Download - WkC Grundlagen Der Metallkunde
1
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G
Werkstoffkunde und Chemie
Teil a - Kapitel 3
Grundlagen der Metallkunde
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 2
Grundlagen der Metallkunde
Inhalt
• Gitterfehler des Idealkristalls
• Verformung des Realkristalls
• Entstehung des Gefüges
• Anisotropie und Rekristallisation
2
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 3
Grundlagen der Metallkunde
Gitterfehler
Die durch Elementarzelle und Raumgitter gegebene Struktur heißt Idealkristall.
Der Idealkristall kommt in der Natur aufgrund der stets vorhandenen Gitterfehler
nicht vor, stattdessen der Realkristall (Kristall mit Gitterfehlern). Gitterfehler
können nach ihrer geometrischen Erscheinungsform geordnet werden:
Nulldimensional: Leerstellen, Zwischengitteratome, Austauschatome,
(Punktfehler) Einlagerungsatome
Eindimensional: Stufenversetzung, Schraubenversetzung
(Linienfehler)
Zweidimensional: Groß- und Kleinwinkelkorngrenzen
(Flächenfehler)
Dreidimensional: Poren, Einschlüsse, Ausscheidungen
(Räumliche Fehler)
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 4
Grundlagen der Metallkunde
Punktförmige (nulldimensionale) Gitterfehler
Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde
Leerstelle Zwischengitteratom Frenkel-Paar
Leerstellen sind Störungen von atomarer Größenordnung. Die Häufigkeit
der Leerstellen, die Leerstellendichte, ist temperaturabhängig. Je höher
die Temperatur desto höher die Leerstellendichte. Wechseln Atome auf
Zwischengitterplätze entstehen Leerstellen und Zwischengitteratome im
gleicher Anzahl (Frenkel-Paar). Die Diffusion von Fremdatomen wird
durch eine hohe Leerstellendichte im Kristallgitter erheblich beschleunigt.
3
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 5
Grundlagen der Metallkunde
Punktförmige (nulldimensionale) Gitterfehler
Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde
Austauschatom Einlagerungsatom
Gelöste Fremdatome sind ebenfalls Gitterfehler. Sind größere Mengen
einer zweiten Atomart im Gitter gelöst, werden die so aufgebauten Kristalle
als Mischkristalle bezeichnet. Nehmen Fremdatome Gitterplätze ein, d.h.
sind sie ausgetauscht gegen die Atome des Wirtsgitters, so spricht man
von Austauschatomen bzw. Austauschmischkristallen. Befinden sie sich
dagegen auf Zwischengitterplätzen, werden sie Einlagerungsatome bzw.
Einlagerungsmischkristalle genannt.
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 6
Grundlagen der Metallkunde
Linienförmige (eindimensionale) Gitterfehler
Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde
Stufenversetzung Schraubenversetzung
Sehr häufig in Kristallen vorkommende und bedeutsame Gitterfehler sind die
linienförmig verlaufenden Versetzungen. Man unterscheidet Stufenversetzungen
und Schraubenversetzungen. Entlang der Versetzungslinie ist das Atomgitter
verzerrt und gestört.
Versetzungen spielen bei der
plastischen Verformung eine
entscheidende Rolle, da die
Verformung eine Bewegung von
Versetzungen unter Einwirkung
einer äußeren Kraft darstellt.
4
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 8
Grundlagen der Metallkunde
Einkristall, Vielkristall
Bisher wurde das Atomgitter eines einzigen Kristalls
(Einkristall) mit seinen Gitterfehlern beschrieben. Reale
Werkstoffe bestehen jedoch nicht nur aus einem einzigen
sondern aus vielen Kristallen (Vielkristalle).
Ein Einkristall ist ein makroskopischer Kristall, dessen
Bausteine (Atome, Ionen oder Moleküle) ein einheitliches,
homogenes Kristallgitter bilden.
Ein Vielkristall besteht aus einer Vielzahl von einzelnen
Kristallen, die zur Unterscheidung von frei gewachsenen
Einkristallen als Kristallite oder Körner bezeichnet werden.
Der Bereich zwischen den Körnern heißt Korngrenze und
der gesamte Verbund Gefüge. Das Gefüge kennzeichnet
sich durch Korngröße und Kornform. Die technischen
Metalle sind fast ausschließlich vielkristallin.
Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 9
Grundlagen der Metallkunde
Körner und Korngrenzen
Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde
Kristallite oder Körner
Reine Metalle haben ein homogenes Gefüge, weil alle Kristallite (Körner) die
gleiche Kristallstruktur besitzen (z.B. krz). Die Körner unterscheiden sich
lediglich in der räumlichen Lage der Gitterebenen, die an den Korngrenzen
nicht nahtlos ineinander übergehen.
Korngrenzen
5
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 10
Grundlagen der Metallkunde
Flächenförmige (zweidimensionale) Gitterfehler
Quelle: Roos, Maile: Werkstoffkunde für Ingenieure
Korngrenzen (Berührungsflächen der Körner) sind flächenförmige Gitterfehler.
Kleinwinkelkorngrenzen
bestehen aus flächig
angeordneten Versetzungen.
Großwinkelkorngrenzen
haben eine Ausdehnung
von ca. zwei bis drei
Atomdurchmessern und
eine unregelmäßige
(amorphe) Anordnung.
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 11
Grundlagen der Metallkunde
Groß- und Kleinwinkelkorngrenzen
Kleinwinkelkorngrenzen Großwinkelkorngrenzen
Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde
Obwohl sich der Gitterfehler nur über wenige Atomabstände erstreckt, ist die
Gitterstörung erheblich und hat große Auswirkungen auf die Materialeigen-
schaften. Dabei schwächen Korngrenzen den Werkstoff nicht, sondern tragen
in besonderem Maße zur Festigkeitssteigerung bei.
6
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 12
Grundlagen der Metallkunde
Räumliche (dreidimensionale) Gitterfehler
Weitere Fehler, die viel größer sein können, als die zuvor
besprochenen, treten in allen festen Werkstoffen auf.
Dazu gehören:
- Risse
- Poren (Ansammlungen von Leerstellen)
- Lunker (Hohlraum beim Gussbauteilen)
- Einschlüsse (z.B. Verunreinigungen)
- Ausscheidungen (Ansammlungen von Fremdatomen )
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 14
Grundlagen der Metallkunde
Inhalt
• Gitterfehler des Idealkristalls
• Verformung des Realkristalls
• Entstehung des Gefüges
• Anisotropie und Rekristallisation
7
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 15
Grundlagen der Metallkunde
Elastische (Zurückgehende) Verformung
Bei einer elastischen Verformung des Werkstoffs verändern sich die Gitterab-
stände des Atomgitters. Entscheidendes Merkmal der elastischen Verformung
ist das vollständige Zurückkehren der Gitterabstände auf die ursprünglichen
Werte bei Entlastung. Deshalb verursacht eine elastische Verformung keinen
Bauteilschaden. Die elastische Verformbarkeit ist begrenzt.
Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau
1. Ausgangszustand:
Unverformt
2. Belastung:
Elastisch verformt
F
F
3. Entlastung:
Vollständige Rückstellung
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 16
Grundlagen der Metallkunde
Plastische (Bleibende) Verformung
Nach Überschreiten der elastischen Verformbarkeit beginnt das
Fließen, also die plastische Verformung. Hierbei ändern die
Atome ihre Positionen, sie gleiten aufeinander ab. Das Bauteil
erfährt eine makroskopische Verformung.
Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau
1. Ausgangszustand:
Unverformt
2. Belastung:
Plastische Verformung
F
F
3. Entlastung:
Bleibende Verformung
8
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 17
Grundlagen der Metallkunde
Modell der plastischen Verformung
Den Werkstoff kann man sich als einen Stapel
mehrerer Platten vorstellen, die jeweils aus
mehreren Atomebenen bestehen. Bei einer
plastischen Verformung gleiten diese Platten
aufeinander ab, so dass der Stapel seine Form
ändert, nicht aber die einzelnen Platten. Da in
dem Modell die Platten aus mehreren Atom-
ebenen bestehen, bleiben bei einer Verformung
die darin enthaltenen Elementarzellen bestehen,
das Metall bleibt kristallin.
F
F
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 18
Grundlagen der Metallkunde
Gleitebenen dichtester Packung
t1
t1 t1 < t2
Das Gleiten der Platten aus dem Modell, findet im realen Kristall auf Gleitebenen
statt. Diese Gleitebenen sind die Atomebenen mit der dichtesten Packung.
Zwischen diesen Gleitebenen ist der Schichtabstand groß und das „Herausheben
über den Berg“ erfordert nur eine kleine kritische Schubspannung t1 („die Reibung
ist gering“). Bei Ebenen mit größeren Atomabständen sinken die oben liegenden
Kugeln tiefer in die untere Schicht ein. Das ergibt größere kritische
Schubspannungen t2.
t2
t2
H1 > H2
9
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 20
Grundlagen der Metallkunde
Gleitsysteme der Metallgitter
Die Anzahl der Gleitebenen mit ihrer dichten Atompackung sind für die Verformbar-
keit entscheidend. Neben den Gleitebenen spielen die Gleitrichtungen eine große
Rolle. Gleitrichtungen sind Richtungen im Gitter mit der größten Belegungsdichte
an Atomen. Das Produkt aus Gleitebene und -richtung bildet das Gleitsystem.
3 GR • 4 GE = 12 GS
Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau
2 GR • 6 GE = 12 GS 3 GR • 1 GE = 3 GS
GR= Gleitrichtung, GE = Gleitebene, GS = Gleitsystem
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 21
Grundlagen der Metallkunde
Vergleich der Kristallgitter und Gleitsysteme
Gitter kfz krz hdp
Gleitebenen 4 6 1
Gleitrichtungen 3 2 3
Gleitsysteme 12 12 3
Verformbarkeit mit kleinen Kräften
sehr stark
verformbar
mit großen Kräften
stark
verformbar
mit niedrigen
Kräften
nur gering
verformbar
Beispiele Cu, Al, Ni, Pb,
Ag, Au
a-Fe (< 911 °C),
Cr, Mo, W, V
Mg, Zn,
a-Ti (< 885 °C)
Das krz-Gitter hat im Vergleich zum kfz-Gitter bei gleicher Anzahl der
Gleitsysteme die weniger dicht gepackten Ebenen, in denen eine größere
Schubspannung erforderlich ist. Ihre Verformbarkeit ist dennoch gut
jedoch bei größerem Kraftaufwand.
10
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 22
Grundlagen der Metallkunde
Plastische Verformung = Wandern von Versetzungen
Um eine Platte aus dem Stapel des Verformungsmodell entlang einer
Gleitebene zu schieben, müssten die Bindungskräfte aller Atome der
Gleitebene überwunden werden. Dies würde enorme Kräfte benötigen.
Metalle lassen sich jedoch mit viel geringerer Kraft verformen, was nur
mit Hilfe der Versetzungstheorie erklärbar ist.
Versetzungen können wandern.
Von den vielen im Metall vorliegenden Versetzungen (etwa 106 - 108
cm / cm3), geraten bei Überschreitung der Elastizitätsgrenze alle die
Versetzungen, die günstig zur Kraftrichtung liegen und auf Gleitebenen
enden, in Bewegung. Das Abgleiten geschieht somit schrittweise, mit
einem Bruchteil des Kraftaufwandes, der für das gleichzeitige Abgleiten
aller Atome notwendig wäre.
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 23
Grundlagen der Metallkunde
Wandern von Stufenversetzung und Teppichfalte (Analogie)
Quellen: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde; www.physik.uni-augsburg.de
Gleitebene
11
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 24
Grundlagen der Metallkunde
Mechanismus plastischer Verformung durch Versetzungsbewegung
Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 26
Grundlagen der Metallkunde
Einfluss der Gitterfehler auf die Verformbarkeit
Grundsätzlich müsste Metall entsprechend den beschriebenen Gleitmechanismen
beliebig stark bei gleich bleibender Kraft verformbar sein. Tatsächlich ist es aber
so, dass mit zunehmender Verformung die Festigkeit des Materials steigt.
Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Gitterfehler die Versetzungen an ihrer
Wanderung während der Verformung hindern. Die Versetzungen werden blockiert
und stauen sich am Hindernis auf. Hierdurch wird die weitere Verformung
erschwert. Die Festigkeit steigt (Kaltverfestigung). Erst bei ausreichender Kraft
können die Hindernisse umgangen oder durchbrochen werden.
Folgende Gitterfehler tragen zur Verformungsbehinderung bei:
• Korngrenzen → Festigkeitszunahme durch Feinkorn
• Versetzungen → Kaltverfestigung
• Fremdatome → Mischkristallfestigkeit
• Ausscheidungen, Fremdphasen → Ausscheidungshärtung
12
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 27
Grundlagen der Metallkunde
Kaltverfestigung und Festigkeitszunahme durch Feinkorn
Die Festigkeitszunahme durch Feinkorn lässt sich erklären durch die
Behinderung der Versetzungsbewegung an den Korngrenzen. An den
Korngrenzen ändert sich die Ausrichtung des Kristallgitters und damit endet
hier auch die Wanderung einer Versetzung. Feinkörnige Werkstoffe werden
angestrebt, sind jedoch nicht ohne weiteres herstellbar.
Die Kaltverfestigung ist eine Erhöhung der Versetzungsdichte auf etwa 1012
cm / cm3. Diese Erhöhung ist darin begründet, dass beim Wandern einer
Versetzung eine andere Versetzungslinie geschnitten werden kann.
Während dieses Schneidprozesses entstehen neue Versetzungen, so dass
mit steigender plastischer Verformung die Anzahl der Versetzungen steigt.
Die Kaltverfestigung bietet den Vorteil guter Festigkeit bei kalt umgeformten
Bauteilen (kalt gewalzte Bleche, tiefgezogene Formteile). Das Bauteil wird
spröde und verliert die Duktilität. Durch Rekristallisationsglühen lässt sich
eine Kaltverfestigung rückgängig machen.
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 28
Grundlagen der Metallkunde
Mischkristallfestigkeit und Ausscheidungshärtung
Die Mischkristallfestigkeit durch gelöste Fremdatome, wird bei allen
Legierungen genutzt. Hierbei werden Fremdatome in das zu weiche
Grundmetall legiert, um die Festigkeit und Härte zu steigern. Das Prinzip ist
bekannt, seit im Altertum Kupfer mit Zinn legiert wurde, um die härtere
Bronze zu erhalten.
Die Ausscheidungshärtung erfolgt durch Wärmebehandlungen, wobei sich
ehemals gelöste Fremdatome zu feinen Ausscheidungen zusammenlagern.
Sie bilden eine Fremdphase im Kristallgitter des Grundmetalls. Beispiel ist
Eisenkarbid (Fe3C) in Stahl.
13
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 30
Grundlagen der Metallkunde
Kriechen
Bei den bisher betrachteten Verformungsvorgängen blieb der Einfluss der Zeit
weitgehend unberücksichtigt, d.h. die Verformung ist nur von der Belastungshöhe
abhängig. Es galt: Bleibt die Belastung konstant, ergibt sich keine Zunahme der
Verformung, d.h. die Belastung und die sich einstellende Verformung sind im
Gleichgewicht.
Streng genommen existiert dieses Gleichgewicht nicht, der Werkstoff „kriecht“:
Werkstoffe verformen sich unter konstanter Last
in Abhängigkeit von der Zeit stetig und plastisch, sie kriechen.
Mit zunehmender Temperatur sinkt der Widerstand des Werkstoffs gegen das
Kriechen. Daher wird der Zeitstand- oder Kriechversuch ab einer Temperatur
T > 0,4 · TS (TS = Schmelzetemperatur) durchgeführt. Dabei wird eine Probe
einer konstanten Belastung ausgesetzt. Die dabei auftretende Verlängerung
wird ebenso wie die Zeit bis zum Bruch gemessen.
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 31
Grundlagen der Metallkunde
Kriechkurve
Quelle: Roos, Maile: Werkstoffkunde für Ingenieure
I II III
Bereich I
Übergangskriechen (Primäres Kriechen):
Verfestigende Vorgänge, wie z.B. dem
Aufstau von Versetzungen vor Hindernissen
Bereich II
Stationäres Kriechen (Sekundäres Kriechen):
Gleichgewicht von verfestigenden und
entfestigenden Verformungsmechanismen
→ konstante Kriechgeschwindigkeit
Bereich III
Tertiäres Kriechen
Einsetzende Schädigung durch Mikrorisse
→ Spannungsüberhöhung
→ Zunahme der Kriechgeschwindigkeit
→ Kriechbruch
14
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 32
Grundlagen der Metallkunde
Inhalt
• Gitterfehler des Idealkristalls
• Verformung des Realkristalls
• Entstehung des Gefüges
• Anisotropie und Rekristallisation
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 33
Grundlagen der Metallkunde
Entstehung des Gefüges = Kristallisation der Schmelze
In der Schmelze haben
die Atome eine so hohe
Bewegungsenergie,
dass sie sich regellos
(amorph) bewegen.
Schmelze
Festkörper
Eigenkeime sind zufällig zusammen-
treffende Atome in richtiger Kristall-
struktur.
Beim Abkühlen verringert sich die
kinetische Energie der Atome. Beim
Erreichen der Erstarrungstemperatur
ist ihre Beweglichkeit so klein
geworden, dass die Anziehungskräfte
zwischen den Atomen wirksam
werden.
Um die Keime lagern sich weitere
Atome zu einem Kristallgitter an. Der
Kristallit wächst bis er an einen
benachbarten stößt oder die Schmelze
vom Wachstum der Kristallite
aufgezehrt ist.
Keimbildung
Kristallitwachstum
Erstarrung
Im Festkörper sind die
Atome als Gefüge von
vielen Kristalliten
(Körnern) angeordnet.
15
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 35
Grundlagen der Metallkunde
Beeinflussung des Gefüges bei der Kristallisation
Für die Korngröße sind die Anzahl der Keime und die
Abkühlgeschwindigkeit von größter Bedeutung. Dabei gilt:
Quelle: Weißbach: Werkstoffkunde
Zur Kornverfeinung können auch Fremdkeime (mikroskopisch
feine Feststoffteilchen) der Schmelze hinzu gegeben werden.
Viele Keime, => Feines Gefüge
Schnelle Abkühlung (erwünscht)
Wenige Keime, => Grobes Gefüge
Langsame Abkühlung (unerwünscht)
Keimzelle
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 34
Grundlagen der Metallkunde
Schematische Übersicht der Kristallisation
Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau
Schmelze
Festkörper
Erstarrung
16
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 36
Grundlagen der Metallkunde
Analogie - Kristallisation von Polypropylen mit grobem Gefüge
Zeitgeraffte Aufnahme
bei langsamen Absenken
der Temperatur bis
knapp unterhalb des
Schmelzpunktes.
Breite des Bildes beträgt
ungefähr 600 µm.
Langsame Abkühlung
führt zu grobem Gefüge.
Quelle: www.iwf.de
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 37
Grundlagen der Metallkunde
Analogie - Kristallisation von Polypropylen mit feinem Gefüge
Quelle: www.iwf.de
Zeitgeraffte Aufnahme
bei schnellem Absenken
der Temperatur bis
knapp unterhalb des
Schmelzpunktes.
Breite des Bildes beträgt
ungefähr 600 µm.
Schnelle Abkühlung führt
zu feinem Gefüge.
17
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 38
Grundlagen der Metallkunde
Analogie - Kristallisation von Polypropylen mit sehr feinem Gefüge
Quelle: www.iwf.de
Zeitgeraffte Aufnahme
bei Absenken der
Temperatur bis knapp
unterhalb des
Schmelzpunktes.
Breite des Bildes beträgt
ungefähr 600 µm.
Zugabe von Keimen führt
zu sehr feinem Gefüge.
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 39
Grundlagen der Metallkunde
Dendritisches Kristallwachstum der Metalle
Quelle: www.ami.ac.uk
18
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 40
Grundlagen der Metallkunde
Korngröße
Die Korngröße wird entweder durch den mittleren Durchmesser oder
die mittlere Fläche des Korns in einem ebenen Schliff gekennzeichnet.
Der mittlere Korndurchmesser liegt üblicherweise zwischen wenigen
Mikrometern und mehreren Millimetern.
Die Korngröße wird beeinflusst durch Erstarrungs-, Umform- und
Wärmebehandlungsprozesse. Die Eigenschaften feinkörniger Gefüge
sind im Allgemeinen günstiger als die grobkörniger. Die im Verhältnis
zum Volumen größere Fläche der Korngrenzen hat z. B. ein besseres
Festigkeitsverhalten zur Folge. Feinkörnige Werkstoffe behalten auch
bei der Verformung eine bessere Oberfläche, bei grobkörnigen wird
diese oft narbig.
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 41
Grundlagen der Metallkunde
Korngröße Austenitischer Gefüge
Grobe Korngröße
250 - 125 µm
16 - 64 Körner/mm²
Quelle: www.metallograf.de
Mittlere Korngröße
88 - 44 µm
128 - 512 Körner/mm²
Sehr feine Korngröße
31 - 11 µm
1024 - 8192 Körner/mm²
19
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 42
Grundlagen der Metallkunde
Inhalt
• Gitterfehler des Idealkristalls
• Verformung des Realkristalls
• Entstehung des Gefüges
• Anisotropie und Rekristallisation
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 43
Grundlagen der Metallkunde
Isotropie, Anisotropie
Isotropie (griechisch: isos gleich, tropos Richtung):
• Eigenschaften sind in alle Richtungen gleich. Isotropie ist das Gegenteil
von Anisotropie.
• Isotropes Verhalten zeigen amorphe Stoffe: Gase, Flüssigkeiten, Glas.
Anisotropie (griechisch: an un- (Vorsilbe), isos gleich, tropos Richtung)
• Eigenschaften sind nicht in alle Richtungen gleich, sie sind
richtungsabhängig. Anisotropie ist das Gegenteil von Isotropie.
• Anisotropes Verhalten zeigen z.B. Holz oder faserverstärkte Werkstoffe :
Festigkeit ist längs zur Faser größer als quer dazu.
20
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 44
Grundlagen der Metallkunde
Isotropie, Anisotropie
In einer Elementarzelle sind die Atomabstände in unterschiedliche
Richtungen verschieden. Für die Elementarzelle sowie für den
Einkristall gilt deshalb: Die Eigenschaften sind abhängig von der
Richtung. Elementarzelle und Einkristall verhalten sich anisotrop.
In vielkristallinen Metallen liegen die Kristallite normalerweise
ungeordnet vor. Die Richtungsabhängigkeiten der einzelnen Kristallite
heben sich gegenseitig auf. Vielkristalle (Gefüge) verhalten sich
scheinbar isotrop (quasi-isotrop).
Das quasi-isotrope Verhalten der vielkristallinen Metalle kann durch
Ausrichtungen im Gefüge (Textur) wieder anisotrop werden.
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 45
Grundlagen der Metallkunde
Isotropie, Anisotropie
Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde
Gefüge mit nicht
ausgerichteten Kristalliten,
Werkstoff ist quasi-isotrop
Gefüge mit ausgerichteten
Kristalliten, Werkstoff hat
Textur und ist anisotrop
21
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 46
Grundlagen der Metallkunde
Entstehung einer Walztextur
Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 47
Grundlagen der Metallkunde
Erholung und Rekristallisation
In kaltverformten (kaltverfestigten) Metallen liegt eine stark überhöhte
Versetzungsdichte vor. Sie wurde durch den Verformungsprozess, z.B.
Walzen, eingebracht. Da die Natur versucht, ein Energieminimum zu
erreichen, versucht sie die Versetzungsdichte von vor der Verformung
einzustellen. Bei Raumtemperatur sind die Versezungen allerdings zu
unbeweglich. Daher müssen Metalle bei höherer Temperatur geglüht
werden. Dabei laufen je nach Temperatur zwei Prozesse ab:
Erholung:
Einfaches Ausheilen der Versetzungen bei niedriger Glühtemperatur.
Es entstehen keine neuen Kristalle.
Rekristallisation:
Kornneubildung. Treibende Kraft ist Energieunterschied zwischen
verformtem und neuen Gefüge. Die Duktilität steigt stetig an. Die
Festigkeit fällt auf den Wert von vor der Verformung.
22
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 49
Grundlagen der Metallkunde
Eigenschaften nach Kaltverformung und Entspannung von Messing
Quelle: Roos, Maile: Werkstoffkunde für Ingenieure
A Erholung
B Rekristallisation
C Kornwachstum A B C
W k C a
D e pa r t m e n t M + P
H AW H A M B U R G Folie 50
Grundlagen der Metallkunde
Schematische Darstellung der Rekristallisation
Kaltverformte Metalle können durch eine Rekristallisationsglühung
wieder „normales“ Gefüge erhalten. Es muss auf die richtige Temperatur
und Zeit geachtet werden. Ansonsten schließt sich der Rekristallisation
bei fortdauerndem Glühen das Kornwachstum an. Dabei wachsen die
größeren Körner auf Kosten der Kleineren. Es entsteht Grobkorn. Diese
Kornvergröberung ist möglichst zu vermeiden.
Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau
Kaltverformtes
Gefüge
Nach Erwärmung
Beginn der Rekristallisation Kornwachstum
Normales
Gefüge