153Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2005
Brandenburg. geowiss. Beitr. Kleinmachnow 12 (2005), 1/2
Die Oberflächengestalt Ostbrandenburgs wurde zum über-wiegenden Teil vom Eis der letzten Inlandvereisung geprägt.Die glazitektonische Tiefenwirkung des Weichseleises indiesem Raum wurden jedoch bis in die jüngste Zeit oft über-bewertet. Im Zusammenhang mit lagerstättengeologischenUntersuchungen und bei der geologischen Zuarbeit für ar-chäologische Grabungen wurden für große Teile des Ge-biets zwischen Mecklenburger und Brandenburger Randla-ge des Weichseleises morphogenetische Analysen erarbeitet.Der vorgelegte Ausschnitt dieser Arbeiten erfasst Teile desBerliner Urstromtals, die Lebuser Platte sowie Abschnittedes holozänen Odertals und des Oderbruchs (s. Abb. 1).Die den südwestlichen Teil des Kartenausschnittes domi-nierende Frankfurter Eisrandlage der Weichselvereisungmarkiert hier in ihrem Typusgebiet einen Rückschmelzhaltdes Brandenburger Maximalvorstoßes der letzten Inlandver-eisung. Dieser Eisrandhalt lehnt sich in großen Abschnittenan die morphologischen Hochbereiche älterer, saalezeitlicherglazigener Stauchungsbereiche an. Das Eis der Weichsel-kaltzeit wirkte während seines Rückschmelzprozesses andiesem Halt mit ganz wenigen Ausnahmen nicht stauchend.Dadurch ist die Rekonstruktion der Randlage zum Teil schwie-rig. In der Vergangenheit wurden sehr unterschiedliche Aus-grenzungen vorgenommen.Zur Präzisierung des Randlagenverlaufs wurden daher ne-ben den geologischen Oberflächenkarten im Maßstab1 : 25 000 und partiellen Neukartierungen im gleichen Maß-stab vor allem geologische Aufnahmen von Bohrungen undtemporären Aufschlüssen über einen Zeitraum von mehr als30 Jahren sowie morphologische Analysen, basierend auf10 000er topographischen Karten, herangezogen. Die hiervorgestellten Ergebnisse wurden zum großen Teil im Rah-men der geologischen Landesuntersuchung des LBGR ge-wonnen.
Die Schmelzwässer des abtauenden weichselkaltzeitlichenInlandeises sammelten sich überwiegend subglazial in Rin-nen, die häufig proglaziale Rinnensander bildeten. Für diewährend des Weichselglazials angelegten subglazialen Rin-nen mit meist 200 bis 500 m Breite bei maximal 60 km Längeist eine mehrphasige Entwicklung nachzuweisen (BROSE
2000). Ihre Ausformung dauerte bis in das Holozän, wie z. B.an der Madlitzer Rinne und ihren Seitenzweigen aufgezeigtwerden konnte (SCHULZ, BROSE 2000). Hier verschachteln sichältere, hochglaziale Formen und während der Austauphase
im ausgehenden Periglazial reaktivierte Rinnenteile, wie öst-lich des Madlitzer Sees deutlich zu erkennen ist.Weitere Fakten zur mehrphasigen Rinnenentwicklung wur-den u. a. in der Falkenhagener Rinne zwischen Lietzen undFalkenhagen an tiefen temporären Aufschlüssen gewonnen.In Abbildung 2 ist in einem stark schematisierten Profilschnittdie Vielfalt unterschiedlich alter Sedimentfolgen und Störun-gen dargestellt. Die Störungen resultieren einerseits aus glazi-genen Einflüssen, andererseits in der Mehrzahl aus gravitati-ven Prozessen, ausgelöst durch die phasenhaft vertieftenEinschnitte im Hauptbereich der Schmelzwasserrinne.
Die wegen der günstigen Aufschlussverhältnisse gut doku-mentierten Belege einzelner Bildungsphasen werden im Fol-genden vorgestellt.Generell können im Gegensatz zu früheren Untersuchungs-ergebnissen statt fünf insgesamt sechs Entwicklungspha-sen ausgehalten werden:
1. Phase: Anlage eisstrukturorientierter Entwässerungs-bahnenPräglaziale Depressionen in der Landoberfläche und Spal-tenstrukturen im Inlandeis waren die primären Entwicklungs-linien subglazialer Entwässerung. Die Schmelzwässer sam-melten sich auf, in und unter dem Inlandeis. Die subglazialeAbführung derselben erfolgte durch ± eisrandparallele Bah-nen in Richtung eisrandgerichteter Sammler. Dabei warensowohl Eisstrukturen als auch, wegen der geringen Tiefen-wirkung des weichselkaltzeitlichen Inlandeises, die eemzeit-liche Landoberfläche mitbestimmend für die Anlage der Ent-wässerungsbahnen.Im Untersuchungsbereich steht beiderseits der Falkenhage-ner Rinne unter geringmächtiger Verwitterungsdecke Geschie-bemergel der Saalekaltzeit an. Trotz intensiver saalekaltzeitli-cher Stauchungen östlich und westlich des Untersu-chungsgebiets war im Bereich der späteren Rinnenbildungnach geomorphologischen und stratigraphischen Analysenbereits vorweichselzeitlich eine Nord-Süd gerichtete Depres-sion vorhanden. Dem entsprechen u. a. auch die intensivenVerwitterungserscheinungen an einem Frostspaltennetz imsaaleglazialen Geschiebemergel, dessen in diesem Bereichnoch ungestörte Oberfläche beiderseits in Richtung der Rin-ne geneigt ist. Abbildung 3 zeigt die Lagerungsverhältnissedes Geschiebemergels auf einem kurzen Trassenabschnittwestlich der Rinne. Auf den Abbildungen 4 und 5 sind so-
Zur geomorphologischen Entwicklung Brandenburgs
About some aspects of the geomorphological development of Brandenburg
FRITZ BROSE
16 Abb., 4 Lit. S. 153-163
Brose2005_153-164.P65 02.12.2005, 11:40153
154 Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2005
F. BROSE
wohl die oben angegebene breite Verwitterungszone als auchder vermutlich äolische Eintrag an der ehemaligen Spalten-öffnung zu erkennen. Abbildung 5 dokumentiert zusätzlichden Sickereintrag von Verwitterungsprodukten durch einevom ehemaligen Eiskeil im Geschiebemergel geschaffene Un-stetigkeitsfläche in die unterlagernden Sande.
2. Phase: Ausformung der RinnenVorwiegend glazifluviale Erosion im Wechsel mit ersten Ak-kumulationsprozessen unter dem Inlandeis des Brandenbur-
Abb. 1 Geomorphogenetische Karte von Ostbrandenburg im Maßstab 1 : 100 000 (Ausschitt)
Fig. 1 Geomorphogenetical map of eastern Brandenburg scale 1 : 100 000 (Detail)
ger Vorstoßes der Weichselvereisung gestalteten die sub-glazialen Hauptabflussbahnen. Mit wachsender erosiver Ein-tiefung wurden ältere Sedimente und zum Teil erst im Zugeder Rinnenbildung akkumulierte Sedimentkörper wieder an-geschnitten. Es kam zu ersten Rutschungen in Richtung Rin-nentiefstes. Mit Abbildung 6 ist ein Ausschnitt staffelförmi-ger Rutschungen saalekaltzeitlicher Schichtpakete skizziert.Der im Ausschnitt belegte vertikale Versatzbetrag ab alterOberfläche beträgt insgesamt ca. 4 m. Einen Ausschnitt ausderen skizziertem Bereich dokumentiert die Abbildung 7. Der
79,1
sub -und postglazialeEntwässerungs-bahnen
morphologischeVollformen
FrankfurterEisrandlage
Oberflächengewässer
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Siedlungs-flächen
Straßen undWege
Grundmoränen-flächen
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61,37,5
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62,3
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64,7
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Petershagen
Falkenhagen
Regenmantel
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Lietzen
Lietzen
Döbberin
Sieversdorf
Booßen
Peterhof
Lebus
Lietzen
Vorwerk
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Alt Mahlisch
Hohenjesar Alt Zeschdorf
Niederjesar
Carzig
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Am KreuzwegPodelzig
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Neu Podelzig
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primäre Reichweiteperiglazialer Randzertalung
2
Brose2005_153-164.P65 02.12.2005, 11:40154
155Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2005
Zur geomorphologischen Entwicklung Brandenburgs
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156 Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2005
F. BROSE
mit Schichtstörungen aus unterschiedlichen Bildungspha-sen ist in Abbildung 12 skizziert. Saalekaltzeitlich akkumu-lierte Feinsande, im äußersten östlichen Teil der Skizze dar-gestellt, wurden in Phase 2 erosiv angeschnitten, periglazialüberprägt und mit weichselkaltzeitlichen Rinnensedimentenüberdeckt. In Subphase 4.1 erfolgte ein weiterer Anschnittmit anschließender periglazialer Überlagerung mit zunehmendäolischem Anteil (westlicher Bildteil).Bei weiterer Eintiefung des links vom Bildrand gelegenenRinnentiefsten traten mehrfach staffelförmige Rutschungenvon Sedimentpaketen in Richtung der Unterschneidungenauf. Jüngste kreuzgeschichtete Schmelzwassersande mitwenigen Setzungsstörungen der Phase 4.2 schließen hier dieglazigene Sedimentfolge ab. Von oben sind die Ablagerun-gen noch durch anthropogene Grabungsspuren eines slawi-schen Burgwalls gestört.Einen Teil der beschriebenen Schichtenfolge zeigt die Abbil-dung 13. Saalekaltzeitlich akkumulierte Feinsande sind inPhase 2 erosiv angeschnitten. In einer ca. 0,15 m breiten Zonesind diese Sande unter weitgehender Strukturerhaltung ver-setzt und abgerutscht. Ursprünglich darüber horizontal ab-gelagerte weichselkaltzeitliche Bändertonschluffe sind un-ter periglazialen Bedingungen verwürgt und Richtung deserosiven Einschnitts bewegt worden. Es folgt eine etwa 0,35 mmächtige Schicht periglazial gebildeten gröberen, unsortier-ten Hangsediments mit einer abdeckenden Geröllsohle.Darüber lagern eingewehte gleichkörnige, ungeschichteteFeinsande der Subphase 4.1 (Bildmitte links).Im östlichen Teil der Skizze, ausschnittweise in der Abbil-dung 14 fotodokumentiert, ist ein Teil der vorstehend be-schriebenen Schichtenfolge wiederzuerkennen. Im unters-ten Teil des freigelegten Komplexes sind westlich derStörungen die unter periglazialen Bedingungen entstande-nen Hangsedimente mit breitem Kornspektrum vom Schluffbis zum Feinkies über älteren Feinsanden aufgeschlossen.Darüber lagern geschichtete glazifluviatile Sande, diewiederum von äolisch gebildeten Feinsanden mit eingeschal-teten glazifluviatilen Fein- bis Grobsandschichten überlagertwerden. Östlich der Verwerfung, das heißt in der linken Bild-hälfte wiederholt sich diese Schichtenfolge mit einem Ver-satzbetrag von 1,6 m aus Subphase 4.2. Die nach oben auffä-chernde Störung wird erosiv abgeschnitten und vonungestörten groben Schmelzwassersedimenten überlagert.
5. Phase: Vollständiges Austauen der Eisplomben
Das mit dem Verschwinden des Permafrostes verbundenevollständige Austauen des Rinnentoteises führte zur rapi-den Senkung des Wasserspiegels und zur Bildung meistgrundwassergespeister Rinnenseen mit wechselnder Durch-strömung. Höhergelegene wasserführende Mäander in denRinnen wurden unterschnitten (BROSE 2000, S. 97) und fielentrocken. Die tiefergelegene Erosionsbasis führte zur kurzzei-tigen Reaktivierung von Seitenarmen (z. B. Abb. 1, linkerunterer Kartenteil südlich der Madlitzer Mühle) und zur Bil-dung bzw. Tieferlegung einer Geröllsohle an der Basis derRinne. Die Abbildung 15 skizziert die maximale Eintiefungund die holozäne Sedimentfolge der letzten Rinnenfüllungder Phase 6.
Bildausschnitt mit dem Blick auf eine der Rutschflächen be-trägt ca. 1,8 x 2,8 m.Die Skizze der Lagerungsverhältnisse in Abbildung 8 zeigtu. a. die in Phase 2 einzuordnende Rutschung einer saale-kaltzeitlichen Geschiebemergelscholle am Osthang der Rin-ne. Auf der abgerutschten Scholle wurden verschiedenkör-nige glazifluviatile Sedimente, den jeweiligen Strömungsver-hältnissen entsprechend akkumuliert. Diese sind durch Set-zungsstrukturen und weitere, durch Unterschneidungen ver-ursachte Rutschungen gestört. Darüber lagern gröbere, un-gestörte glazifluviatile Sedimente, die von einer vorgeschicht-lich angelegten Grube angeschnitten sind.Auf dem Foto der Abbildung 9 ist der stehengebliebene Teildes Geschiebemergels zu erkennen.
3. Phase: Plombierung der Rinnen
Mit dem weiteren Eisvorstoß bis zur ca. 60 km südlich desUntersuchungsgebiets gelegenen Maximalausdehnung desWeichseleisrands wurden die offenen Rinnenteile teilweisedurch Toteis plombiert. Während der Plombierung kam es zukeinen relevanten Änderungen an den rinnenbegrenzendenSedimentkörpern, so dass diese Phase ohne materielle Spu-ren blieb.
Bis zum relativ schnell einsetzenden Rückschmelzen des Ei-ses stagnierte die Rinnenentwicklung. Erst die durch dasspätere Austauen der plombierenden Rinnentoteiskörperentstehenden Hohlformen dokumentieren in Form von Rin-nenseenketten diese Phase (Abb. 1).
4. Phase: Wiederbelebung der Rinnen mit einsetzendem Eis-rückzugSubphase 4.1: Akkumulation von Schmelzwassersedimen-ten und seitlicher Eintrag periglazialer Sedimente
Aus dem rückschmelzenden Inlandeis austretende Schmelz-wässer nutzten die im Vorland als flache Depressionen erhal-tenen, mit Eis und Sedimenten erfüllten Rinnen als Abfluss-bahnen. In den Randbereichen ist der Eintrag periglazialerSchuttmassen mit zunehmend äolischem Anteil zu verzeich-nen. In Abbildung 10 ist der ältere Teil einer in dieser Zeitakkumulierten Schichtenfolge skizziert. Der aufgeschlosse-ne Teil der Sedimentserie beginnt mit ungestört erhaltenen,horizontal abgelagerten glazilimnischen Schluffen, die kon-tinuierlich mit zunehmend feinsandigen Sedimenten über-deckt sind. Kryoturbate Überprägungen in den Sedimentenbelegen periglazialen Einfluss während des Akkumulations-zeitraums. Danach folgen, durch mehrere Erosionsdis-kordanzen geschnitten, glazifluviatile sandig-kiesige Sedi-mentserien. Ein Teil der periglazial überprägten schluffigenFeinsandserie ist in Abbildung 11 dargestellt.
Subphase 4.2: Vertiefung der Rinnen im Wechsel von Erosi-on und Akkumulation, verbunden mit unterschneidungs-bedingten Rutschungen
Der Durchfluss der Schmelzwässer bewirkte im Verein mitder zunehmenden Erwärmung ein beschleunigtes Austauender Rinnentoteisreste und damit eine Eintiefung des Rinnen-bodens. Eine Schichtenfolge aus dem Westhang der Rinne
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157Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2005
Zur geomorphologischen Entwicklung Brandenburgs67 66 65 64 63
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158 Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2005
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Abb. 6Skizze von Abrutschungserscheinungen an saalekaltzeitlichen Schichtpaketen. Erfasster vertikaler Versatzbetrag ca. 4 m
Fig. 6
Sketch of Saalian sediments with landslides (vertical distance about 4 m)
Abb. 8 Skizze subglazial gebildeter glazifluviatiler Sedimente auf abgerutschter Geschiebemergelscholle
Fig. 8 Sketch of subglacial glacifluvial sediments covering dislocated till
(Legende siehe Abb. 2) (legend see Fig. 2)
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159Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2005
Zur geomorphologischen Entwicklung Brandenburgs
6. Phase: Holozäne Füllung der weichsel-glazial angelegten Rinnen
Episodischer seitlicher Sedimenteintrag, zu-nehmend von anthropogenen Einflüssen ge-prägt sowie die Verlandung von wasserge-füllten Rinnenteilen charakterisieren die letzteEntwicklungsphase. Bis zu mehr als 16 mmächtige holozäne Sedimente wurden nach-gewiesen (SCHULZ & BROSE, 2000, S. 102 ff.).Die Abbildung 16 zeigt einen Teil der Wech-selfolge von Feinsanden, Mudden und Tor-fen aus der holozänen Sedimentserie. Der la-terale Sedimenteintrag erfolgte dabei vonOsten, der linken Bildseite.
Selten wurden im Typusbereich der Frankfur-ter Randlage Flächensander mit größeren Tot-eisfeldern angelegt wie z. B. um den Madlit-zer und Petersdorfer See. Zwei Typen vonSchmelzwasserabflusswegen charakterisierendas Rückland der Frankfurter Eisrandlage.Dominierend sind die vorgenannten langzei-tig wirksamen subglazialen Sammler.
Der zweite Typ ist flächenhaft verbreitet: Dieim Zuge des Eiszerfalls anfallenden Schmelz-wässer folgten dem subglazialen Relief, zeich-neten gleichsam die alte Landoberfläche nachund sammelten sich erst dann in den altange-legten großen Rinnen. Auf den entstehendenflachgewellten Grundmoränenflächen entwi-ckelte sich dadurch ein aderartig verzweigtesEntwässerungsnetz (siehe nördliche Karten-hälfte), im Bereich der saaleglazial angelegtenStauchungsgebiete zeichneten die Abfluss-wege der Schmelzwässer die glazitektonischvorgegebenen älteren Strukturen nach. Deut-lich ist dieser Entwässerungsmechanismus imStauchungsgebiet zwischen Frankfurt (Oder)und Petershagen zu erkennen. Diese Entwick-lung belegt, dass die eemzeitliche Landober-fläche durch das geringmächtige Weichsel-eis nur noch geringfügig modifiziert wurde.Die durchschnittlichen nachweisbaren Einwir-kungstiefen des Eises auf den Lockerge-steinsuntergrund betrugen etwa 1,5 m.
Nach dem Eisabbau, noch unter periglazialenBedingungen entstand eine besondere Formder Hochflächenrandzertalung zur Oderniede-rung. Es handelt sich um kurze, durchschnitt-lich ein- bis zweitausend Meter lange Ein-schnitte mit starkem Gefälle, hier sichtbar imöstlichen und nordöstlichen Kartenteil. Um-fangreiche geologische Untersuchungen be-legen, dass diese Einschnitte sich häufig un-ter die holozänen Auesedimente bis auf einNiveau der maximalen Eintiefung der Uroderan der Wende vom Pleistozän zum Holozän
Abb. 7Rutschungen saalekaltzeitlicher Sedimente in Richtung der links vomFoto gelegenen Rinne (Bildhöhe etwa 2 m)
Fig. 7Fault with displacements of Saalian sediments in direction of the chan-nel left of the photo (Hight about 2 m)
Abb. 9Glazifluviatile Sedimente mit Setzungsstörungen aufGeschiebemergelscholle
Fig. 9Glacifluvial sediments, dis-turbed by downfaults withlow displacements on dis-located till
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Abb. 11b
Abb. 11a, bFotodokumentation von Teilen derskizzierten Rinnenfüllung
Fig. 11a, bPhotos of parts of the channel sedi-ments
Abb. 11a
Abb. 10 Skizze spätglazialer Rinnensedimente der Phase 4.1Fig. 10 Sketch of lateglacial channel sediments from phase 4.1
(Legende siehe Abb. 2)(legend see Fig. 2)
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Abb. 12 Skizze von Schichtstörungen aus Phase 4 Fig. 12 Sketch of sediment displacements from phase 4
Abb. 14 Jüngere Schichtstörungen aus Phase 4.2Fig. 14 Younger dislocations from phase 4.2
Abb. 13 Störungen aus Phase 4.2 an älteren SchichtpaketenFig. 13 Dislocations from phase 4.2 in older sediments
(Legende siehe Abb. 2) (legend see Fig. 2)
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Mühlenfließ
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Abb. 15 Skizze der Schichtenfolge im Rinnentiefsten (Legende siehe Abb. 2)
Fig. 15 Sketch of the sedimentsequence in the deepest part of channel (legend see Fig. 2)
Abb. 16 Ein Teil der jüngsten holozänen Sedimentfolge (Länge des Maßstabes 2 m)Fig. 16 A part of the youngest Holocene deposits (Length of the scale 2 m)
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163Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 1/2-2005
Zur geomorphologischen Entwicklung Brandenburgs
hinabziehen. Diese Eintiefung basiert auf einer kurzfristigtiefliegenden Erosionsbasis, deren tiefster Punkt von KOLP
(1983) nordöstlich von Bornholm mit -80 m NN bestimmtwurde. Infolge der hohen Niveaudifferenzen und der unterperiglazialen Bedingungen in Teilen des Einzugsgebietesanfallenden großen Wassermengen bildete sich durch ra-sche rückwärtsschreitende Erosion ein steiles Gefälle heraus.Zur Maximaleintiefung gehörende Gefällepunkte wurden beiGartz mit > -50 m NN, bei Stolpe > -45 m NN, bei Oderberg mit> -30 m NN, im mittleren Oderbruch um -20 m NN, nördlichvon Frankfurt (Oder) bei ± 0 m NN sowie östlich von Zilten-dorf bei +9 m NN nachgewiesen. In Höhe der heutigen Ein-mündung der Lausitzer Neiße in die Oder endet dieses Gefäl-le zwischen älteren, weniger stark geneigten Terrassen. Dort,wo diese Tiefenrinne der Uroder nahe den begrenzendenHochflächen verlief, entstanden vorgenannte Einschnitte,die, in bestimmten Phasen des Holozäns teilweise reaktiviert,heute zumeist als Trockentäler erhalten sind.Wo diese Randtäler durch die schnelle rückwärtsschreiten-de Erosion das postglaziale Entwässerungsnetz der Hoch-fläche anzapften (z. B. vom Odertalrand bis Wüste Kuners-dorf und Schönfließ) vergrößerte sich das jeweilige Einzugs-gebiet immens und wesentlich größere Wassermassen wur-den durch ein ursprünglich kleines Tal zum Hauptvorfluterabgeführt.Im vorgestellten Ausschnitt präzisiert die geomorphogene-tische Kartierung den Verlauf des Eisrandhalts der Frankfur-ter Randlage, veranschaulicht das postglaziale primäre Ent-wässerungsnetz und bestätigt indirekt einmal mehr die relativgeringe Mächtigkeit und das schnelle Rückschmelzen desweichselglazialen Inlandeises.
Zusammenfassung
An einem Kartenausschnitt, der auch den Typusbereich derFrankfurter Eisrandlage des Weichselglazials erfasst, wirddie geomorphogenetische Karte Ostbrandenburgs vorge-stellt. Neue, an temporären Aufschlüssen bei einer Rinnen-querung durch einen Gasleitungsgraben gewonnene Faktenergänzen die Kenntnisse zur Genese weichselkaltzeitlichersubglazialer Rinnen. Bisherige Vorstellungen zur Dynamikdes weichselkaltzeitlichen Inlandeises werden durch die Fak-tenanalyse bestätigt und vertieft.
Summary
The geomorphogenetic map of east Brandenburg is presen-ted by a map detail which includes the type area of the „Frank-furter Eisrandlage“ of the Weichselian glaciation. New datagained on temporary exposure of a channel by a gaspipelinetrench complete the knowledge of the genesis of Weichseli-an subglacial channels. Previous ideas of Weichselian inlan-dice were affirmed and deepened by the analysis of the data.
Anschrift des Autors:
Dr. habil. Fritz BroseMachnower Straße 39 A14165 Berlin
Literatur
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Brose2005_153-164.P65 02.12.2005, 11:41163