Zusammenhang zwischen Ernährung, Adipositas und sozialem Status
M. Sc. Katrin Swoboda JLU GießenInstitut
für
Ernährungswissenschaft
Professur
für
Ernährungsberatung
und Verbraucherverhalten
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Gliederung
•
Sozioökonomische Einflüsse auf Ernährung und Übergewicht
•
Ernährungsverhalten von Kindern aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status (SES)
•
Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
•
Ernährung und Hartz IV: Wie teuer ist eine gesunde Kinderernährung
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Nationale Verzehrsstudie II (NVS II)
•
Durchgeführt vom Max Rubner‐Institut, Karlsruhe, im Auftrag für das Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
•
Liefert repräsentative Daten zum Ernährungsverhalten und – status
in Deutschland
•
Laufzeit: 2005‐2007
•
19.329 Teilnehmer im Alter von 14‐80 Jahren
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Ausgewählte Ergebnisse der NVS II
•
Personen mit niedrigem Sozialstatus :•
sind häufiger übergewichtig bzw. adipös als Personen aus
einer höheren Schicht•
verzehren weniger Lebensmittel mit günstiger
Nährstoffzusammensetzung wie Gemüse, Obst und ‐ erzeugnisse sowie Fisch/‐erzeugnisse
•
verzehren mehr fett‐
und zuckerreiche Lebensmittel wie Fleisch, insbesondere Wurstwaren und
Fleischerzeugnisse, Fette (Streichfette) sowie Süßwaren•
verzehren 3‐4‐mal mehr zuckerreichen Limonaden als
Personen der Oberschicht
Quelle: Max Rubner‐Institut
(Hrsg.) (2008): Nationale Verzehsstudie
II. Ergebnisbericht Teil 2
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Prävalenz von Unter‐, Normal‐, Übergewicht und Adipositas differenziert nach sozialer Schicht, Männer 18‐80 Jahre
Quelle: Max Rubner‐Institut
(Hrsg.) (2008): Nationale Verzehrsstudie II.Ergänzungsband zum Ergebnisbericht Teil 1. Ausgewählte Ergebnisse nach Schichtindex.
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Prävalenz von Unter‐, Normal‐, Übergewicht und Adipositas differenziert nach sozialer Schicht, Frauen 18‐80 Jahre
Quelle: Max Rubner‐Institut
(Hrsg.) (2008): Nationale Verzehrsstudie II.Ergänzungsband zum Ergebnisbericht Teil 1. Ausgewählte Ergebnisse nach Schichtindex.
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Verzehr von Limonaden (g/Tag) differenziert nach sozialer Schicht für Männer und Frauen
Quelle: Max Rubner‐Institut
(Hrsg.) (2008): Nationale Verzehrsstudie II. Ergebnisbericht Teil 2.
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Sozioökonomischer Status (SES) und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen
•
Ergebnis nationaler und internationaler Studien: Konsistenter Zusammenhang zwischen Prävalenz von
Übergewicht bzw. Adipositas, ungünstigerer Ernährung und niedrigem SES
•
Quellen (Beispiele):
•
Kinder‐
und Jugendgesundheitssurvey
(KiGGS)
•
Kieler Obesity
Prevention
Study
(KOPS)
•
Ernährungs‐
und Gesundheitsverhalten Nürnberger Grundschulkinder
•
Health Behaviour
in School‐aged
Children
study
(HBSC) – Die WHO ‐ Jugendgesundheitsstudie
•
Schuleingangsuntersuchungen
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Kinder‐
und Jugendgesundheitssurvey
(KiGGS)
•
Laufzeit: 2003‐2006
•
Teilnehmer: 17.641 Kinder und Jugendliche im Alter von 0‐17 Jahren
•
Modularer Aufbau
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Prävalenz von Adipositas nach Migrantenstatus und Sozialstatus und BMI der Mutter
Quelle:Kurth
B‐M, Schaffrath
Rosario A (2007): Die Verbreitung
von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in
Deutschland. Ergebnisse des bundesweiten Kinder‐
und
Jugendgesundheitssurveys
(KiGGS). Bundesgesundheitsblatt –
Gesundheitsforschung ‐
Gesundheitsschutz 50: 736‐743.
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Ernährungsmusterindex nach Herkunft
Quelle: RKI (Hrsg.) (2007): Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund – KiGGS‐Migrantenauswertung
‐
Endbericht.
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Ernährungsmusterindex nach SES und Migrationshintergrund
Quelle: RKI (Hrsg.) (2007): Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund – KiGGS‐Migrantenauswertung
‐
Endbericht.
Anteil der Migranten und Nicht‐Migranten
mit günstigem
Ernährungsmusterindex nach Sozialstatus
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Ergebnisse (Auswahl)
•
Höheres Risiko für Übergewicht und Adipositas bei Kindern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus, bei Kindern mit
Migrationshintergrund und bei Kindern, deren Mütter ebenfalls übergewichtig sind
•
Insbesondere ungünstigeres Ernährungsverhalten türkischstämmiger Kinder und Jugendliche im Vergleich zu
Nicht‐
Migranten•
Vor allem Lebensmittel, die im Zusammenhang mit einem
vermeintlich modernen Lebensstil stehen (z.B. Softdrinks, Fast Food, Süßigkeiten) werden in größeren Mengen konsumiert
•
Höheres Risiko für ungünstige Ernährungsweise bei Jungen, Jugendlichen und Studienteilnehmern aus Familien mit
niedrigem Sozialstatus
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Ernährungs‐
und Gesundheitsverhalten Nürnberger Grundschulkinder
•
Kooperationsprojekt zwischen dem Institut für Ernährungswissenschaft der JLU Gießen und dem
Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz
•
Ziel: Ermittlung möglicher Unterschiede im Ernährungs‐
und Bewegungsverhalten sowie im Gesundheitsverhalten und –
status
von Kindern aus Familien mit niedrigem, mittlerem und hohem SES
•
Laufzeit: Januar 2005 – Mai 2007
•
Teilnehmer: 331 Kinder der 4. Klasse im Alter von 8‐12 Jahren
Quelle: Walter C, Friedrich L, Leonhäuser I‐U (2008): Ernährungsweise und ‐zustandvon Nürnberger Grundschulkindern. In: Ernährung 2/08: 58‐67.
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Ernährungsweise der Kinder in Abhängigkeit vom SES
(n=170)
Quelle: Walter C, Friedrich L, Leonhäuser I‐U (2008): Ernährungsweise und ‐zustandvon Nürnberger Grundschulkindern. In: Ernährung 2/08: 58‐67.
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Gewichtsstatus der Kinder in Abhängigkeit vom SES (n=141)
Quelle: Walter C, Friedrich L, Leonhäuser I‐U (2008): Ernährungsweise und ‐zustandvon Nürnberger Grundschulkindern. In: Ernährung 2/08: 58‐67.
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Ergebnisse (Auswahl)
•
Schichtspezifische Unterschiede im Ernährungsverhalten und Gesundheitsstatus der
Kinder
•
Kinder aus Familien mit niedrigem SES:•
ernähren sich ungünstiger (übermäßiger Verzehr von
Softdrinks, Fast Food, Fleisch)
•
sind deutlich mehr von Übergewicht oder Adipositas betroffen
•
sind seltener Mitglied eines Sportvereins
•
verbringen nach Angabe der Eltern fast doppelt soviel Zeit vor dem Fernseher und/oder Computer
Quelle: Walter C, Friedrich L, Leonhäuser I‐U (2008): Ernährungsweise und ‐zustandvon Nürnberger Grundschulkindern. In: Ernährung 2/08: 58‐67.
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Mögliche Ursachen der sozialen Gradienten im Übergewicht
•
Übergewicht der Eltern•
Körperliche Aktivität
•
Medienzeiten•
Stress
•
Rauchen in der Schwangerschaft•
Stillen (protektiv)
•
Ernährung •
Sozioökonomische und strukturelle Faktoren•
Fehlende finanzielle Ressourcen
•
Psychosoziale Faktoren•
Ernährungswissen
•
Soziokulturelle Faktoren•
Körperbild
•
Sozialisation von Ernährungsgewohnheiten
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Ist eine gesunde Ernährung mit Arbeitslosengeld II (ALG II) möglich?
•
Untersuchung von Kersting/Clausen (2007) am FKE in Dortmund : „Wie teuer ist eine gesunde Ernährung für Kinder
und Jugendliche?“•
„kann nach unseren Kalkulationen (…) selbst eine preisgünstig
konzipierte, gesunde Kost wie die Optimierte Mischkost bei Kindern und Jugendlichen ab einem Alter von etwa 4 Jahren nicht realisiert
werden.“
•
Aktueller Regelsatz ALG II: 364 €/Monat,
davon sind 35,5% (129,24€) für den Posten „Nahrung und alkoholfreie Getränke“
vorgesehen, pro Tag also 4,23 € für Erwachsene•
Kinder bis 5 Jahre: 215 €
•
Kinder 6 – 13 Jahre: 251 €•
Kinder 14‐17 Jahre: 287 €
•
Erneute Untersuchung 2010 im Auftrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE Quelle: Kersting M, Clausen K (2007): Wie teuer ist eine gesunde
Ernährung für Kinder und Jugendliche? Ernährungs‐Umschau 54: 508‐513.
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Regelleistungen des ALG II und Lebensmittelkosten der Optimierten Mischkost
1
Kerstin & Clausen 2007
gering = geringe körperliche Aktivitätmittel = mittlere körperliche Aktivität
Quelle: Kersting M (2010): Ermittlung und Bewertung der Kosteneiner gesunden Ernährung für Kinder und Jugendliche.
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Fazit
•
Kindern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus und Kinder mit Migrationshintergrund haben ein höheres Risiko für Übergewicht und
Adipositas und ernähren sich häufiger ungünstig
•
Präventionsprogramme sollten u.a. ökonomische Ressourcen, das Bildungsniveau, das soziale Umfeld und das Geschlecht berücksichtigen.
•
Auch der kulturelle, sprachliche und religiöse Hintergrund muss bei der Planung und Durchführung von Maßnahmen berücksichtigt werden!
zielgruppenspezifische Präventionsprogramme
Setting Ansätze
verhältnisorientierte Ansätze
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Literatur
•
Kersting M (2010): Ermittlung und Bewertung der Kosten einer gesunden
Ernährung für Kinder und Jugendliche. Download unter:
http://dokumente.linksfraktion.de/mdb/42016943.pdf•
Kersting M, Clausen K (2007): Wie teuer ist eine gesunde Ernährung für Kinder
und Jugendliche? Ernährungs‐Umschau 54: 508‐513.•
Kurth B‐M, Schaffrath
Rosario A (2007): Die Verbreitung von Übergewicht und
Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse des
bundesweiten Kinder‐
und Jugendgesundheitssurveys
(KiGGS).
Bundesgesundheitsblatt –
Gesundheitsforschung ‐
Gesundheitsschutz 50: 736‐
743. •
Max Rubner‐Institut
(Hrsg.) (2008): Nationale Verzehsstudie
II. Ergebnisbericht
Teil 2.•
Max Rubner‐Institut
(Hrsg.) (2008): Nationale Verzehrsstudie II. Ergänzungsband
zum Ergebnisbericht Teil 1. Ausgewählte Ergebnisse nach Schichtindex.•
RKI (Hrsg.) (2007): Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen mit
Migrationshintergrund –
KiGGS‐Migrantenauswertung
‐
Endbericht.
•
Walter C, Friedrich L, Leonhäuser I‐U (2008): Ernährungsweise und –zustand von
Nürnberger Grundschulkindern. In: Ernährung 2/08: 58‐67.