eine provokation, taz, 17.9 2015

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Die Ankündigung Ungarns, an der Grenze zu Rumänien einen Zaun errichten zu wollen, stößt in Bukarest auf heftige Kritik

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  • AUSGABE BERLIN | NR. 10819 | 38. WOCHE | 37. JAHRGANG DONNERSTAG, 17. SEPTEMBER 2015 | WWW.TAZ.DE 2,10 AUSLAND | 1,60 DEUTSCHLAND

    Die tageszeitung wird ermglicht durch GenossInnen, die in die Pressevielfalt investieren. Infos unter [email protected] oder 030 | 25 90 22 13 Aboservice: 030 | 25 90 25 90 fax 030 | 25 90 26 80 [email protected] Anzeigen: 030 | 25 90 22 38 | 90 fax 030 | 251 06 94 [email protected] Kleinanzeigen: 030 | 25 90 22 22 tazShop: 030 | 25 90 21 38 Redaktion: 030 | 259 02-0 fax 030 | 251 51 30, [email protected] taz.die tageszeitung Postfach 610229, 10923 Berlin taz im Internet: www.taz.de twitter.com/tazgezwitscher facebook.com/taz.kommune

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    KUBA Absurd, aber es funktioniert: die Journalistin Elaine Daz ber Pressefreiheit auf Umwegen SEITE 18

    STRASSENKAMPF Taxifahrer gegen Uber: die weltweiten Plne der US-Firma und die Protes-te in Brssel SEITE 6

    BERLIN Lebensschutz: Demo und Gegendemos am Samstag SEITE 23

    HEUTE IN DER TAZ

    VERBOTEN

    Guten Tag,meine Damen und Herren!

    Ja, ja, ja, ja, ja! EILMELDUNG von dpa: Die europische Flchtlingskrise ist gelst, end-lich gibt es Solidaritt.

    (Eil ) Kroatischer Premier: Flchtlinge drfen durchreisen

    Aus Serbien einreisende Flcht-linge drfen Kroatien auf ih-rem Weg nach Westeuropa passieren. Dies teilte der kroa-tische Regierungschef mit.verboten erinnert sich vage da-ran, dass Kroatien als EU-Mit-glied offiziell fr die Aufnah-me zustndig ist, bedankt sich aber trotzdem aufrichtig fr die groherzige

    Durchlassbereitschaft

    Freut sich ber die nette Begrung: ein Flchtling in Saalfeld. Aber bekommt die Stadt auch genug Geld fr seine Unterbringung? Foto: Jens Meyer/ap

    Beim Geld fngt die Freundschaft anFLCHTLINGE Nur so bleibt Deutschland hilfsbereit: Warum Merkel die Finanzierung genauso unbrokratisch regeln muss wie die Aufnahme der Flchtlinge SEITE 3

    BUDAPEST ap/rtr | An einem un-garischen Grenzbergang zu Serbien nahe Rszke ist es am Mittwoch zu gewaltttigen Aus-einandersetzungen gekommen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Trnengas gegen Flcht-linge ein, wie ein Reuters-Re-porter und ein UN-Vertreter be-richteten. Ein Gericht verurteilte im Rahmen eines neuen Geset-zes einen irakischen Flchtling wegen illegaler Grenzber-querung. Der Mann wurde des Landes verwiesen, muss rund 61Euro an Gerichtskosten zah-len und darf ein Jahr lang nicht nach Ungarn zurckkehren. Viele Flchtlinge weichen inzwi-schen nach Kroatien aus. taz.fluchthilfe SEITE 24

    Ich und Kaminski: Besser als das BuchDie Verfilmung des Kehlmann-Romans mit einem grandios arschigen Daniel Brhl Seite 16

    Trnengas und StrafenUNGARN Die Orbn-Regierung schottet Grenze mit Gewalt ab

    KOMMENTAR VON LUKAS WALLRAFF ZUR FINANZIERUNG DER FLCHTLINGSAUFNAHME

    G eld her und zwar sofort! Auf die groen Worte der Kanzlerin zur Flchtlingspolitik (Ich sage noch einmal: Wir schaffen das) muss jetzt ein tiefer Griff in die Bundeskasse fol-gen. Die Finanzierung der Flchtlingsaufnahme sollte neu geregelt werden, damit das Dauerge-feilsche zwischen Bund, Lndern und Kommunen ber die Kosten aufhrt. Die langfristigen Prob-leme bei der Integration von mehr als einer Mil-lion Menschen sollte man nicht schnreden. Aber kaum etwas gefhrdet die fragile Willkommens-kultur mehr als die verstndlichen Klagen ohne-hin klammer Brgermeister, ihnen drohe wegen der Flchtlinge die Pleite.

    Das ntige Geld fr die Kommunen muss so unbrokratisch und schnell verteilt werden wie die Flchtlinge selbst. Wenn es, wie Angela Merkel sagt, beim Asylrecht keine Obergrenze gibt, kann es auch fr die Finanzierung keine Obergrenze geben. All das aber kann nur der Bund garantie-ren. So wie er einst die Sicherheit der Spareinla-gen und die Bankenrettung garantierte. Jetzt geht es um humanitre Hilfe, aber auch um den sozi-

    Schluss mit dem Gefeilsche!alen Frieden. Beides sollte systemrelevant sein. Aber beides ist in Gefahr, wenn die Kanzlerin fr Selfies mit Flchtlingen posiert, aber die Versor-gung niederen Ebenen berlsst, die dann um die Kostenerstattung betteln mssen.

    Warum kann der Bund nicht eine Summe zur Verfgung stellen, die mindestens fr ein hal-bes Jahr reicht? Diese Summe drfte hoch klin-gen, sicher viele Milliarden, aber das wre alle-mal besser, als immer wieder neu ber Kosten zu verhandeln, was immer neue Negativschlagzei-len produziert. Die Haushaltslage lsst einen sol-chen Vorschuss zu. Und er lsst sich erklren: Das Geld fliet zum Groteil ohnehin nicht direkt an Flchtlinge, sondern an Bauarbeiter, Sprachlehrer und Bcker. Es wre also keineswegs alles weg.

    Die Kommunen sollten aus diesem Topf eine feste Summe fr jeden Flchtling bekommen. Eine, die zumindest fr die Kosten der Unterbrin-gung ausreicht. Am besten deutlich mehr: damit Aufnahme attraktiv wird. Wer etwas tut, sollte be-lohnt werden. Sonst bleibt Merkels viel gelobte Grozgigkeit billige Rhetorik.

    Fotos oben: privat, dpa

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    MNCHEN dpa | Die Zahl der Flchtlinge, die von sterreich nach Deutschland kommen, ist trotz der Einfhrung von Grenz-kontrollen am Sonntag wieder gestiegen. Allein die Bundes-polizei Rosenheim zhlte am Mittwoch bis zum frhen Mit-tag 1.300 Menschen. Am Diens-tag waren es den ganzen Tag ber rund 3.500 Migranten, am Montag etwa 1.200. Die meisten Flchtlinge wurden mit Sonder-zgen im Bundesgebiet verteilt. Meldungen ber vermeintliche Schsse an der Grenze erwiesen sich als Ente.taz.fluchthilfe SEITE 4, 21 Meinung + Diskussion SEITE 12

    Grenzen bleiben offenBAYERN Trotz Kontrollen kommen Tausende Flchtlinge ins Land

    www.philomag.de

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  • Nachrichten Ungarns knallharte Abschottungspolitik bringt die Flchtlinge auf Umwege. Und die Regierung in Rumnien auf die Palme

    DON N ERSTAG, 17. SEPTEM BER 201502 TAZ.DI E TAGESZEITU NG

    AUS WIEN RALF LEONHARD

    Kroatiens Regierung twittert: Wenn ntig, werden wir Korri-dore errichten. Der Mittwoch-vormittag abgesetzte Tweet folgte auf ein Gesprch zwi-schen Kroatiens Innenminister Ranko Ostoji und seinem slo-wenischen Amtskollegen. Sie mussten auf die ersten Busse mit 270 Flchtlingen reagie-ren, die auf Veranlassung von Serbiens Regierung an der kro-atischen Grenze abgesetzt wor-den waren. Sie wanderten zu Fu ber die Grenze und wur-den von der Polizei in Empfang genommen.

    In der 300 Kilometer entfern-ten Hauptstadt Zagreb wartete Erstversorgung auf sie. Man bereitet sich dort auf eine gr-ere Anzahl von Flchtlingen vor. Fr Kroatiens Premiermi-nister Zoran Milanovi ist aber offensichtlich, dass diese Men-schen nicht in Kroatien bleiben wollen.

    Etwa 300 Flchtlinge drn-gen im serbischen Grenzort Horgos darauf, dass Ungarn die Grenze wieder ffnet. Ins-gesamt sitzen in Serbien meh-rere Tausend fest. Menschen, die gerade erst von Mazedonien in Serbien angekommen sind, wer-den gleich nach Kroatien umge-leitet. Im Grenzort Sid haben die serbischen Behrden ein neues Aufnahmecamp fr Flchtlinge vorbereitet. Ein ehemaliges Kin-derkrankenhaus soll Unterkunft fr etwa 300 Personen bieten.

    Die ersten dort gelandeten Flchtlinge, fast ausschlielich Syrer und Afghanen, waren die ganze Nacht von der rund 500 Kilometer entfernten mazedo-nischen Grenze durch Serbien unterwegs gewesen. Wir haben gehrt, dass Ungarn zugemacht hat, also hat uns die Polizei ge-sagt, dass wir hierher fahren sol-len, wird einer der Flchtlinge im ORF zitiert. Sie wollen durch Kroatien, Slowenien und ster-reich weiter nach Deutschland reisen.

    Flchtlinge an der serbisch-kroatischen Grenze Foto: Antonio Bronic/Reuters

    Eine ProvokationNACHBARSCHAFTSSTREIT Die Ankndigung Ungarns, an der Grenze zu Rumnien einen Zaun errichten zu wollen, stt in Bukarest auf heftige Kritik

    BERLIN taz | Wie viele andere europische Politiker fhle ich mich verpflichtet, auf das un-haltbare und konstante Auf-treten hoher Regierungsvertre-ter aus Ungarn aufmerksam zu machen und es zu verurteilen. Diese sind eine Schande fr die Kultur und die Werte Europas; auch was ihre antisemitischen uerungen betrifft und ihre Haltung allen Minderheiten ge-genber und insbesondere be-zglich der Flchtlinge. Diese scharfe Reaktion auf die Ankn-digung der ungarischen Regie-rung, nun auch einen Zaun an der rumnisch-ungarischen Grenze errichten zu wollen, stammt vom rumnischen Pre-mierminister Victor Ponta. Da-mit versuchte er auf Facebook am Dienstagabend seinem r-ger Luft zu machen.

    Durch den neuen Zaun will Budapest verhindern, dass Flchtlinge von Serbien ber den Umweg ber Rumnien nach Ungarn kommen.

    In einer Erklrung hatte am Dienstag auch das rumnische Auenministerium gegen das Vorhaben Ungarns protestiert. Die Errichtung eines Zauns zwischen zwei Mitgliedslndern der Europischen Union, die zu-dem strategische Partner sind, heit es in der Verlautbarung, ist politisch gesehen keine kor-rekte Geste und entspricht auch nicht dem europischen Geist.

    In einem Gesprch mit ei-nem Bukarester Fernsehsender kam Ponta am Dienstag erneut auf den Zaun zu sprechen, der die Flchtlinge aus dem Nahen Osten im Dreilndereck Serbi-en-Ungarn-Rumnien stoppen soll. Ponta bezeichnete das Vor-haben als eine zynische Ma-nahme, als Ausdruck eines Denkens, das Ungarn aus Eu-ropa ausschliet, als eine Pro-vokation, die an die Nazizeit und an den Kalten Krieg erin-nert. Gleichzeitig erinnerte Ponta daran, dass Rumnien die Aufnahme von Flchtlin-gen mit dem Stock, so wie sie von Ungarn betrieben werde, aufs Schrfste verurteile.

    Die Antwort kam postwen-dend vom ungarischen Auen-minister Peter Szijjarto. Laut ru-mnischen Presseberichten eti-kettierte dieser die Aussagen des rumnischen Premiers als ex-tremistisch und verlogen und

    als Versuch, von dem Umstand abzulenken, dass dessen Sessel wackele. Szijjarto spielte damit auf das gegen Ponta laufende Ermittlungsverfahren der An-tikorruptionsbehrde an.

    Nach Rumnien, das nicht Mitglied des Schengenraums ist, sind bislang kaum Brger-kriegsflchtlinge eingereist. So-wohl der Regierungs- als auch der Staatschef, Klaus Johannis, hielten sich eher bedeckt, als die anderen stlichen EU-Ln-der eine Flchtlingsaufnahme per Quotenregelung ablehnten. Premier und Prsident erklrten schlielich bereinstimmend, Rumnien sei solidarisch mit der Europischen Union und be-reit, 1.785 Flchtlinge aufzuneh-men. Fr eine grere Anzahl habe das 20-Millionen-Land keine Unterbringungsmglich-keiten und keine logistischen Kapazitten.

    Derweil machte Ex-Prsident Traian Bsescu Stimmung ge-gen die Aufnahme von Flcht-lingen. Im vergangenen Monat hatte er sich bereits gegen den geplanten Bau einer Moschee und einer islamischen Gebets-schule in Bukarest ausgespro-chen. Er begrndete das mit dem Hinweis auf die Infiltra-tion islamistischer Gotteskrie-ger und die damit verbundene Gefahr eines aufkeimenden re-ligis motivierten Terrorismus.

    Hinter hnlichen Argumen-ten verschanzen sich auch rechtsradikale rumnische Kreise, die sich in den vergan-genen zwei Wochen auf Face-book unter dem Namen Nein zu der Islamisierung Rumni-ens zu einer Kampfgemein-schaft zusammengeschlossen haben. Mit kruden fremden-feindlichen und rassistischen Sprchen wird hier der demo-grafische Untergang Rumni-ens als Vorposten des christli-chen Abendlands beschworen.

    Als Hauptschuldige an der be-vorstehenden berfremdung Rumniens durch die traditio-nellen Feinde des Christentums gilt Kanzlerin Angela Merkel. Haltet Merkel auf, sie will uns vernichten!, heit es auf der islamophoben Facebookseite, die bisher von fast 40.000 Per-sonen mit ihren ermutigenden Likes untersttzt wird. Es knn-ten bald noch einige dazukom-men. WILLIAM TOTOK

    Wiener Innenminis-terium meldet eine deutliche Erhhung bei Asylantrgen

    Auf verschlungenen PfadenKORRIDOR Nach der Schlieung der Grenze zwischen Serbien und Ungarn versuchen Flchtlinge jetzt ber Kroatien nach sterreich und Deutschland zu gelangen

    Die Schlieung des ungari-schen Grenzzauns und das In-krafttreten drakonischer Ge-setze gegen illegalen Grenzber-tritt haben die Flchtlingsrouten fast augenblicklich verndert. Ungarns Behrden haben auch bereits an 35 Asylwerbern vor-exer ziert, wie das beschleunigte Asylverfahren aussieht. Alle wurden in drei Stunden nega-tiv beschieden.

    Nach Ansicht der ungari-schen Regierung sind Serbien und Mazedonien sichere Dritt-lnder, in denen der Asylantrag rechtens einzubringen sei. Be-rufung gegen den Bescheid ist zwar theoretisch mglich. Al-lerdings drfen die Betroffe-nen die Transitzone eine Art Niemandsland an der Grenze nicht verlassen.

    Deswegen bleibt ihnen die Al-ternative, per Telefon beim Ge-richt im nahegelegenen Sze-ged oder mit einem Brief Be-rufung einzulegen. ber 100 Menschen, die Lcher in den Zaun schnitten, wurden seit In-krafttreten der neuen Gesetze in

    Ungarn festgenommen und bli-cken hohen Strafen entgegen.

    Inzwischen stellt man sich in sterreich auf die neue Si-tuation ein. Grenzkontrollen an der ungarischen Grenze, die Mittwochfrh begonnen hatten, wurden wieder abgebrochen mangels Ankunft neuer Flcht-linge. Gleichzeitig wurden Vor-bereitungen getroffen, im stei-rischen Grenzort Spielberg und am Krntner Karawankentun-nel zu kontrollieren.

    In Spielfeld kreuzen sowohl Autobahn und Bundesstrae als auch die Eisenbahn. Fallweise soll auch die grne Grenze ber-wacht werden, so Fritz Grund-nig, Sprecher der Landespolizei-direktion Steiermark. Ziel der Aktion sei die Festnahme von Schleppern und die Registrie-

    rung von Flchtlingen. Grund-nig: Es ist nicht vorgesehen, dass Flchtlinge wieder nach Slowenien zurckgeschickt wer-den.

    Bundeskanzler Werner Fay-mann will am Donnerstag nach Zagreb reisen, um mit seinem kroatischen Amtskollegen Zo-ran Milanovi ber die Flcht-lingskrise zu beraten.

    In sterreich meldet das In-nenministerium eine deutli-che Erhhung bei den Asylan-trgen, seit Deutschland nicht mehr alle Asylbewerber ins Land lsst. Die Polizei kommt mit der Eingabe ins System gar nicht nach. Deswegen sind die Zahlen als vorlufig zu betrach-ten. Montag und Dienstag sol-len aber in 48 Stunden 850 Asyl-antrge abgegeben worden sein, rund 800 davon allein am Mon-tag. Das liegt ber dem Durch-schnitt von 300 pro Tag im Jah-resverlauf. Allein im August wurden 8.800 Asylantrge ge-stellt. Besonders wenige 730 in drei Tagen waren es, als sich besonders viele Flchtlinge im Land befanden. Das war An-fang des Monats, als Ungarn die Grenzen ffnete und sich Zehn-tausende Richtung Deutschland auf den Weg machten.

    Melissa Fleming, Sprecherin der UNO-Flchtlingshochkom-mission UNHCR, erklrte auf dem Wiener Westbahnhof, dass noch etwa 10.000 Flchtlinge in Serbien unterwegs seien und fast ebenso viele in Mazedonien. In Griechenland seien es Tau-sende. Auf dem Westbahnhof hat sich die Lage inzwischen ent-spannt. 5.000 Menschen wur-den in Notquartiere umgesie-delt. Zuletzt warteten nur noch etwa 500 auf dem Westbahnhof und 850 Flchtlinge auf dem Hauptbahnhof. Ganz anders in Salzburg, wo Mittwochvormit-tag etwa 2.000 Asylsuchende auf einen Zug nach Mnchen warteten. Da der Zugverkehr eingestellt bleibt, machten sich die meisten zu Fu auf den Weg zur deutschen Grenze.

    Vermintes Terrain

    In Kroatien liegen immer noch in mehreren Regionen scharfe Antipersonen- und Antifahrzeug-minen, die in den innerjugoslawi-schen Kriegen 19911995 gelegt wurden. Nach Ende der Kriege waren fast alle Kriegsparteien nicht willens oder in der Lage, detaillierte Karten ber die von ihnen verlegten Minen vorzule-gen. Entsprechende Informati-onen mussten ber viele Jahre mhsam vom Croatian Mine Action Centre (Cromac) in Zagreb recherchiert werden. Nach Angaben des Cromac sollen alle Minenfelder bis 2018 gerumt werden. Eine verminte Region befindet

    sich in der stlichen Grenzregion zu Serbien, ber die nach der Schlieung der ungarisch-serbi-schen Grenze jetzt eine grere Zahl von Flchtlingen den Zu-gang in die EU suchen wird. Hier

    Weitere Infos: www.taz.de/tazreisen oder Tel. (030) 25902-117

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    ziehen sich die verminten Gebie-te in einer fast geschlossenen Linie von der Grenzstadt Miholjac ber Ossijek bis zum Grenzort Dalj nrdlich der im serbisch-kro-atischen Krieg besonders heftig umkmpften Stadt Vukovar. Nach Angaben von Cromac sind die Minenfelder gut markiert und mit Warntafeln versehen. Die Hilfsorganisation Handicap

    International, die in Kroatien sowie in vielen anderen Lndern lokale Organisationen bei der Minenrumung untersttzt und versehrte Minenopfer versorgt, befrchtet allerdings, dass diese Markierungen und Warnungen von zum Teil traumatisierten Menschen auf der Flucht nicht ausreichend beachtet werden. Die kroatische Regierung kn-digte am Mittwoch an, sie werde Minenrumteams in die Grenzre-gion um Ossijek schicken. (azu)

    TAZ.FLUCHTHILFE

  • DON N ERSTAG, 17. SEPTEM BER 2015 03TAZ.DI E TAGESZEITU NGFderalismus Bund und Lnder einigen sich ber die Verteilung der Flchtlinge.

    Nur hinter der Finanzierung steht noch ein groes Fragezeichen

    VON ULRIKE HERRMANN

    Etwa eine Million Flchtlinge werden Deutschland in diesem Jahr erreichen und jeder Asylsuchende kostet rund 12.500 Euro im Jahr. In dieser Summe sind nicht nur Unterkunft und Ernhrung enthalten, sondern auch Sprachkurse, Gesundheitsversorgung und Verwaltung.

    ber den Daumen gepeilt, werden also mindestens 12 Milliar den Euro bentigt. Aber das ist nur eine vorlufige Zahl, denn auch 2016 werden Flchtlinge einreisen.

    12 Milliarden Euro wren fr Deutschland mhelos zu stemmen. Nur zum Vergleich: Die jhrliche Wirtschaftsleistung liegt bei etwa 3 Billionen Euro. Die Ratingagentur Standard & Poors nennt die Belastung durch die Flchtlinge daher einigermaen bescheiden.

    Trotzdem wird ber die Finanzierung der Flchtlinge erbittert gestritten. Denn bisher mssen die Lnder und Kommunen die Hauptlast tragen. Fr 2016 plant der Bund zwar 6 Milliarden Euro zustzlich ein wovon aber nur 3 Milliarden Euro an die Lnder gehen. 2015 zahlt der Bund sogar nur 1 Milliarde Euro an die Lnder aus.

    Die Lnder machen also ein riesiges Verlustgeschft, wie Thringens Ministerprsident Bodo Ramelow (Linke) vorrechnet: Sein Land wird in diesem Jahr 150 Millionen Euro fr Flchtlinge ausgeben der Bund erstattet nur 13 Millionen.

    Viele Lnder haben einen Trick gefunden, um die Kosten wieder loszuwerden: Sie reichen einen Teil der Ausgaben an die Kommunen weiter, die sich um die Flchtlinge kmmern. Die Gemeinden versuchen zwar, sich die Kosten von ihren Lndern zurckerstatten zu lassen aber mit schwankendem Erfolg. Bayern gewhrt rund 12.000 Euro pro Flchtling und Jahr, auch MecklenburgVorpommern deckt 90 Prozent der Kosten. Ganz anders ist es in NordrheinWestfalen: Dort erhalten die Kommunen nur 7.600 Euro pro Asylbewerber.

    Diese Pauschale ist viel zu niedrig. Zudem zeigt sich ein weiteres Problem: Viele Asylbewerber werden zwar abge

    lehnt, bleiben aber als geduldete Flchtlinge in Deutschland. Fr sie gibt es oft gar keine Kostenerstattung. Dabei steigt die Zahl der geduldeten Flchtlinge deutlich, wie der Stdtetag klagt.

    Der Druck auf die Kommunen nimmt auch zu, weil die Erstaufnahmestellen berfllt sind. Theoretisch soll jeder Flchtling zunchst drei Monate in einem zentralen Flchtlingsheim unterkommen, das von den Lndern finanziert wird. Anschlieend sollen die Asylbewerber in die Gemeinden umziehen. Doch es fehlt an Pltzen in den Erstaufnahmeeinrichtungen, sodass viele Flchtlinge sofort in den Kommunen landen.

    Die Bundesregierung hat zwar an diesem Dienstag zugesagt, dass sie 40.000 Pltze in Ersteinrichtungen schaffen und finanzieren will (siehe unten).

    Aber das reicht nicht. Es werden mindestens 150.000 weitere Betten in zentralen Unterknften gebraucht, um die Gemeinden zu entlasten.

    Die permanenten Klagen aus den Lndern und Kommunen konnte die Bundesregierung nicht mehr ignorieren, sodass sie fr den 24. September einen Flchtlingsgipfel in Berlin angesetzt hat, der sich mit der Lastenverteilung befassen soll. Die Forderung der Lnder ist einhellig: Sie wnschen sich eine Dynamisierung der Flchtlingskosten. Die Lnder wollen also faktisch eine Kopfpauschale pro Asylbewerber, die der Bund automatisch auszahlt. Steigen die Flchtlingszahlen, soll Berlin seine Hilfen aufstocken.

    Bleibt die Frage: Wo sollen die geschtzten 12 Milliarden Euro herkommen, die die Flchtlinge kosten werden? Ein Teil dieses

    Geldes sprudelt von selbst. In diesem Jahr werden die Steuereinnahmen noch besser sein als im Mai geschtzt. Sie werden um 5 Milliarden hher liegen, wie das Deutsche Institut fr Wirtschaft prognostiziert.

    Der Rest wird vor allem ber Kredite laufen. Es ist nur noch strittig, wer diese Darlehen aufnimmt. Verschiedene Bundeslnder haben bereits Nachtragshaushalte verabschiedet, um ihre Kosten fr die Flchtlinge zu decken. Die Brgerschaft in Hamburg wollte am Mittwoch weitere 501 Millionen Euro bewilligen.

    Am meisten Luft htte aber der Bund, um Kredite aufzunehmen. Finanzminister Wolfgang Schuble knnte bis zu 20 Milliarden Euro leihen, ohne die Schuldenbremse zu verletzen. Aber noch strebt er eine schwarze Null an.

    Wer zahlt fr die Betten und den Arzt? FINANZEN Mindestens zwlf Milliarden Euro werden die Flchtlinge pro Jahr kosten. Kommunen, Bund und Lnder streiten sich, wer diese Lasten trgt. Ein Flchtlingsgipfel soll das nchste Woche klren

    Feilschen auf hohem Niveau: Bayerns Ministerprsident Horst Seehofer (CSU) mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Merkel (CDU) Foto: Hannibal Hanschke/reuters

    Deutschland kann die Kosten mhelos stemmen, weil die Steuern sprudeln und Kredite gnstig sind. Aber fr viele Lnder und Gemeinden sind die Flchtlinge ein Verlustgeschft. Darum soll der Bund mehr einspringen

    TAZ.FLUCHTHILFE

    REIN ODER RAUS

    Wem wir heute Asyl gebenRein: EUHandelskommissarin Cecilia Malmstrm ber die Errichtung von Zunen und Mauern: Wenn Sie eine 50 Meter hohe Mauer bauen, finden die Menschen eben eine Leiter, die 51 Meter hoch ist.

    Raus: Marine Le Pen, Chefin der rechtsextremen Front National, machte in Brssel bei ihren belgischen Freunden der Partei Vlaams Belang klar, was sie von Angela Merkel hlt: Ich werfe der deutschen Kanzlerin vor, ganz Europa eine illegale Einwanderung () aufzuerlegen, nachdem sie ihm bereits ihre Finanzordnung auferlegt hat, sagte Le Pen und zog danach noch eine Weile ber die EUKommission her. Drauen klatschte derweil faules Obst an die Fassade des Tagungsortes, 250 Menschen hatten gegen Le Pens Besuch demonstriert.

    BERLIN taz | Von ihrem Termin im Kanzleramt hatten sich die Ministerprsidenten etwas mehr erwartet: ber die Ergebnisse ihres Treffens mit der Bundeskanzlerin uerten sich die Regierungschefs der Lnder am Mittwoch berwiegend enttuscht.

    Man sei zwar einen Schritt vorwrtsgekommen, sagte zum Beispiel Bayerns Ministerprsident und CSUChef Horst Seehofer, zufrieden sei er aber noch nicht. Die Bundesregierung msse jetzt ihre Hausaufgaben machen, sagte BadenWrttembergs Ministerprsident Winfried Kretschmann. Und: Es sei

    Bundeswehr und Zoll sollen in der Asylbehrde aushelfenSONDERTREFFEN Der Bund will die Lnder mehr untersttzen, bleibt aber vorerst unverbindlich. Die Ministerprsidenten zeigten sich am Mittwoch enttuscht

    noch Luft nach oben, sagte SchleswigHolsteins Ministerprsident Torsten Albig. Die Runde am Vorabend hatte lnger gedauert als erwartet. Erst kurz vor 23 Uhr verkndeten die Teilnehmer das Ergebnis: Der Bund will den Lndern knftig strker unter die Arme greifen, Details blieben aber offen.

    Problem ein s: 40 000 Pltze fr neu ankommende Flchtlinge will die Bundesregierung einrichten. Die Erstaufnahmeeinrichtungen der Lnder wrden dadurch entlastet. Unklar ist noch, welche Funktion diese Unterknfte genau erfllen sollen: Ob sie als Pendant zu den

    regulren Erstaufnahmelagern der Lnder dienen (in dem Fall wrden Flchtlinge fr drei Monate dort bleiben, bevor sie an die Kommunen verteilt werden) oder ob sie als Puffer fr Stozeiten gedacht sind (dann wrden Flchtlinge dort nur fr ein paar Tage bleiben und an die Lnder verteilt werden, sobald in deren Lagern wieder Platz ist).

    Problem zwei: Einziges BahnDrehkreuz, von dem ankommende Flchtlinge auf die Lnder verteilt werden, ist bislang Mnchen. Um Bayern zu entlasten, sollen weitere Knotenpunkte eingerichtet werden. Wo und wann, das ist noch nicht

    geklrt. Die Gesprche laufen noch, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch. Seitdem die Bundesregierung Grenzkontrollen eingefhrt hat, drnge das Problem aber nicht mehr so sehr: Die meisten Flchtlinge kmen seitdem nicht mehr per Zug in Mnchen an, sondern wrden schon an der Grenze aufgegriffen.

    Problem drei: Weil das Bundesamt fr Migration und Flchtlinge zu wenig Personal hat, mssen Asylbewerber derzeit Monate warten, bis ihre Asylantrge bearbeitet sind. Kanzlerin Merkel kndigte nach dem Gipfel an, dass Mitarbeiter

    von Bundeswehr und Zoll demnchst beim Bundesamt aushelfen werden. Ab wann sie loslegen, ist aber noch unklar. Details sollen bis zum nchsten Gipfel am 24. September geklrt werden.

    Problem vier: Schon zu Monatsbeginn hatte sich die Groe Koalition auf nderungen im Asylrecht geeinigt. Unter anderem will sie drei weitere Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklren. Ob die Lnder im Bundesrat zustimmen, ist noch unklar. Auch darber wollen Merkel und die Ministerprsidenten erst am 24. September sprechen. TOBIAS SCHULZE

    Die Bundesregierung will Einrichtungen zur Erstaufnahme von Flchtlingen und Drehkreuze zu ihrer Verteilung einrichten. Wo, wann und wie das ist aber noch offen