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Die Reisen des G. Bergmann –Das große Abenteuer
WERKAUSGABE
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MANARAWERKAUSGABE
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MANARA – WERKAUSGABEDIE REISEN DES G. BERGMANN – DAS GROSSE ABENTEUER
erscheint bei PANINI COMICS
Rotebühlstr. 87, D-70178 StuttgartGeschäftsführer Frank Zomerdijk
Publishing Director Europe Marco M. LupoiFinanzen & Beratung Axel DrewsMarketing DirectorMax Müller
Marketing Holger WiestVertrieb Alexander Bubenheimer
Logistik Ronald SchäfferSenior Publishing Coordinator Lisa Pancaldi
Redaktion Pia Oddo, Marco Ricompensa, Sergio RossiÜbersetzer Michael LeimerLektorin Giuseppina TorrisiLettering Lucia Truccone
grafische GestaltungMario Corticelli, Paola LocatelliLayout Nicola Spano, Rudy Remitti
Redaktion Panini Comics Annalisa Califano, Beatrice DotiProduktion Panini Comics Francesca Aiello, Andrea Bisi, Alessandra Gozzi, Lorenzo Raggioli, Michael Jurkat
Produktionsleitung Alessandro NalliFür die digitale Ausgabe: Supervision Mattia Del Corno, Grafik und Layout Ilaria Ingrosso.
Direkt-Abos auf www.paninicomics.de
© 2011 Milo Manara H.P. e Giuseppe Bergman © Milo Manara
Zur deutschen Ausgabe © 2011 Panini Verlags-GmbH
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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MILO MANARA
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Die Reisen des G. Bergmann –Das große Abenteuer
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“D as Abenteuer beginnt!” Diese Wortespricht im ersten Bild dieses Bandesein gewisser Giuseppe Bergmann, der glück-
lich in Richtung Leser blickt. Doch sie sind
gleichzeitig Manaras Willkommensgruß an
den Leser. Er projiziert sich also nicht nur in
seine Figuren hinein, was ja auch viele andere
Comic-Zeichner tun, nein, er beginnt mit die-
sem Werk, ein “kompletter” Autor zu wer-
den, also einer, der seine eigenen Storys
schreibt und zeichnet, nachdem er fast 10 Jahre
lang die Geschichten anderer erzählt hat. Als
Begleitperson des Helden Manara/Bergmann
tritt ein wahrer Meister des Abenteuers bei
seiner ersten Reise auf: H. P., also Hugo Pratt,
sein Freund und liebster großer Bruder, der
nicht nur als Figur an diesem Abenteuer teil-
nimmt, sondern deren Triebfeder ist.
Manara erzählt, alles habe 1977 angefan-
gen, als Pratt gebeten wurde, an der neuen
französischen Comic-Zeitschrift (À Suivre)
mitzuwirken, die von Casterman herausge-
geben wurde. Pratt war bereits mit seinem
Corto Maltese zum Star geworden, von dem
Casterman die ersten Bände veröffentlicht
hatte. Da war es nur logisch, dass ihn Didier
Platteau und Jean-Paul Mougin (Direktor und
Vizedirektor von (À Suivre)) fragten, ob er
sich an dem Vorhaben beteiligen wolle.
Als die beiden nach Mailand kom-
men, um sich mit Pratt zu treffen, bringt die-
ser auch Manara mit, der gerade eine Zusam-
menarbeit mit dem Schriftsteller Silverio Pisu
abgeschlossen hatte, der wiederum zwei Gra-
phic Novels für Linus produziert hatte: Der
Affe, eine Adaption der chinesischen Legende
von Goku, dem Goldenen Affen, und Alessio,
der revolutionäre Bourgeois, eine fantastische
Erzählung, die von Mythen, Träumen und
68er-Utopien durchsetzt ist. Platteau und
Mougin haben Der Affe gelesen und wollen es
Das Abenteuer, ein Autor zu sein
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herausgeben, Manara versucht, sie davon
abzubringen, weil er sein Wort schon einem
anderen französischen Magazin, nämlich
Charlie, gegeben hat, aber auch wegen der
Probleme, die es mit Pisu geben würde. Pratt
tritt an diesem Punkt gegen Manaras Schien-
bein, um ihn zum Schweigen zu bringen.
“Anstatt eine alte Geschichte wieder zu ver-
öffentlichen”, schlägt der Vater des Corto –
ein auf den Meeren des Verlagswesens weit
gereister Seemann – vor, “warum bringt ihr
nicht eine neue, von Milo geschriebene und
gezeichnete Geschichte heraus?” “Bien sur”,
antworten Platteau und Mougin und fragen:
“Ist schon etwas davon fertig?” “Klar, keine
Sorge”, meint Pratt. Als Platteau und Mou-
gin sich verabschieden, gerät Manara in Panik:
Das ist seine große Chance, aber fertig ist
natürlich gar nichts.
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Auch für Giuseppe Bergmann ist dies die
große Chance. Er ist vom Produzenten ange-
stellt worden – einer mysteriösen, mächtigen
Figur, die auch später wieder auftaucht –, um
das Abenteuer zu erleben. “Endlich”, brüllt
er seine Mitbewohnerin an, “endlich kann
ich selbst entscheiden, was ich tue und was
ich lasse. (…) Keine Miete mehr, keine Straf-
zettel, keine Steuern, nur um überhaupt auf
diesem beschissenen Planeten leben zu dür-
fen! Ich muss mein Hirn und meine Arme
nicht mehr verkaufen, um zu überleben. (…)
Ich hab keinen Bock mehr, bekloppte und
unmenschliche Pläne auszuführen. Schluss
jetzt!” Aber die Frau ist nur mit ihren Zahn-
schmerzen beschäftigt und will bloß, dass er
“das Tor nicht wieder so laut zuknallt”. Der
Produzent gesteht ihm, dass Bergmann sich
als Einziger auf die Annonce gemeldet habe
und folglich auch genommen wurde. Er soll
an etwas teilnehmen, was wir heute eine
Realityshow nennen – gewissermaßen ein
Vorläufer dessen, was man in The Truman Show
von Peter Weir zu sehen bekommt –, wobei
Das Monatsmagazin (À Suivre), was im
Deutschen “Fortsetzung folgt” heißt, war
eines der wichtigsten Comic-Magazine der
Welt. Der Herausgeber Casterman, der auch
Tim und Struppi von Hergé publizierte,
brachte in der ersten Nummer von (À Suivre)
die Fantasy-Graphic-Novel Ici Même
von Jean-Claude Forest (dem Autor von
Barbarella) und Jacques Tardi. Das Magazin
gewährte seinen Autoren vollste Freiheit –
sowohl bei Stil, Genre, Farbwahl oder
Schwarz-Weiß-Zeichnungen als auch bei der
Umsetzung ihrer Geschichten. Nachdem die
Klassiker der gezeichneten Literatur vorge-
stellt worden waren, wurde das Magazin ein-
gestellt. Unter den wichtigsten Graphic
Novels seien neben Ici Même (Der Herr von
Montetetro sowie Das verschlossene Land)
auch Schweigen von Didier Comès und In der
Bar von Sampayo und Muñoz erwähnt.
BIOGRAFIE UND WERKE
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der Handlungsablauf bereits von der Firma
vorgegeben und dann in der Erzählung des
Abenteuers umgewandelt wird und bei dem
diejenigen, die zu Hause bleiben, arbeiten
und produzieren, einmal “ihren Alltag kom-
plett vergessen sollen. Nervenkitzel, Leiden-
schaft für etwas jenseits ihres grauen
Alltagslebens.” Für den Produzenten ist das
Abenteuer also ein starkes soziales Betäu-
bungsmittel, das den Blick vom Alltag ablen-
ken und das schlechte Gewissen vertreiben
soll, das seit dem Ende der Sechzigerjahre
den Schlaf der Herren der Vernebelung stört.
Manara erinnert sich, dass ihm Pratt riet,
sich nicht lange mit Belanglosigkeiten aufzu-
halten, sondern sich auf seine Abenteuer-
erzählung zu konzentrieren. Keine leichte
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Aufgabe. Denn in jenen Jahren zeigte man in
seinen Geschichten gerne Einsatz – für Poli-
tik, die Dritte Welt, gegen soziale Missstände.
Und zwar vor allem in den Comics, die
damals zusammen mit den ersten freien
Radiostationen das Sprachrohr der 77er-
Generation waren. Verleger und Leser ent-
deckten die Faszination und den Wert dieser
Ausdrucksform, die mit wenig Aufwand und
einfachen Mitteln präzise und effizient erzäh-
len konnte, was gerade vor sich ging. Im April
1977 erscheint bei Alter Alter, der kleinen
Schwester von Linus, die erste Folge von Die
ungewöhnlichen Abenteuer des Pentothal von
Andrea Pazienza, die im Bologna des Studen-
tenaufstands spielt. Dieser Comic muss folg-
lich auch modern sein, auf der Welle der
Rebellion mitschwimmen, und Manara, der
Achtundsechzig miterlebt hat, kennt diesen
Weg ja schon. Im Jahre 1978 leitet Luigi Ber-
nardi die monatliche Comic-Beilage des
Wochenblatts der Jungen Kommunisten Ita-
liens La Città futura, in der Weißer Albtraum
erscheint, eine außergewöhnliche Geschichte,
in der Mœbius, der Kultautor jener Jahre,
vom urbanen Fremdenhass erzählt. Mœbius’
Mœbius (Nogent-sur-Marne, Paris 1938),
bürgerlich Jean Giraud, gilt als der größte
lebende Comic-Autor. Sein Erfolg wurde
durch die Westernserie Blueberry begründet
(die er zusammen mit Jean-Michel Charlier
schrieb) und die er auch heute noch zeich-
net. Unter dem Pseudonym Mœbius hat er
die Art, Comics zu verstehen, vollständig
revolutioniert, vor allem mit Die luftdichte
Garage und einer Sammlung von Kurzge-
schichten. Als herausragend seien hier The
Long Tomorrow (von Dan O’Bannon geschrie-
ben, dem Drehbuchautor von Alien) und eine
Arzach gewidmete Geschichte erwähnt. Mit
dem Schriftsteller und Psychomagier Alejan-
dro Jodorowsky hat er eine Science-Fiction-
Saga verfasst, die vor dem magischen
Hintergrund der Incal spielt. Seine Arbeit als
Illustrator hat Autoren aus der ganzen Welt
beeinflusst.
BIOGRAFIE UND WERKE
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Stil sollte in der Folge Zeichner aus der gan-
zen Welt beeinflussen, unter anderem auch
Pazienza und Manara. Nach sechs Nummern
wird Bernardi ausgetauscht und gründet
zusammen mit einigen Freunden, darunter
Daniele Panebarco, den Verlag L’Isola Trovata.
So entsteht Orient Express, das Magazin, das
neue Abenteuergeschichten auf ganz andere
Art erzählt, andere künstlerische Sprachen
und Stilrichtungen aufnimmt und immer auf
das eingeht, was gerade in der Welt geschieht.
Die Inhaltsangabe der ersten Ausgabe des
Magazins ist zugleich sein pragmatisches
Manifest: Manara ist darin mit der wunder-
vollen Erzählung über Snuff Movies vertre-
ten, Acherontia atropos; Magnus mit den neuen
Abenteuern des fast schon pensionierten
Söldners “Der Unbekannte”; Vittorio Giar-
dino mit der ersten Geschichte über den
Spion “wider Willen” Max Fridman, die zu
Beginn des 1. Weltkriegs spielt. Dieser Geist
bewegte auch (À Suivre), eines der Magazine,
das Bernardi las.
Andrea Pazienza (San Benedetto del Tronto
1956 – Montepulciano 1988) war einer der
einflussreichsten italienischen Comic-Auto-
ren der Siebziger- und Achtzigerjahre. Sein
Markenzeichen waren Schaffensfreude und
Respektlosigkeit, sein kreatives Umfeld war
das Bologna der Jugendrevolten, das auch
den Hintergrund für sein Debüt lieferte: Die
außergewöhnlichen Abenteuer des Pento-
thal (1977 in dem Magazin Alter Alter erschie-
nen). Im gleichen Jahr gründet er die
Zeitschrift Cannibale, zusammen mit Stefano
Tamburini und Massimo Mattioli, zu denen
sich später noch Tanino Liberatore gesellte.
Aus dieser Gruppe ging dann zusammen mit
Vincenzo Sparagna 1980 das Monatsheft Fri-
gidaire hervor, auf dessen Seiten zum ersten
Mal die Figur Zanardi auftaucht. Pazienza ent-
wirft in jenen Jahren Kinoplakate (unter ande-
rem 1980 jenes für Città delle donne – Die
Stadt der Frauen von Fellini), Videoclips, Plat-
tencover und Werbekampagnen.
BIOGRAFIE UND WERKE
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Manara schrieb H.P. e Giuseppe Bergman für
(À Suivre), da diese Geschichte gut in deren
verlegerisches Konzept passte. Im Comic sah
das Magazin eine Ausdrucksform, mit der
man Geschichten erzählen konnte, die die
Ambition und die Epik der großen Romane
hatte und in der insbesondere das Abenteuer
zum idealen Mittel wurde, um die Welt in
ihrer ständigen Veränderung zu zeigen. Und
deswegen war in Manaras Augen Pratt der
politischste Schriftsteller seiner Zeit. Denn
das Abenteuer ist subversiv, es öffnet den Blick
und den Geist für ferne Horizonte, es zwingt
dich dazu, dich nicht mit dem zufriedenzu-
geben, was du hast, sondern dich immer wie-
der infrage zu stellen und somit andere
Kulturen kennenzulernen. Deswegen ist das
Abenteuer, das wahre natürlich, nicht das der
Vorgaben durch die Sponsoren, in dieser
Gesellschaft so geächtet. Manara erzählt wei-
ter, dass er sich nicht in der Lage fühlte, eine
Abenteuergeschichte à la Pratt zu erzählen,
und dass er sich deshalb dafür entschied,
diese seine Unfähigkeit zum Thema zu wäh-
len und es eben durch die Figur des Giuseppe
Bergmann zu machen. Bergmann war sich
allerdings bewusst, selber nur Fiktion zu sein.
Eine ähnliche Vorgehensweise wie im Film
8 ½ von Fellini also, der von der Unfähigkeitdes Regisseurs erzählt, einen weiteren Film
nach dem Erfolg von La Dolce Vita zu drehen.
Bergmann weiß, dass er nur auf den Seiten
eines Comics existiert; er spricht darüber, was
in den einzelnen Episoden passiert, er fasst
die vorherigen Folgen zusammen, spricht
Robert Crumb (Philadelphia 1943) ist einer
der bekanntesten Autoren der amerikani-
schen Underground-Comic-Szene. Nachdem
er 1966 nach San Francisco umzogen war,
begann seine Zusammenarbeit mit den wich-
tigsten unabhängigen Cartoonisten (u. a. Rick
Griffin, Spain Rodriguez und S. Clay Wilson).
Mit einigen von ihnen startete er 1967 Zap
Comix, ein Comic-Magazin im Taschenbuch-
format, in dem die meisten seiner bekann-
ten Charaktere zum ersten Mal auftauchten,
darunter Fritz the Cat und Mr. Natural. Paral-
lel dazu arbeitete er mit vielen Underground-
Zeitschriften nicht nur in Amerika zusammen
(OZ, Gothic Blimp Works, Actuel); seine
Comics erschienen auch in Übersetzungen
in den meisten Ländern der westlichen Welt.
Er zeichnete sogar das Cover für die Platte
Cheap Thrills von Janis Joplin. 1969 wird
er wegen einer in Zap veröffentlichten
Geschichte in New York verhaftet, die
Anklage lautet auf Obszönität. 1994 dreht
der Regisseur Terry Zwigoff den Dokumen-
tarfilm Crumb über sein Leben und seine
Familie, fünf Jahre später wird Crumb dann
der Grand Prix des Festivals in Angoulême
für sein umfassendes Lebenswerk verliehen.
BIOGRAFIE UND WERKE
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DASABENTEUER
BEGINNT!
MITTER-NACHT
ENDLICH BEGINNT DAS ABENTEUER…
SCHLUSS!
WARUM SCHREIST DU
SO?
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ICH BIN FÜR DAS ABENTEUER
AUSGEWÄHLT WORDEN!
STELL DIR NUR VOR, ICH
BIN DABEI, BEIM ABENTEUER!
ENDLICH KANNICH SELBST ENT-
SCHEIDEN, WAS ICH TUE UND WAS ICH
NICHT TUE!
JEDEN MORGEN STEHE ICH AUF UND BIN VOLLKOMMEN
FREI!
KEINe MIETE MEHR, KEINE STRAFZETTEL, KEINE STEUERN, NUR UM ÜBERHAUPT AUF
DIESEM BESCHISSENEN PLANETEN LEBEN
ZU DÜRFEN!
ICH MUSS MEIN HIRN UND MEINE
ARME NICHT MEHR VERKAUFEN, UM ZU
ÜBERLEBEN!
MEIN LEBEN GEHÖRT JETZT MIR!
UND ICH WERDE NICHT ZULASSEN, DASS
MICH ein paar REICHE ARSCHLÖCHER DAZU ZWINGEN, ES NACH
IHREN BESCHISSENEN PLÄNEN ZU LEBEN!
ICH HABe KEINE lust MEHR, nach absurden
und unmenschlichen vorgaben zu leben,
schluss damit!
MORGEN FRÜH GEH ICH ZUM
PRODUZEN-TEN…
HIER BIN ICH, WERDE ICH SAGEN,
BEREIT FÜR DAS ABENTEUER!
ICH WILL… ABER DU WEINST JA? VERSTEHST DU DENN
NICHT?