FACTS 2-3/201842
FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten
Zukunft 5.0 – wer verpasst den Anschluss?Kein Diskussionsbeitrag, kein Fernsehbericht, kein Vortrag, der sich nicht auf den mittlerweile zum universalen Schlachtwort mutierten Begriff Digitalisierung bezieht. Sogar Politiker haben die magische Parole für sich entdeckt und dozieren darüber in allen Variationen. Doch wie sieht die Realität aus? Wie weit sind Unternehmen mit der Umsetzung der digitalen Transformation? Und wie können sie die Herausforderungen, die sie stellt, meistern und die Potenziale, die sie birgt, erschließen?
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Moderne Arbeitswelten
D ie digitale Transformation
überrollt Gesellschaft und
Wirtschaft in einem nie da
gewesenen Tempo. Kein Bereich, der vom
Wandel unberührt bleibt. Was die Folgen die-
ser tiefen Veränderung unserer gesamten Welt
angeht, so sind manche bereits seit Jahren er-
kennbar und prägen unseren Alltag. Andere
dagegen bleiben unvorhersehbar oder zumin-
dest nur sehr ungenau darstellbar.
Und doch scheinen alle darüber Bescheid
zu wissen, allen voran die Politik. So halten
Vertreter verschiedenster Parteien, ungeachtet
ihrer sonstigen Ansichten, unermüdlich die
gleiche Rede. Stets geht es darum, im Rahmen
einer perfekten Vernetzung von Wirtschaft
Moderne ArbeitsweltenFACTS-TITEL Digitalisierung
und Wissenschaft den Technologietransfer
zu forcieren und Innovationen zu erschaffen.
Dabei wolle man die Industrie unterstützen
und Forschung sowie Bildung fördern.
Zweifellos schöne Parolen und idyllische
Aussichten. Wenn da nicht die ernüchternde
Realität wäre. „Derzeit schöpft Deutschland
lediglich zehn Prozent seines digitalen Po-
tenzials aus und bleibt damit nicht nur weit
hinter dem Spitzenreiter USA (18 Prozent)
und anderen führenden Ländern wie Großbri-
tannien (17 Prozent), Schweden (15 Prozent)
oder Frankreich (12 Prozent) zurück, sondern
liegt auch deutlich unter dem europäischen
Durchschnitt von 12 Prozent“, schreiben die
Verfasser der von McKinsey Anfang 2017 ver-
öffentlichten Kurzstudie „Die Digitalisierung
des deutschen Mittelstands“. Im Umkehr-
schluss bedeute dies: Würde es Deutschland
gelingen, zur internationalen Spitze aufzu-
schließen, ließe sich bis 2025 eine zusätzliche
Wertschöpfung zwischen 374 und 603 Milli-
arden Euro jährlich generieren.
EIN LANGER WEG
Doch davon sind wir noch weit entfernt.
„Die Umfrageergebnisse machen besonders
eines deutlich“, betonen die Autoren. „Zwar ist
das Thema Digitalisierung im Mittelstand an-
gekommen, doch die meisten mittelständi-
schen Unternehmen haben erst in Ansätzen
die notwendigen Schlüsse aus dieser ,Revolu-
tion in Lichtgeschwindigkeit‘ gezogen – und
sind auch deshalb bislang nur eingeschränkt
in der Lage, ihr Geschäftsmodell zu digitalisie-
ren und Digitalisierung ,at scale‘ umzusetzen.“
Soll heißen: Der Mittelstand erkenne die Re-
levanz der Digitalisierung, betrachte diese aber
primär noch als bloßes IT-Phänomen und als
Hebel allein zur Produktivitätsverbesserung,
weshalb nicht nur attraktive Chancen wie et-
wa die Erschließung neuer Geschäftsfelder
mittels Digitalisierung auf der Strecke blieben,
sondern mittel- und langfristig auch die Wett-
bewerbsfähigkeit Schaden nehmen könne.
Dabei eröffnet die digitale Transformation
mittelständischen Unternehmen viele Chan-
cen, denn mit dem wohlklingenden Begriff
ist die Entwicklung von Technologien ge-
meint, die es erlauben, Daten in elektroni-
scher Form zu erfassen und aufzubereiten, zu
speichern und zu übertragen. Der Einsatz
dieser digitalen Technologien und die Bereit-
stellung der Daten, die sie produzieren, ver-
DIGITALE TRANSFORMATION: Sie erweist sich als eine komplexe Angelegenheit und stellt alle Wirtschaftsakteure vor immense Herausforderungen.
hilft Unternehmen und Organisationen zur
Schaffung neuer Produkte, Dienstleistungen
und Geschäftsmodelle. „Die Digitalisierung
bietet vielfältige Möglichkeiten, gerade auch
für den Mittelstand: Neue Produkte können
schneller hergestellt, Kundenwünsche besser
berücksichtigt, neue Geschäftsfelder und
Services angeboten werden“, schildert das
Bundesministerium für Wirtschaft und Ener-
gie (BMWi). Vor allem für kleinere Unterneh-
men erleichtere das Internet die Teilhabe an
Wertschöpfungsketten und verändere die
Beziehungen zu Beschäftigten, Kunden und
Lieferanten grundlegend.
BRANCHENUNTERSCHIEDE
Um die Digitalisierung voranzutreiben,
arbeiten 20 Prozent der Unternehmen mit
Partnern aus der eigenen Branche zusam-
men, 15 Prozent auch branchenübergrei-
fend. Aber nur etwa vier Prozent der Unter-
nehmen kooperieren aus diesem Grund
bislang mit Start-ups. Diese Zahlen liefert
der Monitoring-Report „Wirtschaft DIGITAL
2017“ – jedes Jahr misst der Monitor die Fort-
schritte bei der digitalen Transformation der
deutschen Wirtschaft und wird im Auftrag
des Bundeswirtschaftsministeriums von
Kantar TNS und dem Zentrum für Europäi-
sche Wirtschaftsforschung (ZEW ) Mann-
heim erstellt. Der diesjährige Report be-
richtet, dass sich der Digitalisierungsgrad
mittelständischer Unternehmen im Ver-
FACTS 2-3/201844
NACHHOLBEDARF: Die meisten mittelständischen Unternehmen sind bisher nur bedingt in der Lage, ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren.
FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten
MEHR UNTERSTÜTZUNG BITTE: Viele Mitarbeiter in Unternehmen fühlen sich auf die neuen Begebenheiten nicht ausreichend vorbereitet.
gleich zum Vorjahr zwar etwas verbessert
habe und dass die deutsche Wirtschaft er-
freulicherweise zunehmend in Industrie 4.0
investiere. Allerdings nutze nur jedes dritte
Unternehmen „Smart Services“ und nur je-
des fünfte „Big Data“. Künstliche Intelligenz
stehe noch am Anfang. Weitere Entwick-
lungspotenziale liegen in der Internationali-
sierung und der Exportorientierung der
deutschen IKT-Unternehmen.
Der digitale Wandel betrifft die gesamte
Wirtschaft, doch es gibt deutliche Bran-
chenunterschiede. „Die Digitalisierung trifft
die einzelnen Branchen in unterschiedlicher
zeitlicher Abfolge und mit unterschiedlicher
Wucht“, stellen die McKinsey-Analysten
fest. „Weniger anlagenintensive Branchen
beispielsweise sehen sich bereits jetzt deut-
lich stärker durch digitale Wettbewerber
unter Druck gesetzt als solche – wie etwa
Fabriken – mit großen physischen Assets
(Anlagevermögen).“ Und auch beim Thema
Personalgewinnung gebe es eine ungleiche
Lage je nach Branche. So falle die mittel-
und langfristige Bindung von digitalen
Fachkräften insbesondere Unternehmen des
Groß- und Einzelhandels schwer. Gründe
dafür seien häufig das vergleichsweise we-
nig attraktive Image mittelständischer Un-
ternehmen sowie ihr Standort. Speziell Be-
triebe, deren Hauptsitz sich in Städten mit
weniger als 300.000 Einwohnern befindet,
seien davon betroffen.
UNZUREICHENDE VORBEREITUNG
Umso wichtiger ist es vor diesem Hinter-
grund, die bereits vorhandenen Mitarbeiter
bei dem Wandel zu begleiten. Doch auch
hier macht sich Nachholbedarf bemerkbar.
Laut einer im Juli 2017 durchgeführten
Google-Umfrage von OpenText, einem An-
bieter von Enterprise-Information-Ma-
nagement (EIM), bei der 300 Deutsche im
Alter von 18 bis 70 Jahren zum Thema digi-
tale Transformation im Arbeitsumfeld in-
terviewt wurden, fühlen sich Arbeitnehmer
nicht ausreichend vorbereitet. Der Erhe-
bung nach seien rund 45 Prozent der Mei-
EINSEITIGES VERSTÄNDNIS: Laut Experten erkennt der Mittelstand die Relevanz der Digitali-sierung, betrachtet diese aber primär noch als bloßes IT-Phänomen.
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FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten
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nung, dass Arbeitgeber ihre Ausbildungs-
pflichten im Hinblick auf die Digitalisierung
vernachlässigen. „Vor allem Männer (49 Pro-
zent) finden, dass Unternehmen mehr dafür
tun sollten, um Angestellte auf die digitale
Zukunft vorzubereiten. Bei den weiblichen
Befragten beläuft sich die Zahl auf 36 Pro-
zent“, fanden die Experten heraus. Außer-
dem wünschen sich 40 Prozent aller
Befragten, stärker in technologische Ent-
scheidungen einbezogen zu werden. Neue-
rungen in digitalen Prozessen sollen klar
kommuniziert werden. Höchst bedenklich:
28 Prozent der Interviewten beklagen, dass
Arbeitgeber von ihnen erwarten, neue
Technologien ohne angemessene Einarbei-
tung zu nutzen.
Eine Folge dieser Missstände ist, dass
22 Prozent aller Befragten aufgrund der an-
haltenden Diskussionen über die digitale
Transformation um ihren Job bangen, da sie
befürchten, den steigenden Ansprüchen auf-
grund technischer Neuerungen nicht ge-
wachsen zu sein.
Diese Ängste rund um digitale Prozesse
zeigen vorrangig ältere Generationen – Mil-
lennials (18 bis 34 Jahre) sind gelassener und
schauen viel positiver in die Zukunft. „Die
Sorge um einen Jobverlust ist in dieser Grup-
pe am geringsten“, fand die Studie heraus.
„61 Prozent der Millennials stehen der digita-
len Transformation völlig unbekümmert ge-
genüber.“ Die Älteren dagegen wünschen
sich verstärkt Weiterbildung und Hilfe im
Zusammenhang mit der Digitalisierung. Für
Unternehmen bedeute dies, dass sie mög-
lichst zeitnah reagieren und in die Aus- und
Weiterbildung digitaler Kompetenzen ihrer
Arbeitnehmer investieren müssen, gerade
bei der Generation 40 plus.
„Obwohl Digital Natives einen immer
größeren Anteil der Mitarbeiter ausmachen
und somit für Unternehmen relevanter wer-
den, darf die Generation 40 plus nicht außer
Acht gelassen werden“, warnt Roger Illing,
Vice President Sales DACH bei OpenText.
„Unternehmen müssen auf Management-
ebene reagieren und zusätzliche Weiterbil-
dungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer sowie
passende Softwarelösungen bereitstellen.“
Außerdem müsse sichergestellt werden,
ANGST UND BANGE: Untersuchungen ergaben, dass sich ein beträchtlicher Anteil der Arbeitnehmer um ihren Job sorgt und befürchtet, den technischen Anforderungen des digitalen Wandels nicht gewachsen zu sein.
Moderne Arbeitswelten
FACTS 2-3/201848
Anne M. Schüller & Alex T. Steffen Fit für die Next EconomyZukunftsfähig mit den Digital NativesWiley-VCH Verlag1. Auflage April 2017271 Seiten, Hardcover EUR € 19,99 ISBN: 978-3-527-50911-9
In Zeiten des Wandels von der Industrie- zur Netzgesellschaft ändern sich die Spielregeln grundlegend. Wer diese nicht beherrscht, hat bereits heute schlechte Karten und der Anschluss an die Netzökonomie wird für Unternehmen zu einer Überlebensfrage.
Hier können die Digital Natives helfen, sind sich Bestseller-Autorin und Busi-ness-Coach Anne M. Schüller und Alex T. Steffen, Unternehmensberater mit Fokus Innovation und Digitale Transformation, sicher. Denn die Millennials gehören zu der bestausgebildeten und zugleich kreativsten Generation, die es jemals gab. Dank ihrer digitalen Kernkompetenzen und eines ausgeprägten Sinns für Innovationen fördern sie neuartige Geschäfts-, Arbeits-, Finanzie-rungs-, Kommunikations-, Kauf- und nicht zuletzt Lebensmodelle.
Wie die Old Economy davon profitieren kann und wie sich klassische Organisati-onen auf die Zukunft vorbereiten können, erläutern die Autoren ausführlich und empfehlen zudem eine ganze Reihe von Vorgehensweisen, um Arbeitsumge-bungen zeitgemäßer und Geschäftsmodelle kundenfreundlicher zu gestalten.
LITERATURTIPPE-PubEUR 17,99ISBN: 978-3-527-81216
MobilEUR 17,99ISBN: 978-3-527-81215-8
FACTS-TITEL Digitalisierung
dass die ältere Generation ihre Branchen-
expertise und das Know-how an jüngere Ar-
beitskräfte weitergibt.
Doch auch die jüngeren Generationen
können die älteren unterstützen. Warum die
„Alten“ die „Jungen“ ebenfalls brauchen,
erläutern Managementdenkerin, Bestseller-
Autorin und Business-Coach Anne M. Schüller
und Alex T. Steffen, Unternehmensberater
mit Fokus Innovation und Digitale Transfor-
mation, in ihrem Buch „Fit für die Next Eco-
nomy – Zukunftsfähig mit den Digital Nati-
ves“ (siehe Infokasten auf dieser Seite). Es
geht für Unternehmen darum, sich die digi-
tale Kompetenz der Jüngeren zunutze zu ma-
chen, um sich auf die Zukunft und ihre im-
mer schnelleren Zyklen einzustellen und sich
die dafür nötigen Eigenschaften anzueignen:
digitaler denken, kollaborativer handeln und
agiler werden.
Und die Umstellung ist dringend: „Wis-
senschaftler gehen davon aus, dass bis zum
Jahr 2025 rund 40 Prozent der heutigen For-
tune-500-Firmen verschwunden sein wer-
den“, schreiben die Autoren. „Der häufigste
Grund dafür: Managementirrtümer – allen
voran das Festhalten an veralteten Struktu-
ren, Geschäftsmodellen und Wertschöp-
fungsketten.“ Neben den sich daraus erge-
benden Veränderungsblockaden erweise sich
auch der unerschütterliche Glaube an die
unternehmerische Überlegenheit oder per-
sönliche Unersetzlichkeit, also Selbstüber-
schätzung und Selbstherrlichkeit, als höchst
gefährlich. „So was macht blind und taub für
mögliche Angriffe von außen. Und intern
züchtet man damit einen hypergefährlichen
Jasager-Kult.“
EINE FRAGE DES ÜBERLEBENS
Also eine Überlebensfrage. Doch eins ist
sicher: Ob jung oder alt, Mitarbeiter brauchen
ein auf die neuen Anforderungen abgestimm-
tes Arbeitsumfeld. Speziell die IT-Mittel soll-
ten neue Arbeitsweisen unterstützen können
– dies auch, wenn sie, wie bereits erläutert, nicht
das Wundermittel sind, um eine gelungene digi-
tale Transformation herbeizuzaubern. „Digitale
Transformation bedeutet für die europäischen
Unternehmen, fundamentale Veränderungen
vorzunehmen“, besagt die von Matrix42 unter-
stützte Studie PAC (Pierre Audoin Consultants)
„Digital Workplace in Europe“. Die Ziele der Digi-
talisierung seien zwar unterschiedlich – Erhöhung
der Agilität, Verbesserung der Servicequalität, Pro-
zessoptimierungen oder Innovationsförderung;
zentraler Ausgangspunkt für die Veränderungen
sei aber stets die Arbeitsumgebung der Mitarbei-
ter: „Die Performance der Mitarbeiter ist entschei-
dend in der digitalisierten internationalen
Wissenswirtschaft. Dementsprechend weisen
drei Viertel der von PAC befragten IT- und HR-
Manager in Europa und sogar 90 Prozent der in
Deutschland Befragten der Qualität der IT-
Arbeitsumgebung große Bedeutung für den Un-
ternehmenserfolg zu.“
Klingt wohl einleuchtend, und dennoch tut kei-
ner richtig etwas. „Das Wissen um die Bedeu-
FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten
FACTS 2-3/201850
Josef Glöckl · Dieter BreitheckerActive OfficeWarum Büros uns krank machen und was dagegen zu tun istSpringer Gabler Verlag200 Seiten, Hardcover EUR 29,99 ISBN 978-3-658-05927-9
E-Book EUR 22,99ISBN 978-3-658-07516-3
Schnell, vernetzt und bequem: Das sind die Eigenschaften, die ein moderner Arbeitsplatz unbedingt aufweisen sollte. Alles nur einen Mausklick entfernt. Doch dabei läuft der Mensch Gefahr, aufgrund chronischen Bewegungsman-gels Fitness und Gesundheit einzubüßen.
Im Active Office dagegen – dem Büro der Zukunft – wird im Einklang mit der menschlichen Natur gelebt und gearbeitet. Basierend auf Erkenntnissen der Anthropologie, Biochemie, Osteopathie und Psychologie sowie der klinischen Psycho-Neuro-Immunologie und der Bewegungslehre stellt das von Josef Glöckl, Bau- und Wirtschaftsinge-nieur, Gründer und Inhaber des insbesondere für ihren „swopper“ bekannten Unternehmens aeris, und Dieter Breithecker, Sport- und Bewegungswissenschaftler, entwi-ckelte Konzept mit seinen elf Elementen den Erhalt von Gesund-heit und Leistungsfähigkeit sicher.
LITERATURTIPP
tung der Workplace-Modernisierung spie-
gelt sich bei der Mehrheit der Unternehmen
bislang noch nicht in deren Investmentagen-
da wider“, haben die Studienverfasser festge-
stellt. „Derzeitige Digitalisierungsinitiativen
zielen primär auf die Verbesserung der Inter-
aktion mit den Kunden, die Einführung von
Internet-der-Dinge-Infrastrukturen sowie von
Big-Data-Lösungen.“ Wurden Projekte zur Ar-
beitsplatzmodernisierung früher jedoch in
erster Linie aus Effektivitätsgründen angegan-
gen, müsse nun die Realisierung bestimmter
Geschäftsziele im Mittelpunkt stehen, wie et-
wa eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit
oder die Förderung von Zusammenarbeit und
Innovation.
Nicht zuletzt auch gelte es, höchsten Si-
cherheitsansprüchen zu genügen und Kos-
teneffizienz zu schaffen. „Die Zeit, in der es
ausreichend war, neue Endgeräte oder neue
Applikationen einzuführen, ist vorbei. Die
anspruchsvollen Digitalisierungsziele der
Unternehmen sind nur mit modernen, inte-
grierten IT-Arbeitsplatzumgebungen zu er-
reichen. Viele Unternehmen werden daher
ihre Budgets entsprechend ausrichten und
sich am Markt nach geeigneten ganzheitli-
chen Lösungen umsehen, mit denen sich
diese Ziele bei gleichzeitig professionellem
Betrieb und Service inklusive hoher Anwen-
derausrichtung und (Daten-)Sicherheit er-
reichen lassen“, erklärt Oliver Bendig, CEO
von Matrix42.
Höchst bedenklich: Im europäischen Ver-
gleich hinken deutsche Unternehmen bei
der Modernisierung der Arbeitsplätze laut
der Studie deutlich hinterher. Dies gelte ins-
besondere für die Einführung von Cloud-
Lösungen und bei der Implementierung von
flexiblen Nutzerkonzepten.
UND DIE GESUNDHEIT?
Doch nicht nur im Bereich der techni-
schen Mittel stellt Digitalisierung neue An-
forderungen an die Arbeitsplätze. „Das Büro
der Zukunft wird sich stärker an die durch
Digitalisierung und Globalisierung verän-
derten Arbeitsabläufe, Kommunikationsbe-
dürfnisse und neuen Modelle der Zusam-
menarbeit anpassen“, lautet das Fazit der im
Auftrag der Messe Frankfurt für die Paper-
world – eine führende Fachmesse für Papier,
Bürobedarf und Schreibwaren – vom Pragma
Institut durchgeführte Studie „Working
Spaces 2025“. Immerhin seien 61 Prozent der
befragten deutschen Büroarbeiter der Mei-
nung, sie brauchten flexiblere Strukturen in
der Büroumgebung und wollten in Zukunft
nicht mehr auf einen einzigen räumlich fest-
gelegten Arbeitsplatz im Unternehmen be-
schränkt sein. Wobei allerdings die Mehrheit
von ihnen es ablehnt, in Cafés, Parks oder
anderen öffentlichen Räumen zu arbeiten.
Insbesondere dem Erhalt der Gesundheit
durch ergonomische Büroeinrichtung, die
den Bedürfnissen und der genetischen Ver-
anlagung des Menschen entspricht, kommt
eine zunehmend wichtige Bedeutung zu.
„Wir benötigen Bewegung, um gesund zu
überleben“, schreibt Josef Glöckl, Bau- und
Wirtschaftsingenieur und Gründer sowie In-
haber der aeris GmbH in dem Buch „Active
FACTS-TITEL Digitalisierung Moderne Arbeitswelten
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Office – Warum Büros uns krank machen und
was dagegen zu tun ist“, das er gemeinsam
mit dem Sport- und Bewegungswissen-
schaftler Dieter Breithecker verfasst hat (sie-
he Infokasten auf Seite 50). „Bekommt unser
Körper zu wenig davon, werden wir zuerst
krank, wie es die steigende Zahl der Zivilisa-
tionskrankheiten zeigt, verlieren unsere
Leistungsfähigkeit und Lebensqualität und
werden schließlich zum Pflegefall, bevor un-
ser Leben zu Ende geht.“
VIEL LUFT NACH OBEN
Glöckls Antwort darauf ist Active Office,
ein Konzept, das die Arbeitsorganisation da-
hingehend verändert, dass jedes Bedürfnis
des Menschen – etwa nach Information,
nach einem neuen Vorgang, nach Ablage
oder nach dem Telefon – regelmäßig intuiti-
ve, komplexe, abwechslungsreiche Bewe-
gung hervorruft – und zwar in allen drei Di-
mensionen durch Aufstehen, Gehen, in-die
-Hocke-Gehen, Stehen oder Strecken. Dies
wird durch zwei Maßnahmen erreicht: Die
gesamte Ablage befindet sich im „Orga-
board“, wobei der Schreibtisch lediglich zum
Arbeiten dient. Und statt an einem Schrei-
tisch arbeitet man an einer Steharbeitsfläche
und einer Sitzarbeitsfläche, die jeweils nur
halb so groß sind wie ein konventioneller
Schreibtisch, wobei beide mit Bildschirm,
Tastatur und Maus ausgestattet sind. Dank
der Active-Office-Software wandert der Bild-
schirminhalt nach einem bestimmten,
selbstgewählten Intervall von einer Arbeits-
fläche zur anderen. „Zum Telefonieren steht
man auf, denn das Headset befindet sich auf
dem ,zentralen Computerblock“‘, beschreibt
Glöckl die Einrichtung. „Zum Durchsuchen
der Terminvorlage geht man in die Knie,
denn diese befindet sich in einem Auszieh-
fach unten. Zum Abholen eines neuen Vor-
gangs streckt man sich, denn dieser befindet
sich im Orgaboard oben. Die Befriedigung
jedes Bedürfnisses bedingt Bewegung.“
In den meisten Büros ist man allerdings
von diesem Idealzustand noch weit entfernt
und es gibt viel Luft nach oben: „Insgesamt
zeigen sich 41 Prozent der Büroarbeiter un-
zufrieden mit ihrem aktuellen Arbeitsplatz-
umfeld und geben fehlende Möglichkeiten
der Mitgestaltung sowie unbefriedigende
ergonomische, lichttechnische und akusti-
sche Bedingungen als Gründe an.“ Laut
„Working Spaces 2025“ erwarte mehr als die
Hälfte der Befragten von ihren Arbeitgebern,
dass sich ihr Büroumfeld bis 2025 entweder
massiv in der Qualität verbessert oder es so-
gar eine grundlegende Neuorientierung in
der Gestaltung gibt.
Sicher ist auf jeden Fall: Die digitale
Transformation erweist sich als eine komple-
xe Angelegenheit und stellt alle Wirtschafts-
akteure vor immense Herausforderungen.
Eine unabdingbare Voraussetzung, um diese
Hürden zu nehmen, ist das absolute Ver-
ständnis der neuen digitalen Welt, ihrer
Merkmale und der Umbrüche, die sie in un-
serem Arbeitsalltag mit sich bringt.
Wichtig ist es zudem, zu begreifen, dass
dieses Thema nicht nur technisch anspruchs-
voll ist. Wer es als Unternehmen versäumt,
Mitarbeiter in die Veränderungsprozesse ein-
zubeziehen und Raum für offenen Austausch
zu schaffen, sodass sie zum digitalen Wandel
eine positive Einstellung entwickeln und ihn
als Chance wahrnehmen, läuft Gefahr, den
Anschluss zu verlieren und schließlich seine
Zukunft aufs Spiel zu setzen.
Graziella Mimic g
UNVERANTWORTLICH: Marktbeobachter monieren, dass sich bei der Mehrheit der Unternehmen das Wissen um die Bedeutung der Workplace-Modernisierung bislang noch nicht in deren Investmentagenda widerspiegelt.