Dr. Daniel Arn, Rechtsanwalt Dr. Ueli Friederich, Rechtsanwalt Dr. Mirjam Strecker, Rechtsanwältin, LL.M. Dr. Marcel Brülhart, Rechtsanwalt Martin Buchli, Rechtsanwalt, LL.M. Tamara Kojan, Rechtsanwältin
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Martin Buchli
Zulässigkeit eines Jobsharings bei Magistratspersonen – unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage bei erstinstanzlichen Richterinnen und Richtern
Juristisches Kurzgutachten
Bern, 8. Oktober 2014
Recht & Governance 2
Inhalt 1. Ausgangslage und Fragestellung ................................................................................................................. 3 1.1. Ausgangslage .......................................................................................................................................... 3 1.2. Fragestellung ........................................................................................................................................... 3 2. Begriffliches, Einordnung der Fragestellung und methodische Hinweise ............................................... 5 2.1 Begriffliches ............................................................................................................................................. 5 a) Jobsharing ........................................................................................................................................... 5 b) Magistratspersonen ............................................................................................................................. 7 2.2 Einordnung der Fragestellung ................................................................................................................. 8 2.3 Methodische Hinweise: Auslegung von Rechtsnormen ........................................................................ 10 3. Personalrechtlicher Rahmen für ein Jobsharing von Magistratspersonen ............................................ 12 3.1 Das Personalgesetz als „statut général“ mit Vorbehalten ..................................................................... 12 3.2 Systematische Stellung der personalrechtlichen Regelungen zum Jobsharing .................................... 13 3.3 Das Verhältnis von Art. 140-142 PV zum Personalgesetz .................................................................... 14 3.4 Exkurs: Rechtslage bei Angestelltenverhältnissen nach Art. 3 Abs. 2 PG ............................................ 15 3.5 Personalrechtliche Vorgaben zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Magistratspersonen ........ 16 3.6 Zwischenergebnis .................................................................................................................................. 17 4. Sonderbestimmungen für Richterinnen und Richter ................................................................................ 18 4.1 Einleitung ............................................................................................................................................... 18 4.2 Fehlen einer expliziten Bestimmung zur Möglichkeit eines Jobsharings ............................................... 18 4.3 Der Verzicht auf eine Regelung als „qualifiziertes Schweigen“ ............................................................. 19 a) Grammatikalische Auslegung ............................................................................................................ 19 b) Historische Auslegung ....................................................................................................................... 20 c) Teleologische Auslegung .................................................................................................................. 22 d) Systematische Auslegung ................................................................................................................. 22 4.4 Zwischenergebnis .................................................................................................................................. 23 5. Gesetzliches Wahlverfahren als Hinderungsgrund für ein Jobsharing bei Magistratspersonen ........ 24 5.1 Einleitung ............................................................................................................................................... 24 5.2 Vom Volk gewählte Magistratspersonen ............................................................................................... 24 5.3 Vom Grossen Rat gewählte Magistratspersonen .................................................................................. 25 a) Grammatikalische Auslegung ............................................................................................................ 25 b) Historische Auslegung ....................................................................................................................... 26 c) Teleologische Auslegung .................................................................................................................. 26 d) Systematische Auslegung ................................................................................................................. 26 5.4 Zwischenergebnis .................................................................................................................................. 27 6. Beantwortung der Gutachterfragen ........................................................................................................... 28
Recht & Governance 3
1. Ausgangslage und Fragestellung
1.1. Ausgangslage
1 Die Justizkommission (JuKo) des Kantons Bern ist zuständig für die Vorbereitung der Richterwahlen im
Kanton Bern. Diese Aufgabe wird innerhalb der JuKo von ihrem Ausschuss IV vorgenommen. Ende Juni
2014 hat die JuKo die Stelle einer Gerichtspräsidentin oder eines Gerichtspräsidenten für die Regionalge-
richte zu 100% ausgeschrieben. Die Wahl war für die Septembersession 2014 geplant.
2 Auf die Stellenausschreibung ging u.a. eine Bewerbung ein, in der sich zwei Kandidatinnen als Gerichts-
präsidentin 100% im Jobsharing oder Teilzeit (je 50%) beworben haben. Das Obergericht des Kantons
Bern nahm in der Folge zur Frage nach der Zulässigkeit eines Jobsharings wie folgt Stellung (Auszug):
„Aus Sicht der Geschäftsleitung dürfte ein eigentliches Jobsharing aus rechtlichen Gründen nicht in
Frage kommen. Es wird diesbezüglich auf das Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden
vom 11. Juni 2009 (GSOG; BSG 161.1) sowie die seinerzeitige Gesetzesrevision über die Einführung
von teilamtlichen Richter- und Prokurationsstellen verwiesen. Im Vortrag des Regierungsrates vom
15. Dezember 1999 (vgl. insbesondere Abschnitt 2.4) wurde das Jobsharing als für das Amt als Rich-
terin oder Richter nicht geeignet erachtet (…).“
Der Vorsitzende der Geschäftsleitung des Regionalgerichts, welches von der Jobsharingstelle betroffen
wäre, nahm hingegen positiv Stellung und unterstützt die Bewerbung im Jobsharing.
3 Mitte August 2014 fanden die Bewerbungsgespräche statt. Der Ausschuss IV beschloss im Anschluss an
die Bewerbungsgespräche einstimmig, auf die Möglichkeit der Aufteilung der Stelle in zwei Teilzeitstellen
(Art. 21 Abs. 1 GSOG) zu verzichten. In Bezug auf das Jobsharing war der Ausschuss IV hingegen ge-
spalten. Da die rechtliche Situation als unklar angesehen wurde, wurde die Wahl einer Gerichtspräsidentin
oder eines Gerichtspräsidenten für die Regionalgerichte für die Septembersession 2014 vorerst abgesagt
und gleichzeitig beschlossen, die offenen Fragen in Form eines Kurzgutachtens extern abklären zu las-
sen. Im Zentrum des Kurzgutachtens soll die Frage stehen, ob für Magistratspersonen im Allgemeinen
und für erst- und zweitinstanzliche Richterinnen und Richter im Besonderen ein Jobsharing nach gelten-
dem Recht zulässig ist.
1.2. Fragestellung
4 Vor diesem Hintergrund haben Sie mir die folgenden Fragen zur juristischen Begutachtung vorgelegt:
Zulässigkeit eines Jobsharings für Magistratspersonen
a) Ist ein Jobsharing für Magistratspersonen im Kanton Bern nach geltendem Recht zulässig?
b) Inwiefern unterscheidet sich die rechtliche Ausgangslage bezüglich eines Jobsharings bei erstin-
stanzlichen Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten von jener anderer vom Grossen Rat
gewählter Magistratspersonen?
Recht & Governance 4
Jobsharing im Vergleich zu einer Teilzeitstelle
c) Die Anstellungsbehörde entscheidet, ob eine Funktion oder ein Arbeitspensum im Jobsharing
besetzt wird (Art. 141 Abs. 1 Personalverordnung vom 18. Mai 2005, PV; BSG 153.011.1). Gilt
dies auch für Magistratspersonen, welche in ihr Amt gewählt und nicht angestellt werden? Mit
anderen Worten: Kann der Grosse Rat – entgegen der Auffassung des Obergerichts – freie Rich-
terstellen in Jobsharingstellen umwandeln (analog Art. 21 Abs. 1 GSOG), ohne dabei das Gewal-
tenteilungsprinzip zu verletzen? Falls ja, gilt dies sowohl für Richterinnen und Richter der ersten
als auch der zweiten Instanz?
d) Im vorliegenden Fall war die Stelle im Vollzeit- und nicht im Teilzeitpensum ausgeschrieben.
Könnte im laufenden Bewerbungsprozess die Stelle in zwei Teilzeitstellen oder – falls zulässig –
in eine Jobsharingstelle umgewandelt werden oder müsste die Stelle dann neu ausgeschrieben
werden?
e) Falls ein Jobsharing ausgeschlossen wäre: Muss den Bewerberinnen nochmals Gelegenheit ge-
boten werden, sich für die Vollzeitstelle zu bewerben?
Zusatzvereinbarung für Jobsharing
f) Inwiefern müsste sich eine Zusatzvereinbarung bezüglich Richterinnen und Richter zur Frage der
Aufgabenteilung mit gemeinsamer und getrennter Verantwortung äussern (Art. 142 Abs. 2 PV)?
g) Wer müsste im vorliegenden Fall die Zusatzvereinbarung abschliessen? Welche Rolle käme ins-
besondere dem Obergericht oder der Justizleitung zu?
h) In welchem Verhältnis stünde eine Zusatzvereinbarung nach Art. 142 Abs. 2 PV (z.B. bezüglich
Beendigung Jobsharing) zum Wahlakt des Grossen Rates?
Zusatzvereinbarung und Kündigung einer Jobsharing Stelle
i) Ein Jobsharing ist gemäss Art. 142 Abs. 2 PV ein separates, voneinander unabhängiges Arbeits-
verhältnis und wird dienstrechtlich einer Teilzeitstelle gleichgestellt.
- Was gilt es im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Amtsdauer im
Jobsharing zu beachten?
- Wie ist die rechtliche Ausgangslage bei Magistratspersonen, wenn nur bei einem der beiden
gewählten Jobsharingpartner eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der
Amtsdauer vorliegt? Was sind die Folgen für den anderen Jobsharingpartner?
- Falls der andere Jobsharingpartner gleichzeitig die Stelle verlassen müsste, wäre dies als
unverschuldete Abberufung zu werten? Müsste ihm eine andere zumutbare Stelle angebo-
ten werden? Hätte er allenfalls Anspruch auf eine Abgangsentschädigung oder auf eine
Sonderrente zu (vgl. Art. 43 i. V. mit Art. 33 ff. Personalgesetz vom 16. September 2004
[PG; BSG 153.01])?
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2. Begriffliches, Einordnung der Fragestellung und methodische Hinweise
2.1 Begriffliches
5 Geklärt werden soll mit dem vorliegenden Kurzgutachten die Zulässigkeit eines Jobsharings bei Magist-ratspersonen. Die Gutachterfrage enthält damit zwei Begriffe, welche es vorgängig zu klären gilt.
a) Jobsharing
6 In der Literatur zum (zivilen) Arbeitsrecht wird das Jobsharing definiert als eine Form der Arbeitsorganisa-
tion, bei der sich ein aus mindestens zwei Arbeitnehmenden bestehendes Team freiwillig, autonom und
unter gemeinsamer Übernahme der Verantwortung für die Erfüllung der Arbeitspflicht eine oder mehrere
Vollzeitstellen teilt, wobei die zeitliche Aufteilung der Arbeitsstelle den Jobsharing-Partnern überlassen ist
und diese sich im Verhinderungsfall gegenseitig zu vertreten haben.1 Die Abgrenzung zur „normalen“ Teil-
zeitanstellung erfolgt bei zivilrechtlichen Arbeitsverhältnissen dadurch, dass beim (eigentlichen) Jobsha-ring die Arbeitsverträge mehrerer Personen miteinander verbunden sind.2 Wird dagegen eine Vollzeitstelle
lediglich auf verschiedene rechtlich voneinander unabhängige Teilzeitarbeitsverhältnisse aufgeteilt und
besteht die Verbindung zwischen den betroffenen Arbeitnehmenden einzig darin, dass sie sich einen Ar-
beitsplatz und allenfalls weitere Ressourcen (wie Betriebsfahrzeug, Informatikmittel u.ä.) teilen und sich
entsprechend organisieren müssen, ist in der Lehre von einem „uneigentlichen Jobsharing“ die Rede.
Beim uneigentlichen Jobsharing hat die Auflösung bzw. Beendigung des einen Arbeitsvertrages keine di-
rekte Auswirkung auf das noch bestehende Arbeitsverhältnis. Aufgrund der im Privatrecht bestehenden
Kündigungsfreiheit ist es freilich auch bei einem uneigentlichen Jobsharing möglich, das noch bestehende
Arbeitsverhältnis im Rahmen der ordentlichen Kündigungsfristen aufzulösen.
7 Das eigentliche Jobsharing wird – noch immer bezogen auf die Literatur zum privaten Arbeitsrecht – ent-
sprechend der konkreten Ausgestaltung in zwei Unterformen eingeteilt: Beim Jobsharing in Form der sog.
„Betriebsgruppe“ bestehen einzelne, selbständige Arbeitsverträge mit jedem Arbeitnehmer bzw. jeder Ar-
beitnehmerin, wobei die einzelnen Arbeitsverträge ausdrücklich Bezug aufeinander nehmen bzw. ver-
knüpft werden. Die Jobsharing-Partner stehen dadurch in einer zumindest faktischen, indirekt auch rechtli-
chen Verbindung zueinander.3 Davon abgegrenzt wird das Jobsharing in Form der sog. „Eigengruppe“.
Auch bei dieser Form bestehen zwar je einzelne Arbeitsverträge zwischen der Arbeitgeberin und den Job-
sharing-Partnern; zusätzlich stehen die Arbeitnehmenden der Eigengruppe aber untereinander in einer
1 JEAN-MARC FUTTERKNECHT, Job Sharing, Diss. Bern 1985, S. 8 ff., S. 11; vgl. auch ULLIN STREIFF/ADRIAN VON KA-
ENEL/ROGER RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2012, Art. 321 N. 4; MANFRED REHBINDER, Job Sharing – Eine neue Form des Arbeitsvertrages, in: MANFRED REHBINDER [Hrsg.], Flexi-bilisierung der Arbeitszeit, Bern 1987, S. 45 ff.; HANS-PETER EGLI, Neue Tendenzen bei der Teilzeitarbeit, in: SJZ 2000 S. 205 ff., S. 212; WILHELM BONER, Teilzeitarbeit, Diss. Zürich 1985, S. 49.
2 THOMAS GEISER, Flexible Arbeitszeiten, Job Sharing, Computer-Arbeitsplätze, in: AJP 1995 S. 557 ff., S. 561. 3 THOMAS GEISER (Fn. 2), S. 561; HANS-PETER EGLI (Fn. 1), S. 212 f.; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH (Fn. 1), Art. 319 N.
12.
Recht & Governance 6
vertraglichen Beziehung. Sie verpflichten sich mit anderen Worten nicht nur gegenüber ihrem Arbeitgeber,
sondern auch im Verhältnis zu ihrem Jobsharing-Partner.4
8 Die Unterscheidung zwischen eigentlichem und uneigentlichem Jobsharing wird in der Literatur auch im
Bereich des öffentlichen Dienstrechts gemacht.5 Freilich ergeben sich für das öffentliche Dienstrecht aber
dadurch Besonderheiten, dass jeder personalrechtliche Erlass eigene, spezifische Regelungen enthalten
kann.6 Ein einheitliches Recht über das Jobsharing im öffentlichen Dienst kann es vor diesem Hintergrund
nicht geben. Umgekehrt ist es aber gerade für das Verständnis der Bestimmungen in der öffentlich-
rechtlichen Personalgesetzgebung unerlässlich, die öffentlich-rechtlichen Formen des Jobsharings in die
bestehende Begrifflichkeit der zivilrechtlichen Lehre einzuordnen. Dies geschieht im Folgenden für das in
der bernischen Personalgesetzgebung geregelte Jobsharing.
9 Die Personalverordnung vom 18. Mai 2005 (PV)7 definiert das Jobsharing in Art. 140 i.V.m. Art. 142.
Demnach liegt ein Jobsharing vor, wenn „eine Funktion bzw. ein Arbeitspensum auf zwei oder mehr Per-
sonen aufgeteilt“ wird, wobei die „beteiligten Personen [...] für die richtige Aufgabenerfüllung gemeinsam
verantwortlich“ sind. Mit den Jobsharing-Partnern werden dabei „separate, voneinander unabhängige Ar-
beitsverhältnisse begründet“, welche „dienstrechtlich den teilzeitlichen Arbeitsverhältnissen gleichgestellt“
sind, wobei in einer Zusatzvereinbarung insbesondere „Arbeitszeiten, Arbeitsplatz, Aufgabenteilung mit
gemeinsamer oder getrennter Verantwortung, Stellvertretung sowie Voraussetzungen zur Beendigung des
Jobsharing“ geregelt werden. Das Personalamt des Kantons Bern führt zum Jobsharing weiter aus:
„Jobsharing stellt eine Sonderform der Teilzeitbeschäftigung dar. Eine Funktion bzw. ein Arbeitspen-
sum wird auf zwei oder mehr Personen aufgeteilt. Im Verhältnis zur Arbeitgeberseite übernimmt das
Team gesamtverantwortlich die Erfüllung der vereinbarten Aufgabe. Die Aufteilung erfolgt nicht nur
zeitlich, sondern auch inhaltlich. Es wird also Teilzeitarbeit an Arbeitsplätzen ermöglicht, die eine
vollzeitige Anwesenheit verlangen.“8
4 THOMAS GEISER (Fn. 2), S. 561; HANS-PETER EGLI (Fn. 1), S. 212 f.; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH (Fn. 1), Art. 319 N.
12. 5 THOMAS GEISER (Fn. 2), S. 562; HANS-PETER EGLI (Fn. 1), S. 213; WILHELM BONER (Fn. 1), S. 47 f. 6 Während bei allen Formen des Jobsharings im Bereich des Privatrechts das Bundesgesetz betreffend die Ergänzung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 30. März 1911 (Fünfter Teil: Obligationenrecht; SR 220) zur Anwendung gelangt.
7 BSG 153.011.1. 8 Http://www.fin.be.ch/fin/de/index/personal/anstellungsbedingungen/arbeitszeit/Jobsharing-Teilzeit/Jobsharing.html (ab-
gerufen am 28. September 2014).
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10 Die rechtliche Konzeption von Art. 140-142 PV entspricht demnach derjenigen eines eigentlichen Jobsha-rings im Sinne der voranstehenden Ausführungen (Rz. 6 und 7 hiervor). Durch die Zusatzvereinbarung,
mit welcher sich die Jobsharing-Partner gemeinsam gegenüber dem staatlichen Arbeitgeber verpflichten,9
nimmt das Jobsharing nach Art. 140-142 PV bisweilen den Charakter eines Jobsharings in einer sog. Ei-
gengruppe an. In der Praxis dürfte die Abgrenzung der Verantwortlichkeitsbereiche der Jobsharing-
Partner aber häufig derart klar erfolgen, dass eher von einer Betriebsgruppe auszugehen ist. Ob im Ein-
zelfall von einer Eigen- oder einer Betriebsgruppe auszugehen ist, muss an dieser Stelle indessen nicht
weiter erörtert werden. Wichtig ist mit Blick auf die gestellten Gutachterfragen aber die Feststellung, dass
die Personalverordnung zwingend eine vertragliche Verbindung der Arbeitsverhältnisse der Jobsharing-
Partner vorsieht (Art. 142 Abs. 2 PV). Ein uneigentliches Jobsharing in dem Sinne, dass aus einer Voll-
zeitstelle zwei voneinander gänzlich unabhängige Teilzeitstellen geschaffen werden, lässt sich demge-
genüber nicht unter Art. 140-142 PV subsumieren. Es liegt diesfalls schlicht „normale“ Teilzeitarbeit vor.
11 Wird im vorliegenden Gutachten die Zulässigkeit eines Jobsharings für Magistratspersonen erörtert, so
meint dies nach dem Geschriebenen immer ein eigentliches Jobsharing in der Form einer Betriebs- oder
Eigengruppe. Nicht als Jobsharing wird im Folgenden die mitunter als uneigentliches Jobsharing bezeich-
nete Aufteilung einer Vollzeitstelle in zwei Teilzeitstellen angesehen, zumal diese Fälle auch nicht von Art.
140-142 PV erfasst werden.
b) Magistratspersonen
12 Zu klären ist auch der Begriff „Magistratspersonen“. Während auf Bundesebene in der Verordnung der
Bundesversammlung über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen vom 6. Oktober
198910 gesetzlich vorgegeben ist, wer dienstrechtlich als Magistratsperson anzusehen ist (es sind dies: die
Bundesrätinnen und Bundesräte, die Bundesrichterinnen und Bundesrichter sowie die Bundeskanzlerin
oder der Bundeskanzler), verzichtet das kantonalbernische Recht gänzlich auf die Verwendung des Be-
griffs Magistratsperson. Zwar ist in amtlichen Dokumenten da und dort auch im Kanton Bern von Magist-
ratspersonen die Rede11; eine gefestigte Gruppe von Ämtern bzw. Funktionen lässt sich dabei aber nicht
herauskristallisieren. KURT NUSPLIGER/JANA MÄDER, Bernisches Staatsrecht und Grundzüge des Verfas-
sungsrechts der Kantone, Bern 2012, verzichten in ihrer Darstellungen der kantonalen Behördenorganisa-
tion ebenso auf den Begriff wie RETO FELLER, Verwaltungsorganisationsrecht, in: MARKUS MÜLLER/RETO
FELLER (Hrsg. ), Bernisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2013, S. 1 ff.
13 Nach allgemeinem Sprachgebrauch dürften als Magistraten – abgeleitet vom lateinischen Begriff magistra-tus („Obrigkeit“) – die jeweils höchsten Funktionäre der Staatsgewalten anzusehen sein, wozu die zweitin-
9 Siehe dazu die Mustervereinbarung Jobsharing auf der Homepage des Personalamts des Kantons Bern:
http://www.fin.be.ch/fin/de/index/personal/anstellungsbedingungen/arbeitszeit/Jobsharing-Teilzeit/Jobsharing/ChecklisteJobsharing.html.
10 SR 173.121.1. 11 Siehe z.B. den Vortrag der Kommission Parlamentsrechtsrevision an den Grossen Rat zum Gesetz über den Grossen
Rat (Grossratsgesetz, GRG) und zur Geschäftsordnung des Grossen Rates (GO), Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2013, Beilage 2, S. 52.
Recht & Governance 8
stanzlichen Richterinnen und Richter nicht mehr zu zählen wären. Für das vorliegende Gutachten wird
deshalb von einem weiten Begriff ausgegangen und als Magistratspersonen angesehen, wer vom Volk
oder vom Grossen Rat in ein hauptamtliches Arbeitsverhältnis gewählt wird. Die Gruppe der Magistrats-
personen im hier verstandenen Sinn ist dementsprechend deckungsgleich mit den hauptamtlichen Behör-
denmitgliedern nach Art. 3 Abs. 4 des Personalgesetzes vom 16. September 2004 (PG)12. Dementspre-
chend wird im Folgenden mitunter der personalrechtliche Begriff „hauptamtliche Behördenmitglieder“ an-
stelle des Begriffs „Magistratsperson“ verwendet.
2.2 Einordnung der Fragestellung
14 Die Frage nach der Zulässigkeit eines Jobsharings bei Richterinnen und Richtern sowie bei anderen
hauptamtlichen Behördenmitgliedern bzw. Magistratspersonen13 ist – es darf dies als Selbstverständlich-
keit vorweggenommen werden – eine des öffentlichen Dienstrechts. Zum öffentlichen Dienstrecht sind da-
bei ganz allgemein alle Normen zu zählen, welche die juristischen Rahmenbedingungen für haupt- oder
nebenberufliche Tätigkeiten für das Gemeinwesen (vorliegend: den Kanton Bern) regeln. Solche Normen
finden sich für den Kanton Bern zum einen in der Personalgesetzgebung „im engeren Sinne“, bestehend
aus dem Personalgesetz und der Personalverordnung. Dabei interessieren in vorliegendem Zusammen-
hang insbesondere die bereits unter Ziff. 2.1 Bst. a) dargestellten Bestimmungen in Art. 140-142 PV in ih-
rer systematischen Einordnung in die Personalgesetzgebung.
15 Zum anderen gibt es neben dem PG und der PV eine Vielzahl von Erlassen, welche Regelungen zum
öffentlichen Dienstverhältnis enthalten und dementsprechend zum öffentlichen Dienstrecht zu zählen
sind.14 Mit Blick auf die unterbreiteten Gutachterfragen von besonderem Interesse sind dabei die für die
Personen der Justiz erlassen Bestimmungen im Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden und
der Staatsanwaltschaft vom 11. Juni 2009 (GSOG)15, welche der Personalgesetzgebung gemäss Art. 2
Abs. 2 PG vorgehen. Soweit das GSOG ein Jobsharing ausschliesst, fällt diese Form der Arbeitsaufteilung
12 BSG 153.01. 13 Vgl. dazu Ziff. 2.1 Bst. b) hiervor. 14 Als beispielhafte, nicht abschliessende Aufzählung lassen sich hier aufführen: Bundesgesetz vom 24. März 1995 über
die Gleichstellung von Mann und Frau (Gleichstellungsgesetz, GlG; SR 151.1); Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40); Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20); Bundesgesetz vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (Familien-zulagengesetz, FamZG; SR 836.2). Einführungsgesetz vom 16. November 1998 zum Bundesgesetz über die Gleich-stellung von Frau und Mann (EG GlG; BSG 152.072); Stellenvermittlungsverordnung vom 20. April 2005 (StvV; BSG 153.011.2); Verordnung vom 13. September 2006 über das Anfangsgehalt und den Gehaltsaufstieg nach einer berufli-chen Grundausbildung (Einstiegsstufenverordnung, ESV; BSG 153.011.3); Gesetz vom 30. Juni 1993 über die Berni-sche Pensionskasse (BPKG; BSG 153.41); Gesetz vom 11. Juni 2009 über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft (GSOG; BSG 161.1); Gesetz vom 11. Juni 2008 über die Familienzulagen (KFamZG; BSG 832.71); Gesetz vom 6. Mai 1945 über die Bernischen Landeskirchen (Kirchengesetz, KG; BSG 410.11); Gesetz vom 20. Januar 1993 über die Anstellung der Lehrkräfte (LAG; BSG 430.250); Verordnung vom 28. März 2007 über die An-stellung der Lehrkräfte (LAV; BSG 430.251.0); Direktionsverordnung vom 15. Juni 2007 über die Anstellung der Lehr-kräfte (LADV; BSG 430.251.1); Gesetz vom 14. Dezember 2004 über die Bernische Lehrerversicherungskasse (BLVKG; BSG 430.261); Musikschulverordnung vom 22. Februar 2012 (MSV; BSG 432.311).
15 BSG 161.1.
Recht & Governance 9
für Richterinnen und Richter entsprechend ausser Betracht. Ebenfalls zum öffentlichen Dienstrecht im wei-
teren Sinne zu zählen sind die Bestimmungen, welche das Wahlverfahren von Magistratspersonen regeln.
Das Wahlverfahren tritt bei dieser besonderen Kategorie von im öffentlichen Dienst des Kantons Bern ste-
henden Personen an die Stelle des ansonsten durch die Personalgesetzgebung geregelten Anstellungs-
verfahrens. Steht die konkrete Regelung des Wahlverfahrens für Magistratspersonen einer Begründung
des Dienstverhältnisses im Jobsharing entgegen – lassen sich mit anderen Worten nicht zwei Personen
„uno actu“ in ein Amt wählen – scheidet das Jobsharing als Form der Arbeitsorganisation für das betroffe-
ne Amt zum vornherein aus.16
16 Nicht nur besondere Bestimmungen zur Begründung von Arbeitsverhältnissen mit Magistratspersonen,
sondern auch Regelungen zur Beendigung der Arbeitsverhältnisse können einem Jobsharing bei Magist-
ratspersonen entgegenstehen. Lässt sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Jobsharing-
Partner das zweite Arbeitsverhältnis aus (zwingenden) rechtlichen Gründen nicht ebenfalls innert ange-
messener Frist beenden, kann die für ein eigentliches Jobsharing charakteristische Verknüpfung der Ar-
beitsverhältnisse nicht erreicht werden.
17 Zur Beantwortung der gestellten Gutachterfragen ist deshalb wie folgt vorzugehen:
Ø In einem ersten Schritt ist der durch die Personalgesetzgebung im engeren Sinne gesetzte Rahmen
für ein Jobsharing zu analysieren. Dabei interessiert die systematische Einordnung der Art. 140-142
PV und die sich daraus ergebenden Grenzen für ein Jobsharing. Bereits in diesem Schritt ist auch zu
erörtern, ob die personalrechtlichen Bestimmungen zur Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Ma-
gistratspersonen faktisch ein Jobsharing verunmöglichen, weil beim Ausscheiden eines Jobsharing-
Partners das zweite Arbeitsverhältnis nicht ebenfalls (innert angemessener Frist) beendigt werden
kann (Ziff. 3).
Ø In einem zweiten Schritt ist zu erörtern, ob das Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden
und der Staatsanwaltschaft (GSOG) spezialgesetzliche Regelungen enthält, welche dem PG vorge-
hen und einem Jobsharing bei Richterinnen und Richtern entgegenstehen (Ziff. 4).
Ø In einem dritten Schritt wird die Wahlgesetzgebung für Magistratspersonen in den Blick genommen
und untersucht, ob die Wahlgesetzgebung eine Wahl von mehreren Personen in ein Amt überhaupt
zulässt oder – e contrario – ein Jobsharing ausschliesst (Ziff. 5).
18 Was den jeweils anwendbaren Bestimmungen „richtigerweise“ zu entnehmen ist, ist – wie immer – durch
Auslegung zu bestimmen. Den Ausführungen zu den aufgelisteten Punkten sind deshalb einige Anmer-
kungen zur Methode juristischer Auslegung vorangestellt (nachfolgende Ziffer 2.3).
16 Vgl. WALTER HALLER, Besetzung von Vollämtern im Job Sharing?, in: ZBl 1997 S. 193 ff., S. 198 f.
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2.3 Methodische Hinweise: Auslegung von Rechtsnormen
19 Die Auslegung von Rechtsnormen ist – so AXEL TSCHENTSCHER in seinen „Grundprinzipien des Rechts“ –
nicht etwa eine „Reparaturmassnahme für Sondersituationen, sondern ein in jedem Fall nötiger Vorgang
innerhalb der Rechtsanwendung“.17 Dies gilt auch dann, wenn die in Frage stehende Norm, vordergründig
betrachtet, klar erscheint, denn „selbst die sprachlich einwandfreie Aussage bedarf noch der Deutung auf
ihren Rechtssinn.“18
20 Für die Auslegung von Erlassen gilt anerkanntermassen ein „Methodenpluralismus“.19 Zum „Kanon der
Auslegungsmittel“20 rechnen Praxis und Lehre die grammatikalische, systematische, historische und teleo-
logische Auslegung:
− Die grammatikalische Auslegung geht vom Wortlaut einer Vorschrift aus. Massgebend ist grund-
sätzlich der allgemeine, übliche Sprachgebrauch,21 d.h. die Frage, wie Normen und Begriffe ver-
nünftigerweise verstanden werden dürfen.
− Die systematische Auslegung berücksichtigt weitere Bestimmungen des betreffenden Erlasses,22
aber auch den Zusammenhang einer Regelung mit weiteren Vorschriften, letztlich mit der gesam-
ten Rechtsordnung.23
− Die historische Auslegung stellt ab auf den Willen des historischen Gesetzgebers, wie er in den
Materialien zur Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommt.24
− Die teleologische Auslegung einer Norm stellt auf Sinn und Zweck (telos) der konkreten Regel und
des in Frage stehenden Erlasses ab, wie er sich aus Programm- oder Zielformulierungen im Erlass
selbst,25 aber auch etwa aus Äusserungen im Gesetzgebungsprozess,26 ergeben kann.
17 AXEL TSCHENTSCHER, Grundprinzipien des Rechts. Einführung in die Rechtswissenschaft mit Beispielen aus dem
schweizerischen Recht, Bern 2003, S. 106. 18 FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 135. 19 BGE 137 III 217 E. 2.4.1 S. 221. 20 AXEL TSCHENTSCHER (Fn. 17), S. 108. 21 BGE 107 Ia 112 E. 2b S. 115; 103 Ia 288 E. 2b S. 290; RENÉ A. RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische Verwal-
tungsrechtsprechung. Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, S. 66. 22 FRITZ GYGI (Fn. 18), S. 139 f. 23 PETER FORSTMOSER PETER/WALTER R. SCHLUEP, Einführung in die Rechtswissenschaft, Band I: Einführung in das
Recht, Bern 1992, S. 437. 24 FRITZ GYGI (Fn. 18), S. 139. 25 FRITZ GYGI (Fn. 18), S. 140. 26 FORSTMOSER/SCHLUEP (Fn. 23), S. 438 f.
Recht & Governance 11
21 Die verschiedenen Auslegungsmethoden sind grundsätzlich gleichwertig, d.h. keines der genannten Ele-
mente kommt ausschliesslich oder vorrangig zur Anwendung. Es muss im Einzelfall abgewogen werden,
welche Methode oder Methodenkombination geeignet ist, den wahren Sinn der auszulegenden Norm wie-
derzugeben. Wie aus den nachfolgenden Ausführungen hervorgeht, lassen sich die einzelnen Ausle-
gungselemente nicht immer klar voneinander abgrenzen. Tatsächlich sind die verschiedenen Aspekte
stets mehr oder weniger miteinander „verschränkt“. Es ist in aller Regel nicht möglich, die einzelnen Me-
thoden jeweils nur „für sich“ und unabhängig voneinander anzuwenden, weil beispielsweise Wortlaut und
Systematik stets eng zusammenhängen oder Sinn und Zweck einer Regelung nicht unabhängig vom Wil-
len des historischen Gesetzgebers zu ermitteln sind.
22 Ziel der Auslegung ist immer die Ermittlung des „wahren Sinns“ einer Aussage.27 Dies ist allerdings ein
hoher Anspruch, weil der „wahre Sinn“ nicht mit mathematischer Genauigkeit erkannt werden kann, son-
dern notwendigerweise immer „wertend“ und unter anderem im Spannungsfeld zwischen historischer (ent-
stehungszeitlicher) und geltungszeitlicher Auslegung zu ermitteln ist: Es geht auf der einen Seite „darum,
zu verstehen, was der Gesetzgeber (i.w.S.) mit einer Norm gemeint und gewollt hat“, aber auch um den
„Sinn, der der Norm heute vernünftigerweise, im Blick auf die heutigen tatsächlichen Gegebenheiten und
auf die heute herrschende Wertordnung zukommt (m.a.W. im Blick auf Meinung und Willen des Gesetz-
gebers, welcher heute eine entsprechende Norm erliesse)“.28
27 FORSTMOSER/SCHLUEP (Fn. 23), S. 427-429. 28 PETER SALADIN, Die Würde der Kreatur, in: Ders., die Kunst der Verfassungserneuerung. Schriften zur Verfassungsre-
form 1968-1996, Basel/Frankfurt a.M.1998, S. 291 ff., S. 315 und 317.
Recht & Governance 12
3. Personalrechtlicher Rahmen für ein Jobsharing von Magistratspersonen
3.1 Das Personalgesetz als „statut général“ mit Vorbehalten
23 Das Personalgesetz und die Personalverordnung gelten gemäss Art. 2 Abs. 1 PG „für alle Arbeitsverhält-
nisse des Kantons“. Dieser Grundsatz macht das Personalgesetz zu einem „statut général“29 unabhängig
der hierarchischen Einordnung und Funktion einer im öffentlichen Dienst stehenden Person. Das kantona-
le Personalrecht schliesst damit – anders als namentlich das Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000
(BPG)30, welches nach 1 Abs. 2 Bst. a BPG keine Anwendung auf die von der Bundesversammlung nach
Art. 168 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV, SR 101) gewählten Perso-
nen findet – Magistratspersonen grundsätzlich in den Anwendungsbereich mit ein. Der Begriff des „statut
général“ ist angesichts von Vorbehalten zu Gunsten abweichender Vorschriften der besonderen Gesetz-
gebung (Art. 2 Abs. 2 PG) sowie verschiedener Einschränkungen für bestimmte Arbeitsverhältnisse je-
doch in einem relativierenden Sinne zu verstehen.31 Solche Vorbehalte bestehen nach Art. 2 Abs. 2 PG
namentlich für Richterinnen und Richter. Auch für alle anderen Magistratspersonen finden sich in der be-
sonderen Gesetzgebung aber zumindest Bestimmungen zu den Wahlen, welche der Personalgesetzge-
bung ebenfalls vorgehen.
24 Einschränkungen innerhalb der Personalgesetzgebung erfolgen in der Regel über die Verwendung der
Legaldefinitionen von Art. 3 PG. So zum Beispiel, indem bestimmte Normen nur auf Angestellte nach Art.
3 Abs. 2 PG (und damit e contrario nicht für hauptamtliche Behördenmitglieder nach Art. 3 Abs. 4 PG)
Anwendung finden (dies trifft namentlich auf die Art. 16 bis 36 PG zu). Indem sich der Kanton Bern im
Grundsatz für eine einheitliche Personalgesetzgebung für ganz unterschiedliche Kategorien von Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern entschieden hat, wurde in Kauf genommen, dass gewisse Einschränkungen von
personalrechtlichen Bestimmungen für besondere Mitarbeiterkategorien erst auf den zweiten Blick zu er-
kennen sind. Dementsprechend muss bei der Anwendung personalrechtlicher Bestimmungen immer die
systematische Stellung der Norm – das heisst namentlich Kapitel und Titel, unter welchen eine Norm steht
– mitberücksichtigt werden. Bei Normen auf Verordnungsstufe ist zudem zu beachten, gestützt auf welche
Delegationsnorm die Ausführungsbestimmung erlassen wurde. Erst wenn zu alledem Klarheit herrscht,
lässt sich sagen, ob eine konkrete personalrechtliche Bestimmung auf eine bestimmte Kategorie von Per-
sonen im öffentlichen Dienst Anwendung findet.
25 Das soeben Geschriebenen gilt namentlich auch für die Frage, ob und inwieweit die Bestimmungen zum
Jobsharing in der PV aus personalrechtlicher Sicht auf hauptamtliche Behördenmitglieder nach Art. 3 Abs.
4 PG Anwendung finden.
29 DANIEL VON KAENEL/HANS-ULRICH ZÜRCHER, Personalrecht, in: MARKUS MÜLLER/RETO FELLER, Bernisches Verwaltungs-
recht, 2. Auflage, Bern 2013, S. 55. 30 SR 172.220.1. 31 DANIEL VON KAENEL/HANS-ULRICH ZÜRCHER (Fn. 29), S. 55.
Recht & Governance 13
3.2 Systematische Stellung der personalrechtlichen Regelungen zum Jobsharing
26 Die in Ziff. 2.1 dargestellten Bestimmungen zum Jobsharing (Art. 140-142 PV) finden sich „etwas ver-steckt“ auf Verordnungsstufe in Kapitel 6 zu „Arbeitszeit, Ferien, Urlaub“ unter dem Titel „6.1 Arbeitszeit“.
Im Vortrag der Finanzdirektion an den Regierungsrat zur Personalverordnung vom 18. Mai 2005 wird zu
den Art. 140 ff. betreffend Jobsharing lapidar festgehalten:
„Für diese in der Kantonsverwaltung wenig praktizierte, mitunter zur Teilzeitarbeit nicht abgegrenzte
Arbeitsform fanden sich bisher keine Verordnungsbestimmungen. Diese Lücke wird vorliegend ge-
schlossen.“
27 Erlassen hat der Regierungsrat die Bestimmungen zum Jobsharing gestützt auf Art. 57 PG zu den „Ar-
beitszeiten und Arbeitsformen“. Die formell-gesetzliche Delegationsnorm32 in Art. 57 PG lautet im Wortlaut
wie folgt:
„Der Regierungsrat legt die Arbeitszeit und die Arbeitszeitformen durch Verordnung fest. Er ist insbe-
sondere ermächtigt, dabei nach verschiedenen Personalkategorien zu unterscheiden und Ausnah-
meregelungen zu treffen.“
28 Im Vortrag des Regierungsrates an den Grossen Rat betreffend Personalgesetz (PG)33, S. 17, wird zu Art.
57 PG festgehalten:
„Es liegt in der Kompetenz des Regierungsrates, die wöchentliche Dauer der Arbeitszeit in der Ver-
ordnung festzulegen. Zur Zeit der verwaltungsinternen Erarbeitung des vorliegenden Entwurfs galt für
Vollzeitbeschäftigte eine Normalarbeitszeit von 42 Stunden/Woche.
Heute gilt in der Kantonsverwaltung grundsätzlich das Arbeitszeitmodell der Jahresarbeitszeit. Die Di-
rektionen, die Staatskanzlei sowie die von ihnen ermächtigten Verwaltungseinheiten können, soweit
der Auftrag der Dienststelle und die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben dies erfordern, andere Ar-
beitszeitmodelle anwendbar erklären. Die Delegationsnorm in diesem Gesetz ermöglicht es dem Re-
gierungsrat, organisatorische Fragen wie das Arbeitszeitsystem stufengerecht zu regeln bzw. die nö-
tigen Kompetenzen an die Organisationseinheiten zu delegieren. Damit werden die Voraussetzungen
geschaffen, um für die jeweils spezifischen betrieblichen Verhältnisse optimale Lösungen zu treffen.“
29 In der Debatte des Grossen Rates gab Art. 57 PG kaum zu reden. Ein Antrag auf positiv-rechtliche Veran-
kerung der 40-Stunden-Woche wurde im Rahmen der ersten Lesung zurückgezogen.34 Das Jobsharing
als besondere Form der Arbeitsorganisation bzw. der zeitlichen Aufteilung eines Arbeitspensums auf meh-
rere Personen war weder in der ersten Lesung zum PG in der Junisession 200435, noch im Rahmen der
zweiten Lesung in der Septembersession 200436 im Grossen Rat ein Thema. Eine Ermächtigung des Re-
gierungsrates durch den Grossen Rates, das Arbeitsmodell Jobsharing umfassend (d.h. inklusive Bestim-
32 Zur Bedeutung der Delegationsnorm siehe BETTINA HÜRLIMANN-KAUP, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Einleitungstitel des ZGB in den Jahren 2010 bis 2013, in: ZBJV 2014 S. 555 ff., S. 561; PIERRE TSCHANNEN, Systeme des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Bern 2008, S. 53.
33 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2004, Beilage 20; im Folgenden: Vortrag zum PG. 34 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2004, S. 749. 35 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2004, S. 739 ff. 36 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2004, S. 1040 ff.
Recht & Governance 14
mungen zur Begründung und Auflösung der Arbeitsverhältnisse) zu regeln, besteht dementsprechend
nicht. Der Regierungsrat hatte sich beim Erlass der Bestimmungen zum Jobsharing mit anderen Worten
auf die Aspekte der Arbeitszeit bzw. der Arbeitszeitform (vgl. Art. 57 PG) zu beschränken.37
3.3 Das Verhältnis von Art. 140-142 PV zum Personalgesetz
30 Die Personalverordnung hat sich als normhierarchisch niederrangiges Recht an die Vorgaben des Perso-
nalgesetzes zu halten. Es ist dem Regierungsrat als Verordnungsgeber insbesondere untersagt – ohne
explizite Delegation im Gesetz im formellen Sinne – vom Personalgesetz abweichende Bestimmungen
über die Begründung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen zu erlassen. Erst recht nicht möglich ist es,
in der Personalverordnung von allfälligen spezialgesetzlichen Bestimmungen im Sinne von Art. 2 Abs. 2
PG abzuweichen. Im Kollisionsfall gehen die Vorschriften der besonderen Gesetzgebung der allgemeinen
Personalgesetzgebung vor.38
31 Mit Blick auf die Bestimmungen zum Jobsharing ist diese Feststellung deshalb wichtig, weil sich die Art.
140-142 PV einzig auf Art. 57 PG abstützen können, wonach der Regierungsrat auf Verordnungsstufe
Regelungen zu „Arbeitszeit“ und „Arbeitszeitformen“ zu erlassen hat.39 Dementsprechend wurde beim Er-
lass der Personalverordnung das Jobsharing auch lediglich als Arbeitsform in Zusammenhang mit der
Teilzeitarbeit angesehen. Ein solches Verständnis des Jobsharings greift freilich zu kurz. Gerade die dem
Unterzeichnenden zur Begutachtung vorgelegten Fragen zeigen, dass ein Jobsharing nicht bloss die Ar-
beitszeit der Jobsharing-Partner betrifft, sondern damit auch Fragen zur Begründung und Beendigung der
Arbeitsverhältnisse der betroffenen Mitarbeitenden zusammenhängen.40
32 Das Berner Verwaltungsgericht hatte sich in BVR 2011 S. 1 ff. mit der Bedeutung von personalrechtlichen
Bestimmungen zu Jobsharing auf Verordnungsstufe zu befassen. In diesem Fall war das Verhältnis zwi-
schen der Regelung des Jobsharings in der Personalverordnung der Stadt Bern zum Personalreglement
(Gesetz im formellen Sinne) zu klären. Das Verwaltungsgericht erwog dazu in E. 5.3.2, S. 11:
„Die erwähnte städtische Verordnungsbestimmung ist daher so auszulegen, dass sie sich an den
Rahmen der gesetzlichen Delegation hält, d.h. im Sinn einer «gängigen Job-Sharing-Regelung». Die
Bestimmung, wonach die Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem einen Stellenpartner auch für
den anderen «gilt», ist somit lediglich im Sinn einer Verdeutlichung zu verstehen, wonach bei Job-
Sharing-Verhältnissen das Ausscheiden eines Stellenpartners bzw. einer Stellenpartnerin in aller Re-
gel die Entlassung des verbleibenden Stellenpartners bzw. der verbleibenden Stellenpartnerin aus
sachlichem Grund gemäss Art. 20 Abs. 1 PRB [Kündigung aus sachlichem Grund] nach sich zieht.“
37 Vgl. BGE 139 V 358 E. 3.1 S. 361. 38 DANIEL VON KAENEL/HANS-ULRICH ZÜRCHER (Fn. 29), S. 55. 39 Rz. 27-29 hiervor. 40 Vgl. dazu auch die Ausführungen unter Ziff. 2.1 Bst. a) hiervor.
Recht & Governance 15
Obwohl die Personalverordnung der Stadt Bern in Art. 130a Abs. 4 explizit festhält, dass die Beendigung
des „Dienstverhältnis einer Person der Job Sharing-Partnerschaft“ dazu führt, dass „die Beendigung auch
für die andere Person gilt“ – und damit deutlich weiter geht als Art. 140 ff. PV –, hat das Verwaltungsge-
richt mit anderen Worten auf die reglementarischen Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses
abgestellt. Hätte ein besonderer Auflösungsgrund geschaffen werden sollen, hätte dies – so das dictum
des Verwaltungsgerichts – der Reglementgeber in der Delegationsnorm explizit festhalten müssen. Eine
gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hat das Bundesge-
richt mit Urteil 8C_251/2010 vom 29. Juni 2010 abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist.
33 Auch wenn das zitierte Urteil des Berner Verwaltungsgerichts BVR 2011 S. 1 ff. die Gemeindeebene be-
traf, lässt sich für die Rechtslage auf kantonaler Stufe das Folgende daraus ableiten: Das in der Personal-
verordnung in Art. 140-142 PV verankerte Jobsharing ist als Arbeitsform nur sofern und soweit zulässig,
als weder das Personalgesetz noch die besondere Gesetzgebung Vorgaben enthalten, welche einer Auf-
teilung der mit einer Funktion zusammenhängenden Arbeit auf mehrere Jobsharing-Partner explizit oder
implizit entgegenstehen. Ein eigentliches Jobsharing als Arbeitsform bzw. Form der Arbeitsorganisation
scheidet als Möglichkeit demnach namentlich dann aus, wenn das PG oder die besondere Gesetzgebung
zur Begründung oder Beendigung der Arbeitsverhältnisse Regelungen enthalten, welche mit den Vorga-
ben von Art. 140-142 PV kollidieren.
3.4 Exkurs: Rechtslage bei Angestelltenverhältnissen nach Art. 3 Abs. 2 PG
34 Die zur Begutachtung vorgelegten Fragen betreffen explizit nicht Angestellte im Sinne von Art. 3 Abs. 2
PG, weshalb sich dieser Abschnitt auch lediglich als Exkurs versteht. Er erfolgt, weil es für das Verständ-
nis der weiteren Ausführungen hilfreich sein dürfte, zu verstehen, wie ein Jobsharing bei angestellten Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern personalgesetzlich „funktioniert“.
35 Bei Angestellten im Sinne von Art. 3 Abs. 2 PG erfolgt die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit zwei
Jobsharing-Partnern weitgehend gleich wie die Begründung von zwei Arbeitsverhältnissen mit Teilzeitbe-
schäftigten: Mit den Jobsharing-Partnern werden separate, voneinander unabhängige Arbeitsverträge im
Sinne von Art. 16 Abs. 1 PG abgeschlossen (vgl. Art. 142 Abs. 1 PV). Die Einigung über die Zusatzverein-
barung nach Art. 142 Abs. 2 PV dürfte zwar in der Regel Voraussetzung sein, damit die Anstellungsbe-
hörde die Arbeitsverhältnisse mit den Jobsharing-Partnern eingeht, rechtlich ist die Zusatzvereinbarung
jedoch vom Arbeitsvertrag gemäss Art. 16 Abs. 1 PG zu unterscheiden. Einer teilzeitlichen Anstellung
mehrerer Personen für eine Funktion bzw. ein Arbeitspensum stehen die Bestimmungen zur Begründung
von Arbeitsverhältnissen nach Art. 16 ff. PG nicht entgegen. Vorbehalten bleiben lediglich besondere
Bestimmungen der Spezialgesetzgebung (Art. 2 Abs. 2 PG).
36 Auch für die Auflösung von Arbeitsverhältnissen mit Angestellten im Jobsharing bietet das Personalgesetz
eine hinreichende Handhabe. Zwar kann die Personalverordnung mangels entsprechender Delegati-
onsnorm keine besonderen Auflösungsgründe bei Ausscheiden eines Jobsharing-Partners vorsehen (vgl.
hiervor Ziff. 3.3). Indessen bietet der Arbeitsvertrag nach Art. 16 Abs. 1 PG die Möglichkeit, bei einem
Jobsharing vertraglich besondere Auflösungsgründe vorzusehen (Art. 18 Abs. 2 PG). Insbesondere steht
Recht & Governance 16
nichts einer Vertragsklausel entgegen, wonach das Ausscheiden eines Jobsharing-Partners einen sachli-
chen Grund für die Auflösung des zweiten (noch bestehenden) Arbeitsverhältnisses nach Art. 25 PG dar-
stellt.41
37 Trotz der „dünnen“ Delegationsnorm in Art. 57 PG ergeben sich für Angestellte im Sinne von Art. 3 Abs. 2
PG dementsprechend keine grundsätzlichen Probleme bei der Besetzung einer Funktion oder eines Ar-
beitspensum im Jobsharing. Die Vorgaben von Art. 140-142 PV geraten mit den hierarchisch übergeord-
neten Bestimmungen des Personalgesetzes bei Angestelltenverhältnissen nicht in Konflikt.
3.5 Personalrechtliche Vorgaben zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Magistratspersonen
38 Die Begründung der Arbeitsverhältnisse mit Magistratspersonen betrifft das Wahlverfahren (vgl. Art. 37
Abs. 1 PG). Ob die entsprechenden Wahlbestimmungen einem Jobsharing vom Magistratspersonen ent-
gegenstehen, ist dementsprechend nicht im vorliegenden Kapitel zur Personalgesetzgebung zu erörtern.
Die Überlegungen dazu bilden vielmehr Gegenstand von Kapitel 5 hiernach.
39 Personalrechtlich geregelt ist aber die Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Magistratspersonen bzw.
hauptamtlichen Behördenmitgliedern (Art. 39-41 PG). Das Arbeitsverhältnis kann nach diesen Bestim-
mungen während laufender Amtsdauer von staatlicher Seite nur nach den Vorgaben von Art. 41 PG durch
Urteil des Abberufungsgerichts aus den in Art. 41 Abs. 3 abschliessend aufgezählten Gründen beendigt
werden. Diese Gründe sind: Unfähigkeit, dauerhaft ungenügende Leistungen, schwere oder wiederholte
Pflichtverletzung oder ein anderer wichtiger Grund, der die Fortsetzung der Amtsführung unzumutbar macht. Das Ausscheiden eines Jobsharing-Partners aus dem Amt würde die Hürde für die Abberufung
des zweiten (noch verbliebenen) Jobsharing-Partners nach Art. 41 Abs. 3 PG (deutlich) nicht erreichen,
zumal nicht von einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Amtsführung ausgegangen werden kann.42
40 Art. 41 PG stellt zwingendes Recht dar.43 Eine Person, welche für ein Amt kandidiert, kann weder vertrag-
lich noch durch einseitige Willenserklärung auf den Schutz von Art. 41 PG verzichten.44 Da mit hauptamtli-
chen Behördenmitgliedern auch keine Arbeitsverträge nach Art. 16 Abs. 1 PG abgeschlossen werden, ent-
fällt zudem die Möglichkeit, nach Art. 18 Abs. 1 und 2 PG auf vertraglicher Ebene von den gesetzlichen
Beendigungsgründen abweichende Regelungen zur Auflösung des Dienstverhältnisses zu vereinbaren.
Mangels eines entsprechenden Vorbehalts in der Delegationsnorm (Art. 57 PG) kann Art. 41 PG auch
nicht durch eine Zusatzvereinbarung nach Art. 142 Abs. 2 PV gelockert oder gar aufgehoben werden.
41 Nicht zulässig ist nach Ansicht des Unterzeichnenden aber die fristlose Entlassung des (zweiten) Jobsharing-Partners
gestützt auf Art. 26 PG, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem einen Partner – aus welchen Gründen auch immer – be-endet ist.
42 Siehe zum Ganzen auch den Vortrag zum PG (Fn. 33), S. 15, wo ausgeführt wird, dass die Abberufung von Amtsper-sonen, die durch das Volk respektive das Parlament gewählt worden sind, rechtsstaatlich heikel sei, weshalb es sich um klare Ausnahmesituationen handeln müsse.
43 Vgl. Vortrag zum PG (Fn. 33), S. 15. 44 Zur Problematik des Verzichts auf Rechtspositionen im Bereich des öffentlichen Rechts siehe REGINA KIENER/WALTER
KÄLIN, Grundrechte, 2. Auflage, Bern 2013, S. 64.
Recht & Governance 17
41 Es gibt mit anderen Worten bei hauptamtlichen Behördenmitgliedern in Sinne von Art. 3 Abs. 2 PG recht-
lich keine Möglichkeit, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Jobsharing-Partner das zweite
Arbeitsverhältnis innert angemessener Frist ebenfalls beenden zu können. Vielmehr müsste der Ablauf
der Amtsdauer (Art. 39 Abs. 1 PG) abgewartet werden. Die für ein eigentliches Jobsharing charakteristi-
sche Verknüpfung der beiden Arbeitsverhältnisse lässt sich bei Magistratspersonen dementsprechend
nicht erreichen.
3.6 Zwischenergebnis
42 Die Personalgesetzgebung sieht bei Magistratspersonen bzw. hauptamtlichen Behördenmitgliedern nach
Art. 3 Abs. 4 PG keine Möglichkeit vor, zwei Arbeitsverhältnisse hinsichtlich ihrer Beendigung zu verknüp-
fen. Insbesondere lässt sich eine solche, für ein Jobsharing charakteristische Verknüpfung auch nicht ge-
stützt auf Art. 142 PV erreichen. Bereits aus personalrechtlicher Sicht ergeben sich deshalb grundsätzli-che und erhebliche Bedenken zu einem eigentlichen Jobsharing bei Magistratspersonen.
43 Den personalrechtlichen Rahmen für ein eigentliches Jobsharing erachtet der Unterzeichnende nur bei
Anstellungsverhältnissen nach Art. 3 Abs. 2 PG als gegeben.
Recht & Governance 18
4. Sonderbestimmungen für Richterinnen und Richter
4.1 Einleitung
44 Das Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft (GSOG) enthält
verschiedene personalrechtliche Sonderbestimmungen für Personen mit Justizfunktion, welche sich na-
mentlich auf die Möglichkeiten für Teilzeitarbeit, die Veränderung des Beschäftigungsgrades oder die Ne-
benbeschäftigungen beziehen.45 Dies Bestimmungen gehen einerseits aufgrund des expliziten Vorbehalts
in Art. 2 Abs. 2 PG und andererseits als sog. „lex specialis“ den allgemeineren personalrechtlichen Best-
immungen vor.
45 Soweit das GSOG keine Bestimmungen enthält, gilt nach Art. 2 PG die Personalgesetzgebung; Art. 34
GSOG wiederholt diesen Grundsatz, indem er bestimmt:
Die Rechte und Pflichten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gerichtsbehörden und der Staats-
anwaltschaft richten sich nach der Personalgesetzgebung, sofern dieses Gesetz nichts anderes be-
stimmt.
4.2 Fehlen einer expliziten Bestimmung zur Möglichkeit eines Jobsharings
46 Eine explizite Bestimmung zum Jobsharing ist dem GSOG nicht zu entnehmen; der Erlass verwendet
weder den Begriff, noch finden sich Normen, welche diese besondere Form der Arbeitsorganisation mate-
riell umschreiben würden. Auf den ersten Blick liesse dies den Schluss zu, dass nach Art. 34 GSOG bzw.
Art. 2 Abs. 1 PG die Personalgesetzgebung zur Anwendung kommt. Ein solcher Schluss darf indessen
erst gezogen werden, wenn feststeht, dass der Gesetzgeber bei Erlass des GSOG nicht bewusst auf eine
Regelung zum Jobsharing verzichtet hat, weil er das Jobsharing für den durch das GSOG erfassten Kreis
von im öffentlichen Dienst stehenden Personen nicht öffnen wollte. Diesfalls läge ein sogenanntes „qualifi-
ziertes Schweigen"46, d.h. ein bewusst negativer Entscheid des Gesetzgebers vor.47 Ein bewusster Ver-
zicht auf die Möglichkeit eines Jobsharings bei Richterinnen und Richtern ginge mit anderen Worten der
Regelung des Jobsharings in der Personalverordnung als „lex specialis“ vor.
45 DANIEL VON KAENEL/HANS-ULRICH ZÜRCHER (Fn. 29), S. 56. 46 Siehe dazu JÜRG BICKEL, Auslegung von Verwaltungsrechtsakten, in: Publikationen des Instituts für Föderalismus Frei-
burg Schweiz (PIFF) 2014 Band/Nr. 5, S. 83. 47 WALTER HALLER (Fn. 16), S. 199.
Recht & Governance 19
4.3 Der Verzicht auf eine Regelung als „qualifiziertes Schweigen“
47 Ob ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. In den Blick
zu nehmen sind dabei die Art. 20 und 21 GSOG. Diese lauten:
Art. 20 Mitglieder der Gerichtsbehörden 1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, gelten sämtliche Personen mit einer richterlichen
Funktion als Mitglieder von Gerichtsbehörden.
2 Hauptamtliche Richterinnen und Richter gehen neben ihrem Amt keiner anderen Haupttätigkeit
nach. Nebenamtliche Richterinnen und Richter üben ihr Amt in der Regel neben einer anderen, nicht
richterlichen Tätigkeit aus.
3 Vollzeitlich tätige Richterinnen und Richter arbeiten mit einem Beschäftigungsgrad von 100 Pro-
zent. Teilzeitlich tätige Richterinnen und Richter arbeiten mit einem Beschäftigungsgrad unter 100
Prozent.
4 Ordentliche Richterinnen und Richter werden auf eine ordentliche Amtsdauer gewählt. Ausseror-
dentliche Richterinnen und Richter werden für eine kürzere Dauer oder im Einzelfall eingesetzt.
5 Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten sind hauptamtliche erstinstanzliche Richterinnen
und Richter.
6 Ersatzrichterinnen und Ersatzrichter sowie Ersatzmitglieder werden zur Entlastung auf eine ordent-
liche Amtszeit gewählt und eingesetzt.
7 Fachrichterinnen und Fachrichter verfügen über ein den Prozessgegenstand betreffendes Fachwis-
sen, müssen jedoch über keine juristische Ausbildung verfügen.
8 Laienrichterinnen und Laienrichter müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen. Sie
üben berufsmässig keine juristische Tätigkeit aus.
Art. 21 Wahl, Wiederwahl und Anzahl der Richterinnen und Richter 1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wählt der Grosse Rat alle Richterinnen und Richter.
Er kann nach Anhörung des Obergerichts oder des Verwaltungsgerichts freie Stellen in Teilzeitstellen
mit einem Beschäftigungsgrad von mindestens 50 Prozent aufteilen. Mit der Wahl der teilzeitlich täti-
gen Richterinnen und Richter legt er deren Beschäftigungsgrad fest.
2 Der Grosse Rat regelt durch Dekret
a die Höchstzahl der Stellen für die hauptamtlichen Richterinnen und Richter sowie für die Vorsitzen-
den der regionalen Schlichtungsbehörden,
b die Höchstzahl an Fachrichterinnen und Fachrichtern, Laienrichterinnen und Laienrichtern sowie
Ersatzrichterinnen und Ersatzrichtern,
c die Wahlvoraussetzungen für Richterinnen und Richter, soweit sie nicht durch dieses Gesetz be-
stimmt sind.
a) Grammatikalische Auslegung
48 Die grammatikalische Auslegung – also das Abstützten auf den Wortlaut der Norm48 – hilft bei der Frage,
ob der Gesetzgeber bewusst auf eine bestimmte Normierung verzichtet hat, üblicherweise nicht weiter.
48 Rz. 20 hiervor.
Recht & Governance 20
Das Wesen eines bewussten bzw. qualifizierten Schweigens besteht ja gerade darin, dass auf eine expli-
zite Regelung verzichtet wurde. Insofern führt das Anknüpfen an den Wortlaut der GSOG-Bestimmungen
vorliegend logischerweise jedenfalls tendenziell zur Annahme, die Personalgesetzgebung finde über Art.
34 GSOG Anwendung. Immerhin lässt sich bereits gestützt auf den Normwortlaut von Art. 20 und 21
GSOG feststellen, dass sich die Bestimmungen hinsichtlich der Regelung der Teilzeitarbeit für Richterin-
nen und Richter als abschliessende Regelung verstehen (siehe dazu auch Rz. 57 hiernach).
b) Historische Auslegung
49 Kommt der grammatikalischen Auslegung bei der Frage, ob der Gesetzgeber bewusst auf eine Normie-
rung verzichtet hat, nach dem Geschriebenen kaum Bedeutung zu, steht die historische Auslegung dafür
umso mehr im Zentrum des Interesses. Wie kaum in einer anderen Konstellation hängt bei der Frage nach
dem Vorliegen eines qualifizierten Schweigens der „wahre Rechtssinn“ einer Norm massgeblich vom sub-
jektiven Willen des historischen Gesetzgebers ab; dies jedenfalls bei Erlassen jüngeren Datums.49 Der
Blick in die Materialien zum GSOG hilft bei der Ermittlung des Normgehalts von Art. 20 f. GSOG vorlie-
gend indessen nicht entscheidend weiter. Der Vortrag des Regierungsrates an den Grossen Rat zum Ein-führungsgesetz zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung (EG ZSJ) sowie zum Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft (GSOG)50 enthält weder zu Art. 20 noch zu Art. 21 GSOG Erläuterungen. In der Debatte des Grossen Ra-
tes gaben die Art. 20 und 21 GSOG zwar kurz zu einer Diskussion Anlass,51 die Frage nach den Arbeits-
zeit- bzw. den Arbeitsorganisationsmodellen bei Richterinnen und Richter wurde dabei aber mit keinem
Wort thematisiert.52
50 Die im Vortrag zum GSOG (Fn. 50) skizzierte Ausgangslage und die Entstehungsgeschichte des GSOG
zeigen aber, dass bei diesem hoch anspruchsvollen und komplexen Gesetzgebungsprojekt viele Bestim-
mungen – jedenfalls was den materiellen Gehalt betrifft53 –, schlicht vom Gesetz vom 14. März 1995 über
die Organisation der Gerichtsbehörden in Zivil- und Strafsachen (GOG)54 ins GSOG übernommen wur-
den.55 Dies gilt namentlich auch für die Möglichkeit, freie Richterstellen in Teilzeitstellen aufzuteilen (Art.
21 Abs. 1 GSOG). So hielt bereits Art. 30a GOG – in der bis zum Inkrafttreten des GSOG gültigen Fas-
sung – fest:
Art. 30a Teilzeitstellen 1 Freie Stellen für Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten können in Teilzeitstellen mit ei-
nem Beschäftigungsgrad von mindestens 50 Prozent aufgeteilt werden.
49 Siehe Rz. 22 hiervor. 50 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2009, Beilage 17; im Folgenden: Vortrag zum GSOG. 51 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2009, S. 784 f. 52 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2009, S. 488 (1. Lesung), S. 784 (2. Lesung). 53 Die Zuständigkeiten wurden demgegenüber praktisch durchgehend neu geregelt. 54 Das GOG war als „Vorgängererlass“ zum GSOG unter der gleichen BSG-Nummer (161.1) publiziert. 55 Vortrag zum GSOG (Fn. 50), S. 1 ff.
Recht & Governance 21
2 Das Obergericht legt vor den Wahlen die Teilzeitstellen und deren Beschäftigungsgrade in einem
Reglement fest. Die Geschäftsleitung des betroffenen Gerichtskreises und die Justiz-, Gemeinde-
und Kirchendirektion sind vorgängig anzuhören.
51 Im Gegensatz zum Gesetzgebungsverfahren auf Erlass des GSOG lässt sich aus den Materialien zur
Revision des GOG im Jahr 2000 der Wille des damaligen (GOG-)Gesetzgebers hinsichtlich der zulässigen
Arbeitszeit- bzw. Arbeitsorganisationsmodelle klar erkennen: Der Vortrag des Regierungsrates an den
Grossen Rat zum Gesetz über die Einführung von teilamtlichen Richter- und Prokuratorenstellen56 enthält
unter Ziff. 2.4 ein eigenes Unterkapitel zur Frage, ob für Richterinnen und Richter die Möglichkeit eines
Jobsharings eingeführt werden soll. Ausgeführt wird dort insbesondere:
„Das eigentliche Jobsharing ist für das Amt als Richterin oder Richter nicht geeignet. Die richterliche
Tätigkeit kann aufgeteilt werden durch die Zuweisung einer bestimmten Anzahl von Fällen auf die
einzelnen Richterinnen und Richter. Die Richtertätigkeit lässt sich aber nicht inhaltlich aufspalten, so-
dass Sharing-Partner einen Fall zusammen und in gemeinsamer Verantwortung bearbeiten können.
Selbst bei einem Personenduo, das gut harmoniert, können sich Meinungsdifferenzen ergeben, wie
in einem bestimmten Fall vorzugehen ist und wie die sich stellenden Rechtsfragen zu beurteilen sind.
Solche Friktionen sind nicht lösbar und verunmöglichen die Aufgabenerfüllung. Es darf auch nicht
vom Belieben der Partner abhängen, wer in einem bestimmten Fall tätig wird. Die Garantie des ver-
fassungsmässigen Richters verlangt, dass die Besetzung des Gerichts generell bestimmt und vo-
raussehbar sein muss. Die Probleme liessen sich nur lösen, wenn auch im Konzept des Jobsharing
die Richterarbeit nach Fällen fest aufgeteilt wird. Dies verträgt sich aber nicht mit dem grundlegenden
Gedanken der gemeinsamen Ausübung der Aufgabe und der gemeinsam ausgeübten Verantwor-
tung. Damit stellt sich aber die Frage, was dieses Modell für die hier interessierende Arbeit überhaupt
noch leisten kann.“57
52 Die Präsidentin der vorberatenden Kommission, Frau Grossrätin Burger-Bono, hielt in der Parlamentsde-
batte zudem fest:
„Die vorgeschlagene Lösung sieht darum ganz klar Teilzeitstellen und nicht ein Jobsharing vor. Man
kann die Verantwortung für einen einzelnen Fall nicht aufteilen; man kann nur die Fälle aufteilen.
Deshalb wäre Jobsharing sowohl sachlich wie juristisch sehr schwierig oder gar nicht durchführbar.“58
53 Der damalige Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor, Herr Regierungsrat Luginbühl, verwies zudem auf
die Stellungnahme der Justiz, welche sich ebenfalls klar gegen ein Jobsharing ausgesprochen habe:
„In Übereinstimmung mit der Justiz erachtet er [der Regierungsrat] aber das Jobsharing für Richterin-
nen und Richter als nicht geeignet.“59
56 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2000, Beilage 20; im Folgenden: Vortrag zur GOG-Revision 2000. 57 Vortrag zur GOG-Revision 2000 (Fn. 56), S. 2 f. 58 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2000, S. 482. 59 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2000, S. 485.
Recht & Governance 22
54 Die ablehnende Haltung von Justiz, Regierungsrat und vorberatender Kommission zu einer Einführung
des Jobsharings bei Richterstellen blieb im Grossen Rat ohne Widerspruch.60 Es steht damit ausser Fra-
ge, dass der Grosse Rat im GOG bewusst auf die Möglichkeit eines Jobsharings bei Richterinnen und
Richtern verzichtet hat; also für die Geltungsdauer des GOG von einem qualifiziertes Schweigen ausge-
gangen werden muss.
55 Da, wie unter Rz. 50 dargestellt, der materielle Gehalt von Art. 30a GOG in Art. 21 GSOG überführt wur-
de, spricht vieles dafür, dass auch das „qualifizierte Schweigen“ zum Jobsharing in den Nachfolgeerlass
des GOG übernommen wurde. Jedenfalls ergeben sich weder aus dem Vortrag zum GSOG noch aus der
parlamentarischen Debatte irgendwelche Anzeichen, dass der Gesetzgeber mit dem GSOG die Rechtsla-
ge hinsichtlich der (nicht bestehenden) Möglichkeit eines Jobsharings bei Richterinnen und Richtern än-
dern wollte.61 Die historische Auslegung führt demnach zur Annahme eines qualifizierten Schweigens im
GSOG zur Möglichkeit eines Jobsharings bei Richterstellen.
c) Teleologische Auslegung
56 Die Annahme eines qualifizieren Schweigens wird durch die teleologische Auslegung von Art. 21 Abs. 1
GSOG zusätzlich gestützt. Art. 21 Abs. 1 GSOG will die Möglichkeit von Teilzeit-Richterstellen schaffen,
dabei aber die Anhörung des Obergerichts bzw. des Verwaltungsgerichts sicherstellen. Es würde dement-
sprechend dem Sinn und Zweck von Art. 21 Abs. 1 GSOG klar entgegenstehen, wenn für ein Jobsharing
bei Richterstellen – welches für die Ausübung einer Richterfunktion sehr anspruchsvoll erscheint – keine
vorgängige Anhörung des Obergerichts bzw. des Verwaltungsgerichts erfolgen müsste. Auch die Ausle-
gung nach Sinn und Zweck der Norm führt deshalb zum Schluss, dass neben der Aufteilung einer Stelle in
Teilzeitstellen nach Art. 21 Abs. 1 GSOG kein Raum für eine Aufteilung einer Richterstelle auf Jobsharing-
Partner besteht.
d) Systematische Auslegung
57 Im Rahmen der systematischen Auslegung ist schliessslich darauf hinzuweisen, dass Art. 20 Abs. 3 und
Art. 21 Abs. 1 GSOG als eine in sich geschlossene Regelung zur Teilzeitarbeit von Richterinnen und Rich-
tern erscheint. Für ergänzendes Personalrecht besteht demnach weder Bedarf, noch liessen sich diese
Bestimmungen vorliegend sinnvoll mit den Regelungen des GSOG „zusammenführen“ – was sich gerade
bei den Normen zum Jobsharing deutlich zeigt. Schliesslich kann – ebenfalls aus systematischer Sicht –
angefügt werden, dass das Wahlsystem der Richterinnen und Richter auf „die Wahl von einzelnen Perso-
nen, nicht eines Zweiergespanns, ausgelegt ist.“62
60 Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2000, S. 482 ff. (1. Lesung), S. 551 ff. (2. Lesung). 61 Vortrag zum GSOG (Fn. 50), S. 1 ff.; Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2009, S. 488 (1. Lesung), S. 784
(2. Lesung). 62 Vortrag zur GOG-Revision 2000 (Fn. 56), S. 3.
Recht & Governance 23
4.4 Zwischenergebnis
58 Nach dem Geschriebenen ist das GSOG hinsichtlich der Möglichkeit, Richterstellen „aufzuteilen“, als ab-
schliessende Normierung zu verstehen. Indem das Jobsharing in Art. 21 Abs. 1 GSOG nicht erwähnt wird,
hat sich der Gesetzgeber im Sinne eines bewussten bzw. qualifizierten Schweigens gegen diese Möglich-
keit der Arbeitsaufteilung von Richterstellen auf mehrere Personen entschieden. Für eine ergänzende An-
wendung der Art. 140-142 PV (i.V.m. Art. 34 GSOG) besteht damit kein Raum.
59 Ein eigentliches Jobsharing ist aufgrund der „lex specialis“ im GSOG für Richterstellen damit ausge-schlossen.
Recht & Governance 24
5. Gesetzliches Wahlverfahren als Hinderungsgrund für ein Jobsharing bei Magistratspersonen
5.1 Einleitung
60 Bei Magistratspersonen bzw. hauptamtlichen Behördenmitgliedern gemäss Art. 3 Abs. 4 PG tritt an die
Stelle des Anstellungsverfahrens gemäss Art. 16 ff. PG die Wahl durch das Volk oder den Grossen Rat
(Art. 37 Abs. 1 PG). Während das Anstellungsverfahren nach Art. 16 ff. PG derart offen gestaltet ist, dass
es einer Anstellung mehrerer Personen im Jobsharing grundsätzlich nicht im Wege steht,63 ist die Aus-
gangslage bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen durch Wahlen deutlich problematischer: Die Auf-
teilung einer Stelle auf Jobsharing-Partner ist bei Magistratspersonen nur möglich, wenn das Wahlverfah-
ren eine Wahl von zwei Personen in eine Funktion bzw. ein Behördenamt zulässt. Andernfalls muss eine
lex specialis im Sinne von Art. 2 Abs. 2 PG angenommen werden, womit die allgemeineren Bestimmun-
gen der Personalgesetzgebung zurücktreten.
61 Das Wahlverfahren der hauptamtlichen Behördenmitglieder wird zum kleinen Teil bereits auf Verfas-
sungsstufe geregelt (so insbesondere das Wahlverfahren für den Regierungsrat in Art. 85 der Verfassung
des Kantons Bern von 6. Juni 1993 [KV]64). Für den überwiegenden Teil der Magistraten erfolgt die Rege-
lung des Wahlverfahrens auf Gesetzesstufe. Die meisten Bestimmungen zu den Wahlen finden sich in
den Art. 80 ff. des Gesetzes über den Grossen Rat vom 4. Juni 2013 (Grossratsgesetz, GRG)65.
5.2 Vom Volk gewählte Magistratspersonen
62 Bereits von Verfassung wegen scheidet ein Jobsharing bei den Mitgliedern des Regierungsrates aus: Art.
84 KV gibt die Anzahl Sitze und Mitglieder des Regierungsrates zwingend vor und steht damit einer Auftei-
lung der Funktion eines Regierungsrates auf mehrere Personen entgegen. Auch das Wahlverfahren in Art.
85 KV bzw. Art. 96 des Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Juni 2012 (PRG)66 schliesst ein Job-
sharing für Regierungsrätinnen und Regierungsräte im Übrigen aus.
63 Die Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter können nach Art. 115 Abs. 1 PRG, wonach der
Wahlvorschlag nur den Namen einer einzigen wählbaren Person enthalten darf, ebenfalls nicht als Job-
sharing-Partner in ihr Amt gewählt werden (vgl. zudem Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Regierungs-
statthalterinnen und Regierungsstatthalter vom 28. März 2006 [RStG]67).
64 Der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen zu den Regierungsratswahlen und zur Wahl der Regie-
rungsstatthalterin oder des Regierungsstatthalters ist dabei dermassen eindeutig, dass sich Überlegungen
zu anderen Auslegungsmethoden erübrigen.
63 Vgl. Ziff. 3.4 hiervor. 64 BSG 101.1. 65 BSG 151.21. 66 BSG 141.1. 67 BSG 152.321.
Recht & Governance 25
5.3 Vom Grossen Rat gewählte Magistratspersonen
65 Der Grossen Rat wählt die folgenden Magistratspersonen:
• die Staatsschreiberin oder den Staatsschreiber (Art. 77 Abs. 1 Bst. c KV);
• die Generalprokuratorin oder den Generalprokurator (Art. 77 Abs. 1 Bst. f KV);
• die Richterinnen und Richter (erster und zweiter Instanz; Art. 77 Abs. 1 Bst. d und e KV bzw. Art.
21 GSOG);
• die Ratssekretärin oder den Ratssekretär (Art. 46 aGRG);
• die Beauftragte oder den Beauftragten für Datenschutz (Art. 32 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes
vom 19. Februar 1986 [KDSG]68),
• die Vorsteherin oder den Vorsteher der Finanzkontrolle (Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. De-
zember 1999 über die Finanzkontrolle, Kantonales Finanzkontrollgesetz [KFKG]69).
66 Geregelt wird das Wahlverfahren für diese Magistratspersonen – abgesehen von wenigen spezialgesetzli-
chen Bestimmungen, wie sie namentlich für Gerichtsbehörden im GSOG bestehen70 – in den Art. 80 ff.
GRG. Ob diese Bestimmungen eine Wahl von mehreren Personen in ein Amt bzw. eine Funktion zulas-
sen, ist (erneut) durch Auslegung der einschlägigen Normen zu ermitteln.
a) Grammatikalische Auslegung
67 Gemäss ihrem Wortlaut gehen die Bestimmungen zu den vom Grossen Rates durchgeführten Wahlen
(Art. 80 ff. GRG) offenkundig davon aus, dass pro zu besetzendem Amt eine Kandidatin oder ein Kandidat
gewählt wird. So setzt etwa Art. 82 Abs. 2 GRG als selbstverständlich voraus, dass Kandidaturen für einen
Sitz jeweils aus einer Person bestehen. Nach Art. 82 Abs. 5 GRG sind „überzählige Namen“ vom Ende
der Liste her zu streichen, wenn ein ausgefüllter Wahlzettel mehr „Namen [enthält], als Mandate zu verge-
ben sind“, womit – jedenfalls dem Wortlaut nach – ausgeschlossen wird, dass mehrere Namen für ein
Mandat auf dem Wahlzettel aufgeführt werden können.
68 Die grammatikalische Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des GRG legt damit den Schluss na-
he, dass – wie bei den vom Volk gewählten Magistratspersonen71 – ein Jobsharing bei den vom Grossen
Rat gewählten Magistratspersonen durch das gesetzliche Wahlverfahren ausgeschlossen wird.
68 BSG 152.04. 69 BSG 622.1. 70 Siehe dazu vorne Ziff. 4. 71 Rz. 62-64 hiervor.
Recht & Governance 26
b) Historische Auslegung
69 In den Materialien zum GRG72 finden sich keine Überlegungen zur Frage, ob sich mehrere Personen im
Rahmen eines Jobsharings (uno actu) in ein vom Grossen Rat gewähltes Amt wählen lassen können. Da
die Bestimmungen zum Wahlverfahren in den Art. 80 ff. GRG im Vortrag sehr ausführlich kommentiert
werden, sich die vorberatende Kommission mit anderen Worten eingehend Gedanken dazu gemacht hat,
muss angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Jobsharings explizit im Normtext
festgehalten oder zumindest in den Materialien erwähnt hätte, wenn er diese Form der Arbeitsorganisation
für die von ihm zu wählenden Magistratspersonen als geeignet angesehen hätte. Indem sich die Materia-
lien zur Möglichkeit eines Jobsharings ausschweigen, lässt sich die historische Auslegung demnach je-
denfalls nicht für eine von der grammatikalischen Auslegung abweichende Rechtsauffassung ins Feld füh-
ren.
70 Die Normen sind im Übrigen zu jung, als dass im Rahmen einer „geltungszeitlichen Auslegung“73 ange-
führt werden könnte, die Wertvorstellungen bzw. gesellschaftlichen Entwicklungen hätten sich seit dem Er-
lass der GRG-Bestimmungen dahingehend geändert, dass heute eine Begründung des Arbeitsverhältnis-
ses im Jobsharing dem "zeitgemässen“ Verständnis der Norm entspreche.
c) Teleologische Auslegung
71 Auch Sinn und Zweck der Bestimmungen zum Wahlverfahren sprechen gegen eine vom Wortlaut von Art.
80 ff. GRG abweichende Auslegung. So sind Bestimmungen zu Wahlen bzw. Wahlverfahren grundsätzlich
sehr präzise gehalten, um Schwierigkeiten im Rahmen des Wahlverfahrens möglichst zu vermeiden. Wür-
de ein Wahlverfahren mit der Möglichkeit, anstelle einer Person eine Personengruppe zu wählen, gestützt
auf das geltende GRG als zulässig erachtet, müssten etliche Bestimmungen vom Wortlaut abweichend in-
terpretiert werden,74 was zu erheblichen Unsicherheiten bei den entsprechenden Wahlen führen könnte.
Dies ist durch das GRG mit Bestimmtheit nicht gewollt.
d) Systematische Auslegung
72 Im Rahmen der systematischen Auslegungen liesse sich zugunsten eines vom Wortlaut abweichenden
Verständnissen (und der Zulässigkeit, auch Personen im Jobsharing in ein Amt wählen lassen zu können)
argumentieren, das GRG regle nur den formellen Ablauf des Wahlverfahrens und überlasse die Frage, in
welchem Modell ein Arbeitsverhältnis bzw. eine Funktion ausgeübt werden kann, der Personalgesetzge-
bung. Kaum begründen liesse sich dann aber, weshalb die Personalgesetzgebung für hauptamtliche Be-
72 Vortrag der Kommission Parlamentsrechtsrevision an den Grossen Rat zum Gesetz über den Grossen Rat (Gross-
ratsgesetz, GRG) und zur Geschäftsordnung des Grossen Rates (GO), Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2013, Beilage 2. Siehe zur Parlamentsdebatte zudem: Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern 2013, S. 2 ff. (1. Lesung), S. 526 ff. (2. Lesung).
73 Vgl. Rz. 22 hiervor. 74 Rz. 67 hiervor.
Recht & Governance 27
hördenmitglieder (Art. 3 Abs. 4 PG) eine Verknüpfung der Arbeitsverhältnisse hinsichtlich deren Beendi-
gung nicht zulässt (siehe dazu ausführlich Ziff. 3.5 hiervor).
73 Auch die systematische Auslegung liefert demnach keine brauchbaren Argumente für eine vom Wortlaut
der Wahlbestimmungen abweichende Auslegung der einschlägigen GRG-Normen.
5.4 Zwischenergebnis
74 Die einschlägigen Gesetzesbestimmungen zu den Wahlen von Magistratspersonen schliessen eine Wahl
mehrerer Personen in ein Amt (eigentliches Jobsharing) aus. Dies gilt sowohl für die vom Volk gewählten
Magistratspersonen, als auch für jene, die der Grosse Rat wählt.
Recht & Governance 28
6. Beantwortung der Gutachterfragen
75 Die gestellten Gutachterfragen lassen sich wie folgt beantworten:
a) Ist ein Jobsharing für Magistratspersonen im Kanton Bern nach geltendem Recht zulässig?
Nein.
Gegen die Zulässigkeit spricht zum einen die Wahlgesetzgebung, welche nicht auf Wahlen mehrerer Per-
sonen in ein Amt bzw. in eine Funktion ausgerichtet ist. Dies gilt sowohl für Volkswahlen, als auch für die
Wahlen des Grossen Rates nach Art. 80 ff. GRG. Die Bestimmungen zu den Wahlen von Magistratsper-
sonen bzw. hauptamtlichen Behördenmitgliedern erscheinen dabei als sog. lex specialis zu den allgemei-
nen personalrechtlichen Bestimmungen und gehen diesen damit vor (Art. 2 Abs. 2 PG).
Zum anderen ergeben sich aus der Personalgesetzgebung grundsätzliche und erhebliche Probleme für
ein eigentliches Jobsharing bei Magistratspersonen bzw. hauptamtlichen Behördenmitgliedern im Sinne
von Art. 3 Abs. 4 PG: Da eine Auflösung der Arbeitsverhältnisse während laufender Amtsdauer von staat-
licher Seite nur durch gerichtliche Abberufung nach Art. 41 PG möglich ist, kann bei Magistratspersonen
keine Verknüpfung mehrerer Arbeitsverhältnisse hinsichtlich deren Beendigung erfolgen.
b) Inwiefern unterscheidet sich die rechtliche Ausgangslage bezüglich eines Jobsharings bei erst-instanzlichen Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten von jener anderer vom Grossen Rat gewählter Magistratspersonen?
Da ein Jobsharing nach dem zu Bst. a) Geschriebenen bei allen Magistratspersonen unzulässig erscheint,
ergeben sich keine rechtlichen Unterschiede zwischen erstinstanzlichen Richterinnen bzw. Richtern und
anderen vom Grossen Rat gewählten Magistratspersonen.
Neben den unter Bst. a) aufgeführten Gründen zur Unzulässigkeit eines Jobsharings bei Magistratsperso-
nen, erweist sich ein Jobsharing bei Richterinnen und Richtern zudem aufgrund der lex specialis im
GSOG als unzulässig. Die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen (Art. 20 und 21 GSOG) ergibt,
dass sich der Gesetzgeber im Sinne eines qualifizierten Schweigens bewusst gegen die Möglichkeit der
Arbeitsaufteilung von Richterstellen im Rahmen eines Jobsharings entschieden hat.
c) Die Anstellungsbehörde entscheidet, ob eine Funktion oder ein Arbeitspensum im Jobsharing besetzt wird (Art. 141 Abs. 1 PV). Gilt dies auch für Magistratspersonen, welche in ihr Amt ge-wählt und nicht angestellt werden?
Nein, Art. 141 Abs. 1 PV kann für Magistratspersonen aufgrund des besonderen Wahl- und Abberufungs-
verfahrens keine Anwendung finden. Zum personalrechtlichen Rahmen für ein Jobsharing siehe Kapitel 3
des vorliegenden Kurzgutachtens.
Recht & Governance 29
Mit anderen Worten: Kann der Grosse Rat – entgegen der Auffassung des Obergerichts – freie Richterstellen in Jobsharingstellen umwandeln (analog Art. 21 Abs. 1 GSOG), ohne dabei das Gewaltenteilungsprinzip zu verletzen?
Nein. Dazu bedürfte es zumindest einer Änderung des GSOG und wohl auch des GRG (siehe dazu die
Kapitel 4 und 5 des vorliegenden Kurzgutachtens).
Falls ja, gilt dies sowohl für Richterinnen und Richter der ersten als auch der zweiten Instanz?
Es ergeben sich nach Art. 21 Abs. 1 GSOG keine rechtlichen Unterschiede zwischen den Richterinnen
und Richtern erster Instanz zu jenen der zweiten Instanz.
d) Im vorliegenden Fall war die Stelle im Vollzeit- und nicht im Teilzeitpensum ausgeschrieben. Könnte im laufenden Bewerbungsprozess die Stelle in zwei Teilzeitstellen oder – falls zulässig – in eine Jobsharingstelle umgewandelt werden oder müsste die Stelle dann neu ausgeschrie-ben werden?
Die Frage, ob die Stelle vorliegend als Jobsharing-Stelle nochmals auszuschreiben ist bzw. wäre, erübrigt
sich, da nach dem Geschriebenen eine Umwandlung der Vollzeitstelle in eine Jobsharing-Stelle rechtlich
ausgeschlossen ist.
Es bleibt die Frage, ob im Falle einer Aufteilung einer Vollzeitstelle in zwei Teilzeitstellen eine erneute
Ausschreibung erfolgen müsste. Dazu ist festzuhalten, dass sich die Justizkommission die Pflicht zum
Ausschreiben von vakanten Stellen (im Amtsblatt und im Internet) durch Art. 49 des Reglements der Jus-
tizkommission (Reglement JuKo) selbst auferlegt hat. Der Bestimmung liegt offensichtlich die Intention zu
Grunde, in einem transparenten Verfahren möglichst viele geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu er-
reichen. Dem entspricht, dass bei einer Aufteilung einer Stelle in zwei Teilzeitstellen während laufendem
Bewerbungsprozess eine erneute Ausschreibung erfolgen sollte.
Der Grosse Rat ist als Wahlbehörde nach Art. 21 Abs. 1 GSOG aber in keiner Weise gehindert, eine Wahl
auch ohne vorgängige Ausschreibung vorzunehmen. Insofern bleibt es ohne rechtliche Folgen, wenn die
Justizkommission bei einer Aufteilung einer Vollzeitstelle in zwei Teilzeitstellen (was notabene vorliegend
gar nicht beabsichtigt ist) auf eine erneute Ausschreibung verzichtet.
Recht & Governance 30
e) Falls ein Jobsharing ausgeschlossen wäre: Muss den Bewerberinnen nochmals Gelegenheit geboten werden, sich für die Vollzeitstelle zu bewerben?
Die Stelle wurde so ausgeschrieben, wie sie nun auch besetzt wird. Es ist dementsprechend kein rechtli-
cher Grund zu sehen, weshalb den Bewerberinnen nochmals Gelegenheit geboten werden müsste, sich
für die Vollzeitstelle zu bewerben.
Freilich steht umgekehrt auch nichts einer Nachfrage bei den Bewerberinnen entgegen, ob sie ihre Be-
werbungen unter den bestehenden Gegebenheiten in Bewerbungen für die Vollzeitstelle umwandeln wol-
len.
f) Inwiefern müsste sich eine Zusatzvereinbarung bezüglich Richterinnen und Richter zur Frage der Aufgabenteilung mit gemeinsamer und getrennter Verantwortung äussern (Art. 142 Abs. 2 PV)?
Die Frage erübrigt sich, da eine Zusatzvereinbarung nach Art. 142 Abs. 2 PV für Richterinnen und Richter
ausser Betracht fällt.
g) Wer müsste im vorliegenden Fall die Zusatzvereinbarung abschliessen? Welche Rolle käme insbesondere dem Obergericht oder der Justizleitung zu?
Die Frage erübrigt sich.
h) In welchem Verhältnis stünde eine Zusatzvereinbarung nach Art. 142 Abs. 2 PV (z.B. bezüglich Beendigung Jobsharing) zum Wahlakt des Grossen Rates?
Gerade aufgrund des Wahlakts durch den Grossen Rat bzw. des gesetzlich geregelten Wahlverfahrens
erweist sich ein eigentliches Jobsharing für Magistratspersonen als unzulässig.
Im Übrigen stellt Art. 41 PG zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Magistratspersonen während
laufender Amtsdauer zwingendes Rechts dar. Auf den sich aus Art. 41 PG ergebenden Schutz können die
vom Volk oder vom Grossen Rat gewählten Magistratspersonen weder vertraglich noch durch einseitige
Willenserklärung verzichten.
Recht & Governance 31
i) Ein Jobsharing ist gemäss Art. 142 Abs. 1 PV ein separates, voneinander unabhängiges Ar-beitsverhältnis und wird dienstrechtlich einer Teilzeitstelle gleichgestellt. Ø Was gilt es im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Amtsdauer im
Jobsharing zu beachten? Ø Wie ist die rechtliche Ausgangslage bei Magistratspersonen, wenn nur bei einem der bei-
den gewählten Jobsharingpartner eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Amtsdauer vorliegt? Was sind die Folgen für den anderen Jobsharingpartner?
Ø Falls der andere Jobsharingpartner gleichzeitig die Stelle verlassen müsste, wäre dies als unverschuldete Abberufung zu werten? Müsste ihm eine andere zumutbare Stelle angebo-ten werden? Hätte er allenfalls Anspruch auf eine Abgangsentschädigung oder auf eine Sonderrente zu (vgl. Art. 43 i. V. mit Art. 33 ff. Personalgesetz vom 16. September 2004 [PG; BSG 153.01])?
Die Fragen zu Bst. i erübrigen sich weitestgehend, da nach dem Geschriebenen ein Jobsharing für Ma-
gistratspersonen unzulässig ist.
Sollte entgegen den klaren Aussagen des vorliegenden Gutachtens doch eine Wahl mehrerer Person auf
eine Stelle im Rahmen eines Jobsharings erfolgen, hätte die Beendigung des einen Arbeitsverhältnisses
während laufender Amtsdauer keinen Einfluss auf das noch bestehende Arbeitsverhältnis. Namentlich
würde kein Abberufungsgrund im Sinne von Art. 41 Abs. 3 PG vorliegen. Das noch bestehende Arbeits-
verhältnis würde mit anderen Worten bis zum Ablauf der Amtsdauer weitergeführt.
Erfolgt nach Ablauf der Amtsdauer keine Wiederwahl des verbliebenen Jobsharing-Partners, so würde
dies nach Ansicht des Unterzeichnenden den Tatbestand von Art. 43 PG („unverschuldete Nichtwieder-
wahl“) aber nicht erfüllen.
Freundliche Grüsse
Martin Buchli, RA, LL.M.