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Schule: Freiherr-vom-Stein-Schule
Hessisch Lichtenau
Fach: Kunst
Fachlehrerin: Frau Seiler
Ort: Großalmerode
Abgabedatum: 15.04.2015
Zum Objektivitätsanspruch der Fotografie in den
Portraits Gisèle Freunds -
am Beispiel der Fotoreportage über Evita Perón
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JJaannaa BBaauummaannnn
2
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort Seite 3
2. Allgemein: Objektivität in der Fotografie Seite 4
3. Gisèle Freund Seite 5-8
3.1 Biografie Seite 5
3.2 Ihre Arbeitsweise und Intention Seite 6-7
3.3 Scheinobjektivität der Fotografie Seite 7-8
4. Fotoreportage über Evita Perón Seite 9-14
4.1 Das Leben der Evita Perón Seite 9-10
4.2 Untersuchung zum Objektivitätsanspruch Seite 10-13
4.3 Wirkung und Reaktion der Reportage Seite 14
5. Fazit Seite 15-16
6. Nachwort Seite 17
7. Anhang Seite 18-19
7.1 Literaturverzeichnis Seite 18
7.2 Internetquellenverzeichnis Seite 18-19
7.3 Abbildungsverzeichnis Seite 19
7.4 Sonstige Quellen Seite 19
8. Erklärung Seite 20
9. Dokumentationsblatt zum Arbeitsprozess Seite 21
3
1.Vorwort
Ich habe mich für die Jahresarbeit in Kunst entschieden, da mich dieses Fach sehr
interessiert. Viele verschiedene Künstler, Epochen, Stilrichtungen und Meinungen
begeistern mich und haben mich dazu gebracht, mich in diesem Bereich weiterzubilden.
Vor allem gefällt mir die Fotografie, weil sie Augenblicke und Momente des Lebens zu
einem bestimmten Zeitpunkt festhält. Daher stand schnell für mich fest, in welche
Richtung das Thema meiner Jahresarbeit gehen soll.
Meine Kunstlehrerin, Frau Seiler, und ich einigten uns zuerst auf die Fotografin Gisèle
Freund. Zunächst recherchierte ich im Internet und informierte mich über diese
Fotografin. Dabei stieß ich auf einige ihrer Fotoreportagen, wie zum Beispiel auf die
über Evita Perón1. Nach einer weiteren Besprechung mit Frau Seiler lautete mein
Thema: „Zum Objektivitätsanspruch der Fotografie in den Portraits Gisèle Freunds - am
Beispiel der Fotoreportage über Evita Perón“. Es hat mich sofort angesprochen, da die
Objektivität in der Fotografie ein umstrittenes Thema ist, was es sehr interessant für
mich machte. Außerdem war ich gespannt darauf, wie Gisèle Freund dem gegenüber
steht und was ihr Objektivitätsanspruch in der Fotografie ist.
Zunächst werde ich kurz Gisèle Freund anhand ihrer Biografie vorstellen. Danach gehe
ich auf verschiedene Meinungen zur Objektivität in der Fotografie ein. Darunter auch
die Sichtweise von Gisèle Freund, die ich anschließend schwerpunktmäßig auf die
Reportage über Evita Perón beziehen und analysieren werde. Im Anschluss werde ich
die Reaktionen und Folgen dieser Reportage nennen, die sowohl Evita Perón als auch
Gisèle Freund betreffen. Ein Fazit wird mein Ergebnis der Jahresarbeit
zusammenfassen.
Am Ende meiner Jahresarbeit möchte ich klar darüber informiert sein, wie Gisèle
Freund als Fotografin gearbeitet hat und was ihre Intention dabei war. Vorwiegend
interessiert mich der Objektivitätsanspruch in ihren Portraits.
1 Gattin des argentinischen Präsidenten Juan Domingo Perón
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2. Objektivität in der Fotografie
Die Frage nach der Objektivität in der Fotografie ist weit umstritten. Die Meinungen
von verschiedenen Künstlern gehen auseinander, wenn diese darüber diskutieren, ob ein
Foto objektiv ist. Schon zu der Zeit, als die Fotografie aufkommt, wird sie zu einem
Streitobjekt, da sie bei vielen Künstlern und Kunstkritikern nicht als Kunst angesehen
wird. Dabei spielt die Objektivität eine wichtige Rolle. Die Gegner der Fotografie
stellen den Apparat nur als ein technisches Instrument dar, welches mechanisch die
Erscheinungsformen objektiv wiedergäbe.2 Dazu gehört beispielsweise Delacroix3, der
die Fotografie einem „Spiegelbild des Wirklichen“4 gleichsetzt, welche nichts anderes
darstellt, als die exakte Realität. Für ihn sei die Fotografie kein Kunstwerk, da sie nur
das Objektive zeige und nicht das „Charakteristische, Eigentümliche“5. Es sei für ihn
wichtig, „ »den Geist« des Menschen oder des Dinges, das er zeichnet, zu erfassen und
wiederzugeben und nicht bei der äußeren Wiedergabe stehenzubleiben.“6 Delacroix ist
also der Meinung, dass die Fotografie nur das wiedergibt, was der Mensch sieht und
nicht auf das Innere des Menschen, was ihn ausmacht, eingeht. Hingegen gibt es
allerdings auch Fotografen, die die Fotografie mit der Malerei vergleichen. Ihr
künstlerischer Geschmack sei dafür verantwortlich, welchen Ausschnitt, welche
Darstellung und welche Beleuchtung sie für das Bild wählen. Der Apparat diene nur
dazu, die Aufnahme zu machen.7 Die Fotografen sind dazu in der Lage, das, was sie
fotografieren wollen, nach ihren Vorstellungen aufzunehmen, wie ein Maler malt.
Daraus resultiert, dass ein Bild nicht objektiv ist, sondern sehr wohl individuelle
künstlerische Empfindungen und Anschauungen ausdrücken kann.
Gisèle Freund kann man dem Letztgenannten zuordnen, jedoch vertritt sie noch eine
weitere Ansicht hinsichtlich der Objektivität in der Fotografie.
2 Nach: Freund, Gisèle: Photographie und Gesellschaft. Hamburg, 1979, S. 82
3 Ferdinand Victor Eugène Delacroix, Französischer Maler
4 Nach: Freund, Gisèle: Photographie und Gesellschaft. Hamburg, 1979, S. 91 zit iert nach Delacro ix,
Ferdinand Victor Eugène 5 Ebd. S. 91
6 Ebd. S. 91
7 Nach: Ebd. S. 83
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3. Gisèle Freund
3.1 Biografie
Gisèle Freund ist eine deutsch-französische Fotografin. Sie wird am 19. Dezember 1908
in Berlin-Schöneberg geboren. Zum bestandenen Abitur 1929 schenkt ihr Vater ihr eine
Leica8. Anschließend studiert Gisèle Freund Soziologie und Kunstgeschichte in
Freiburg und in Frankfurt am Main. 1933 involviert sie sich am Kampf gegen das
Hitler-Regime, weshalb sie nach Paris fliehen muss, um einer Verhaftung zu entgehen.
Dort führt sie ihr Studium weiter. Einige Jahre später wird ihre erste große
Fotoreportage über Arbeitslose in England in „Life“9 veröffentlicht. Im gleichen Jahr,
1936, wird sie französische Staatsbürgerin und heiratet. Ihre ersten farbigen
Portraitfotos von Schriftstellern und Künstlern entstehen 1938. Außerdem erscheinen
viele Fotoreportagen in bekannten Magazinen wie „Vu“10 und „Life“. Im Jahr 1942 reist
Gisèle Freund nach Argentinien und arbeitet dort hauptsächlich als Journalistin und
Fotoreporterin. Des Weiteren wird sie ab 1947 bis 1954 ein Mitglied der Fotoagentur
„Magnum“11. Ein bedeutendes Projekt in ihrer Karriere ist die Fotoreportage über Evita
Perón. Diese erscheint in „Life“ und macht sie populär. Seitdem werden viele
Fotoreportagen von Gisèle Freund in Japan, dem Nahen Osten, in Europa, USA,
Mexiko u.v.m. veröffentlicht. Außerdem entsteht „Photographie et société“12, eine
politische Geschichte der Fotografie, die von ihr geschrieben wird. Freund erhält viele
Preise, wie zum Beispiel den Kulturpreis der „Deutschen Gesellschaft für Fotografie“13.
Unter anderem fotografiert sie den französischen Staatspräsidenten François Mitterrand
und erstellt das offizielle Portrait von ihm. Im weiteren Verlauf ihres Lebens erhält sie
viele hohe französische Auszeichnungen. Zu dem verbringt sie ein Studienjahr in den
USA, um sich auf dem Gebiet „Photographie und Gesellschaft“ weiterzubilden und um
deren Entwicklungen festzuhalten. In den nachkommenden Jahren folgen zahlreiche
Ausstellungen ihrer Werke. Gisèle Freund stirbt schließlich im Jahr 2000.14
8 Kamera
9 Magazin aus den Vereinigten Staaten von Amerika
10 Magazin aus Fran kreich
11 Fotoagentur in Paris
12 Photographie und Gesellschaft, geschrieben von Gisèle Freund, veröffentlicht im Jahr 1974
13 Organisation, die sich für kulturelle Belange der Fotografie einsetzt
14 Nach: Neyer, Hans Joachim: Gisèle Freund. Berlin, 1988, S. 78 f und nach: Museum für Moderne
Kunst: Gisèle Freund - Fotografien zum 1. Mai 1932. Fran kfurt am Main, 1995, S. 133 f
6
3.2 Ihre Arbeitsweise und Intention
Gisèle Freund möchte vor allem den Charakter der von ihr Porträtierten in den Bildern
zeigen und nicht das, was sie dabei empfindet. „Das menschliche Gesicht, die
individuellen Gesten haben mich immer fasziniert. Ein Portrait scheint mir gelungen,
wenn man in ihm die Persönlichkeit des Fotografierten und nicht die des Fotografen
wiederfindet.“15 Dazu sei es nötig, die äußere Hülle der Wirklichkeit zu durchdringen.
Diesbezüglich vergleicht sie das Gesicht mit einem Buch. „Der Fotograf muss in einem
Gesicht lesen wie in einem Buch. Er muss auch das entschlüsseln, was zwischen den
Zeilen steht. Um ein guter Fotograf zu sein, muss man verstehen, die Formen und ihren
Geist in Licht und Schatten zu übersetzen.“16 Gisèle Freund meint damit, die
Charakterzüge des Portraitierten zu erkennen und diese anschließend in den Bildern
festzuhalten. Dies gilt auch für ihre Fotoreportagen, wo sie zusätzlich Zusammenhänge
verbinde und Verborgenes enthülle.17 Um dies zu erreichen, ginge sie zu den Menschen,
die sie fotografiert. Durch die ihm bekannte Umgebung fühle sich der Fotografierte
wohler und erleichtere die Aufgabe für den Fotografen. Zudem komme, dass die von
dem Fotografierten ausgewählten Möbel, Bilder, Objekte und weitere Kleinigkeiten
seine innere Welt widerspiegeln. Dadurch wirke die Aufnahme authentischer und
lebendiger.18 Des Weiteren setzt Freund den Fotografen mit einem Übersetzer gleich.
Ein Übersetzer müsse neben den beiden Sprachen über Sensibilität,
Anpassungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen verfügen, damit die Führung, der
Klang, die Konturen und die Flexibilität der eigentlichen Sprache nicht verloren gingen.
Ähnlich sei es bei dem Fotografen. Der Fotograf müsse ausreichend informiert,
scharfsinnig und wirklichkeitsfühlig sein, um wirklichkeitsgetreue Bilder zu erhalten.19
Je mehr der Fotograf also über die fotografierte Person weiß, umso mehr kann er die
Persönlichkeit des Fotografierten hervorbringen. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass
ein Foto von Gisèle Freund eine gewisse Subjektivität beinhaltet, da mehrere Fassetten
eines Menschencharakters zu sehen sind und durch gezielte Arbeit hervorgehoben
werden. Ihre Intention ist es, „die Welt [zu] sehen, [zu] fotografieren, [zu] beschreiben -
15
Fischer, S.: Gisèle Freund - Memoiren des Auges. Frankfurt am Main, 1977, S.29 16
Reisner, Imogen: Im Gesicht lesen wie in eine m Buch, 27.03.2015, http://www.deutschlandfunk.de/im-gesicht-lesen-wie-in -einem-buch.700.de.html?dram:article_id=83884 17
Nach: Honnef, Klaus: Gisèle Freund - Fotografien 1932-1977. Bonn,1977, S. 14 f 18
Nach: Fischer, S.: Gisèle Freund - Memoiren des Auges. Frankfurt am Main, 1977, S.29 19
Nach: Honnef, Klaus: Gisèle Freund - Fotografien 1932-1977. Bonn,1977, S. 12
7
und [zu] verändern.“20 Gisèle Freunds Wille ist demnach, dass der Betrachter mit den
Augen versteht.
3.3 Scheinobjektivität der Fotografie
Unter anderem kritisiert die Fotografin die
Scheinobjektivität der Fotografie. Durch verschiedene
Manipulationstechniken sei es möglich, die Bedeutungen
und Aussagen der Bilder zu verändern. Außerdem komme es
darauf an, wie der
Fotograf die Wirklichkeit aufnehme, denn dies sei auch ein
entscheidendes Kriterium, ein Bild und dessen Inhalt zu
verfälschen.21 Daraus ergibt sich, dass ein Bild mehr als
„tausend Worte lügen“ kann. Auch ihre Bilder seien in der
Vergangenheit missbraucht worden. Ein Beispiel dafür ist
eine ihrer Life-Reportagen. Das Magazin habe sie beauftragt,
eine Reportage über den Missstand im Norden Englands zu
machen. Den Anlass für den Auftrag habe sie erst dann
erfahren, als ihre Bilder veröffentlicht wurden. Ihre Bilder
zeigen arbeitslose Werftarbeiter und das Elend in Newcastle-
upon-Tyne. Diese seien auch in Life erschienen, allerdings
habe das Magazin die Bilder in einem anderen
Zusammenhang veröffentlicht. Es habe sie dem britischen
Königshaus, das in Saus und Braus lebe, unter dem Titel
»This is what Englishmen mean by THE DEPRESSED
AREAS«22 gegenüber gestellt. Im Nachhinein zeige es der
Fotografin, wie sehr Bilder missbraucht werden können.23
Durch die Kombination der verschiedenen Bilder werden die Aussage und die Absicht
20
De Cosnac, Bettina: Gisèle Freund - Ein Leben. Zürich - Hamburg, 2008, S. 98 21
Nach: Harder, Matthias: Erfahrung Krieg: zur Darstellung des Zweiten Weltkrieges in den Romanen
von Heinz G. Konsalik, 2.1 Zur photografischen Erfahrung von Realität, 30.03.2015, https://books.google.de/books?id=YVG-G-4N9gUC&pg=PA133&lpg=PA133&dq=objektivit%C3%A4t+g isele+freund&source=bl&ots=3BNkyMwyHf&sig=tb5eSrVZ42P6-DA-DTn1crUPMp4&hl=de&sa=X&ei=EXUYVZjuMo2yaY2zgrAE&ved=0CGIQ6AEwDA#v=onepage&q=objektivit%C3%A4t%20gisele%20freund&f=false 22
Was man in Eng land unter notleidenden Gegenden versteht 23
Nach: De Cosnac, Bettina : Gisèle Freund - Ein Leben. Zürich - Hamburg, 2008, S. 97
Abbildung 1:
Life-Reportage
„This is what
Englishmen mean
by THE
DEPRESSED
AREAS“
8
von Gisèle Freunds Reportage verändert. Es gäbe allerdings noch weitere
Möglichkeiten, Fotos zu manipulieren. Beispielsweise können Überschriften oder
Untertitel von Reportagen den Inhalt des Fotos verändern. Des Weiteren spiele der
Ausschnitt eines Fotos eine wichtige Rolle, da er die Situation stark verändern könne.
Hinzu komme die Auswahl des Blickwinkels auf den Fotografierten und die Wahl des
Objektivs. Ein ungünstiger Blickwinkel, eine ungünstige Situation und bestimmte
Kameraobjektive seien dazu fähig, eine Person lächerlich darzustellen. Gisèle Freund
betont außerdem, dass es möglich sei, ein Foto auch im Nachhinein zu manipulieren.
Dies sei durch Montage erreichbar, was heutzutage mit dem bekannten Programm
„Photoshop“ durchführbar ist. Damit könne man zum Beispiel Personen aus einem Bild
verschwinden lassen oder auch hinzufügen.24 Freund selbst ist gegen das Retuschieren.
Die Kameralinse ist offenbar bestechlich und demzufolge zeigt sie keine objektiven
Aufnahmen. In der Pressefotografie werden Aussagen und Inhalte absichtlich
manipuliert.
24
Nach: Freund, Gisèle: Das Pressefoto und Möglichkeiten seiner Manipulation, Arbeitsmaterial aus dem Unterricht, siehe Anhang
9
4. Fotoreportage über Evita Perón
Am 11. Dezember 1950 wird die Fotoreportage über Evita Perón in „Life“ erstmals
veröffentlicht.25 Evita Perón, die Frau des Präsidenten Argentiniens, zeigt sich in ihrer
privaten Umgebung und lässt sich dort von Gisèle Freund fotografieren. „Die
Fotografin schmeichelte der First Lady, und Evita, einsam an der Spitze der Macht,
dankte ihr, indem sie ihr die geheimsten Türen zu ihren Zimmern und die hintersten
Schubladen ihrer überfüllten Kleiderschränke öffnete.“26 Diese Fotoreportage wird
später zu einem Skandal.
4.1 Das Leben der Evita Perón
Eva María Ibarguren wird 1919 in Los Toldos in der Provinz Buenos Aires geboren.
Ihre Eltern, Juan Duarte und seine Geliebte, haben fünf Kinder, wobei ihr Vater noch
eine weitere offizielle Familie mit seiner Ehefrau hat. Er ist ein Großgrundbesitzer und
dadurch sehr vermögend. Später nimmt Eva seinen Nachnamen an. Bis zu Juan Duartes
Tod unterstützt er beide Familien. Als er dann jedoch stirbt, leben Eva und ihre Familie
in Armut. Für Eva ist schon früh klar, dass sie Schauspielerin oder Präsidentin werden
will. Durch ihren Ehrgeiz gelingt ihr eine Karriere als Schauspielerin und Sängerin,
wobei diese nicht sehr erfolgreich verläuft. Später wird sie Radiosprecherin. Ihren
zukünftigen Ehemann, Juan Domingo Perón, lernt sie 1944 auf einer
Wohltätigkeitsveranstaltung kennen. Er ist ein Politiker, der zu dieser Zeit die
Präsidentschaft ansteuert. Die beiden verlieben sich und heiraten im folgenden Jahr. Sie
steht ihrem Mann im Wahlkampf zur Seite. Anschließend wird Eva First Lady, da Juan
Domingo Perón die Wahl gewinnt. Anders als andere Frauen von Präsidenten mischt sie
sich in die Politik ein und entwickelt eigene Wünsche. Sie ernennt sich zur „Anwältin
der Armen“ und gründet eine Stiftung namens „Eva Perón“. Diese ist dazu da, um das
Vermögen der Reichen auf die Armen zu verteilen. Des Weiteren setzt sie sich für die
Rechte der Frauen ein. Schließlich wird Eva Perón in Argentinien und auf der ganzen
Welt nur noch Evita genannt. Sie stirbt schon im Alter von 33 Jahren aufgrund einer
Krebskrankheit.
Das ganze Land trauert um sie. Doch schon vor ihrem Tod ist sie umstritten. Zum einen
kämpft sie um die Rechte der Frauen und wird als Heldin der Armen angesehen. Doch
25
Nach: De Cosnac, Bettina : Gisèle Freund - Ein Leben. Zürich - Hamburg, 2008, S. 171 26
Ebd. S.170
10
im Kontrast zur Armut trägt die Präsidentengattin sehr teure Kleidung und schmückt
sich mit hochwertigen Accessoires. Und das alles auf Kosten des Staates. Trotzdem gilt
sie als bedeutungsvollste Person Argentiniens.27 Es wird behauptet, dass die Macht der
Peróns auf dem Rückhalt in der Bevölkerung beruhe, aufgrund von den sozialen
Reformen und der „Legende“28 um Evita. Zudem seien die Gewehre des Militärs
wichtige Instrumente ihrer Macht.29
4.2 Untersuchung zum Objektivitätsanspruch
Das Bild zeigt Evita Perón mit ihrem Schmuckbesitz. Links im Bild sieht man die
Präsidentengattin. Sie schaut auf dem vor ihr stehenden Schmuckkasten, der mit
reichlich Juwelen gefüllt ist. Den Hintergrund bildet ein riesiges Gemälde, was sehr
hochwertig erscheint. Evita Perón trägt ihre Haare zu einem Dutt zusammengebunden,
wodurch der üppige Ohrring zum Vorschein kommt. Ihre rechte Hand liegt vorsichtig
auf dem Kästchen. Dadurch wird der Betrachter auf den glänzenden Ring und ihre
manikürten Fingernägel aufmerksam. Ihr Blick ist auf die Schublade gerichtet, die sie
27
Nach: n-tv mediathek: Umstritten und unsterblich: Ev ita Perón, 28.03.2015, http://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/unterhaltung/Evita-Peron-article289919.ht ml und nach: Argentinia - Argentien.com: Ev ita und Juan Domingo Perón, 28.03.2015, http://www.argentina-argentinien.com/staat-gesellschaft/juan-domingo-peron-eva.html 28
Honnef, Klaus: Gisèle Freund - Fotografien 1932-1977. Bonn, 1977, S. 14 29
Nach: Ebd. S. 14
Abbildung 2: Evita Perón mit ihrem Schmuck
11
anscheinend gerade mit der linken Hand aus dem Schmuckkasten gezogen hat. Gisèle
Freund wählte dazu eine Perspektive, wo die Fotografin auf Augenhöhe ihr gegenüber
steht. Es wirkt ebenbürtig, denn die Fotografin nimmt Evita weder von unten noch von
oben auf. Die Mundwinkel Evitas zeigen nach oben und ihre Augen sind auf die
Juwelen fixiert. Ihre aufrechte Körperhaltung unterstreicht den Stolz, den sie als
Präsidentengattin verkörpert. Gisèle Freund wählt eine Profilansicht, wodurch Evitas
Gesicht und das Schmuckkästchen mit dessen Inhalt zu sehen ist. Auf diese Weise
nimmt man den Ausdruck ihres Gesichtes wahr. Ihr Blick ruht ruhig auf dem Schmuck.
Des Weiteren werden das Gesicht und der Kasteninhalt beleuchtet. Es entsteht eine
Verbindung von Mensch und Gegenstand, die Gisèle Freund bewusst wählte. Dies wird
durch die Komposition des Bildes deutlich. Die Fotografin spannt das Bild aus. Das
Gemälde im Hintergrund bildet einen Horizont. Evita und das Schmuckkästchen füllen
das Bild aus, wobei Evitas Blickverlauf eine diagonale Linie zum Schmuckkasten
bildet. Der goldene Schnitt liegt bei der Präsidentengattin, wodurch diese
hervorgehoben wird. Der Ausschnitt des Bildes ist also so gewählt, dass das Wichtigste,
der Charakter der Evita Perón in Bezug zu ihrem Besitz, deutlich wird. Um solche
Charakterzüge in den Fotos zu zeigen, fotografiert Freund die Präsidentengattin in ihrer
Umgebung, in ihrem Zuhause. Evita fühlt sich wohl und öffnet sich der Kamera. Sie
zeigt sich authentisch. Auch die Objekte, das Kästchen mit den Juwelen und das
Gemälde, führen dazu, ihre Welt widerzuspiegeln. Dabei wird ein völlig anderes Licht
auf die von der Bevölkerung verehrte Dame geworfen. Anders als bekannt, wird sie
nicht als der „Engel der Armen“30 dargestellt, sondern als besitzverliebte Frau. Stolz
präsentiert sie der Kamera ihren Reichtum und es scheint, als ob sie ihren Besitz der
ganzen Welt zeigen möchte. Anstatt Güte zeigen die Aufnahmen nun Besitzerstolz und
das Glamouröse kontrastiert den Großmut, den sie sonst immer zu haben schien. Damit
schafft es die Fotografin, hinter die Maske von Evita Perón zu schauen. Sie fotografiert
die einst verschleierte Wirklichkeit, verknüpft Zusammenhänge und entlarvt Evita
Perón als eine selbstverliebte und eitle Person. Diese stellt sich in den Vordergrund und
möchte zeigen, was sie besitzt und wie schön sie ist. Mit Fotografien will Gisèle Freund
vor allem die Welt verändern. Sie will den Menschen die Welt zeigen, wie sie ist und
die Menschen dazu auffordern, zu hinterfragen und nicht alles zu glauben. Das schafft
sie in dieser Fotoreportage, indem sie die Wahrheit über Evita gegenüber der
Bevölkerung aufdeckt. Diese Fotos bewirken eine Veränderung der Wahrnehmung und
30
Kalinowsky, Yvonne: Menschen, die sie liebte: Porträts von Gisèle Freund, 29.03.2015, http://www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2014/05/gisele-freund-ausstellung-in-der-akademie-der-kuenste.html
12
der Sichtweise der Argentinier und der ganzen Welt auf die scheinbare Barmherzige.
Die Fotografin will mit den Fotos dazu anregen, mit den Augen zu verstehen. Sie will
verdeutlichen, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Evita Perón zeigt sich in der
Öffentlichkeit zwar sehr verbunden mit den Armen, jedoch wird in der Reportage eine
andere Seite von ihr offenbart. Ihre Unterstützung endet da, wo ihr persönlicher Besitz
angegriffen würde. Sie macht nicht den Eindruck, sich mit der Unterschicht, den
Armen, zu identifizieren, sondern präsentiert sich im Luxus.
Ein weiteres Foto der Reportage bildet
Evita in einer pompösen Robe ab.
Hinsichtlich der Komposition ist sie der
Mittelpunkt des Bildes. Ihr Mann, der
noch dazu den Kopf gesenkt hält, scheint
nur die Marionette zu sein. Er ist nur am
Rand des Bildes positioniert. Der Fokus
liegt auf Evita. Ihr Blick in die Kamera
lässt sie stolz und selbstbewusst wirken.
Gisèle Freund fotografiert sie in der
Zentralperspektive, wodurch ihre Kleidung
hervorgehoben wird und im Ganzen zu
sehen ist. Selbst in diesem hohen Raum
wirkt sie aufgrund der prächtigen Robe
gewaltig und dominierend. Und auch hier
ist sie wieder mit edlen Accessoires
geschmückt. Der Betrachter kann ihren
Stolz spüren und wahrnehmen. Ihr macht
es Spaß, sich vor der Kamera zu positionieren und all ihren Reichtum zu zeigen.
Gisèle Freund gelingt es nur mit einem Foto, das Charakteristische Evitas zu
demonstrieren und festzuhalten. Außerdem sind neben ihrem Mann, Juan Domingo
Perón, und einer weiteren Person, die nur angeschnitten gezeigt wird, ihre zwei Pudel zu
sehen. Dies ist nicht nur auf diesem Foto der Fall, sondern auch auf vielen weiteren der
Reportage. Es wirkt als würde sie „zu ihren Pudeln persönlichere Beziehungen
Abbildung 3: Der General und Evita Perón vor dem
Gala-Akt am Unabhängigkeitstag
13
entfalte[n] als zu den Menschen, denen sie ihre Machtfülle letztendlich verdankt.“31 In
direktem Bezug zu Evita und im Vordergrund demonstrieren sie, welch große
Bedeutung sie im Leben der Präsidentengattin einnehmen. Durch die ausgewählte
Beleuchtung wird der Betrachter sofort auf Evita Perón gelenkt und mustert diese.
Insgesamt fällt auf, wie verschwenderisch sie lebt. Ein echter Kontrast zur Armut der
Bevölkerung im Land. Sie wird nicht mehr als eine Helferin der Armen angesehen.
Vielmehr als eine Dame, die nur sich, ihre Schönheit und ihren Reichtum im Kopf hat.
Gisèle Freund schafft es zwischen den Zeilen zu lesen und die widersprüchliche
Persönlichkeit Evitas zum Ausdruck zu bringen. Dies ermöglichen vor allem die
Perspektive und der Bildausschnitt, welche beide bewusst ausgewählt sind. Dazu
kommt die Beleuchtung, die die Wirkung zusätzlich beeinflusst. Sie als Fotografin kann
die Situation so darstellen, dass der Betrachter in seiner Sichtweise beeinflusst wird.
Das Foto ist also nicht objektiv, sondern es wird durch die zuvor genannten Kriterien
von Freund manipuliert. Jedoch versucht sie dies nur in einem gewissen Maß. Sie
manipuliert ihre Portraits nicht, um etwas schöner darzustellen oder um etwas zu
verstecken. Im Gegenteil. Sie möchte dadurch die Persönlichkeit erklären, das heißt,
dem Betrachter zeigen, wie jemand ist. Ihre Portraits der Fotoreportage sollen so exakt
wie möglich die Wirklichkeit wiedergeben und nichts verfälschen. Gisèle Freund
demonstriert außerdem, dass man nur mit wenigen Darstellungsmöglichkeiten den
Betrachter und dessen Meinung beeinflussen kann. Fotos haben nur eine scheinbare
Objektivität, die gezielt von den Fotografen hervorgerufen wird. Gisèle Freund hält mit
ihrer Kamera die hintergründigen Fakten fest, die sich schließlich zu einem
entlarvendem Gesamtbild zusammenschließen. Die Reportage ist das Ergebnis von der
genauen Beobachtung Gisèles sowie ihre Fähigkeit, den entscheidenden Augenblick
festzuhalten und ihren Bildern mitzuteilen. Bilder, die die Präsidentengattin zeigen, wie
sie Spenden an die Armen verteilt und zu Hause voller Stolz ihren Schmuck betrachtet
führen dazu, dass man aufgerüttelt wird, über die entgegengesetzte Wirkung
nachzudenken. Somit erscheinen die wohltätigen Gaben der Evita sehr klein in
Hinsicht auf ihren Reichtum. Es entsteht ein Kontrast, der viele Reaktionen in der
Presse nach sich zog.
31
Honnef, Klaus: Gisèle Freund - Fotografien 1932-1977. Bonn, 1977, S. 15
14
4.3 Wirkung und Reaktion der Reportage
Als die Reportage veröffentlicht wird, ist es wie eine Offenbarung und Entlarvung der
First Lady. Alle Welt ist schockiert. Zuvor wird sie vor allem für ihre Großmütigkeit zu
den Armen verehrt. Doch die Bilder zeigen die verschwenderische Lebensweise und
den Prunk, in dem sie lebt. Und dies sind keine Fotos, die durch einen Paparazzi
entstanden, sondern Bilder, die gewollt sind. Evita Perón sagt der Fotografin
ausdrücklich, dass jeder sehen solle, was sie besitze.32 Sie präsentiert ihren Reichtum
mit Freude. Als Evita die Fotos sieht, ist sie begeistert und entzückt über ihre
dargestellte Schönheit. Jedoch erkennt der Informationsminister der Peróns sofort die
Ungunst der Bilder für die Politik. Er verlangt von Gisèle Freund, ihm die Negative
auszuhändigen, ansonsten komme sie ins Gefängnis. Außerdem soll sie davon
abgehalten werden, das Land mit den Bildern zu verlassen. Gisèle widersetzt sich den
Forderungen und flüchtet aus Argentinien. Später muss sie erfahren, dass ihr alle
Fluggesellschaften den Flug verweigern sollen.
Diese Reportage hat Folgen. Es kommt zu diplomatischen Verwicklungen zwischen den
USA und Argentinien. Außerdem wird der Verkauf von „Life“ zwei Monate lang in
Argentinien verboten. Was das Magazin nicht wirklich stört, da die Reportage ein
riesengroßer Erfolg ist. Des Weiteren wird Gisèle die Einreise in die USA untersagt.33
„Das FBI hatte mich auf die Liste der »Unerwünschten« gesetzt.“34 Diese Zeit ist einer
der schwersten ihrer Karriere. Die Reportage hat also nicht nur Auswirkungen auf Evita
Perón und die Politik, auch Gisèle Freund muss mit den Konsequenzen leben.
32
Nach: Fischer, S.: Gisèle Freund - Memoiren des Auges. Frankfurt am Main, 1977 S.65 33
Nach: Ebd. S. 26 34
Ebd. S. 26
15
5. Fazit
Am Ende meiner Jahresarbeit komme ich zu dem Ergebnis, dass Gisèle Freund stets die
wahre Persönlichkeit der Menschen, die sie fotografierte, zeigen möchte. Ich habe
herausgearbeitet, wie sie zu diesem Ziel gelangt. Dies war sehr interessant, da ich
erkannte, dass sie immer hinter die Maske der Menschen schaut. Es ist ihr wichtig, die
äußere Hülle der Portraitierten zu durchdringen und deren wahres Inneres
widerzuspiegeln. Ihre Intention ist, nicht beim Äußeren stehen zu bleiben, sondern das
Charakteristische abzubilden. Die Fotografin inszeniert ihre Bilder also so, dass die
echte Persönlichkeit zum Vorschein kommt. Deshalb spricht sie auch von einer
scheinbaren Objektivität in der Fotografie. Der Fotograf ist dazu in der Lage, alles, was
er abbildet so zu arrangieren, dass das Wichtigste hervortritt. Vor Beginn meiner
Jahresarbeit war ich der Überzeugung, dass Fotos die Wirklichkeit exakt wiedergeben.
Das tun sie in der Tat auch, vor allem dann, wenn ohne nachzudenken der Auslöser für
ein Spontanfoto betätigt wird. Dennoch kann die Situation gezielt manipulieren werden
und das auch ohne Montage. Als ich anfing zu recherchieren, begegnete ich relativ
schnell dem Begriff „Scheinobjektivität“, der von Gisèle benutzt wird. Dies machte
mich neugierig und bei der weiteren Suche entdeckte ich auch ihre Begründung. Sie
listet verschiedene Manipulationsmöglichkeiten auf, die die Situation und die Aussage
des Bildes verändern können. In der späteren Analyse zweier Bilder ihrer Fotoreportage
über Evita Perón wurde dies auch für mich deutlich. Freunds Vorgehensweisen an die
Darstellung der Situation sind genauestens durchdacht, damit die wahre Persönlichkeit
der Evita offenbart wird. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass die Untersuchung des
Objektivitätsanspruchs der Fotografie in den Portraits Freunds ergibt, dass die wahren
Charaktere der Fotografierten stets im Vordergrund stehen und dass Bilder und deren
Intention manipulierbar sind. Das heißt, dass die Situation derart inszeniert werden
kann, dass das abgebildet wird, was dem Fotografen am bedeutendsten erscheint.
Folglich enthalten Gisèle Freunds Fotos eine gewisse Subjektivität, um die „Nachricht“
des Bildes zu übermitteln. Das Subjektive setzt sie dazu ein, um die Tatsachen zu
verdeutlichen. Ihre Absicht ist es jedoch nicht, ein Foto so zu manipulieren, dass die
Aussage oder die Situation verändert oder verfälscht wird. Ihre Fotos weisen demnach
eine Subjektivität auf, die sie dazu nutzt, die Eigentümlichkeit des von ihr Portraitierten
zu zeigen. Daraus ergibt sich, dass ihre Bilder durchaus einen Objektivitätsanspruch
haben, wodurch die Wirklichkeit dargelegt wird. Um aber die Wahrheit deutlich zu
machen, muss der Fotograf mit gewisser Subjektivität sein Objekt ins Bild setzen. Wie
16
zum Beispiel bei Evita Perón, deren Selbstverliebtheit und Besitzerstolz in den Portraits
der Fotoreportage zum Vorschein kommen. Gisèle Freund nutzt hierfür zum
Hervorheben vorrangig die Perspektive und das Licht. Die Präsidentengattin wird so als
widersprüchliche Persönlichkeit gezeigt. Sie hilft den Armen und genießt deren Dank
und Beifall. Ein echtes Mitgefühl aber entwickelt sie nicht, dafür liebte sie ihren
Reichtum und ihre Schönheit - auch hier lässt sie sich selbstverliebt feiern.
17
6. Nachwort
Die Ausarbeitung des Themas meiner Jahresarbeit war sehr spannend, da es für mich
Einblicke in einen neuen Bereich bedeutete. Am Ende habe ich eine andere Sichtweise
hinsichtlich der Objektivität in der Fotografie kennengelernt und diese hat mich
durchaus überzeugt. Auch die Recherche zu Gisèle Freund hat mir Spaß gemacht, da ich
ihre Argumentationen bezüglich der Fotografie und speziell ihrer Sichtweise zu den
eigenen Fotografien sehr ansprechend finde. Außerdem konnte ich mich noch
weiterbilden, indem ich mich über Evita Perón informierte. Auch das war sehr
interessant, da ich sie, diese bedeutende Persönlichkeit, zuvor nicht kannte. Bezüglich
der Reportage wurde es sehr aufregend, weil ich den Kontrast zwischen ihren Taten als
Wohltäterin der Armen und der Selbstverliebtheit in sich und ihren Reichtum, den die
Fotoreportage aufweist, entdeckte. Gisèle Freund hat es mit den Fotografien geschafft,
die Persönlichkeit der Präsidentengattin zu entlarven. Dies hat mich begeistert und ich
bewundere die Fotografin für ihren Mut, diese Reportage veröffentlicht zu haben. Ich
erkannte, dass es sehr schwer ist, den Objektivitätsanspruch in ihren Portraits
herauszuarbeiten und zu benennen. Denn zum einen spricht sie von einer
Scheinobjektivität in der Fotografie und zum anderen wollte sie die wahre
Persönlichkeit der Menschen in ihren Bildern festhalten und zeigen. Im Endeffekt bin
ich zu einem Ergebnis gekommen, dass für mich in jedem Kunstwerk eine Subjektivität
des Künstlers enthalten ist - auch in der Fotografie. Gerade dadurch ist es aber möglich,
das Wahre dem Betrachter zu zeigen und ihn zum Nachdenken über das Gesehene
anzuregen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Ausarbeitung sehr lehrreich
für mich war.
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7. Anhang
7.1 Literaturverzeichnis
1. Gisèle Freund
Hans Joachim Neyer, Argon Verlag, Berlin, 1988
ISBN: 3-87024-143-8
2. Gisèle Freund - Ein Leben
Bettina de Cosnac, Arche Literatur Verlag, Zürich - Hamburg, 2008
ISBN: 978-3-7160-2382-2
3. Gisèle Freund - Fotografien 1932-1977
Klaus Honnef, Rheinland-Verlag, Bonn, 1977
ISBN: 3-7927-0328-9
4. Gisèle Freund - Fotografien zum 1. Mai 1932
Museum für moderne Kunst, Frankfurt am Main, 1995
ISBN: 2-919881-00-0
5. Gisèle Freund - Memoiren des Auges
S. Fischer, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1977
ISBN: 3-10-023301-8
6. Photographie und Gesellschaft
Gisèle Freund, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1979
ISBN: 3-499-17265-8
7.2 Internetquellenverzeichnis
1. http://www.deutschlandfunk.de/im-gesicht-lesen-wie-in-einem-
buch.700.de.html?dram:article_id=83884 (Stand: 27.03.2015)
2. http://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/unterhaltung/Evita-Peron-
article289919.html (Stand: 28.03.2015)
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3. http://www.argentina-argentinien.com/staat-gesellschaft/juan-domingo-peron-
eva.html (Stand: 28.03.2015)
4. http://www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2014/05/gisele- freund-ausstellung- in-der-
akademie-der-kuenste.html (Stand: 29.03.2015)
5. https://books.google.de/books?id=YVG-G-
4N9gUC&pg=PA133&lpg=PA133&dq=objektivit%C3%A4t+gisele+freund&source=b
l&ots=3BNkyMwyHf&sig=tb5eSrVZ42P6-DA-
DTn1crUPMp4&hl=de&sa=X&ei=EXUYVZjuMo2yaY2zgrAE&ved=0CGIQ6AEwD
A#v=onepage&q=objektivit%C3%A4t%20gisele%20freund&f=false
(Stand: 30.03.2015)
7.3 Abbildungsverzeichnis
Deckblatt: http://www.gisele-freund.com/wp-
content/uploads/2013/02/Evita_Peron_doing_her_hair.jpg (Stand: 30.03.2015)
Abbildung 1: Kopie aus: Gisèle Freund, Photographie und Gesellschaft, S.144
Abbildung 2: http://catalogue.gazette-
drouot.com/images/perso/zoomsrc/LOT/32/14755/195.jpg (Stand: 29.03.2015)
Abbildung 3: Kopie aus: S. Fischer, Gisèle Freund - Memoiren des Auges, S.69
7.4 Sonstige Quellen
1. Das Pressefoto und Möglichkeiten seiner Manipulation
Gisèle Freund, Arbeitsmaterial aus dem Unterricht
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21
Im Gesicht lesen wie in einem Buch
Gisèle Freund: Photografien und Erinnerungen, Bettina de Cosnac: Gisèle Freund. Ein
Leben
Von Imogen Reisner
Die Fotografin Gisèle Freund. (AP Archiv)
Die Fotografin Gisèle Freund. (AP Archiv)
Zum hundertsten Geburtstag der Fotografin Gisèle Freund hat die Journalistin Bettina
de Cosnac eine umfangreiche Biografie der Künstlerin geschrieben. Wer sich ein
Eindruck von künstlerischen Schaffen Freunds machen möchte, sei hingegen das Buch
"Photografien und Erinnerungen" empfohlen, dass neben Fotografien auch
autobiografische Texte der Künstlerin veröffentlicht.
"Am Tage, wo ich nicht mehr neugierig bin, da kann man mich begraben, da ist nichts
mehr los mit mir. Solange man nicht an Neues denken kann, solange man nicht
Interesse hat für neue Sachen in der Kunst und in der Literatur und in allem, was man
noch schön finden kann, da ist es ja nicht mehr wert zu leben."
Als sie dieses Bekenntnis ablegt, ist die große Fotografin und promovierte Soziologin
Gisèle Freund schon 77 Jahre alt. Eine lange, unerschöpfliche Zeitspanne war das
Leben für sie lebenswert, beinahe ein ganzes Jahrhundert.
Geboren am 19. Dezember 1908 in Berlin-Schöneberg, begraben im März 2000 in ihrer
Wahlheimat Paris im Alter von 91 Jahren. Und Gisèle Freund, geborene Sophia Gisela
Freund, blieb neugierig bis zum Letzten. Sie schöpfte aus dem vielfarbigen Stoff des
Lebens wie aus einem nie versiegenden Füllhorn auf die ihr eigene unverwechselbare
Art: mutig, neugierig, eigensinnig, ungeduldig, temperamentvoll und sehr direkt.
Authentizität war eines ihrer zentralen Persönlichkeitsmerkmale wie auch der
grundlegende Maßstab ihrer Arbeit als Fotografin.
"Gisèle Freund war umwerfend, was anderes kann ich nicht sagen: Eine kleine, immer
noch attraktive Frau, aber von einer Lebendigkeit, die uns Jüngere fast überrollt hat,
eine Energie, die sich sofort übertrug, eine ansteckende Energie. Sie redete nahezu
ununterbrochen, aber was sie redete, war fesselnd. Sie war eine begnadete
Geschichtenerzählerin, hatte eine Art, die Dinge zu sehen, so anschaulich, so prägnant,
dass man ihre Performances - würde man heute sagen - genoss, wie einen anregenden
Theaterabend."
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So Klaus Honnef, Publizist, Bildexperte und Kurator ihrer ersten großen
Fotoausstellung in Deutschland im Jahr 1977. Bei ihrer Begegnung ging Gisèle Freund
bereits auf die Siebzig zu.
Die Tochter aus dem jüdischen Berliner Großbürgertum mit direktem Anschluss an die
Kunst forschte und arbeitete in einem Radius und in einer Intensität, wie man es bei
einer Einzelgängerin - denn das war Gisèle Freund im tiefsten Innern ihres Herzen -
selten findet: Auf drei Kontinenten, in vier Sprachen und im Kontakt mit den größten
Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen des 20. Jahrhunderts.
"Mein Vater war ein sehr großer Sammler gewesen und ein Spezialist der romantischen
Kunst, was ich nicht war. Aber ich habe als Kind schon sehr viel gelernt von Kunst.
Kein Sonntag ging vorbei, wo wir nicht in einem Museum gewesen sind. Und in meinem
Elternhaus verkehrten viele Künstler."
Allerdings hielten die Eltern Abitur und Studium für die höhere Tochter im Gegensatz
zum drei Jahre älteren Bruder für absolut überflüssig. So musste die junge Gisela schon
in ihrer Jungmädchenzeit List und Durchsetzungskraft aufbieten, um schließlich doch
eine akademische Laufbahn antreten zu können. Schriftstellerin hatte sie eigentlich
werden wollen. Aber die Nationalsozialisten machten ihr einen Strich durch die
Rechnung.
Am Abend des 30. Mai 1933 flieht die politisch aktive Studentin der Soziologie mit dem
Nachtzug nach Paris, quasi in allerletzter Minute. Welche Unerschrockenheit schon die
24-Jährige in jener hoch prekären Situation ihrer Flucht bewies, verdeutlicht Gisèle
Freunds Schilderung der Grenzkontrolle im Waggon:
Sie kamen ins Abteil: Die Papiere! Wohin fahren Sie? - Ich bin Studentin und schreibe
eine Doktorarbeit über ein französisches Thema. Ich bin nur ein Vierteljahr weg. -
Machen Sie ihren Koffer auf. Aha, ein Photoapparat, aufmachen! Ich gehorchte. Sie
fanden nichts in der Kamera.
Mit mißtrauschem Blick prüften sie meinen Paß und fragten pampig: Sind Sie Jüdin?
Ohne die Fassung zu verlieren, in dem schneidenden Ton, den mein Vater haben
konnte, wenn er verärgert war, und mit der Selbstbeherrschung, die meine Mutter
immer bewies, erwiderte ich: Ich Jüdin? Haben Sie schon einmal eine Jüdin namens
Gisela gesehen?
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Heil Hitler, riefen sie, entschuldigten sich, schlugen die Hacken zusammen und waren
verschwunden.
Die Emigration nach Frankreich lenkt die beruflichen Interessen der angehenden
Soziologin über den Umweg eines kleinen revolutionären Apparates, der Leica, letztlich
doch wieder in die Welt der schönen Künste. Denn in Paris lernt sie die berühmte
Buchhändlerin Adrienne Monnier kennen, die für sie Muse, Mutter und Mentorin wird.
Monnier steht in Kontakt mit der gesamten geistigen Pariser Elite der Vorkriegszeit, der
Gisèle auf diesem Wege begegnen und die sie später - größtenteils zum ersten Mal -
fotografisch porträtieren wird.
Als die Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich anbricht, setzt Gisèle Freund ihre
Laufbahn in England, Südamerika, Mexiko und in den USA fort. Sie sammelt Aufträge
für Fotoreportagen, unter anderem für die Zeitschriften "Time" und "Life", später auch
für die berühmte Agentur MAGNUM. Nach Paris wird die jung Vertriebene freilich
immer wieder zurückkehren. Es ist ihre neue Heimat geworden. Hier, an der Sorbonne,
wird Gisèle Freund auch ihre erste große Pionierleistung erbringen: Die Doktorarbeit
über die Geschichte der Fotografie im 19. Jahrhundert, denn in den dreißiger Jahren
gibt es selbst in der französischen Staatsbibliothek noch so gut wie keine
wissenschaftlichen Erkenntnisse über das neue Medium der Fotografie.
Zeitlebens wird die Autodidaktin eine grundlegende Entscheidung beibehalten. Sie
macht:
Reportagen, um Geld zu verdienen, und Porträts zu meinem eigenen Vergnügen.
Dabei entwickelt sie ein untrügliches Gespür für die Zeichen der Zeit:
Die Fotografie hat so einen kolossalen Erfolg gehabt gleich nach ihrer Entdeckung,
weil sie das Porträt machte. Und es war auch die Zeit dazu da, denn bis zur
Französischen Revolution, wo der Adel herrschte, gab es die Ahnengalerie. Das konnte
sich aber der Bürger nicht leisten, das war viel zu teuer. Und als dann die Fotografie
aufkam, da konnte er sich eine Ahnengalerie aufbauen und sich selber besitzen für
wenig Geld.
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Anlässlich ihres 100. Geburtstages, heute am 19. Dezember, sind zwei Publikationen
erschienen, die auf je spezifische Weise den Weg Gisèle Freunds als eigenwillige
Fotopionierin würdigen. Der großformatige Bildband "Gisèle Freund, Photographien
und Erinnerungen" im Verlag Schirmer/Mosel ist eine Neuauflage der 1985 erstmals
erschienenen autobiografischen Monografie.
Das Buch mit mehr als 200 Schwarz-weiß- und Farbaufnahmen aus fünf Jahrzehnten
wurde von seiner Verfasserin noch selbst zusammengestellt und ist nach Auskunft des
Verlages in dieser Form unverändert geblieben.
Es versammelt einige wenige der südamerikanischen Landschaftsaufnahmen der
Fotojournalistin - die im übrigen bislang noch nicht ausreichend gewürdigt sind -,
Auszüge aus ihrem sozial engagierten Reportagewerk und, vor allem, einen
repräsentativen Teil ihrer berühmten Künstlerporträts. Die Galerie der Geistesgrößen,
denen Gisèle Freund in die Augen und nicht selten hinter die Stirn geschaut hat, reicht
von Simone de Beauvoir und Walter Benjamin über Colette, Marie Bonaparte, James
Joyce und Frida Kahlo bis hin zu Malraux, Evita Peron, Jean-Paul Sartre und Virginia
Woolf - ein einzigartiges Bilderbuch europäischer und transatlantischer
Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Begleitet werden die Porträts von aufschlussreichen Hinweisen zu Entstehungszeit und -
ort sowie von Erkenntnissen zur Theorie der Fotografie. Dies ist umso wichtiger, als
inzwischen sämtliche fototheoretischen Publikationen Gisèle Freunds auf dem
deutschsprachigen Buchmarkt vergriffen sind.
Nachdrücklich formuliert die Ausnahmefotografin in diesem Zusammenhang den
Anspruch an die eigene Arbeit:
Der Fotograf muss in einem Gesicht lesen wie in einem Buch. Er muss auch das
entschlüsseln, was zwischen den Zeilen steht. Um ein guter Fotograf zu sein, muss man
verstehen, die Formen und ihren Geist in Licht und Schatten zu übersetzen.
Bemerkenswert in der zeitgeschichtlichen Dokumentation aus dem Schirmer/Mosel
Verlag sind vor allem die Ausführungen zu den stilistischen Eigenheiten Gisèle
Freunds, die zeitlebens stolz darauf war, niemals - wie sie sagt - Retusche benutzt oder
stilisierte Studioaufnehmen gemacht zu haben.
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Tatsächlich war sie eine begnadete Forscherin in den Landschaften des menschlichen
Gesichts; ihre große Leidenschaft galt der einzigartigen Physiognomie des
Individuums. Das wahrhaft Authentische hinter der Maske zu erspähen und im Bild zu
dokumentieren, war das unbescheidene Ziel ihrer gesamten Arbeit. Ihre geistige
Haltung gegenüber den Porträtierten klingt dabei so schlicht wie geheimnisvoll:
Der Fotograf soll bescheiden verschwinden hinter dem Porträt. Der Fotograf ist ein
Mittel zum Zweck. Der entscheidende Augenblick, wo er auf den Knopf drückt, den kann
ich auch nicht erklären, das ist eben, was in mir ist, dass ich in diesem Augenblick und
nicht in einem andern die Aufnahme mache.
Die lebensgeschichtliche Ergänzung zu dem mehr als eineinhalb Kilo schweren
Fotokatalog ist die neue Biografie von Bettina de Cosnac "Gisèle Freund. Ein Leben".
Die deutsch-französische Korrespondentin ist - eine kleine geografische Parallele -
ebenfalls in Berlin geboren und lebt seit etlichen Jahren in Paris. Ihre Recherchen zu
dem vorliegenden Porträt erstreckten sich - wie sie berichtet - über annähernd 20 Jahre
und sieben Länder auf drei Kontinenten.
Die Autorin blättert das bewegte Leben ihrer Protagonistin streng chronologisch auf
und leuchtet deren Kontakte und Lebensäußerungen bis in kleinste sprachliche und
biografische Details aus. Dabei greift sie in großem Umfang auf teils unveröffentliche
private Korrespondenz und persönliche Gespräche mit ehemaligen Zeitgenossen Gisèle
Freunds zurück, um ihrer Hauptfigur so nah wie möglich zu kommen.
Seltsamerweise scheint gerade das nicht wirklich zu gelingen. Obgleich wir als Leser
eine Unmenge an lebensgeschichtlichen Einzelheiten und amüsanten Anekdoten
erfahren und ganz sicher einen gewichtigen Teil neuer Erkenntnisse gewinnen, so bleibt
doch der Mensch Gisèle Freund hinter der Maske der Beredsamkeit merkwürdig fern
und kühl.
Als unbestreitbarer Mangel aber ist die Tatsache anzusehen, dass sich Bettina de
Cosnac in ihrem knapp dreihundert Seiten umfassenden Porträt so gut wie gar nicht mit
Freunds grundlegenden Arbeiten zur Theorie der Fotografie auseinandersetzt.
Wirklich nahe kommt man dem eigenwilligen Naturell der Fotokünstlerin in dieser
Biografie nicht. Doch wer weiß, vielleicht liegt das zum Teil an der Protagonistin
selbst, die sich, wie Zeugnisse bekunden, nicht unbedingt durch Herzenswärme
auszeichnete. Schließlich war sie eine Vertriebene im Exil, deren singulärer Marsch zu
Ruhm und Ehren lang, steinig und streckenweise einsam war.
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Als geistig brillante Wegbereiterin freilich bleibt Gisèle Freunds Rang auf den vorderen
Plätzen unangefochten. Mit ihrem lebendigen kritischen Verstand war sie weitsichtig
genug, das Missbrauchspotenzial ihres Berufsstandes schon zu ihrer Zeit klar zu
erkennen:
Die größte Gefahr ist, dass die Fotografie, die doch die Reproduktion der Realität sein
soll, völlig verfälscht werden kann, dass es tausend von Mitteln gibt, die Fotografien so
zu zeigen, wie es der Betreffende veröffentlichen will, dass sie ein Mittel geworden ist
für die, die uns beherrschen, ihre Ideen zu unterstützen. Das ist alles.
http://www.deutschlandfunk.de/im-gesicht-lesen-wie-in-einem-
buch.700.de.html?dram:article_id=83884
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Evita und Juan Domingo Perón Der wohl bekannteste Argentinier ist ohne Zweifel Juan Domingo Perón. Die wohl be-kannteste Argentinierin ist - auch ohne Zweifel - Evita Perón. Wer von beiden bekann-ter ist, darüber lässt sich streiten. Wer von beiden beliebter war, darüber nicht. Das ist und war die Frau des Präsidenten: Evita.
Evita: Don't cry for me, Argentina
"Don’t cry for me, Argentina" . Dieser Hit aus dem Musical "Evita" von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice setzte ihr ein Denkmal. Das Musical wurde später von Alan Par-ker mit der Sängerin und Schauspielerin Madonna in der Hauptrolle verfilmt.
Juan Domingo Perón Sosa wurde am 8. Oktober 1895 in Lobos in der Provinz Buenos Aires geboren und starb am 1. Juli 1974 in Buenos Aires. Er war zweimal Präsident Argentiniens. Nach einer Laufbahn als General und Minister in einer Militärregierung gewann er zum ersten Mal 1946 die Präsidentschaftswahlen. 1955 wurde er nach seiner Wiederwahl 1951 vom Militär gestürzt. Zum zweiten Mal wurde er im Oktober 1973 wieder zum Präsident gewählt, wenige Monate vor seinem Tod.
Peróns Vater war der Viehzüchter Mario Tomás Perón, seine Mutter war Juana Sosa. Die Familie des Vaters kam aus Sardinien, die seiner Mutter aus Kastilien.
Peróns Karriere begann mit seinem Eintritt ins Militär. Er besuchte im Jahr 1911 eine Offiziersschule des argentinischen Heeres und beendete diese Ausbildung als Unter-leutnant der Infanterie. Perón begann, Bücher zur Militärgeschichte und über die Kriegswissenschaft zu verfassen. Von 1926 bis 1929 studierte er an der Militärhoch-schule Argentiniens, der Escuela Superior de Guerra.
Eva Duarte
Doch zuerst zu Eva Duarte. Maria Eva Duarte wurde am 7. Mai 1919 im argentini-schen Dorf Los Toldos geboren. Sie ist das fünfte uneheliche Kind des Estancieros Juan Duarte (1872-1926). Ihre Mutter war die unverheirateten Köchin Juana Ibarguren (1894-1971). In der Schule wird sie ob ihrer Herkunft gehänselt. Sie entflieht deshalb im Alter von 15 Jahren nach Buenos Aires. Eva Duarte wollte Schauspielerin werden, wurde aber zunächst Modell, später Radio-moderatorin und schließlich bekommt sie Nebenrollen in Kitschfilmen.
1944 lernte sie auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung den 48 Jahre alten Oberst Juan Perón kennen, der als Arbeitsminister populär war. Eva Duarte und Juan Perón heira-teten 1945.
Evita unterstützte ihren Mann im Kampf um die Präsidentschaftswahl des Jahres 1946. Sie hatte eine eigene wöchentliche Radiosendung. Darin hielt sie populistische Anspra-chen: die Armen wurden zum Aufstand aufgerufen. Obwohl sie durch ihre Radioerfolge bereits wohlhabend war, zeigte sie immer Solidarität mit den armen Menschen und be-tonte ihr eigenes Aufwachsen in Armut.
Aufgrund dieser Wurzeln und Neigungen hielt sie sich für geeignet, als Führerin der descamisados, der "Hemdlosen" aufzutreten. Dies war die Organisation zur politischen Unterstützung ihres Mannes Juan Perón. Nach der Wahl Peróns zum Präsidenten be-kleidete Evita eine wichtige Rolle in der Regierung Argentiniens, hatte aber nie ein offi-
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zielles Amt inne. Sie rief die Eva Perón Stiftung, eine Einrichtung zur Armenhilfe ins Leben. Ebenfalls die Frauenorganisation der Peronistischen Partei. Ab 1949 war Evita Perón die einflussreichste Person Argentiniens.
Um Evita wurde ein kaum zu beschreibender Personenkults betrieben. Ihr Bild und ihr Name waren allgegenwärtig. Doch trotz ihrer Dominanz und politischen Macht - sie hatte die Kontrolle über die Angelegenheiten des Präsidenten -achtete sie darauf, die wichtige symbolische Rolle ihres Ehemannes nicht zu untergraben. Sie rechtfertigte ihr Handeln immer als von der Weisheit Peróns „inspiriert“ oder „ermutigt“. In der Ehe aber bestand nicht immer diese äußerliche Harmonie. Evita und Juan Perón hatten nie Kinder. Dies rief kontroversen Debatten über ihr Sexualleben hervor.
Evita wurde von den Angehörigen der Arbeiterklasse verehrt. Die reiche Oberschicht Argentiniens hasste sie dagegen, hob ihre ärmlichen Wurzeln hervor und führte ihre frühere Promiskuität ins Feld. Ihre Kritiker missbilligten ihre angeblich viel zu aktive Rolle in der Politik. (Zu jener Zeit durften die Frauen in Argentinien noch nicht wäh-len!) Dieser Hass wurde von Evita erwidert und führte zur Verfolgung von ihren Geg-nern und zum Verbot der Zeitung La Prensa.
1950 ging sie auf die berühmte "Regenbogen Tour" nach Europa, wo sie etliche Staats-oberhäupter traf, darunter auch Francisco Franco. Das Ziel war, massiv Werbung für das Perón-Regime zu machen, das in der Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg als zunehmend faschistisch angesehen wurde. Andere Historiker betrachten diese Form der Herrschaft auch als subtropische Form einer europäischen Arbeiterpartei. Schließ-lich versuchte Evita 1951 ihrer Macht durch die Kandidatur zur Vizepräsidentschaft eine reelle Grundlage zu geben. Dieser Schritt verärgerte viele Militärs, die sie verach-teten und ihren zunehmenden Einfluss auf die Regierung ablehnten. Unter diesem star-ken Druck und ihrer Erkrankung, zog Juan Perón dann ihre Nominierung zurück.
Am26. Juli 1952 starb Evita Perón mit 33 Jahren an Gebärmutterkrebs. Das Radio meldete: "Es war 20 Uhr 25 als Evita Peron, die geistige Führerin der Nation, die Un-sterblichkeit erlangte."
Evitas Leichnam wurde einbalsamiert und zur Schau gestellt und nach Mailand ausge-flogen und unter dem Namen Maria Maggi de Magistris beerdigt. Nach 16 Jahren wur-de der Körper exhumiert und nach Spanien überführt. Als Juan Perón nach seinem Exil als Präsident nach Argentinien zurückkehrt und 1974 dort starb, wurde auch Evitas Leiche nach Argentinien zurückgebracht. Sie wurde nun endgültig im Familiengrab der Duartes auf dem Friedhof La Recoleta in Buenos Aires bestattet.
Juan Domingo Perón
Juan Domingo Perón heiratete im Jahr 1929 seine erste Ehefrau Aurelia Tizón. Sie starb jedoch schon im September 1938.
1930 wurde Perón Mitglied des Heeresgeneralstabs und erhielt eine Titularprofessur an der Militärhochschule. Er beteiligte sich an einem Militärputsch gegen den demo-kratischen Präsidenten Hipólito Yrigoyen und war bis 1935 Privatsekretär des Kriegs-ministers.
Danach war er von 1936 bis 1939 Militärattaché in mehreren Staaten, insbesondere auch in Italien, das von Mussolini regiert wurde. Als Perón 1941 nach Argentinien zu-
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rückkehrte, gründete er mit anderen Offizieren die Geheimorganisation des GOU (Grupo de Oficiales Unidos). Dieser Bund spielte unter seiner Beteiligung als Oberst eine wichtige Rolle in dem Militärputsch gegen die zivile Regierung von Ramón Castil-lo. Perón war zunächst Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, dann Sekretär für Arbeit und Wohlfahrt. Hier führte er soziale Reformen durch und erhiehlt dadurch die Sympathie großer Teile der argentinischen Bevölkerung, der Industriearbeiter und der Descamisados, der Hemdlosen. Schließlich wurde Perón im Februar 1944 Vizepräsi-dent und Staatssekretär im Kriegsministerium. Er gründete neue Gewerkschaften und hebelte dadurch den Einfluss der traditionellen Gewerkschaften und linken Parteien aus. Seine Anhänger waren in der neuen Dachgewerkschaft, der Conferderación Gene-ral del Trabajo, CGT, vereinigt.
Peróns Einfluss wuchs also - zum Missfallen führender Militärs. Seine Gegner zwangen ihn am 9. Oktober 1945 zum Rücktritt. Er wurde sogar inhaftiert. Doch gewerkschaftli-che Massenkundgebungen erzwangen seine Freilassung bereits am 17. Oktober 1945. Perón hielt in der Nacht des 17. Oktobers eine Ansprache vom Balkon des Präsidenten-palastes zu 300.000 seiner Unterstützer. Es war María Eva Duarte, die diese Protest-bewegung koordinierte. Am 21. 10.1945 heiratete Perón Evita. Sie war 24 Jahre jünger als er.
http://www.argentina-argentinien.com/staat-gesellschaft/juan-domingo-peron-eva.html
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Menschen, die sie liebte: Porträts von Gisèle Freund
Gisèle Freund, die Grande Dame der Fotografie, stammte aus Berlin, hat aber den
Großteil ihres Lebens in Frankreich verbracht. 14 Jahre nach ihrem Tod zeigt die Aka-
demie der Künste in einer Ausstellung neben Porträts auch etliche bisher unveröffent-
lichte Bilder - von Künstlern und Schriftstellern in ihrem Alltag. Von Yvonne von
Kalinowsky
Der Schriftsteller André Malraux , der Philosoph Walter Benjamin, die Schriftstellerin-
nen Virginia Woolf und Rita Sackville West oder Eva Peron – sie alle hat Gisèle Freund
mit ihrer Kamera eingefangen. "Ich habe mein Leben und meinen Unterhalt bezahlt mit
Reportagen", erinnerte sich Gisèle Freund 1998. "Die Porträts habe ich von Freunden
gemacht oder Leuten, die ich sehr liebte und deren Bücher, Malerei und Kunst mich
interessierten."
Freund war einige der Wenigen, die den notorisch mürrischen James Joyce privat foto-
grafieren durfte.
Gisèle Freund wird 1908 in Berlin Schöneberg geboren. Ihr Vater ist der jüdische
Kaufmann und Kunstsammler Julius Freund. Er zeigt ihr die Welt der Kunst. Als sie 12
Jahre alt ist, schenkt der Vater ihr eine Kamera. Schon früh weiß sie, dass sie studieren
möchte, die Welt sehen will und ihre Eindrücke festhalten. "Ich hatte das Bedürfnis
mich auszudrücken", so Freunds Erinnerung an diese Zeit. Mit ihrer Kamera bereist sie
Lateinamerika, sie arbeitet für die Fotoagentur Magnum und hält Vorträge über ihre
Schriftstellerporträts.
Flucht nach Paris
Später studiert sie Soziologie und Kunstgeschichte in Frankfurt. An der Universität ver-
teilt sie eine verbotene Zeitschrift und fotografiert mit ihrer Leica antifaschistische
Demonstrationen. 1933 flieht sie mit dem Nachtzug nach Paris. Dort fotografiert sie
den "Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur", der gegen den Faschismus
Front macht.
Gisèle Freund. Fotografische Szenen und Porträts
Weitere Informationen zur Ausstellung.
Der junge Revolutionär und Schriftsteller André Malraux bittet sie, ein Foto von ihm zu
machen – die erste in einer langen Reihe von Aufnahmen. "Malraux habe ich 40 Jahre
lang fotografiert. Das erste Bild, da sieht er wunderbar aus und es ist auch heute das
Bild, das man mit Malraux identifiziert, dem Revolutionär, dem jungen Mann mit hohen
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Kragen." Später fotografiert sie ihn durch eine Vitrine mit de Gaulle und macht auch
ein letztes Bild vor seinem Tod.
Große Namen, intime Porträts
Im Pariser Exil lernt Gisèle Freund auch Walther Benjamin kennen. Sie ist Mitte 20, er
Anfang 40. Bei den gemeinsamen Schachspielen verliert sie fast immer gegen den gro-
ßen Philosophen. Er bleibt nicht der einzige große Name auf der Liste der von ihr
Porträtierten: Das Time-Magazin gibt Gisele Freund den Auftrag den bekanntenmaßen
mürrischen Großschriftsteller James Joyce in Paris zu fotografieren. Das Bild zeigt ihn
ganz privat im Kreise seiner Familie. Solch einen entspannten Joyce hatte man bis da-
hin noch nie gesehen.
Freund macht auch Bilder von Eva Peron, dem "Engel der Armen", wie man sie nennt.
Die argentinische Präsidentengattin will mit all ihrem Reichtum fotografiert werden.
Der Luxus schockiert die Argentinier, die Bilder lösen einen Skandal aus.
Porträt von Simone de Beauvoir nach eine China-Reise.
"Sie fanden es schrecklich"
Auch Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre fotografiert sie, "das berühmteste
Schriftstellerpaar der Welt", wie Gisèle Freund ihre Reportage damals überschreibt.
Ihr Foto vom jungen Sartre geht um die Welt, Sartre selbst hasst es: "Bis dahin kannte
man das gar nicht - ein Gesicht, wo man alle Kleinigkeiten der Haut sah. Als sie das
das erste Mal sahen, waren sie außer sich und fanden es schrecklich. Jeder hat die Bil-
der gelobt, nur er selbst fand sich immer hässlich."
Gisèle Freund ist 92 Jahre alt geworden und hat tausende wunderbarer Fotos hinter-
lassen. Neben ihren bekannten Portraits werden jetzt auch Fotos und Schnappschüsse
gezeigt, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren: Private Momente und Reiseein-
drücke, die jetzt erstmals in der Ausstellung in der Akademie der Künste zu entdecken
sind.
Beitrag von Yvonne von Kalinowsky
http://www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2014/05/gisele-freund-ausstellung-in-der-
akademie-der-kuenste.htm
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