbraucher-
preis liegt bei 75,50 Euro.
Bei den weißen Perlen machte die
Kellerei St. Pauls unlängst auf sich auf-
merksam. Sie verfügt über die wohl äl-
teste Weißburgunder-Anlage Südti-
rols, die nachweislich über 110 Jahre
zählt. Die Genossen ernteten die weni-
gen Trauben und ließen sie – supertren-
dig – auf den Schalen in großen Tonam-
phoren vergären. Die »heiligste« Riser-
va »Sanctissimus« kann der Weinfreund
für schlappe 80 Euro erstehen.
Klasse mit Bodenhaftung. Tröstli-
cherweise erscheinen in Südtirol auch
Früher die wichtigste Rebsorte Südtirols, hat der Vernatsch stark an Bedeutung verloren
3.572,00
3.077,00
2.362,38
1.271,31
857,61 836,8
1978 1988 1998 2008 2014 2015
Re
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ha
16 Weinwirtschaft 21/2016
WEINMacher Südtirol
noch neue Weine, die nicht nach dem
Liv-Ex Fine Wine zu schielen scheinen
und ebenfalls nach langen, kostspieli-
gen Recherchen das Licht der Welt er-
blicken. Alois Lageder, der es ohnehin
nicht leiden kann, wenn Weinen künst-
liche, allein dem Marketing dienende
Preise aufgestülpt werden, stellte in die-
sem Frühling den »Fórra«, einen rein-
sortigen Manzoni Bianco vor. Er ist aus
dem Weinbau-Projekt »Kometen« her-
vorgegangen, dem eine Versuchsanla-
ge mit verschiedensten Sorten wie Viog-
nier, Roussanne, Tannat oder Assyrtiko
zugrunde liegt. Lageder hatte sie ab Mit-
te der 80er Jahre angelegt, um heraus-
zuQnden wie sich südliche Sorten auf
Südtiroler Boden entwickeln und such-
te auch Rebsorten mit dickeren Schalen
und lockerbeerigen Trauben, die nicht
unter den zunehmend extremen Klima-
bedingungen leiden und weniger krank-
heitsanfällig sind. Außerdem waren ge-
ringe Zuckerwerte und eine hohe Säu-
re Orientierungspunkte. Der Manzoni
Bianco, eine Kreuzung zwischen Ries-
ling und Weißburgunder, hat den An-
forderungen entsprochen und es mit
dem Jahrgang 2014 erstmals in die Fla-
sche gescha[t. Sein Charakter bestimmt
die Spontanvergärung und eine zehntä-
giger Verbleib auf der Maische, acht Mo-
nate Holzreife sowie der Mini-Ertrag
von 39 Hektoliter pro Hektar. Dieser fei-
ne Wein kostet beispielsweise in Geisels
Weingalerie in München 19,50 Euro.
Kleines Eisacktal ganz groß. Dann
gibt es noch eine ganz besondere Pre-
miere. Ende September stellte der Pa-
cherhof der Familie Huber in Neustift
die allererste Weißweincuvée des Ei-
sacktals vor. Die »Private Cuvée Andre-
as Huber« ist eine anmutige, strahlen-
de Assemblage aus den Sorten Riesling,
Kerner und Silvaner, die auf sandig-fel-
sigen Höhenlagen zwischen 600 und
820 Meter reifen. Der saftige und sal-
zige Wein bringt ein beachtliches Ent-
wicklungspotenzial mit. Es macht Sinn,
dass ausgerechnet die Huber-Familie
die erste Spitzencuvée des nördlichs-
ten Anbaugebietes Italiens hervorbringt.
Schließlich gelten die Ahnen Josef und
Johann Huber als Weinpioniere des Ei-
sacktals. Sie haben den Weinbau ent-
scheidend beeingusst, weil sie die Sor-
ten Silvaner, Grauburgunder, Gewürztra-
miner und später auch den Kerner im
Eisacktal eingeführt haben. »Die Klima-
erwärmung hat dem Eisacktal genutzt.
Vor 20 Jahren wäre es noch undenkbar
gewesen, auf unseren Höhen Riesling
anzubauen, jetzt gehört er zu unseren
interessantesten Weinen. Gemeinsam
mit der Versuchsanstalt Laimburg wer-
den wir nun auf 900 Metern Höhe eine
Versuchsanlage mit Pinot Nero pgan-
zen«, informiert der Weinmacher And-
reas Huber. Der 41-Jährige studierte an
der Weinbauschule Veitshöchheim bei
Würzburg. Sein Meisterstück kostet im
Verhältnis zu den anderen großen Cu-
vées bezahlbare 32 Euro EVP.
Auch die Eisacktaler Kellerei, die
jüngste Winzergenossenschaft Südti-
rols, legt sich seit einigen Jahren mäch-
tig ins Zeug. Im 2017er Gambero Ros-
so wird der Einsatz belohnt. Erstmalig
wurde ein Wein der Eisacktaler Genos-
sen mit den Drei Gläsern ausgezeichnet,
es ist der salzig-schmelzige Silvaner der
Linie Aristos. Auch die Geschäfte entwi-
ckeln sich erfreulich. 2014 hatte der jun-
ge Armin Gratl die Geschäftsführung
übernommen. Er war vorher an der Sei-
te Elena Walchs für den Verkauf der bei-
den Familienkellereien der Walchs ver-
antwortlich und ist mit dem Einstieg
der beiden Walch-Töchter nach Klausen
abgewandert. Innerhalb der drei Jahre
wurde der Absatz von 700.000 Flaschen
auf 900.000 gesteigert, und der Umsatz
wuchs um knapp 30 Prozent. Dank der
Erfahrung, die Gratl im Walchschen Ex-
portgeschäft gesammelt hat, bewegt sich
auch mehr Eisacktaler Wein ins Ausland.
»Es läuft momentan sehr gut für uns.
Unsere mineralischen, fruchtigen Wei-
ne liegen zum Glück voll im Trend. Mei-
ner Meinung nach war die Kellerei im-
Auf einen Blick
Südtirol
Reb5äche 2015:
W DOC-Weine: 5.309,64 ha (97,23 %)W IGT-Weine: 88,98 ha (1,63 %)W Weine ohne geograGsche Angabe: 62,56 ha (1,15 %)
Produktion 2015: 324.041,48 hl (2014: 289.931 hl)
Produktionsstruktur*:
W 17 Genossenschaften: 69,1 % (inkl. der Trentiner Kellereien Mezzacorona, LaVis, Cavit, Roverè della Luna, die auch DOC Südtirol Wein produzieren )
W 62 Privatkellereien: 25,6 %W 110 Selbstvermarkter: 5,3 %
Anbaubereiche: Unterland, Überetsch, Bozen, Etschtal, Meran, Eisacktal, Vinsch-gau. Eppan und Kaltern sind Südtirols größte Weinbaugemeinden.
*Die Zahlen betreffen die Weinproduktion von DOC Südtirol, IGT Mitterberg und DOC Kalterersee im Weinjahr 2014. Bei Privatkellereien und Selbstvermarktern ist die Zuordnung immer schwierig. Die Konsortiumsmitglieder müssen entscheiden, wo sie zugeordnet sein wollen. Nichtmitglieder, die auch nicht bei den freien Weinbauern sind, wurden nach dem Ermessen des Konsortiums zugeordnet.
Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing), Südtirol Konsortium Südtirol Wein
Terlaner I Grande Cuvée – Vorreiter in Sachen Ultra-Pre-mium und Vorbild für viele andere Produzenten
FOTO: S
EBASTIAN STOCKER
mer unterbewertet und nach außen lei-
der wenig sichtbar. Die Möglichkeit dies
zu ändern, war der Hauptgrund meines
Wechsels. Der Exportmarkt spielte zuvor
bei uns eine untergeordnete Rolle. In-
zwischen beliefern wir 16 Staaten, zuvor
waren es sieben. Hauptaugenmerk sind
die USA, wo wir an einem Absatzförde-
rungsprojekt beteiligt sind und innner-
halb von drei Jahren rund 100.000 Euro
investieren. Aber auch Deutschland wird
für uns immer wichtiger. Vor zwei Mo-
naten haben wir begonnen, mit SaPer in
München zusammenzuarbeiten, wovon
ich mir einiges erwarte«, so Armin Gratl.
Das tut Andreas SaPer auch. Die Präsen-
tationen der Weine in Fachhandel und
Gastronomie hat begonnen und verläuft
vielversprechend.
Das Eisacktal macht mit einer RebUä-
che von etwa 390 Hektar nur rund ein
Siebtel der Südtiroler Gesamtproduk-
tion aus. Die Genossenschaft und das
Kloster Neustift stemmen allein etwa
65 Prozent der Eisacktaler Herstellung.
Im neuen Gambero Rosso sammelte das
kleine Gebiet sechs von 27 Höchstnoten
ein, das ist ein beachtlicher Schnitt. Vier
davon fallen auf Silvaner. Das Weingut
Strasserhof ist zwar diesmal nicht dabei,
brachte aber Anfang dieses Jahres eben-
falls einen interessanten neuen Silva-
ner auf den Markt. Der »AnJo« aus alten
Rebstöcken kommt neun Monate spä-
ter als der Jahrgangswein auf den Markt,
weil er im großen Holz ausgebaut wird.
Vernatsch wird rar. Die rote Identi^ka-
tionssorte der Südtiroler führt mittler-
weile fast ein Schattendasein. Die ein-
zige Initiative für die Sichtbarkeit die-
ses unkomplizierten, oft unterschätzten
Freudenspenders stellt ein Privatunter-
nehmer auf die Beine. Ulrich Ladurner
lädt einmal im Jahr in sein sensationell
gelegenes Vigilius Mountain Resort in
Lana ein, um den besten Qualitäten aller
Vernatsch-Varianten, vom leichtfüßigen
Kalterersee bis zum saftigen St. Magda-
lener, eine angemessene Bühne zu ver-
leihen. Der Mann macht das aus Leiden-
schaft und Großzügigkeit. Auf den Sie-
gertreppchen ^nden sich fast jedes Jahr
die eleganten St. Magdalener vom Pfan-
nenstielhof und dem Ansitz Waldgries,
von den Genossen glänzen oft die Kalte-
rer und die Bozener. Inzwischen hat sich
der Vernatsch Cup auch auf dem Markt
herumgesprochen, und er beinUusst den
Absatz. »Nachdem Nals Margreid vor
vier Jahren den Vernatsch Cup gewon-
nen hatte, war eine sehr starke Nachfra-
ge nach Vernatsch zu spüren. Insgesamt
verkaufen wir Vernatsch sehr ordentlich,
mehr die Klassik-Linie als Galea Cru. Bei
den Cru-Weinen ist Lagrein erheblich
mehr gefragt als Vernatsch, vor allem
der Top-Lagrein Gries Riserva, den wir
4.255,10
3.676,00
3.065,56
2.423,99 2.080,94 2.088,86
1.009,60
1.280,40
1.852,01 2.709,62 3.187,27 3.221,26
1978 1988 1998 2008 2014 2015
rot weiß
Von Rot zu Weiß
Entwicklung der Anbau7ächen von Rot- und Weißweinsorten
Anbau7ächen in Hektar
Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing) Südtirol
www.suedtirolwein.com
Bozen
Italien
Unsere Lagen erstrecken sich vom Fuße der Alpen bis in mediterrane Land-schaften. In unterschiedlichen Klimazonen und auf Höhenlagen von bis zu 1.000 Metern bringen wir eine beachtliche Dichte an Spitzenweinen hervor: Der „Gambero Rosso“ vergibt seit Jahren die meisten „Tre Bicchieri“ im Verhältnis zur Rebfläche an Südtiroler Weine.
Zwischen Alpen und Zypressen
18 Weinwirtschaft 21/2016
WEINMacher Südtirol
zuteilen müssen«, informiert Ralf Kast-
ner, der Geschäftsführer der Augsburger
Weinhandelsgesellschaft Deuna.
Die Hektaranzahl an Vernatsch sinkt
jedoch immer noch. Er ist den Bauern
einfach zu kompliziert im Anbau, da er
wegen seiner dünnen Schale mehr als
alle anderen Sorten von der Kirsches-
sigIiege bedroht wird. Ein entscheiden-
des Argument sind natürlich auch die
Auzahlungspreise. Für Vernatsch wird
130 Euro pro Doppelzentner bezahlt, für
Sauvignon gibt es 300 und für Weißbur-
gunder 237 Euro. St. Magdalener kommt
mit 172 etwas besser weg als der norma-
le Vernatsch. Diese Anbauzone ist auch
das einzige Gebiet in Südtirol, wo über-
haupt noch Neuanlagen für diese Sorte
entstehen.
Südtiroler Pläne. Zur Zeit arbeitet das
Dachkonsortium gemeinsam mit den
Produzenten an einer Abgrenzung der
relevanten Lagen. »Es wird zwar ge-
meckert, dass wir das nicht schon vor
30 Jahren gemacht haben, aber bes-
ser jetzt als nie. Innerhalb von zwei bis
drei Jahren wollen wir das Projekt abge-
schlossen haben und den Startschuss für
die Gesetzesregelung geben«, berichtet
Werner Waldboth, verantwortlich für das
Marketing des Konsortiums. »Die künf-
tige Abgrenzung soll mit einem strenge-
UMFRAGE Was halten sie von der Preispolitik Südtiroler Erzeuger?
Ingo Keul
Einkaufsleiter,
Fischer&Trezza
Die Südtiroler haben den Markt aus den Augen ver-loren. Keine andere Region präsentiert uns alljährlich Preiserhöhungen. Die Pro-duzenten sind beratungs-resistent und gierig, wissen alles, und alles besser. Ausgenommen Alois La-geder, der wie Angelo Gaja einen Sonderstatus genießt und im übrigen auch nicht jedes Jahr an der Preis-schraube dreht. Aber die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel. Neben der Preisproblematik sehen wir Ermüdungserscheinungen der Kunden. Natürlich sind die Qualitätsstandards sehr hoch, aber der Einstiegs-Sauvignon kostet den Fachhandel schon sechs Euro. Ich befürchte, dass die Südtiroler mit dieser Preispolitik früher oder später Schiffbruch erleiden werden.
Andreas Saffer
Geschäftsführer,
Saffer Wein
Ich bin absolut der Über-zeugung, dass die Preise überzogen sind, und die Kunden reagieren inzwi-schen verärgert. In der Gastronomie wird Süd-tiroler Wein kaum noch glasweise ausgeschenkt, dafür ist er zu teuer. Im LEH positionieren wir mit der Kellerei Erste + Neue seit einigen Jahren norma-len Weißburgunder und Kalterersee für 6,99 bis 7,49 Euro. Das funktioniert noch ganz gut. Seit Ende 2015 haben wir für den LEH auch eine Vereinbarung mit der Kellerei Schreckbichl für die internationalen Sorten. Chardonnay und Merlot werden für etwa 7,99 Euro Regalpreis angeboten. Ob-wohl es schöne Qualitäten sind, tut sich der Absatz schwer.
Werner Waldboth
Marketingleiter,
Konsortium Südtirol Wein
Südtirol braucht extrem hochwertige Weine. Wir möchten die Langlebigkeit unserer Weine beweisen, ein Thema, mit dem sich Italien im Weißweinbereich noch schwertut. Die Produzenten wollen Flaggschiffweine, aber ob diese kostspieligen neuen Weine alle überleben werden, entscheidet der Markt. Da wird es eine natürliche Grenze geben. Die Aubagen sind ohnehin gering mit etwa 2.000 bis 5.000 Flaschen. Und davon bießt noch die Hälfte in Degustationen, die andere will auf den Weinkarten der Spitzengastronomie untergebracht werden.
Ralf Kastner
Geschäftsführer,
Deuna
Wir waren auch 2015 sehr erfolgreich mit den gleichen Wachstumsraten wie in den Vorjahren von 12 bis 15 Prozent. Nals Margreid nimmt seit vier, fünf Jahren eine fast schon spektakuläre Entwicklung. Die Kellerei möchte unbedingt ganz an die Spitze in Südtirol und zeigt ein Maximum an Anstren-gungen in jedem Bereich. Damit einher geht selbstverständlich auch eine Neupositionierung im Markt – auch preislich. Die Qualität der Weine hat massiv zugelegt. Die Entwicklung ist rasant, die Neupositionierung am Markt benötigt aber meist etwas mehr Zeit. Die Absatzzahlen sind aber in allen vergangenen Jahren deutlich gestiegen, was die Richtigkeit dieser Strategie untermauert.
Dirk Röhrig
Geschäftsführer,
Weinkontor Freund
Für uns ist Südtirol schmückendes Beiwerk. Wir verkaufen im Jahr 15.000 Flaschen unse-res Vertragspartners Lun, dessen Weine in der Kellerei Girlan hergestellt werden. Viele Leute fahren nach Südtirol in Urlaub und kaufen die Weine vor Ort. Dort sind die Weine schon teuer, hier noch teurer. Pinot Bianco und Pinot Grigio kosten den Konsu-menten hierzulande zum Beispiel rund 11,95 Euro, der Lagen-Weißburgunder Sandbichler 15 Euro. Das ist eine Preislage, die in Deutschland schwer durch-zusetzen ist.
FOTO
: RITA MÄRZ
INGER FOTO
: KRE
KLAU
/WICIOK
FOTO
: ULR
ICH HELWEG
Weinwirtschaft 21/2016 19
ren Regelwerk einhergehen, die Sorten-
auswahl wird festgelegt und die Höchs-
terträge werden gekürzt.« Um die Fehler
der Kollegen zu vermeiden, hat sich das
Konsortium auch schon mit Vertretern
des VDP, der Wachau, dem Piemont und
dem Chianti Classico beratschlagt.
Eine kleine Revolution bahnt sich bei
der ÖJentlichkeitsarbeit an. Die altehr-
würdige Weinkost hat nach 110 Dienst-
jahren ausgedient. 2016 ist sie abgesagt
worden. »Wir haben in Südtirol schon
eine Fülle von Veranstaltungen für das
große Publikum, die Weinkost hat sich
überholt. Im September 2017 starten wir
mit dem Wine Summit eine mehrtägi-
ge Veranstaltung auf internationalem
Niveau. Es wird eine erweiterte Antepri-
ma sein mit Einkäufern und Journalis-
ten aus aller Welt«, so Waldboth.
Der Südtiroler Exportanteil ist mit be-
scheidenen 22 Prozent der Produktion
allerdings ausbaufähig, auch wenn die
Kellereien ihren Wein mühelos zuhau-
se und auf dem nationalen Markt un-
terbringen. Das Konsortium investiert
in diesem Jahr 766.000 Euro Absatz-
förderung in Drittländern, die EU ko-
[nanziert also zur Hälfte. Neben den
USA, Japan und Russland werden auch
die Schweizer umworben. Der Fluss
an Schweizer Touristen hat sich deut-
lich vermehrt, sie zahlen gut und stehen
auf Lagrein, hört man unisono von den
Herstellern.
Fazit. Die Südtiroler Kellereien trei-
ben die Qualität weiter voran und stel-
len sich internationalen Vergleichen.
Verständlich, dass sie bei den geringen
Mengen und den großen Anstrengun-
gen höhere Preise erzielen möchten.
Das kann man in kleinen Schritten tun,
und die Produzenten verarmen sicher
nicht, wenn sie den Händlern mal eine
Nullrunde einräumen. Es wäre auch
nett, wenn die Kellereien trotz all des in-
zwischen erlangten Ruhmes nicht ver-
gessen würden, wer zum Beispiel ihre
Marke aufgebaut und erstes Vertrauen
geschenkt hat, als die Region noch im
Vernatsch versank. Das wünschen sich
zumindest die deutschen Partner, denen
auch schon mal die Adjektive »gierig«
und »arrogant« im Bezug auf die Süd-
tiroler entfallen. Sollte den Südtirolern
der deutsche Markt nicht mehr attraktiv
erscheinen, können sie versuchen, ihre
Preisvorstellungen auf Märkten von Ho-
nolulu bis Grönland durchzusetzen. Das
ist sehr anstrengend, unbequem und
nicht immer erfolgreich wie die Kolle-
gen aus den weniger privilegierten Regi-
onen bestätigen können, die tatsächlich
stark vom Auslandsgeschäft abhängen.
VERONIKA CRECELIUS
40%Südtirol
38%Italien (ohne Südtirol)
22%Export
Absatzmarkt »vor der Haustür«
Hauptabnehmer für Südtiroler Weine im Export sind Deutschland und
die Nachbarländer
Export
46% Deutschland
16% andere
8% Schweiz
18% USA
5% Benelux
7% Österreich
Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing) Südtirol