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Das Einfamilienhaus 6/2013_35 Reportage 34_Das Einfamilienhaus 6/2013 Ein Haus wie eine Wundertüte In aussichtsreicher Lage oberhalb des Hallwilersees liegt ein Neubau, der mit verspielten Elementen und einer Portion Extra- vaganz punktet. Herzstück des Hauses ist die überhohe Wohnküche mit ihrem archaischen Lehmofen. Von Alice Werner (Text) und Markus Zuber (Fotos) Auszug aus der Zeitschrift erschienen am 28. November 2013 ©Etzel Verlag AG DAS EINFAMILIEN HAUS

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Page 1: Ein Haus wie eine Wundertüteünstler.ch/inc/downloads/EFH613_Wundertuete.pdf · Reportage Ein Haus wie eine Wundertüte 40_Das Einfamilienhaus 6/2013 1) Im Bad wird die freistehende

Das Einfamilienhaus 6/2013_35

Reportage

34_Das Einfamilienhaus 6/2013

Ein Haus wie eine Wundertüte In aussichtsreicher Lage oberhalb des Hallwilersees liegt ein Neubau, der mit verspielten Elementen und einer Portion Extra-vaganz punktet. Herzstück des Hauses ist die überhohe Wohnküche mit ihrem archaischen Lehmofen.Von Alice Werner (Text) und Markus Zuber (Fotos)

Auszug aus der Zeitschrift

erschienen am28. November 2013

©Etzel Verlag AG

DAS EINFAMILIEN

HAUS

Page 2: Ein Haus wie eine Wundertüteünstler.ch/inc/downloads/EFH613_Wundertuete.pdf · Reportage Ein Haus wie eine Wundertüte 40_Das Einfamilienhaus 6/2013 1) Im Bad wird die freistehende

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Reportage Ein Haus wie eine Wundertüte

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Foto gross) Der Holzwürfel mit der verspielten Fassade ist nach baubiologischen Standards konstruiert.1) Unbezahlbar: die Aussicht weit ins Land hinaus.2) Der kurvige Pfad aus Steinplatten schlängelt sich auf Umwegen zum Haus.3) Die Lage am Rand der Landwirtschaftszone gab den Ausschlag für den Kauf des Grundstücks.

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Reportage Ein Haus wie eine Wundertüte

Foto gross) Mit der offenen Wohnküche erfüllte sich ein Herzenswunsch. Front und Parkett: Eschenholz.1) Der archaische Lehmofen ist die ökologische Wärmequelle für das ganze Haus.2) Auf der breiten Ofenbank, Raumteiler zum tiefer liegenden Arbeitszimmer, möchte man es sich gleich bequem machen.

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Reportage Ein Haus wie eine Wundertüte

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1) Im Bad wird die freistehende Wanne vor der Lehmwand zum Blickfang.2+3) Der Bezug zum Aussenraum ist ein wichtiger Teil des Wohnkonzepts.4) Auf einer der Dachterrassen findet sich immer ein schattiges Plätzchen.

> Wenn Claudia Nothelfer und ihr Mann Christoph Andenmat-ten am Küchentisch sitzen, geniessen sie einen freien Blick übersanft geschwungene Hügel bis hinunter zum Hallwilersee. «Das istwirklich ein aussergewöhnlich schönes Panorama», schwärmt dieHausherrin, die am Bodensee aufgewachsen ist und die lieblicheoffene Landschaft und die wasserreiche Umgebung zwischenLuzern und Lenzburg daher besonders schätzt. Ursprünglich wardas Ehepaar auf der Suche nach einem alten Bauernhaus in Pen-deldistanz zu Zürich, dachte «eher an einen Umbau als an einenNeubau». Doch dann stiess Claudia Nothelfer zufällig auf den vonder Aargauer Gemeinde Boniswil angebotenen Bauplatz auf einerehemaligen Obstwiese am Hang – und die Pläne änderten sichrasch: Die aussichtsreiche Lage des Grundstücks mit direkterGrenze zu einer landwirtschaftlich genutzten, also baufreien Zonekonnte man sich nicht entgehen lassen. Den hinzugezogenen Lenzburger Architekten Roland Hüsser undStefan Schmid legte das Ehepaar Nothelfer/Andenmatten dieGrundideen zu ihrem neuen Eigenheim vor: ein Holzwürfel mitverspielter, farbiger Fassade, nach baubiologischen Standards undmit möglichst vielen Naturmaterialien konstruiert. Zentrum desHauses sollte eine offene, behagliche Wohnküche mit Zugang zuTerrasse und Garten werden.

Kompakter Baukörper «Die Kubatur war dann eigentlich baldgefunden», sagt Architekt Roland Hüsser, der zusammen mit derBauherrin durchs Haus führt. Ein kompakter Baukörper, in allevier Himmelsrichtungen geöffnet und gekrönt von einem freiangeordneten Attikageschoss. «Wir wollten die erlaubte Gebäude-höhe ausnutzen», erklärt Hüsser. Da das Terrain auf Wunsch derBauherrschaft nicht unnötig verändert werden sollte, ist das Haushalbgeschossig versetzt, die Räume organisieren sich im Grundrissauf einem Splitlevel. Den topografischen Gegebenheiten geschul-det ist auch der Zugang zum Haus, der hangseitig von obenerfolgt. Hier kann man wählen, ob man den direkten oder einenleicht gewundenen Umweg nimmt. Hausherrin Claudia Nothelferlacht, denn der kurvige Pfad aus Steinplatten durch die Wiese warihr Einfall. Auch Roland Hüsser schmunzelt und erinnert an dieProjektplanung: «Statt 0815 war Eigenwilligkeit gewünscht.» DieseHaltung, die Freude an einer Portion Extravaganz, sieht man demNeubau an. Umhüllt mit einer Schalung aus hellem Lärchenholz,das durch Witterungseinflüsse noch silbrig vergrauen wird, sorgendie spielerisch über die Wohnebenen verteilten Fensteröffnungenin unterschiedlichen Formaten für dynamische Spannung.

Durchdachtes Farbkonzept Akzente setzen auch die bunten Fassa-denelemente. Drei Farben tauchen aussen wie innen immer wie-der auf: Lavendel-Lila, Frauenmantel-Grün und Rosmarin-Blau,je nach Lichtverhältnissen kräftiger oder zarter im Ton. Dahintersteckt ein durchdachtes Konzept der Illustratorin und GestalterinMo Richner, das eine Übersättigung an Farbe, eine Reizüberflu-tung verhindert. Auffällig-unauffällig, so könnte man den Ge-samteindruck vielleicht am besten beschreiben. Nur für den Ein-gangsbereich und das zentrale Treppenhaus wünschte sich ClaudiaNothelfer «noch etwas Griffigeres als reine Farbflächen»: Kunst amBau. Und so durchzieht nun ein fantasievoller Motivreigen De-cken und Wände; direkt auf die hellgrün gestrichene Tapete gepin-selt, flattern das ganze Jahr über Schmetterlinge, Pusteblumen,Kleeblätter, Federn und andere Naturmotive durchs Haus.

Gemütliche Wohnküche Rechts vom Eingangsbereich geht es ineinen überhohen, lichtdurchfluteten Raum, auf den die profaneBezeichnung «Küche» eigentlich nicht zutrifft. Denn hier wirdnicht nur gekocht, hier wird gelebt. Claudia Nothelfer war dieseoffene und grosszügige, im wörtlichen Sinn zu verstehendeWohnküche ein echter Herzenswunsch. Entsprechend liebevoll,in warmen Tönen und mit vielen Textilien, ist die Einrichtung aus-gefallen: weich fallende Vorhänge, Kissen, ein roter Teppich,gepolsterte Stühle in Violett und Grün. Die sechs Stufen zum

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Reportage Ein Haus wie eine Wundertüte

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Arbeitszimmer, ein halbes Geschoss tiefer, sind mit grauem Filzbelegt. Als halbhoher Raumteiler zwischen diesen beiden Wohn-bereichen dient die breite Ofenbank, auf der man es sich sofortbequem machen möchte. Wie das Riemenparkett im Haus istauch die raumlange Küchenfront aus farbkernigem Eschenholzgefertigt. Auf dekorative Weise belebt die unregelmässige Färbungund markante Strukturierung des Holzes grosse Flächen. Über-haupt spielen Hölzer im Innenausbau, etwa bei den Fenstern undbei verschiedenen Einbauten und Schreinerarbeiten im Haus einebedeutende Rolle. «Holz sorgt einfach für ein tolles Raumgefühl,man spürt, dass hier lebendes Material verarbeitet wurde», sagtClaudia Nothelfer.

Archaischer Lehmofen Dass in dem 4,40 m hohen Küchen-Wohn-raum kein ungemütlicher Hallencharakter aufkommt, liegt nebenden vielfältigen inneren Sichtbezügen und Ausblicken in Gartenund Umgebung auch am quadratischen Grundriss. «Die richtigenRaumproportionen entscheiden, ob man sich in einem Raumgeborgen fühlen und zur Ruhe kommen kann», ist Architekt Hüs-ser überzeugt. Und natürlich trägt der archaische Lehmofen, dermit Holz des ansässigen Bauern befeuert wird und sich als ökolo-gische Hauptwärmequelle durchs ganze Haus zieht, wesentlichzur heimeligen Atmosphäre bei. Zu Demonstrationszwecken legtdie Hausherrin ein paar Scheite nach und facht die Glut neu an;es knistert und knackt und bald duftet es auch ganz dezent nachWald. Schwere Lehm- und Schamottsteine und gut 15 TonnenLehm haben die Handwerker um den Lehmbauer und Baubiolo-gen Ralph Künzler für die anspruchsvolle Konstruktion des Ofensbenötigt, der auf allen Etagen in eine wärmeleitende Lehmwandübergeht. Nicht die Treppe, sondern der mit baueigenem Lehmverputzte Ofen bildet hier das Rückgrat des Hauses. «Eigentlichhaben wir ein Holzhaus um einen Ofen herum gebaut», sagtRoland Hüsser schmunzelnd.

Bezug zum Aussenraum Vom Wohnbereich führt eine Holztreppeauf gerader Linie ins Obergeschoss. Bei der Raumaufteilung standauch hier eine gewisse Grosszügigkeit Pate. So fand sich hinterdem Treppenraum noch Platz für eine Ankleide: ein schlauchför-miges, komplett holzverkleidetes Zimmer mit offenen Regalsyste-men bis unter die Decke. In dem geräumigen Badezimmer mit«mutigem» Bandfenster zur Nachbarschaft wird die vor der hoch-gezogenen Lehmwand freistehende Badewanne zum unumstritte-nen Mittelpunkt: Über ihr zaubern in die Gipsdecke eingelasseneGlasfaserbündel ein romantisches Sternenbild an die Decke. Vomangrenzenden Schlafzimmer betritt man den nach Süden ausge-richteten, überdachten Balkon – der stetige Bezug zum Aussen-raum ist wichtiger Teil des Wohnkonzepts. Gekonnt setzt sich imSchlafzimmer auch das bekannte Spiel aus dem unteren Geschossder inneren Sichtbezüge fort: Durch eine kleine, quadratische Öff-nung in der Wand blickt man hinunter in die Wohnküche undhinaus auf den dahinterliegenden Hang. Auch dieser kleinen ver-spielten Details wegen hat das Haus einen Spitznamen bekom-men: «Wundertüte». «Ich bin immer wieder erstaunt», sagt Clau-dia Nothelfer, «wie vielfältig sich unser Haus präsentiert. Es ver-eint ganz verschiedene Wohncharaktere.» Gleicht das Arbeitszim-mer mit der markanten Lehmwand eher einer Tierhöhle, fühltman sich im lichten Attikageschoss dank der grossflächigen Vergla-sung so leicht und frei wie ein Vogel. Hier hat das Ehepaar seineigentliches Wohnzimmer mit zwei diagonal gegenüberliegendenDachterrassen. So kann man in der kühleren Jahreszeit mit derSonne wandern – und im Sommer immer ein schattiges Plätzchenfinden. <

1+2) Die Treppe passt zum Haus: geräumig, farbig, extravagant.

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Reportage Ein Haus wie eine Wundertüte

Konstruktion Ständerbau in Elementen. Bodenplatte und Kellerräume in Beton. Dämmung mit Schaumglasschotter und -platten. Aufbau der Aussenwände und Sumpfkalkschlämmputz 0,5 mm, geglättet. Gipsfaser-platten 10/15 mm. Ständer/Weichfaserplatte 180+180 mm. Schalung 13 mm. Lattung 30 mm. Schalung Lärche 24 mm. U-Wert (W/m2 K): 0,14.Innenwände: Sumpfkalkschlämmputz 0,5 mm, geglättet, Gipsfaserplatten15mm, Dreischichtplatten 50 mm oder 80 mm, Gipsfaserplatten 15 mm,Sumpfkalkschlämmputz 0,5 mm. Fenster Holz/Metall.

Innenausbau Wände: Sumpfkalkschlämmputz 0,5 mm, geglättet oderTapete, gestrichen. Bodenbeläge: Riemenparkett Esche 24 mm, geölt aufLattung/Weichfaserplatten 30 mm, auf Weichfaserplatten 20 mm.

ArchitekturRoland Hüsser & Stefan Schmid GmbH für BaukunstDipl. Architekten ETH SIA SIB 5600 LenzburgTel. 062 892 36 00www.baukünstler.ch

MitarbeitLukas Kaiser, dipl. Architekt FH

obergeschoss

abst.

Obergeschoss

untergeschoss

525.65

Untergeschoss

528.18

527.10

528.36

erdgeschoss

428.15

Erdgeschoss

532.90

532.90

531.45

533.05

dachgeschoss

433.05

Dachgeschoss

Beteiligte UnternehmenHolzbau Schäfer Holzbautechnik AG, AarauOfenbau Ralph Künzler Lehmbau, WinterthurSchreinerarbeiten und Holzböden SchreineRey, SchöftlandMalerarbeiten Malerei Strub, DottikonGartengestaltung Ruedi Lüthi, KöllikenFarbkonzept und Kunst am Bau Mo Richner, Birrwil