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Was hat Sie bewogen, ins Aus- land zu gehen? Längere Zeit vor der Matura habe ich mich entschlossen, Informatik zu studieren. Mein Vater hatte nach seinem Studium in Wien eini- ge Jahre in München gearbeitet, bevor er zurück ins Pustertal zog. Danach ist er regelmäßig nach München gefahren, wo wir Kinder gerne mitgefahren sind. Die Tech- nische Universität war bekannt für ihre Informatik-Fakultät, deswe- gen war für mich klar: Ich studiere in München. Was machten Sie nach der Aus- wanderung? Was tun Sie heute? Nach der Matura 1999 bin ich nach München gezogen. Dort habe ich mein Informatikstudium begonnen. Gewohnt habe ich die ersten Jahre im Kolpinghaus am Stachus. Dort fanden regelmäßig Treffen der ISAS statt, das ist der Verein der Südtiroler Studenten in München, der neben der Organisation von Ak- tivitäten als Anlaufstelle für Südti- roler zu Studienfragen dient. Zuerst nur als Gast anwesend, arbeitete ich später mehrere Jahre im Vorstand mit. Nach Beginn meines Studiums habe ich angefangen, als Software- Entwickler für ein Londoner Start- up mit Ableger in München zu ar- beiten. Wir haben Live-Events in Westeuropa, vor allem Großbritan- nien, per Video ins Internet gestre- amt. Dadurch konnte ich auf Fir- menkosten herumreisen. Nach dem Abschluss meines Studiums holte mich ein Kollege in sein neu gegrün- detes Startup in München. Zusam- men bauten wir mit Refined Labs ein erfolgreiches Unternehmen im Bereich Online-Marketing auf. Vor einem Jahr wurden wir von Visual IQ, einem der Marktführer im Be- reich Attribution übernommen, seit kurzem gehören wir nun zur Niel- sen Company mit weltweit über 40.000 Mitarbeitern in über 100 Ländern, wo ich nach wie vor als De- velopment Manager tätig bin. Was schätzen Sie besonders an Ihrer neuen Heimat? An München schätze ich die hohe Lebensqualität und die gute Infra- struktur. Beruflich und privat wird in München viel geboten. Inzwi- schen leben hier sehr viele Südtiro- ler, so fühlt es sich hin und wieder fast so an wie daheim. Durch den Münchner Flughafen ist die ganze Welt nur einige Flugstunden ent- fernt, aber genauso ist Südtirol in wenigen Autostunden zu erreichen. Was vermissen Sie an Südtirol? An Südtirol vermisse ich die wun- derschöne Natur, Familie, Freunde und die gute Südtiroler Küche. München bietet zwar auch seine Spezialitäten, aber richtige Speck- knödel oder Schlutzkrapfen findet man hier selten. Auch wird in Süd- tirol viel mehr Wert auf hochwerti- ge Lebensmittel gelegt. Fühlen Sie sich noch als Südtiro- ler? Wie würden Sie Ihre Identi- tät heute beschreiben? Natürlich fühle ich mich noch als Südtiroler. Ich erzähle immer voller Stolz, wo meine Frau und ich herkommen. Gerade in Mün- chen und Bayern wird man als Südtiroler sehr freundlich aufge- nommen. Unsere beiden Mäd- chen sind in München geboren, hier hoffe ich, dass wir ihnen un- sere Wurzeln als Südtiroler in München nahebringen können. Wie sehen Sie das heutige Südti- rol aus der Ferne? In Südtirol sehe ich das wunder- schöne Land in den Bergen, das es trotz der vielen Herausforderun- gen und Veränderungen geschafft hat, seine Werte und Traditionen zu bewahren. Südtirol hat vor al- lem im Tourismus und der Land- wirtschaft einen sehr guten Ruf. Allerdings sollte sich Südtirol auch auf neue Technologien konzentrie- ren sowie mehr in Forschung und Entwicklung investieren, damit es immer mehr zu den globalen Märkten aufschließen kann. Ich würde mir auch wünschen, dass die Wirtschaft und Politik mehr dafür tun würden, Südtiroler Fachkräfte im Ausland wieder in die Heimat zurückzuholen, damit diese mit ih- rem gewonnenen Erfahrungs- schatz die Zukunft Südtirols mit- gestalten können. D as Telefon klingelt, und red- nerisch äußerst gewandte Personen erklären uns – entweder unter Zuhilfenahme einer räuber- pistolenartigen Geschichte über offene Rechnungen oder zuste- hende Gutschriften, oder indem sie uns anhand heruntergerassel- ter Zahlenreihen die Günstigkeit ihres Angebots verdeutlichen – dass wir zu irgend etwas unbe- dingt „Ja“ sagen sollen. Und hier beginnt die Odyssee von Anbieterwechsel, gültigen oder ungültigen Verträgen, doppelt fakturierten Zeiträumen und ge- nereller Rechtsunsicherheit. Si- cher, nicht alle Anbieter agieren nach diesem zweifelhaften Mus- ter, aber leider reichen hier weni- ge Unholde um den gesamten Be- reich in Verruf zu bringen. Doch auch abgesehen vom Fehl- verhalten einzelner Anbieter ist das Telefon, insbesondere für Dienstleistungsverträge mit kom- plexer Tarifgestaltung, nicht die beste Option für einen Vertrags- abschluss: ich kann die genannten Preise nicht mit denen anderer Anbieter vergleichen, ein genaues Nachrechnen ist ebenfalls ziem- lich schwierig, und leider bliebt – wie oben beschrieben – die Fair- ness beim Vertragsabschluss oft auf der Strecke. Als VZS können wir bedingt helfen (14 Tage Rück- trittsrecht!) – aber unserer Er- fahrung nach ist am Telefon erst einmal eine gesunde Portion Miss- trauen angesagt, und das Wört- chen Ja sollte vorsichtshalber zur Gänze vermieden werden. Drum prüfe, wer sich länger bin- det, ob sich nicht doch was Bess'res findet ...* * sehr frei nach F. Schiller Ein Ja mit Folgen Warum Verträge am Telefon selten wirklich günstig sind. ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Fall der Woche von Walther Andreaus (Verbraucherzentrale) Der Informatiker Der Pusterer Simon Gatterer baute in München ein erfolgreiches Startup-Unternehmen auf und ist heute Teil eines großen Konzerns. Über seine Karriere, seine neue Heimat – und über seine Wünsche an Südtirol. sonntag Sonntag, 26. November 2017 – Nr. 229 in Zusammenarbeit mit Biografie - 1980 geboren in Bruneck - seit 18 Jahren im Ausland - 1999 Informatikstudium in München - 2000 Softwareentwickler bei FlyOnTheWall - 2007 Development Manager bei Refined Labs - verheiratet, zwei Kinder Südtiroler in der Welt

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Post on 18-Sep-2018

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Page 1: Ein Ja mit Folgen - kvw.org · Ländern, wo ich nach wie vor als De- ... und die gute Südtiroler Küche. ... ter, aber leider reichen hier weni-

Was hat Sie bewogen, ins Aus-land zu gehen?Längere Zeit vor der Matura habeich mich entschlossen, Informatikzu studieren. Mein Vater hattenach seinem Studium in Wien eini-ge Jahre in München gearbeitet,bevor er zurück ins Pustertal zog.Danach ist er regelmäßig nachMünchen gefahren, wo wir Kindergerne mitgefahren sind. Die Tech-nische Universität war bekannt fürihre Informatik-Fakultät, deswe-gen war für mich klar: Ich studierein München.Was machten Sie nach der Aus-wanderung? Was tun Sie heute?Nach der Matura 1999 bin ich nachMünchen gezogen. Dort habe ichmein Informatikstudium begonnen.Gewohnt habe ich die ersten Jahreim Kolpinghaus am Stachus. Dortfanden regelmäßig Treffen derISAS statt, das ist der Verein derSüdtiroler Studenten in München,der neben der Organisation von Ak-tivitäten als Anlaufstelle für Südti-roler zu Studienfragen dient. Zuerstnur als Gast anwesend, arbeitete ichspäter mehrere Jahre im Vorstandmit. Nach Beginn meines Studiumshabe ich angefangen, als Software-Entwickler für ein Londoner Start-up mit Ableger in München zu ar-beiten. Wir haben Live-Events inWesteuropa, vor allem Großbritan-nien, per Video ins Internet gestre-amt. Dadurch konnte ich auf Fir-menkosten herumreisen. Nach demAbschluss meines Studiums holtemich ein Kollege in sein neu gegrün-detes Startup in München. Zusam-men bauten wir mit Refined Labsein erfolgreiches Unternehmen imBereich Online-Marketing auf. Voreinem Jahr wurden wir von VisualIQ, einem der Marktführer im Be-

reich Attribution übernommen, seitkurzem gehören wir nun zur Niel-sen Company mit weltweit über40.000 Mitarbeitern in über 100Ländern, wo ich nach wie vor als De-velopment Manager tätig bin.Was schätzen Sie besonders anIhrer neuen Heimat?An München schätze ich die hoheLebensqualität und die gute Infra-struktur. Beruflich und privat wirdin München viel geboten. Inzwi-schen leben hier sehr viele Südtiro-ler, so fühlt es sich hin und wiederfast so an wie daheim. Durch denMünchner Flughafen ist die ganzeWelt nur einige Flugstunden ent-fernt, aber genauso ist Südtirol inwenigen Autostunden zu erreichen.Was vermissen Sie an Südtirol?An Südtirol vermisse ich die wun-derschöne Natur, Familie, Freundeund die gute Südtiroler Küche.München bietet zwar auch seineSpezialitäten, aber richtige Speck-

knödel oder Schlutzkrapfen findetman hier selten. Auch wird in Süd-tirol viel mehr Wert auf hochwerti-ge Lebensmittel gelegt.Fühlen Sie sich noch als Südtiro-ler? Wie würden Sie Ihre Identi-tät heute beschreiben?Natürlich fühle ich mich noch alsSüdtiroler. Ich erzähle immervoller Stolz, wo meine Frau undich herkommen. Gerade in Mün-chen und Bayern wird man alsSüdtiroler sehr freundlich aufge-nommen. Unsere beiden Mäd-chen sind in München geboren,hier hoffe ich, dass wir ihnen un-sere Wurzeln als Südtiroler in

München nahebringen können.Wie sehen Sie das heutige Südti-rol aus der Ferne?In Südtirol sehe ich das wunder-schöne Land in den Bergen, das estrotz der vielen Herausforderun-gen und Veränderungen geschaffthat, seine Werte und Traditionenzu bewahren. Südtirol hat vor al-lem im Tourismus und der Land-wirtschaft einen sehr guten Ruf.Allerdings sollte sich Südtirol auchauf neue Technologien konzentrie-ren sowie mehr in Forschung undEntwicklung investieren, damit esimmer mehr zu den globalenMärkten aufschließen kann. Ichwürde mir auch wünschen, dass dieWirtschaft und Politik mehr dafürtun würden, Südtiroler Fachkräfteim Ausland wieder in die Heimatzurückzuholen, damit diese mit ih-rem gewonnenen Erfahrungs-schatz die Zukunft Südtirols mit-gestalten können.

Das Telefon klingelt, und red-nerisch äußerst gewandte

Personen erklären uns – entwederunter Zuhilfenahme einer räuber-pistolenartigen Geschichte überoffene Rechnungen oder zuste-hende Gutschriften, oder indemsie uns anhand heruntergerassel-ter Zahlenreihen die Günstigkeitihres Angebots verdeutlichen –dass wir zu irgend etwas unbe-dingt „Ja“ sagen sollen.Und hier beginnt die Odyssee vonAnbieterwechsel, gültigen oderungültigen Verträgen, doppelt

fakturierten Zeiträumen und ge-nereller Rechtsunsicherheit. Si-cher, nicht alle Anbieter agierennach diesem zweifelhaften Mus-ter, aber leider reichen hier weni-ge Unholde um den gesamten Be-reich in Verruf zu bringen.Doch auch abgesehen vom Fehl-verhalten einzelner Anbieter istdas Telefon, insbesondere fürDienstleistungsverträge mit kom-plexer Tarifgestaltung, nicht diebeste Option für einen Vertrags-abschluss: ich kann die genanntenPreise nicht mit denen andererAnbieter vergleichen, ein genaues

Nachrechnen ist ebenfalls ziem-lich schwierig, und leider bliebt –wie oben beschrieben – die Fair-ness beim Vertragsabschluss oftauf der Strecke. Als VZS könnenwir bedingt helfen (14 Tage Rück-trittsrecht!) – aber unserer Er-fahrung nach ist am Telefon ersteinmal eine gesunde Portion Miss-trauen angesagt, und das Wört-chen Ja sollte vorsichtshalber zurGänze vermieden werden.Drum prüfe, wer sich länger bin-det, ob sich nicht doch wasBess'res findet ...** sehr frei nach F. Schiller

Ein Ja mit FolgenWarum Verträge am Telefon selten wirklich

günstig sind.

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Fall der Wochevon Walther Andreaus(Verbraucherzentrale)

Der InformatikerDer Pusterer Simon Gattererbaute in München ein erfolgreiches Startup-Unternehmen auf undist heute Teil eines großen Konzerns. Über seine Karriere, seine neue Heimat – und über seine Wünsche an Südtirol.

sonntagSonntag, 26. November 2017 – Nr. 229

in Zusammenarbeit mit

Biografie

- 1980 geboren in Bruneck- seit 18 Jahren im Ausland- 1999 Informatikstudium in München- 2000 Softwareentwickler bei FlyOnTheWall- 2007 Development Manager bei Refined Labs- verheiratet, zwei Kinder

Südtiroler in der Welt