Download - 23.August 2013 Tod Schloter Loosli Swisscom
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Unternehmen Carsten Schloter
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as Hotel Guarda Val in
Sporz oberhalb Lenzer-
heide ist ein Bijou: 50
Zimmer verteilen sich
auf elf Maiensäss-Hütten
und -Ställe, die über 300
Jahre alt sind. Die Küche
lockt mit 15 «Gault Millau»-Punkten. Von den
Sonnenterassen hat man einen beeindrucken-
den Blick hinunter ins Albulatal. Besonders bei
Mountainbikern ist das Luxushotel beliebt:
250 Kilometer Routen kann man von hier an-
steuern, die Sonnenaufgangsfahrten gelten als
einer der Höhepunkte in der bergigen Region
1600 Meter über demMeer.
Ideal also für den Mann, der in der zweitenJuliwoche im «Guarda Val» eincheckte: 3500Kilometer verbrachte Carsten Schloter jedesJahr auf dem Velo, mit Sport begann er amWo-chenende am liebsten um sechs Uhr morgens:«Das schenkt einem im Jahr 40 bis 50 Sonnen-aufgänge. In der Natur. Das ist jedes Mal einausserordentliches Erlebnis», schwärmte erletztes Jahr im BILANZ-Interview. Dieses Maljedoch, in jener Juliwoche, wirkte Schloteralles andere als entspannt: In sich gekehrt,nachdenklich, fast deprimiert schien er Beob-achtern, die ihn Abend für Abend auf der Ter-rasse sitzen sahen, eine Flasche Wein als ein-zige Begleiterin. Das passte so gar nicht zumasketischen Spitzensportler.
Zwei Wochen später war der Swisscom-Cheftot. Sein Selbstmord ist der wohl erschüt-
terndste Todesfall der jüngeren SchweizerWirtschaftsgeschichte. Der 49-Jährige war inder Blüte seiner Schafenskraft, er war erfolg-reich (das italienische Problemkind Fastwebhatte er eigenhändig aufs richtige Gleis ge-setzt), er war in Wirtschaft und Politik hochangesehen, wurde auch von Gegnern ob seinerVisionen und seiner scharfen Rhetorik respek-tiert. Gut aussehend und sportlich, verkörperteer Virilität, war einlussreich und wohlhabend,blieb dabei aber immer bescheiden. Die Karri-ere des Carsten Schloter schien ungebremst.
Lange Leine. Bis zum 15. Juni 2011. An jenemTag gab Swisscom-Präsident Anton Scherreraltershalber sein Amt auf. Mehr als fünf Jahrehatten er und Schloter gut miteinander har-moniert an der Spitze des grössten SchweizerTelekomkonzerns: Scherrer liess seinen CEOan der langen Leine laufen, mischte sich nichtein ins Geschäft, verzieh ihm die eine oder an-dere Kapriole. Die ganze Firmenstruktur warauf Schloter zugeschnitten: Der Deutsch-Fran-zose war Konzernchef der Swisscom, verant-wortete den gesamten Umsatz in der Schweizund als VR-Präsident auch die italienischeTochter Fastweb. Um Scherrer auf seiner Seitezu haben, besprach Schloter wichtige Ent-scheide mit ihm, ehe sie in den VR gingen.«Der CEO hat den Präsidenten geführt», sagteiner, der damals in der Konzernleitung sass.
Das sollte sich ändern, als Hansueli Looslidas Amt übernahm. Der langjährige Coop-
TodeinesCEOSwisscom-Chef Carsten Schloter verzweifelte amKonlikt mit VR-Präsident Hansueli Loosli. Am Schlusswollte er die Swisscom sogar verlassen.MARC KOWALSKY TEXT
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Chef hat ein völlig anderes Führungs-verständnis. Den Detailhandelskonzern
hat er lange Jahre operativ geleitet, auch
als VR-Präsident führt er eng. 40 Stunden
pro Woche widmet er der Swisscom,
neben seinen beiden anderen Mandaten
als Coop-Präsident und als Chef
der Grosshandelsgruppe Transgourmet.
Schloters Leine wurde plötzlich sehr
kurz: Loosli wollte regelmässige Rap-
porte, immer schriftlich. Und er kontrol-
lierte kleinste Details: So liess er sich Zu-
grif aufs Buchhaltungssystem geben;
mit Schloter diskutierte er ausgiebig,
welche Einnahmen und Ausgaben
warum auf welche Konti gebucht wur-
den. «Der Erfolg liegt im Detail»: Nach
diesemMotto agierte Loosli beim Detail-
händler. «Schloter klagte, die Absicht von
Loosli sei es, Swisscom zu einer Coop zu
machen und sie genau so zu führen», er-
zählt ein Freund.
So empfand Schloter auch das Projekt
Triathlon. Ziel der Übung, die mit den
Strategieberatern von McKinsey auf-
gegleist wurde, war eine Stellenreduk-
tion immittleren Kader von 15 bis 20 Pro-
zent. Schlanker, kostengünstiger und
schneller sollte die Organisation werden
– etwa indem man Architekten und Ent-
wickler poolte und so die individuelle
Verantwortung für durchgehende Pro-
zesse aufhob. Das Projekt verfehlte sein
Ziel (erreicht wurden am Schluss nur
fünf bis sieben Prozent Reduktion), und
intern wurde Kritik laut an der Vorge-
hensweise: «Die war unverträglich mit
der Organisation – ein Telekomunterneh-
men ist kein Detailhändler», heisst es aus
dem Kader. Ein fast identisches Projekt
hatte Loosli auch schon bei Coop durch-
führen lassen. Der Partner auch hier:
McKinsey. Schloter wurde das Projekt
vom VR aufoktroyiert: «Man hat genau
gemerkt, dass er nicht dahinter stand», so
ein Kadermann. «In Schloters Wahrneh-
mung mischte sich Loosli ein, aber er
übernahm keine Verantwortung», sagt
ein Swisscom-Manager. «Das war Cars-
ten zutiefst zuwider.»
Dabei mischte sich Schloter selber
gerne in die Details ein, galt als Control
Freak. Als Chef hatte er einen hohen
Leistungs- und Qualitätsanspruch ge-
genüber sich selbst und gegenüber ande-
ren. Seine Eingrife sah er nicht als Be-
vormundung, sondern als Motivation.
Mit dem Vorwurf des Mikromanage-
ments konnte er leben; er glaubte sich in
operativen Fragen vielfach überlegen –und war es häuig. Der branchenfremde
Loosli gab und gibt sich Mühe, den Tele-
komkonzern à fond zu begreifen. Den-
noch akzeptierte Schloter seine Eingrife
nicht: «Ich habe in internationalen Fir-
men viel mehr Managementwissen ange-
sammelt als dieser Schweizer Detail-
händler», klagte er einem Freund. Vor
dem Wechsel zu Swisscom hatte Schloter
für Mercedes-Benz in Paris gearbeitet, für
Metro und Debitel.
Machtverschiebungen. Grösste Mühe
hatte Schloter auch mit dem Umbau der
Konzernleitung letztes Jahr. Er musste
das Schweizer Geschäft an Urs Schaeppi
abgeben, seinen Freund und Sportkame-
raden – eine weitere tektonische Macht-
verschiebung im Konzern. Zwar wurde
schon unter Scherrer entschieden,
Schaeppi langfristig zum Nachfolger auf-
Carsten Schloter mit seinem Chef Hansueli Loosli: Der Swisscom-Chef fühlte sich vom langjährigen Coop-Leader eingeengt.
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zubauen. Doch auf einmal hatte Schlotereinen Gegenpol, der oiziell zwar nur dieNummer zwei war, faktisch aber 80 Pro-zent des Umsatzes und 86 Prozent desGewinnes verantwortete.
In Looslis Augen war der Schritt eine
Entlastung für Schloter. Der CEO konntesich mehr um Strategie undÜbernahme-ziele kümmern und weniger um dasTagesgeschäft. «Ich habe nicht eine
Sekunde das Gefühl gehabt, dass Schlo-
ter nicht zufrieden wäre», sagte Loosli im
Januar gegenüber der BILANZ (siehe
Ausgabe 1/2013: «Druck von ganz oben»).In Schloters Augen war es eine Desavou-ierung. Er soll dem Präsidenten damalssogar seinen Rücktritt angeboten haben.Der wollte davon nichts wissen. Als
«einen der besten CEOs dieser Branche»lobte er seinen Konzernchef mehrmalsöfentlich.
Mit Loosli und Schloter prallten zwei
Alphatiere aufeinander, die beide nicht
verstanden, wie der andere funktioniert.
Eine schwierige Situation für jeden CEO,der vorher grosse Freiheitsgrade ge-wohnt war. Eine fast unmögliche Situa-tion für einen CEO, der von sich selbersagte, dass er in der Kindheit Mühe ge-habt habe, Autoritäten zu akzeptieren,und nicht fähig gewesen sei, sich führenzu lassen. Schloter sah sich gerne als
Rebell, alsQuerdenker: Am ersten Kader-meeting als Konzernchef 2007 am IMD inLausanne trat er nicht in Anzug und Kra-watte auf, sondern in Lederkluft. Als Mo-
bilfunkchef hatte er mit dem damaligen
CEO Jens Alder gut harmoniert – die bei-
den tickten ähnlich. Mit Loosli, für
Schloter ein Erbsenzähler, ging es nicht.Hinzu kam, dass die Kommunikation
gestört war: «Mit Loosli kann ich nicht
ofen reden, er kann keine Kritik hören
und wird sofort laut», vertraute Schloter
gleich mehreren Freunden an. Die regel-mässigen Trefen mit dem Hauptmannder Infanterie bezeichnete er als «Befehls-ausgabe», Feedback gebe es keines. «DasVerhältnis war zerrüttet», sagt einer, derbeide begleitete. «Die Zusammenarbeit
mit Carsten Schloter war sachbezogenund von gegenseitigem Respekt geprägt»,lässt Loosli dagegen ausrichten: «Mei-nungsverschiedenheiten haben wir aufder Sachebene zwischen Verwaltungsratund CEO bereinigt.»
Ein Manager muss Gegenwind aus-halten können, zumal ein CEO. Aber
Schloter war schon immer ein innerlich
Getriebener. Andere Menschen ruhen in
sich selbst, er gehörte nicht dazu. «Cars-
ten hatte nie eine lockere Aura, konnte
nie völlig entspannt sein. Das war ihmals Person nicht gegeben», sagt einer, derihn lange Zeit in der Konzernleitung be-gleitet hat. Den immensen Druck vonoben vertrug er nicht zusätzlich zu dengewaltigen inneren Spannungen.
Machtdemonstration. Im Juli 2012 liess
Loosli Assessments durchführen. Oizi-
ell ausgeschrieben war die Stelle des
CEO der Swisscom IT, also ein Konzern-leitungsrang. Doch informell wurde denTeilnehmern im Vorfeld mitgeteilt, esgehe auch «um eine Potenzial-Abklä-rung für andere CEO-Positionen, auchfür den Chefposten» (ein Beteiligter). Urs
Schaeppi, damals noch Grosskunden-
chef, ausserdem Privatkundenleiter
Christian Petit und Hans-Peter Legler,
CEO der Swisscom-Tochter Cablex,unterzogen sich als interne Kandidatenden Prüfungen, ebenso wie AndreasKönig von der IT-Firma NetApp sowiemindestens ein weiterer externer Kandi-dat. Durchgeführt wurden die Assess-ments von der Firma Papilio in Zürich.Den Zuschlag für den Posten bekamschliesslich König.
Die rechtzeitige Nachfolgeplanung fürden CEO-Posten gehört zu den wichtigs-ten Plichten eines VR-Präsidenten.DochSchloter geriet sie in den falschen Hals.Er sah das Vorgehen als Machtdemon-stration seines Präsidenten, als Drohungeiner bevorstehenden Absetzung. Von
einem «Zermürbungskrieg» sprach er
einem Vertrauten gegenüber: Loosli
wolle ihn zur Kündigung treiben,
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«Mit Loosli kannichnicht reden, erkannkeineKritikhörenundwirdsofort laut.»
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Lokal verankert und mit 17 führenden Schweizer Stadtwerken national vernetzt:
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damit er ihn nicht entlassen müsse.Dies, obwohl Loosli auch öfentlich zu
seinem CEO stand.
Bereits die Ernennung eines neuen
Strategiechefs im Frühling war vonMiss-
tönen begleitet. Loosli, der als Detail-
händler jeden Rappen zweimal umdreht,
wollte die Strategietruppe schlanker,
agiler und kostenbewusster aufgestellt
sehen. Er fand in Deutschland den Part-
ner einer namhaften Strategieberatung,
der gleichzeitig auf Telekom wie auf Kos-
tensenkung spezialisiert ist. Schloter je-
doch hatte ganz andere Vorstellungen,
wollte einen Mann aus einer Zukunfts-
industrie. Er fand ihn bei Google in der
Person von Jürgen Galler. Schliesslich
entschied sich der Verwaltungsrat für
Schloters Gegenkandidaten. Diese erste
Runde ging noch an den Konzernchef.
Loosli revanchierte sich, als es darum
ging, einen Ersatz für den 2014 abtreten-
den Vizepräsidenten Richard Roy zu
suchen. Scherrer hätte Schloter einge-
weiht, die Konzernleitungsmitglieder
hätten das Anforderungsproil sehen
können, sogar eigene Kandidaten ein-
speisen können. Loosli gab den Auftrag
an einen Headhunter, ohne seinen CEO
zu informieren. Auch das sorgte bei
Schloter für Irritationen.
Rollentausch. Strategie war nicht Looslis
hema. Egal ob Swisscom TV, die iO-App
oder die Ininity-Preispläne, mit denen
der Konzern die Schweizer Mobilfunk-
landschaft umplügte: Alle wichtigen
Innovationen der letzten Jahre kamen
auf Schloters Initiative zustande. Vom VR
wurden sie lediglich abgesegnet. «Visio-
näre hemen kann man von einem De-
tailhändler nicht erwarten», sagt einer,
der den CEO und den Präsidenten sehr
eng begleitet hat. Die Konstellation
führte letztlich zur absurden Situation,
dass sich der VR-Präsident, der eigentlich
für das Strategische zuständig sein sollte,
teilweise um das Operative kümmerte.
Dem CEO, der eigentlich fürs Operative
zuständig sein sollte, blieb fast nur noch
das Strategische.
Loosli ist derzeit unterwegs für Coop
in Osteuropa und will sich zu seiner Rolle
in den Geschehnissen nicht äussern.
«Auch aus Rücksicht auf die Trauerfami-
lie beteiligen wir uns nicht an möglichenSpekulationen über die Hintergründe»,
lässt er lediglich ausrichten. Auch intern
musste er viel Kritik einstecken für seine
hölzernen Auftritte in der Videobotschaft
an die Mitarbeiter und an der Abdan-
kung in der Kathedrale St-Nicolas in Frei-
burg. Dort erklärte er die Produkte, die
unter dem Verstorbenen eingeführt wur-
den. «Loosli sprach nicht wie an einer
Trauerfeier, sondern wie an einer Gene-
ralversammlung», ist noch eines der gnä-
digeren Statements aus dem Konzern.
Loosli soll am Boden zerstört sein
wegen der Geschehnisse. Ihm aber die
Schuld für den Tod seines CEO zu geben,
wäre ungerechtfertigt. Schloter hätte es
machen können wie Michael Buscher.
Der litt als erfolgreicher Chef des Tech-
nologiekonzerns OC Oerlikon ebenfalls
an einem Präsidenten, der stark ins Ope-
rative eingrif. Buscher ertrug das knapp
zwei Jahre, im März kündigte er, ohne
Krach zu schlagen (siehe BILANZ 6/2013:
«Der Sonnenkönig von Pfäikon»). Heute
ist er Chef beim Münchner Milliarden-
konzern Knorr-Bremse und soll sich dort
sehr wohl fühlen.
Schloter hätte es auchmachen können
wie René Obermann, Chef der Deutschen
Telekom, auch er 49, auch er seit 2006
CEO, auch er von Frau und Kindern ge-
trennt, auch er Sportskanone. Er wollte
den Stress im Grosskonzern nicht mehr
und kündigte auf Ende dieses Jahres sei-
nenWechsel zu einem deutlich kleineren
niederländischen Kabelnetzbetreiber an.
«Schloter war A-Liga, er hätte nach
einer Kündigung sofort viele gute Job-
angebote erhalten», sagt ein Headhunter.
Vielleicht unterschätzte der Swisscom-
Chef seinen Marktwert, vielleicht hing er
einfach auch zu sehr an der Firma, in der
er 13 erfolgreiche Jahre verbracht hatte.
Gefragt, warum er die Swisscom nicht
einfach verlasse, antwortete er: «Because
DerPräsidentwirkte operativ,demCEObliebnurnochdasStrategische.
Anton Scherrer (links), ehemaliger VR-Präsident, Urs Schaeppi, Swisscom-Schweiz-Chefund interimistischer Nachfolger von Carsten Schloter.
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I love my people», Betonung auf «my».Vom Elf-Milliarden-Konzern sprach er
gerne als seinem «Zuhause».So suchte er anfangs nur halbherzig
nach Jobalternativen. 2012, im Jahr
nach Looslis Amtsantritt, liebäugelteSchloter mit dem französischen Mobil-funkanbieter SFR sowie mit derDeutsch-
land-Tochter von Vodafone. Beide Kon-
zerne besetzten ihre Chefposten neu. Bei
Vodafone hatte Schloter sogar einen Für-
sprecher: Der Vorgänger auf dem Chef-
sessel, Jürgen von Kuczkowski, war bis
September 2007 im Verwaltungsrat von
Swisscom Mobile, die Schloter damals
leitete. Dennoch kam Schloter bei beiden
Besetzungen nicht zum Zuge.
In seiner Familie fand er derweil
wenig Trost. Seine drei Kinder waren für
ihn stets das Wichtigste auf der Welt. Als
Mobilfunkchef weigerte er sich, einer
wichtigen Kadertagung beizuwohnen,
weil der Event haarscharf auf den Ge-
burtstermin des jüngsten Kindes iel.
«Mein Sohn würde später nie verstehen,
wenn ich bei seiner Geburt nicht dabei
gewesen wäre», sagte er seinem damali-
gen CEO Jens Alder. Die Prioritäten än-
derten sich, als Schloter vor vier Jahren
Isabelle F. (37) kennen lernte, die bei der
Swisscom die Mitarbeiterzeitschrift
«Piazza» verantwortete. Die beiden wur-
den ein Paar. Sie verliess in der Folge –der Corporate Governance wegen – die
Swisscom, Schloter machte den viel
grösseren Schritt und verliess die Fami-
lie. Mit seiner Frau Kerstin arrangierte er
sich, was die Kinderbetreuung anging.
Doch dass er die beiden Söhne (heute 8
und 14 Jahre alt) und die Tochter (heute
11) nur noch alle zwei Wochen sehen
durfte, bezeichnete Schloter, der sonst
nur Erfolge kannte, als grösste Nieder-
lage seines Lebens. Schuldgefühle plag-
ten ihn seither. Die Situation war bis zu-
letzt unbefriedigend, aber stabil. Bis zu
seinem Tod sprach Schloter stets positiv
über seine Frau und seine Kinder.
Die neue Beziehung lief nicht nach
Wunsch: Es soll unterschiedliche Vor-
stellungen hinsichtlich Kinderwunsch
gegeben haben. Seit Mai nahmen Schlo-
ter und Isabelle F. voneinander eine Aus-
zeit. Er lebte weiterhin im gemeinsamen
Haus in Villars-sur-Glâne vor den Toren
Freiburgs, sie ging für ein Sabbatical
nach Indien und kehrte rund zweiein-
halb Wochen vor seinem Tod zurück.
Ankerpunkte fehlten. Keine stabile Part-
nerschaft, die Kinder nur noch alle 14
Tage, eine unsichere beruliche Zukunft,
niemand, bei dem er sein Herz ausschüt-
ten konnte – dem 49-jährigen fehlten die
Ankerpunkte im Leben. Ein eigenes Büro
hatte Schloter seit Jahren nicht mehr, er
arbeitete mobil und in Sitzungszimmern.
Auf seine ständige Erreichbarkeit per
Handy, SMS undMail war er stolz.
In seiner Freizeit tröstete sich Schloter
mit Sport. Fahrradfahren, Joggen, Ski-
fahren und Snowboarden waren seit je
seine Passion. So konsequent wie im Job
war er auch im Sport: Schloter nahm teil
am Fahrradrennen Tortour und, zusam-
men mit Schaeppi und Finanzchef Mario
Rossi, an der Skitour Patrouille des Gla-
ciers – den härtesten Wettbewerben, wel-
che die Schweiz in diesen Disziplinen zu
bieten hat. «Das Einzige, was zählt, ist,
dass man wirklich an die eigenen Gren-
zen geht. Woman damit endet, ist eigent-
lich vollkommen egal», sagte er letzten
Sommer im BILANZ-Interview. «Du
rennst vor dir selbst weg», warf ihm einer
seiner Freunde aus dem Club zum Renn-
weg daraufhin an den Kopf.
So austrainiert Schloter auch war: Die
Belastung als Swisscom-Chef, die per-
sönliche Unzufriedenheit und die ständi-
gen Scharmützel nagten schliesslich an
seiner Gesundheit. Seit Frühling dieses
Jahres litt er zunehmend an Schlaf-
störungen, wie er mindestens einem
Konzernleitungskollegen anvertraute.
Auch im Kader iel auf, dass der CEO, der
früher vor Energie sprühte, bisweilen zu-
sammengesunken in einer Ecke sass. Ein
Freund bemerkte im Sommer, dass der
sonst so eloquente Schloter aufallend
lange Denkpausen beim Reden einlegte.
In einem Interview mit der Zeitung
«Sonntag» sprach Schloter im Mai ofen
vom Druck, der auf ihm lastete: «Ich
stelle bei mir fest, dass ich immer grös-sere Schwierigkeiten habe, zur Ruhe zu
kommen, das Tempo herunterzuneh-
men», sagt er. «Es kommt irgendwann ein
Punkt, wo Sie das Gefühl bekommen,
nur noch von einer Verplichtung zur
nächsten zu rennen. Das schnürt Ihnen
die Kehle zu.» Am Swiss Economic
Forum in Interlaken einen Monat später
referierte er über die Schwierigkeiten, die
Work-Life Balance zu halten – dashema
hatte er sich selber ausgesucht. Engen
Mitarbeitern iel auf, dass Schloter die
letzten Monate in der Führung softer
wurde – weniger konsequent, weniger
fordernd. «Er brauchte seine Energie zu-
nehmend nach oben, statt sie seinenMit-
arbeitern weitergeben zu können», sagteiner aus der Swisscom-Chefetage.
Die Spannungen mit Loosli drangenbis zu Bundesrätin Doris Leuthard vor,
als UVEK-Vorsteherin oberste Chein derbeiden Streithähne. Sie sprach Schloter
auf die Probleme an. Der aber wollte sei-
nen Präsidenten nicht anschwärzen. Ein
enger Freund riet Schloter damals, Loos-
lis Job für sich selbst zu fordern. «Die Hie-
rarchie ist klar», entgegnete Schloter. Für
eine Palastrevolte fehlte ihm der Mut.
Er suchte nach anderen Auswegen. Im
Frühling 2013 traf er einen Headhunter in
Deutschland. Ihm legte er das ange-
spannte Verhältnis zu seinem Präsiden-
ten dar. Bis Jahresende wolle er sich •
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entscheiden, ob er die Swisscom ver-
lassen werde, sagte er dem Kadervermitt-
ler. Am 18. Juni, vier Wochen vor seinem
Tod, traf sich Schloter mit dem befreun-
deten Chef eines Schweizer Elektronik-
KMU im spanischen Restaurant Casa
Novo in Bern.Während des dreistündigen
Diners schüttete er sein Herz aus. Der
Leidensdruck war inzwischen unerträg-
lich, die weitere Zusammenarbeit mit sei-
nem Präsidenten bereits undenkbar.
Schloter suchte nun doch die Macht-
probe: «I want to have a shoot-out», er
wolle ein Duell wie im Western, so seine
Worte während des Essens.
Schloters Chancen wären nicht ein-
mal schlecht gestanden. Bundesrätin
Doris Leuthard hatte ihm die Tür bereits
geöfnet. Auch die Zahlen sprachen für
ihn. Die öfentliche Meinung hätte der
charismatische und rhetorisch brillante
Swisscom-Chef sowieso hinter sich ge-
habt. Es gibt CEOs, die ein Duell gegen
ihren Präsidenten aus deutlich schlech-
teren Ausgangssituationen gewonnen
haben, etwa Armin Meier gegen Andreas
Schmid beim Reisekonzern Kuoni.
Zukunftsplanung. Warum Schloter den
Shoot-out nicht forcierte, bleibt ofen.
Dafür trieb der Swisscom-Chef in den
Wochen vor seinem Tod seine beruliche
Zukunftsplanung voran. Im Juni kontak-
tierte er mindestens zwei weitere Head-
hunter. Einen kannte er seit Jahren, mit
dem zweiten, einem Schwergewicht der
Szene, hatte er geschäftlich noch nicht zu
tun gehabt. Mit beiden diskutierte er
seine Jobperspektiven: Ein KMU in der
Grössenordnung von 800 bis 1000 Mitar-
beitern etwa könnte er sich vorstellen,
vielleicht auch kleiner, wenn möglich in
der Schweiz. Mit einem andern Vertrau-
ten sprach er in derselben Zeit über ein
Jobangebot als Senior Partner einer Stra-
tegieberatung im Silicon Valley. Doch es
kam für ihn nicht in Frage, weil er seine
Kinder dann kaummehr gesehen hätte.
Hofnungen machte er sich hingegen
auf ein Projekt, das ihn persönlich faszi-
nierte. Ein Joint Venture zwischen der
Schweizer Veloirma BMC/Stromer, Swiss-
com, Google und dem amerikanischen
Elektroautohersteller Tesla. Smart Mobi-
lity ist dashema, die Kombination von IT
und E-Bikes. Die Lancierung ist für 2014
geplant, 120 bis 150 Mitarbeiter soll das
KMU in der Anfangsphase beschäftigen.
«Carsten brachte viel Wissen und Herz-
Zürich, Müllerstrasse 18, ein
namenloses Sitzungszimmer
im sechsten Stock, ein paar
Schritte entfernt vom Büro
des VR-Präsidenten Hansueli
Loosli, Blick über die Dächer Zürichs. Urs
Schaeppi lässt sich von seinem Stab über
den Stand des Glasfaserausbaus infor-
mieren. «Ein Schlüsselprojekt in unserer
Access-Strategie», stellt der CEO ad inte-
rim gleich am Anfang klar. Der Elektro-
ingenieur lässt sich die neueste Genera-
tion Verteilerkästen erklären, die für den
Glasfaseranschluss in den Leitungs-
schächten versenkt werden sollen. Man
duzt sich, wie überall im Konzern.
Schaeppi lässt seine drei Männer erzäh-
len, widerspricht kaum, lobt viel, brum-
melt zustimmend, fasst immer wieder
zusammen. Nur selten geht er mit Fragen
dazwischen: «Ist sichergestellt, dass der
Verkauf rechtzeitig weiss, was wir hier
bauen?», will er wissen. «Ziel muss sein,
den Durchschnittsumsatz pro Kunde
damit zu steigern. Nicht dass es heisst:
ausser Spesen nichts gewesen!» Notizen
macht er keine, das Mineralwasser trinkt
er direkt aus der Flasche. Zum Schluss
indet er motivierende Worte: «Ich spüre
einen positiven Spirit im Projekt.» Auf
seinem iPhone leuchtet derweil ein selbst
geschossenes Foto: blühende Krokusse
vor Eiger, Mönch und Jungfrau.
Schaeppis Führungsstil ist ganz an-
ders als jener des energischen und detail-
verliebten Carsten Schloter. Er könntebald überall in der Swisscom Einzug hal-
ten. Denn eigentlich ist der 53-Jährige als
Nachfolger von Schloter gesetzt. 80 Pro-
zent des Konzernumsatzes und 86 Pro-
zent des Gewinnes verantwortete er bis-
her als Chef von Swisscom Schweiz. Dass
er dafür gut genug ist, aber nicht gut
genug für 100 Prozent sein soll, wäre
nicht zu vermitteln. Zudem vertrat er
Schloter als Konzernchef während des-
sen Aufenthalt bei Fastweb. Wenn er will,
dürfte Schaeppi CEO werden.
Die Frage ist nur: Will er?
Er selber äussert sich nicht dazu:
«Meine Aufgabe ist ad interim, mehr will
ich dazu nicht sagen.»Wenn er nicht Chef
würde, hätte er damit kein Problem: «Mir
gefällt die Aufgabe, die ich bisher hatte»,
sagt er. «Das ist einer der spannendsten
Jobs der Schweiz.» Führungsanspruch
klingt anders.
Vielleicht auch deshalb hat ihn der
Verwaltungsrat nicht gleich bei der Be-
• blut in das Projekt ein», sagthomas Bing-
geli, Chef von BMC, enger Freund und Ve-
lopartner von Schloter. Dieser sah sich
dort als potenziellen Chef. Er hätte sein
Hobby zumBerufmachen, seine Visionen
und seine IT-Kompetenz einbringen kön-nen, etwas Nachhaltiges getan.
Anfang Juli hatte sich Schloter ent-
schieden, die Swisscom sofort zu verlas-
sen: «Wenn ich aus dem Urlaub zurück-
komme, werde ich kündigen», erzählte er
vor seiner Abreise nach Lenzerheide
einem Vertrauten. Innerlich hatte er da
schon gekündigt. «Esmacht keine Freude
mehr», so Schloter. Wenige Tage vor sei-
nem Tod informierte er einen anderen
Vertrauten. Da war er bereits weiterge-
reist nach Zermatt. In seiner Ferienwoh-
nung verbrachte er die letzte Woche sei-
nes Lebens mit den drei Kindern. «Er
wirkte sachlich, gar nicht bedrückt»,
erinnert sich ein Gesprächspartner.
Am Montag nachdem Schloter aus
Zermatt zurückgekommen war und die
Kinder zurückgebracht hatte, war Isa-
belle F. nicht zu Hause. Schloter ging
nicht ins Büro, reichte nicht die Kündi-
gung ein. Am nächstenMorgen um 7 Uhr
fand ihn die Putzfrau in seinem Haus tot
auf. Die Westschweizer Tageszeitung «Le
Matin» schrieb, er habe sich erhängt. Zu-
kunftsangst, Einsamkeit, Erschöpfung,Schuldgefühle – den Auslöser für seine
inale Entscheidung hat Schloter mit ins
Grab genommen. Auch im kurzen Ab-
schiedsbrief an Freundin und Frau gibt
Schloter entgegen anderslautenden
Berichten keine Gründe an. Er schreibt
lediglich, er wolle niemandem zur Last
fallen. «Keiner kennt die abschliessende
Wahrheit über Carstens Tod», heisst es
aus seinem engsten Umfeld.
Anfang Juli hattesich Schloterentschieden, dieSwisscomsofort zuverlassen.
Siehe auch den Beitrag in der Rubrik «Health» abSeite 60: «Manager am Limit».
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SesselrückenbeiSwisscomSollte Schweiz-Chef Urs Schaeppi definitiv die Nachfolge Carsten Schlotersan der Swisscom-Spitze antreten, dreht sich das Postenkarussell gleichweiter. Dann geht es um die Leitung des wichtigen Schweizer Markts.
kanntgabe der Halbjahreszahlen im Amtbestätigt. Nun wird ein professioneller
Search durchgeführt; bis spätestens EndeJahr soll das Ergebnis vorliegen. Bis
dahin wird Schaeppi in der Firma kaum
etwas verändern: «Die Strategie ist dierichtige. Es geht jetzt darum, sie umzu-setzen. Kursänderungen sind aktuell
nicht geplant», sagt er. Auch die gegen-
wärtige Struktur bezeichnet er als
«zweckmässig und zielführend».
Es passt zum bodenständigen Berner.Als «sehr stabil, sehr verlässlich, sehr
glaubwürdig» beschreiben ihn Kollegen,
als angenehm im Umgang, konstruktiv
und auch in hektischen Situationen Ruhe
bewahrend. Operativ gilt er als exzellent,
die Frage ist, ob er auch die Innovations-
kraft und die Visionen von Schloter hat.
Rhetorisch reicht er an seinen Vorgänger
nicht heran. Dafür ist Schaeppi bestensvernetzt: kaum eine Firma in der Schwei-zer Wirtschaft, die nicht bei ihm Kundeist. Dennoch hält er nur ein einziges VR-Mandat, bei der Venture-Capital-Gesell-schaft BV Group: «Mein Job ist nicht, inGremien zu hocken.»
Von Herren bis Legler. Wird Schaeppi
CEO, ist sein bisheriger Posten alsSchweiz-Chef neu zu besetzen. Nahe-
liegendste Lösung wäre Heinz Herren
(50), ehemaliger Chef der Abteilung KMU
und heute Leiter des grössten Geschäfts-
bereichs, Netz & IT. Der Freiburger giltals guter Verkäufer, auch seiner selbst.Weniger gute Chancen hat Roger Wüth-
rich-Hasenböhler (51). Er ist ein langjäh-riger Vertrauter von Schaeppi, hat ihnauch häuig vertreten und gilt als hervor-
ragender Vertriebsmensch. Doch die Per-formance seiner Abteilung KMU ist dürf-tig. Aus dem Rennen ist der Franzose
Christian Petit (50): Der ehemalige Pri-vatkundenchef wurde gerade zum LeiterGrossunternehmen befördert. Für eine
Überraschung könnte Hans-Peter Legler
sorgen, CEO der Swisscom-TochterCablex mit 1000 Mitarbeitern. Cablex ver-legt die Netzwerkinfrastruktur fast aller
grossen Telekomprovider in der Schweiz.
Der 49-jährige Elektroingenieur undHSG-Absolvent verdoppelte in drei Jah-ren den Umsatz auf rund 250 MillionenFranken und sorgt beim früheren Sanie-rungsfall für Margen über dem Bran-chenschnitt. Bei Loosli, hört man, stehe
der Glarner hoch im Kurs: Loosli liess ihn
bereits für den Chefposten von IT Servi-
ces prüfen (siehe Artikel links).
Heinz Herren, Chef Netz & IT, ist alsNachfolger von Urs Schaeppi der Favorit.
Roger Wüthrich-Hasenböhler, Chef KMU,gilt als Aussenseiter.
Hans-Peter Legler, Cablex-Chef, stehtbei Loosli hoch im Kurs.
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MARC KOWALSKY TEXT
BIL_17_035_UN_Schloter 35 20.08.13 19:44