effektive kurzzeit-frühbehandlung der transversalen ... · effektive kurzzeit-frühbehandlung der...

10
Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early Treatment of Transverse Discrepancy by Means of Rapid Maxillary Expansion Autor N. Schepp Schlüsselwörter l " Frühbehandlung l " transversale Diskrepanz l " Gaumennahterweiterung l " Dehnplatte Key words l " early transverse treatment l " transverse discrepancy l " rapid maxillary expansion l " maxillary removable expansion appliance Bibliografie DOI 10.1055/s-2007-990467 Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0022-0336 Korrespondenzadresse Dr. Niko Schepp Schubartstr. 3 73430 Aalen Tel.: 0 73 61 / 67 41 [email protected] Fallberichte 287 In der Kieferorthopädie versteht man unter einer Frühbehandlung eine zeitlich und vom Umfang her begrenzte Behandlung im Milchgebiss bzw. frühen Wechselgebiss, mit dem Ziel der Förde- rung einer regelrechten Gebissentwicklung. Sie ist laut Stellungnahme der Deutschen Gesell- schaft für Kieferorthopädie angezeigt bei der Pro- genie, der Retrogenie mit Nonokklusion und ex- trem vergrößerter Frontzahnstufe, einem seit- lichen Kreuzbiss mit Gefahr der Wachstumshem- mung des Oberkiefers, bei ausgeprägten Formen des lateralen oder progenen Zwangsbisses, trau- matisch bedingten Kieferanomalien und Fehlent- wicklungen bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten bzw. anderen syndromalen Erkrankungen [1]. Idealerweise sollte eine Frühbehandlung eine spätere Behandlung gänzlich erübrigen oder zu- mindest erheblich erleichtern. Außerdem sollte sie möglichst kurz sein, um dem Patienten nicht die Motivation für eine Behandlungsfortsetzung im bleibenden Gebiss zu nehmen, falls diese er- forderlich wird. Ziel dieses Artikels ist die Beschreibung einer ef- fektiven Kurzzeit-Frühbehandlung für Patienten mit schmalem Oberkiefer mit einer Gaumennaht- erweiterung. Das vom Autor routinemäßig einge- setzte Behandlungsprotokoll wird anhand von unterschiedlichen Behandlungsfällen, wie man sie regelmäßig in kieferorthopädischen Praxen findet, dargestellt. Aufgrund der offensichtlichen Vorteile der Gaumennahterweiterung für Patient und Therapeut sollen Behandler, die bisher über- wiegend mit herausnehmbaren Dehnplatten ge- arbeitet haben, motiviert werden, zur festsitzen- den Apparatur zu wechseln. Diagnostik des schmalen Oberkiefers (maxilläre transversale Defizienz) ! Eine transversale Diskrepanz zwischen Oberkie- fer und Unterkiefer ist offensichtlich, wenn ein einseitiger oder beidseitiger Kreuzbiss vorliegt. Sie kann aber auch maskiert sein, wenn die Diskrepanz durch entsprechenden Molaren- torque dental kompensiert ist, typischerweise durch ausgeprägte Bukkalkippung der OK-Mo- laren bzw. Lingualkippung der UK-Molaren (l " Abb. 1 a–c). Grundsätzlich lässt sich eine transversale skelet- tale Diskrepanz nur dann zuverlässig bestimmen, wenn man bei der Modellauswertung das Aus- maß der vorliegenden posterioren dentalen Kom- pensation berücksichtigt. Dazu muss man die Neigung der oberen und unteren Molaren am Mo- dell in der Frontalebene bewerten und danach ge- danklich richtig stellen. Das bedeutet, die Bukkal- kippung der oberen Molaren und die Lingualkip- pung der unteren Molaren virtuell zu korrigieren. Verschlechtern sich dabei die transversalen Okklusionsverhältnisse, hier in Richtung eines Kreuzbisses, so ist eine transversale skelettale Diskrepanz sehr wahrscheinlich (l " Abb. 1 a–c) [2]. Das American Board of Orthodontics hat in sei- nen Behandlungszielen beschrieben, dass die Zusammenfassung ! Anhand von sieben klinischen Behandlungsfällen wird eine effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz mit einer GNE-Appara- tur beschrieben und die Vorteile gegenüber einer Dehnplatte diskutiert. Abstract ! By seven clinical case examples an effective short-time early treatment protocol of the trans- verse discrepancy by means of rapid maxillary expansion is described and the advantages com- pared to a removable appliance treatment are discussed. Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287 – 296

Upload: ngoxuyen

Post on 22-May-2018

216 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

Effektive Kurzzeit-Frühbehandlungder transversalen Diskrepanzdurch GaumennahterweiterungEffective Short-Time Early Treatment of Transverse Discrepancyby Means of Rapid Maxillary Expansion

Autor N. Schepp

Schlüsselwörterl" Frühbehandlungl" transversale Diskrepanzl" Gaumennahterweiterungl" Dehnplatte

Key wordsl" early transverse treatmentl" transverse discrepancyl" rapid maxillary expansionl" maxillary removable

expansion appliance

BibliografieDOI 10.1055/s-2007-990467Inf Orthod Kieferorthop 2007;39: 287–296© Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New York ·ISSN 0022-0336

KorrespondenzadresseDr. Niko ScheppSchubartstr. 373430 AalenTel.: 07361/[email protected]

Fallberichte 287

In der Kieferorthopädie versteht man unter einerFrühbehandlung eine zeitlich und vom Umfangher begrenzte Behandlung im Milchgebiss bzw.frühen Wechselgebiss, mit dem Ziel der Förde-rung einer regelrechten Gebissentwicklung. Sieist laut Stellungnahme der Deutschen Gesell-schaft für Kieferorthopädie angezeigt bei der Pro-genie, der Retrogenie mit Nonokklusion und ex-trem vergrößerter Frontzahnstufe, einem seit-lichen Kreuzbiss mit Gefahr derWachstumshem-mung des Oberkiefers, bei ausgeprägten Formendes lateralen oder progenen Zwangsbisses, trau-matisch bedingten Kieferanomalien und Fehlent-wicklungen bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltenbzw. anderen syndromalen Erkrankungen [1].Idealerweise sollte eine Frühbehandlung einespätere Behandlung gänzlich erübrigen oder zu-mindest erheblich erleichtern. Außerdem solltesie möglichst kurz sein, um dem Patienten nichtdie Motivation für eine Behandlungsfortsetzungim bleibenden Gebiss zu nehmen, falls diese er-forderlich wird.Ziel dieses Artikels ist die Beschreibung einer ef-fektiven Kurzzeit-Frühbehandlung für Patientenmit schmalem Oberkiefer mit einer Gaumennaht-erweiterung. Das vomAutor routinemäßig einge-setzte Behandlungsprotokoll wird anhand vonunterschiedlichen Behandlungsfällen, wie mansie regelmäßig in kieferorthopädischen Praxenfindet, dargestellt. Aufgrund der offensichtlichenVorteile der Gaumennahterweiterung für Patientund Therapeut sollen Behandler, die bisher über-wiegend mit herausnehmbaren Dehnplatten ge-

arbeitet haben, motiviert werden, zur festsitzen-den Apparatur zu wechseln.

Diagnostik des schmalen Oberkiefers(maxilläre transversale Defizienz)!

Eine transversale Diskrepanz zwischen Oberkie-fer und Unterkiefer ist offensichtlich, wenn eineinseitiger oder beidseitiger Kreuzbiss vorliegt.Sie kann aber auch maskiert sein, wenn dieDiskrepanz durch entsprechenden Molaren-torque dental kompensiert ist, typischerweisedurch ausgeprägte Bukkalkippung der OK-Mo-laren bzw. Lingualkippung der UK-Molaren(l" Abb. 1a–c).Grundsätzlich lässt sich eine transversale skelet-tale Diskrepanz nur dann zuverlässig bestimmen,wenn man bei der Modellauswertung das Aus-maß der vorliegenden posterioren dentalen Kom-pensation berücksichtigt. Dazu muss man dieNeigung der oberen und unterenMolaren amMo-dell in der Frontalebene bewerten und danach ge-danklich richtig stellen. Das bedeutet, die Bukkal-kippung der oberen Molaren und die Lingualkip-pung der unteren Molaren virtuell zu korrigieren.Verschlechtern sich dabei die transversalenOkklusionsverhältnisse, hier in Richtung einesKreuzbisses, so ist eine transversale skelettaleDiskrepanz sehr wahrscheinlich (l" Abb. 1a–c)[2].Das American Board of Orthodontics hat in sei-nen Behandlungszielen beschrieben, dass die

Zusammenfassung!

Anhand von sieben klinischen Behandlungsfällenwird eine effektive Kurzzeit-Frühbehandlung dertransversalen Diskrepanz mit einer GNE-Appara-tur beschrieben und die Vorteile gegenüber einerDehnplatte diskutiert.

Abstract!

By seven clinical case examples an effectiveshort-time early treatment protocol of the trans-verse discrepancy by means of rapid maxillaryexpansion is described and the advantages com-pared to a removable appliance treatment arediscussed.

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 2: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

korrekte Achsneigung der Molaren ein Qualitätsmerkmal einerkieferorthopädischen Behandlung ist [3]. Man weiß, dass imnormal entwickelten Gebiss die Molaren aufrecht stehen: Longi-tudinalstudien der University of Iowa an unbehandelten Perso-nen belegen den Durchbruchsweg der Molaren: OK-Molarenbrechen mit bukkalem Kronentorque durch, UK-Molaren mitlingualem Kronentorque. Während des weiteren Wachstumsrichten sich diese Zähne auf [2, 4, 5]. Folglich erscheint es sinn-voll, im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung eineideale transversale Beziehung der Seitenzähne mit annäherndaufrecht stehenden Molaren anzustreben.

Gaumennahterweiterung: verlässlichste Methodezur Korrektur der transversalen Diskrepanz!

Die forcierte Gaumennahterweiterung ist ein kieferorthopädi-sches Verfahren zur Verbreiterung des Oberkiefers [6]. ÜberVerankerungszähne im Oberkiefer wird eine Kraft ausgeübt, diegroß genug ist, die Sutura palatina mediana zu öffnen. Der Wi-derstand der kraniofazialen Knochen gegen diese Kräfte steigtmit zunehmendem Alter.Traditionell wird die Hyrax-Schraube an vier Zähnen befestigt(über Bänder zementiert oder direkt geklebt). DieWirkung einernur an zwei Zähnen befestigten Schraube ist geringer [11]. Wei-terhin wird die GNE-Apparatur auch gerne um Kunststoffschil-der am Gaumen oder einen Kunststoffaufbiss erweitert.Systematische Übersichten (Reviews) zur Sofort- und Langzeit-wirkung der nicht chirurgisch unterstützten Gaumennahterwei-terung bescheinigen diesem Behandlungsvorgehen eine zuver-lässige Verbreiterung des Oberkiefer-Zahnbogens. Es darf eineskelettale Wirkung erwartet werden. Allerdings erlauben diebisher vorliegenden Studien keine definitive Aussage zum Ver-hältnis von skelettalen und dentoalveolären Effekten. BessereStudiendesigns seien notwendig, um Aussagen mit einem höhe-ren Evidenzgrad zu ermöglichen [7–9]. Bezüglich der Auswir-kung der Gaumennahterweiterung auf die vertikale Relationvon Oberkiefer und Unterkiefer ist dagegen eine Aussagemit ho-hem Evidenzgrad möglich: Im Rahmen der Expansion gibt eskeine klinisch signifikanten Veränderungen in der Vertikalebene[7–9]. Die Angst vor einer Bissöffnung durch Gaumennahter-weiterung ist somit unbegründet!Es ist ebenfalls nachgewiesen, dass die Gaumennahterweiterungeine zuverlässige Methode zur Vergrößerung des Platzangebots

in der Oberkieferfront ist, denn die Verbreiterung des Oberkie-fers führt zwangsläufig auch zu einer Vergrößerung des Inter-eckzahnabstands [7, 8, 10]. Dieser Effekt ist meist erwünscht, daeine skelettale transversale Diskrepanz häufig einen Engstandder Oberkieferfront verursacht. Der Engstand tritt selbstver-ständlich auch dann auf, wenn die transversale Diskrepanz pos-terior kompensiert (maskiert) ist.

Behandlungsprotokoll der Frühbehandlung derOberkieferkompression!

Ziel der Behandlung ist die Korrektur des gesamten Ausmaßesder skelettalen transversalen Diskrepanz. (Die vollständige Kor-rektur bringt mehr Platz im Zahnbogen und vermindert das Re-zidivrisiko.) Dies gelingt nur, wenn im Rahmen der Behandlungauch die dentale Kompensation vollständig berücksichtigt wirdund die dadurch notwendige größere Expansion des Oberkieferszuverlässig erreicht wird. Das hierfür am besten geeignete Ex-pansionsgerät ist nach heutigemWissensstand die GNE-Appara-tur und der geeignete Zeitpunkt das Wechselgebiss, da hier dieskelettale Komponente der Gaumennahterweiterung größer istals im bleibenden Gebiss.Es ergibt sich folgendes Behandlungsprotokoll:1. Beseitigung der dentalen Kompensation,2. forcierte Gaumennahterweiterung (2 × 1/4 Umdrehung pro

Tag » 0,5mm),3. Korrektur der Frontzahnstellung,4. Retention.Sofern die oberen Molaren deutlich nach bukkal gekippt sind,werden diese zunächst mit einem Palatinalbogen, in den Kom-pression und ein palatinaler Kronentorque eingebogen ist, auf-gerichtet. Das Aufrichten erleichtert auch das nachfolgende Ein-setzen der Gaumennahterweiterungsapparatur, da sich die Ein-schubrichtung für das Gerät verbessert. Es folgt die forcierteGaumennahterweiterung (2 × 1/4 Umdrehung pro Tag » 0,5mm).Meistens wird in 10–20 Tagen eine Expansion von 5–10mm aufder Kronenebene erreicht. Während die GNE-Apparatur an-schließend zur Stabilisierung drei Monate passiv im Mund ver-bleibt, kann die Frontzahnstellung leicht mit Brackets korrigiertwerden. Nach mindestens 3Monaten Verweildauer kann die ge-samte festsitzende Apparatur entfernt und – wenn gewünscht –ein Essix-Retainer zum Halten der Frontzahnstellung eingesetztwerden.

Abb. 1a Keine transversale Diskrepanz. Mola-ren stehen aufrecht.

Abb. 1c Gestrichelte Linie zeigt gedanklichesAufrichten der Molaren von Abb. 1b. Es resul-tiert ein Kreuzbiss.

Abb. 1b OK-Kompression, dental kompen-siert: OK-Molaren nach bukkal gekippt, UK-Mo-laren nach lingual gekippt.

Fallberichte288

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 3: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

Fallbeispiele!

Die nachfolgenden Fotodokumentationen der Behandlungsver-läufe verschiedener Patienten mit unterschiedlicher klinischerManifestation der Oberkieferkompression demonstrieren, dassdas beschriebene Behandlungsprotokoll ein zuverlässig wirksa-

mes Verfahren für ein großes Spektrum an klinischen Befundenmit dem Leitsymptom transversale Diskrepanz ist.

Fall 1 (Abb. 2)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit Kreuzbiss 26, negativeFrontzahnstufe (mesialer Zwangsbiss)mit Engstand der OK-Front.

a b c

d e f

j k l

g h i

m n o

Abb. 2 Fall 1. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 4Wochen nach Beendigung der GNE-Aktivierung. Brackets 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Bogen-wechsel). j–l: Verlaufsfotos (Bogenwechsel).m–o: Endbefund nach 9Monaten Behandlung.

Fallberichte 289

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 4: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung, während derStabilisierungsphase Brackets 21 + 12 zum Ausformen der Front.Behandlungsdauer: 9Monate.Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten,Frontengstand aufgelöst und frontaler Kreuzbiss beseitigt.

Fall 2 (Abb. 3)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer, dental kompensiert durchBukkalkippung der OK-Molaren, starker Platzmangel in derFront mit Kreuzbiss 21.

a b c

d e f

g h i

j k l

m n o

Abb. 3 Fall 2. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand nach GNE-Aktivierung. Brackets 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Bogenwechsel). j–l: Verlaufsfotos (Bo-genwechsel).m–o: Endbefund nach 10Monaten Behandlung.

Fallberichte290

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 5: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

Behandlung: Zunächst Palatinalbogen, dann forcierte Gaumen-nahterweiterung und während der Stabilisierungsphase Bra-ckets 21 + 12. Behandlungsdauer 10Monate.Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten,Frontengstand aufgelöst und Kreuzbiss 21 beseitigt.

Fall 3 (Abb. 4)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit Kreuzbiss 26, Platz-mangel und Palatinalstand (Kreuzbiss) 12,22.Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung, während derStabilisierungsphase, Brackets 21 + 12 zur Korrektur der Front-zahnstellung. Behandlungsdauer 7Monate.

a b c

d e f

g h i

j k l

m n o

Abb. 4 Fall 3. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 6Wochen nach letzter GNE-Aktivierung. Brackets 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (GNE wurde entfernt,Fortsetzung der Behandlung mit Teilbogen in OK-Front). j–l: Verlaufsfotos (Bogenwechsel).m–o: Endbefund nach 7Monaten Behandlung. Patient trägtEssix-Retainer.

Fallberichte 291

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 6: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten,Frontengstand aufgelöst und Kreuzbiss 12,22 beseitigt. Reten-tion mit Essix-Retainer.

Fall 4 (Abb. 5)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit seitlichem Kreuzbissrechts (Zwangsbiss), Platzmangel (Durchbruchsverzögerung)11.

Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung. Erst nach GNE-Stabilisierung und Spontandurchbruch 11 Brackets 21 + 12(6Monate nach letzter GNE-Aktivierung). Behandlungsdauer12Monate (6Monate Behandlungspause).Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten(seitlicher Kreuzbiss beseitigt), OK-Front ausgeformt undZahn 11 eingestellt.

a b c

d e f

g h i

j k l

Abb. 5 Fall 4. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 6Monate nach letzter GNE-Aktivierung. Bracket 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Bogenwechsel).j–l: Endbefund nach 12Monaten Behandlung (6Monate Behandlungspause) und 3Monaten Retention mit Essix-Retainer.

Fallberichte292

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 7: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

Fall 5 (Abb. 6)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit seitlichem Kreuzbissrechts (Zwangsbiss), geringer Platzmangel in OK-Front und Buk-kalkippung der OK-Molaren.Behandlung: Zunächst Palatinalbogen, dann forcierte Gaumen-nahterweiterung, 4Monate nach GNE-Stabilisierung Brackets21 + 12. Behandlungsdauer 12Monate.

Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten(seitlicher Kreuzbiss beseitigt) und OK-Front ausgeformt. Reten-tion mit Essix-Retainer.

a b c

d e f

g h i

j k l

Abb. 6 Fall 5. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 4Monate nach letzter GNE-Aktivierung. Keramikbrackets 21 + 12 geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Bogen-wechsel). j–l: Endbefund nach 12Monaten Behandlung. Danach Retention mit Essix-Retainer.

Fallberichte 293

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 8: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

Fall 6 (Abb. 7)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit beidseitigem Kreuz-biss, starker Platzmangel 12,22 (Durchbruchsverzögerung).Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung, während GNE-Stabilisierung zunächst Brackets III1 + 1 III, nach Lückenöff-nung 12,22 Brackets 21 + 12. Behandlungsdauer 15Monate.

Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten(beidseitiger Kreuzbiss korrigiert), Zähne 12,22 eingestellt undOK-Front ausgeformt. Retention mit Essix-Retainer.

a b c

d e f

g h i

j k l

m n o

Abb. 7 Fall 6. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand nach GNE-Aktivierung. Brackets III 1 + 1 III geklebt. g–i: Verlaufsfotos (Lückenöffnung 12,22).j–l: Verlaufsfotos (Bogenwechsel).m–o: Endbefund nach 15Monaten Behandlung. Retention mit Essix-Retainer.

Fallberichte294

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 9: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

Fall 7 (Abb. 8)Anfangsbefund: Schmaler Oberkiefer mit beidseitigem Kreuz-biss bei skelettaler Klasse III.Behandlung: Forcierte Gaumennahterweiterung, danach GNE-Stabilisierung für 8Monate (keine Brackets). Behandlungsdauer9Monate.Endbefund Frühbehandlung: Harmonische Zahnbogenbreiten(beidseitiger Kreuzbiss korrigiert). Später in Abhängigkeit vonUnterkieferwachstum weitere Behandlungsmaßnahmen.

Diskussion!

Das beschriebene Behandlungsprotokoll basiert auf den Prinzi-pien (1) frühzeitige Behandlung der transversalen Diskrepanzund (2) Korrektur durch forcierte Gaumennahterweiterung.Es gibt Hinweise darauf, dass es vorteilhaft ist, eine transversaleDiskrepanz frühzeitig, d.h. im frühenWechselgebiss zu korrigie-ren.Die Bedeutung einer frühen Korrektur ist besonders leicht nach-vollziehbar, wenn sich die Diskrepanz in einem seitlichen Kreuz-biss mit lateralem Zwangsbiss manifestiert. Kinder mit diesemFehlbiss entwickeln zu einem hohen Prozentsatz einen asym-metrischen Unterkiefer [2]. Durch eine rechtzeitige Korrekturdes Zwangsbisses kann dies verhindert werden [2]. Da die ske-lettale Wirkung der Expansionsbehandlung im Wechselgebissgrößer ist als im bleibenden Gebiss, gilt das Prinzip frühzeitige

Korrektur des Schmalkiefers aber auch, wenn sich die transver-sale Diskrepanz nicht in einem seitlichen Kreuzbiss manifestiert,sondern durch Bukkalkippung der OK-Molaren und Lingualkip-pung der UK-Molaren dental kompensiert ist. Die rechtzeitigeVergrößerung der apikalen Basis erlaubt eine aufrechtere (phy-siologischere) Position der oberen und unteren Molaren undbringt mehr Platz in beiden Zahnbögen. So können besonders inGrenzfällen Extraktionen vermieden werden. Unbedingt zu be-achten ist dabei aber, dass der Unterkiefer das Ausmaß der mög-lichen OK-Expansion bestimmt. Eine Expansion des Oberkiefersüber den Punkt hinaus in dem die unterenMolaren aufrecht ste-hen ist nicht vertretbar.Zahlreiche Studien belegen, dass die Gaumennahterweiterungs-apparatur das effizienteste Behandlungsgerät zur transversalenExpansion des Oberkiefers ist. Daher ist sie vermutlich weltweitdas gebräuchlichste Gerät zur Verbreiterung des Oberkiefers.Die GNE-Apparatur ist das einzige Gerät, das zuverlässig dieOberkieferhälften separiert und eine verlässliche skelettale Wir-kung hat. Sie ist effektiver und effizienter als die Dehnplatte, damit der GNE insgesamt mehr Expansion erreicht werden kannund dies auch noch in kürzerer Zeit und mit weniger Patienten-mitarbeit. Dazu ist das Expansionsergebnis der GNE qualitativhochwertiger, da die skelettale Komponente größer ist.Aus diesen Gründen ist die GNE-Apparatur auch für eine Frühbe-handlung besser geeignet als die Dehnplatte. Denn die Anforde-rungen an eine Frühbehandlung sind, dass die Therapie mög-lichst kurz ist, wenig Patientenmitarbeit erfordert und idealer-

a b c

d e f

g h i

Abb. 8 Fall 7. a–c: Anfangsbefund. d–f: Zustand 3Monate nach letzter GNE-Aktivierung. g–i: Zustand 6Monate nach Behandlungsende. Palatinalbogenzum Halten der Transversalen.

Fallberichte 295

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296

Page 10: Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen ... · Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der transversalen Diskrepanz durch Gaumennahterweiterung Effective Short-Time Early

weise eine spätereWeiterbehandlung erübrigt. Letzteres ist auf-grund der größeren skelettalenWirkung und der insgesamt grö-ßeren Expansionskapazität der GNE eher gegeben als mit einerDehnplatte, denn zusammen ermöglichen beide Eigenschaftender GNE die Korrektur der gesamten transversalen Diskrepanz,also auch des Anteils, der durch posteriore dentale Kompensa-tion maskiert ist. (In Fällen mit ausgeprägter Bukkalkippungmüssen die OK-Molaren dazu vorher gelegentlich aufgerichtetwerden. Meist findet man jedoch nach ausreichender Expansionmit GNE eine spontane Aufrichtung der oberen und unteren Mo-laren entsprechend ihres physiologischen Durchbruchsweges.)Als Ergebnis der vollständigen Korrektur hat man ein geringeresRezidivrisiko, einen größeren Platzgewinn und damit geringereExtraktionsnotwendigkeit und einen geringeren Weiterbehand-lungsbedarf.Nicht nur wegen der geringeren Expansionskapazität der Dehn-platte erlaubt sie nicht die Beseitigung der posterioren Kompen-sation. Meist verursacht die Expansion mit Dehnplatte sogareine Molarenkippung und ist somit für die Korrektur der trans-versalen Diskrepanz unter den genannten Qualitätskriterien ge-radezu kontraproduktiv mit allen nachteiligen Folgen: Hohe Re-zidivanfälligkeit, wenig Platzgewinn, mehr Weiterbehandlungs-bedarf und Gefahr von Balancekontakten.

Schlussfolgerung!

Es ist sinnvoll, eine skelettale Diskrepanz frühzeitig zu behan-deln. Die geeignetste Apparatur für einen skelettalen Effekt undeine schnellen Behandlungsfortschritt ist die GNE. Dehnplattenhaben statt des gewünschten Effekts häufig unerwünschte Ne-

benwirkungen und längere Behandlungszeiten. Nimmtman die-se Faktenlage zur Kenntnis, gibt es wenig Argumente statt desvorgestellten Behandlungskonzepts eine Behandlung mit he-rausnehmbaren Apparaturen durchzuführen.

Literatur1 DGKFO. Stellungnahme zum Thema Kieferorthopädische Frühbehand-

lung. Fortschritte der Kieferorthopädie 1996; 57: 32 Marshall SD, Southard KA, Southard TE. Early transverse treatment.

Semin Orthod 2005; 11: 130–1393 American Board of Orthodontics. Grading system for dental casts and

panoramic radiographs. St. Louis: American Board of Orthodontics1999

4 Marshall S, Dawson D, Southard KA, Lee AN, Casko JS, Southard TE.Transverse molar movements during growth. Am J Orthod Dentofa-cial Orthop 2003; 124: 615–624

5 Hesby RM, Marshall SD, Dawson DV, Southard KA, Casko J, FranciscusRG, Southard TE. Transverse skeletal and dentoalveolar changes dur-ing growth. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2006; 130: 721–731

6 Haas AJ. The treatment of maxillary deficiency by opening the mid-palatal suture. Angle Orthod 1965; 35: 200–217

7 Lagravère MO, Giseon H, Major PW, Flores-Mir C, Orth C.Meta-analysisof immediate changes with rapid maxillary expansion treatment. JAm Dent Assoc 2006; 137: 44–53

8 Lagravère MO, Major PE, Flores-Mir C. Long-term dental arch changesafter rapid maxillary expansion treatment: a systematic review. An-gle Orthod 2005; 75: 155–161

9 Lagravère MO, Major PE, Flores-Mir C. Skeletal changes with rapidmaxillary expansion treatments: a systematic review. Angle Orthod2005; 75: 1046–1052

10 Cozzani M et al. Forcierte Gaumennahterweiterung. Inf Orthod Kiefer-orthop 2003; 35: 107–112

11 Davidovitch M, Efstathiou S, Sarne O, Vardimon AD. Skeletal and dentalresponse to rapid maxillary expansion with 2- versus 4-band appli-ances. Am J Orthod Dentofac Orthop 2005; 127: 483–492

Fallberichte296

Schepp N. Effektive Kurzzeit-Frühbehandlung der maxillären … Inf Orthod Kieferorthop 2007; 39: 287–296