Wie können Erfahrungen von Patienten(organisationen) in die
Entscheidungen der Ethikkommissionen eingehen?
Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen, 18.6.2015
Jan GeißlerLeukämie-Online / CML Advocates NetworkEuropäische Patientenakademie (EUPATI)
„Disclosures“ / Offenlegung
Privatspenden zum Betrieb und Weiterentwicklung von Leukämie-Online
Inhaltsunabhängige Förderung von Novartis, BMS, Ariad und Pfizer bzgl. Veranstaltungen oder Projekten
Keine Förderung durch Krankenkassen, Krebshilfe oder Staat
Aktuell Mitglied von EU-Projektanträgen für H2020
Zusammenarbeit mit Studiengruppen und Industrie im Studiendesign, Pat-Info, ohne finanzielles Interesse
IMI-Projekt „EUPATI“, finanzielle Mittel zu 80% von EU und zu 20% von 18 pharmazeutischen Unternehmen
Bezahlter Experte der EU-Kommission (Ethik-Panel, H2020 Review)
Patienten und Patientenorganisationen wollen…
...Sicherheit, Forschung und Fortschritt:
• Kein Risiko für Patienten wäre optimal, aber keine Therapieoptionen sind auch gefährlich
…ihre Erfahrungen und Kompetenzen einbringen:
• Fokus auf dem, was Patienten wirklich brauchen
• Kontext zum Erkrankungsalltag herstellen
• Gemeinschaft befragen, Evidenz liefern
• Risiko/Nutzen-Abwägung in Studiendesign und -Bewertung, v.a. Diagnostik, Risiken und Nebenwirkungen
• Patienteninformationen besser und verständlich machen
…hochqualifizierte Ethikkommissionen mit als wichtige unabhängige Kontrollinstanz – mit Patientenbeteiligung
mit Betrachtung von Nutzen/Risiko, Aufklärung, Forschungsfreiheit, wissenschaftliche Qualität, Gesetzeskonformität
Patienten begrüßen an der EU-Verordnung 536/2014…
Weniger Fragmentierung der Regeln in Zeiten der Orphanisierung/Personalisierung der Medizin
Abbau der Bürokratie zugunsten von sicherer, aber mehr Forschung – auch gerade akademischer Studien,
• z.B. eine Sprache, zentrale Datenbank, Sicherheitsberichte, wo sinnvoll, nicht wo technisch möglich
Risikoadaptierte Bewertung von Studien (unter Einbeziehung der Patienten)
Mehr Transparenz von Studien, Veröffentlichung von Studienergebnissen, Laienzusammenfassungen
Patienten bedauern an der EU-Verordnung 536/2014…
den Widerstand der EU-Mitgliedsstaaten (inkl. DE) zum Thema Patientenbeteiligung
die fehlende Beteiligungspflicht von Patienten bei der “laienfreundlichen Zusammenfassung”
die fehlende Klarheit des Beteiligungsprozesses von Patienten
Patientenbeteiligungin Studien und ethischer
Bewertung:konkrete Umsetzung?
Die Patientenperspektive deckt sich nicht zwangsläufig mit der von Laien, Medizinern
Patienten haben…
spezifisches Erfahrungswissen nach einerschwerwiegenden Erkrankung
Einsichten in bestimmte praktische Aspekte von Studien
Sicht auf Angemessenheit der Patienteninformation
Andere öffentliche Wahrnehmung von Forschung
16.01.2014 on CTR:: EPF welcomes transparency provisions but regrets lack of patient involvement as a backwards step
Patienten haben oftmals andere Prioritäten und Perspektiven als Ärzte, Angehörige oder Pflegekräfte
Detecting Myeloma, ways to shortening an often painful and tedious patient odyssey: results from an international
survey. Myeloma Euronet (2009). 314 physicians & nurses, 260 patients & carers, 43 countries
Nebenwirkungen mit dem negativsten Einfluss
auf das Gesamtbefinden (in %)
2) Haarausfall
8) Atemprobleme
9) Körperliche
Einschränkungen
15) Neuropathie
23) Thrombotische Ereignisse
24) Kieferschäden
Ärzte Pfleger Patienten Angehörige und Betreuer
Patientenbeteiligung im gesamten Entwicklungsprozess:Relevante Fragestellungen
Research design
and Planning
Design of Protocol
Informed Consent Study reporting
Post-study
communication
Patient Info
Leaflet
Trial steering committee
Investigators Meeting
Data Monitoring Committee Practical
considerations
Health Technology
Assessment
Protocol
Synopsis
Research
priorities
Setting
research
priorities
Information to
trial participants
Research conduct and
operations
Regulatory affairs
Dissemination,
communication,
post-approval
Source: Geissler, Ryll, Leto, Uhlenhopp
EPALCO/EUPATI (2015, unpublished)
Fundraising
for research
Ethics Review
Einbindung der Patienten in ethische Fragestellungen in Studien: Optionen
1. Einbindung von Patienten in Prüfplan/Studiendesign
2. Einbindung von Patienten mit Erfahrungswissen in schwerwiegenden Erkrankungen in Ethikkommissioneninnerhalb der vorgegebenen Zeitfristen
(3. Patientenbeteiligung im regulatorischen Zulassungsprozess)
1. Einbindung von Patienten in Prüfplan/Studiendesign
Ethische Fragestellungen schon zum Designzeitpunkt identifizieren, diskutieren und adressieren(auf internationaler Ebene)
EU-V 536/2014 Anhang I, D. Prüfplan
Ziffer 17. „Der Prüfplan enthält mindestens….
e)…falls Patienten bei der Gestaltung der klinischen
Prüfung beteiligt wurden, eine Beschreibung ihrer
Beteiligung“
Patientenorganisationen agieren in europäischen Netzwerken, insbesondere bzgl. Forschung
>= 19 europäische Krebspatientenorganisationen
EuropaColon - Colon Cancer, Chordoma Foundation, Europa Donna - European Breast Cancer Coalition, EuropaUomo, ECPC, EMHF - European Men's Health Forum, ENGAGe -Rare gynecologial cancers, International Brain TumorInternational Kidney Cancer Coalition, Childhood Cancer International, Leukemia Patient Advocates Foundation, LuCE -Lung Cancer Europe, MPE - Myeloma Patients Europe, Lymphoma Coalition Europe, Melanona Patient Network Europe, SPAEN – Sarcomas, European Morbus WaldenströmNetwork, Myelodysplastic Syndrome (MDS) Alliance
>= 46 europäische Netzwerke zu seltenen Erkrankungen
AHC, ALFA, Aniridia, Cystic Fibrosis, Neuromuscular disorders, Ataxia, Sarcoidosis, Chromosome 11, Congenital Heart Disease, Dysmelia, Haemachomatosis, Gaucher, Haemophilia, Huntington, Myasthenia Gravis, Ichthyosis, Alternating Hemiplegia, , Polio, Phenylketonuria, Tuberous Sclerosis Complex, Fabry, DravetSyndrom, HSP, Scleroderma, Esophageal Atresia, renal diseases, Williams Syndrome, FSHD, Hereditary Angioedema, Spina Bifida, Hydrocephalus, Mito, Niemann-Pick Disease, Primary Immunodeficiencies, Marfan, Interstitial Cystitis, Naevus, Nephc, Osteogeneis Imperfecta, PSC, Pulmonary Hypertension, RettSyndrome, SMA, Thalassaemia
34 in EMA involvierte EU-Patientenorganisationen
AGE Platform Europe (AGE), Alzheimer Europe (AE), DEBRA International, European AIDS Treatment Group (EATG), European Cancer Patient Coalition (ECPC), European Federation of Allergy and Airways Diseases Patients' Associations (EFA), European Foundation for the Care of Newborn Infants (EFCNI), European Federation of Neurological Associations (EFNA), European GaucherAlliance (EGA), European Heart Network (EHN), European Haemophilia Consortium (EHC), European Institute of Women’s Health (EIWH), European Liver Patient Association (ELPA), European Lung Foundation (ELF), European Multiple Sclerosis Platform (EMSP), European Network of Fibromyalgia Associations (ENFA), European Organisation for Rare Diseases (EURORDIS), European Parkinson's Disease Association (EPDA), European Patients' Forum (EPF), European Prostate Cancer Coalition (Europa Uomo), European Public Health Alliance (EPHA), Fabry International Network (FIN), Global Alliance for Mental Illness Advocacy Networks (GAMIAN-Europe), InDependent Diabetes Trust (IDDT), International Alliance of Patients' Organizations (IAPO), International Bureau for Epilepsy (IBE), International Confederation of Childhood Cancer Parent Organizations (ICCCPO), International Diabetes Federation European Region (IDF Europe), International Patient Organisation for Primary Immunodeficiencies (IPOPI), Myeloma Patients Europe (MPE), Pain Alliance Europe (PAE), Patients Network for Medical Research and Health (EGAN), SMA Europe (SMAE), Thalassaemia International Federation (TIF)
Europäische Patientenakademie
Objektive, qualitätsgeprüfte, laienverständliche Materialien & Weiterbildung zur Arzneimittel-F&E
Gefördert durch „IMI“, öffentlich-private Partnerschaft der EU-Kommission mit EFPIA
Kompetenzaufbau bei Patientenvertreternfür Mitwirkung in Forschung, Behörden, Ethikkommissionen
Gestartet 2/2012, noch 1,5 Jahre
30 Konsortialmitglieder, geleitet vom European Patients‘ Forum
Deutsch eine der 7 Sprachen
EUPATI bildet über den gesamten Forschungs- und Entwicklungs-prozess aus
1. Grundlagenforschung, Arzneimittelentwicklungsplanung
2. Prä-klinische Entwicklung
3. Klinische Forschung und Studien
4. Regulierungs- und Zulassungsprozesse
5. Arzneimittelsicherheit, Risiko/Nutzen
6. Gesundheitsökonomie und Nutzenbewertung (HTA)
Aber nicht: spezifische Indikationen oder Therapien, sondern nur der Entwicklungsprozess und -Rahmen!
EUPATI’s Patienten-Experten-Trainingskurs
„Weiterbildungsebenen“ und Zielgruppen in EUPATI
100 Patienten-
vertreter
12.000Patienten-
vertreter
100.000Patienten
EUPATI“Werkzeugkasten”
EUPATI Internetbibliothek
Englisch
Französisch
Deutsch
Spanisch
Polnisch
Italienisch
Russisch
Englisch
Einbindung der Patienten in ethische Fragestellungen in Studien: Optionen
1. Einbindung von Patienten in Prüfplan/Studiendesign
2. Einbindung von Patienten mit Erfahrungswissen in schwerwiegenden Erkrankungen in Ethikkommissioneninnerhalb der vorgegebenen Zeitfristen
(3. Patientenbeteiligung im regulatorischen Zulassungsprozess)
2. Patientenbeteiligung in Ethikkommissionen gem. EU-V 536/2014
Präambel (18): Die Bestimmung der an der Bewertung des Antrags auf Durchführung einer klinischen Prüfung zu beteiligenden geeigneten Stelle(n) und die Organisation der Beteiligung von Ethik-Kommissionen innerhalb der in dieser Verordnung festgelegten Zeitpläne für die Genehmigung dieser klinischen Prüfung sollten dem betroffenen Mitgliedstaat überlassen bleiben. Diese Entscheidungen hängen von der internen Organisation des jeweiligen Mitgliedstaats ab. Bei der Auswahl der geeigneten Stelle(n) sollten die Mitgliedstaaten darauf achten, dass auch Laien einbezogen werden, insbesondere Patienten oder Patientenorganisationen.“
Die Fristen erfordern systematische Vorgehensweise zur Einbindung von Patienten in Ethikkommissionen
K. Racké, AGAH-Workshop, 6.6.2014
Vorschlag: Aufbau eines Pools erfahrener Patienten mit Erfahrungs- und Prozesswissen
Umfangreicher Pool von individuellen Patienten, die
eigene Erkrankungserfahrung (keine “Profis”) in einerschwerwiegenden Erkrankung,
Urteilskraft über den eigenen Fall und Indikationsgrenzenhinweg,
Basisverständnis von Forschung, EBM und Studien
haben.
“Expertenpool” mit einem definierten, standardisierten, transparenten Prozess, vorgeschlagen durchPatientenorganisationen, Ethikkommissionen, Ärzte, Behörden
Projektbeispiel:“Optimierte Pat-Info”
PatientengetriebeneOptimierung derPat-Info undKommunikation
Inhaltsverzeichnis,Glossar, Laienbegriffe,Ablaufdiagramm,Video
“Therapieoptimierung bei neu diagnostizierten CML-Patienten in chronischer Phase mit Nilotinib-basierter Induktion und Nilotinib-
oder Interferon-alpha-Erhaltungsphase (EudraCT 2010-024262-22)”, >100 Zentren in Deutschland
Patienten(organisationen) können die Entscheidungen der Ethikkommissionen mit ihrer Perspektive stärken.
Jan Geißler
Twitter @jangeissler
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http://www.cmladvocates.net
http://www.patientsacademy.eu