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Prof. Dr. Niclas SchaperVorlesung Organisationspsychologie 1
Lehrstuhl für Arbeits- und OrganisationspsychologieUniversität Paderborn
Einführung in die Organisationspsychologie 05-07-05
Thema der heutigen Stunde:
Führung von Mitarbeitern1. Begriffsbestimmung 2. Normative Führungstheorien3. Deskriptive Ansätze zum Führungshandeln4. Führungseigenschaften5. Dimensionen des Führungsverhaltens6. Der Führungsstilfragebogen (FSF)7. Rahmenmodell personaler Führung8. Situationstheorien der Führung9. Konsequenzen der Führungsforschung für die Praxis
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Begriffsbestimmungen zur Führung
Alltagsverständnis von Führung:• Handeln von betrieblichen Vorgesetzten, die sich bemühen, die Arbeit der
ihnen unterstellten Personen zielgerichtet zu aktivieren, zu steuern und zu kontrollieren
Drei Ebenen der Führung:• Führung des gesamten Systems bzw. Unternehmensführung
(z.B. durch Unternehmensstrukturierung)• Führungssubstitute (z.B. Stellenbeschreibungen)• Personale Führung (durch direkte Einflussnahme auf Mitarbeiter)
Definition von personaler Führung:• Führung als unmittelbare, absichtliche und zielbezogene Einflussnahme von
bestimmten Personen (Vorgesetzte) auf andere Personen (Untergebene) in Organisationen mit Hilfe von Kommunikationsmitteln
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Normative Führungskonzepte
• Normative Führungskonzepte gehen implizit oder explizit von einem bestimmten Organisationskonzept aus (z.B. Konzept der funktionalen Organisation)
– Die Steuerung der Aktivitäten auf ein Ziel hin und die Koordination des arbeitsteiligen Tuns erfolgt im Rahmen dieser Konzepte durch Führung
– Führung ist in einem solchen Verständnis entpersonalisiert bzw. unpersönlich
• Bereits Taylor (1911) empfahl in seinem Konzept der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ entsprechende normative Führungsstrukturen:
– Planung und Kontrolle der Ausführung von Arbeitstätigkeiten obliegt Vorgesetzten, die ihrerseits spezialisiert sind auf bestimmte Führungsfunktionen
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Managementfunktionen eines normativen Führungsmodells(Staehle, 1999)
Planung • Problem- und/oder Aufgabendefinition
• Zielsetzung
• Alternativplanung
• Entscheidung
Realisierung
Kontrolle • Rückmeldung
• Soll-Ist-Vergleich
• Auswertung und Steuerung
• Organisation
• Information und Kommunikation
• Motivation
• Koordination
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Beschreibende Führungskonzepte: Work Activity Forschung
• Kritik an normativen Führungsansätzen:es wird nicht die Frage gestellt, ob sich Führung in der Praxis tatsächlich in der geforderten Weise vollzieht
• Vor dem Hintergrund dieses Forschungsdefizits entstanden Ansätze, die eine empirisch fundierte Beschreibung anstreben, was Führungskräfte bzw. Manager in ihrem Arbeitsalltag tatsächlich tun.
• Methoden der Work Activity Forschung:
• Befragungsmethoden
• Beobachtungsmethoden
• Selbstbeobachtung (Tagebuchmethode)
• Fremdbeobachtung (meist in Kombination mit Befragungen)
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Zentrale Ergebnisse der Work Activity Forschung (Schirmer, 1991)
Die Tätigkeit einer Führungskraft besteht in erster Linie aus Kommunikation.
Die Tätigkeiten sind extrem fragmentarisiert (hohe Zahl von Arbeitsepisoden).
Die Arbeitsepisoden werden meist durch Störungen von außen unterbrochen.
Viele der ausgeübten Tätigkeiten sind nicht geplant
Es bleibt wenig Zeit für Reflexionen.
Es wird häufig mit Personen der gleichen Ebene und externen Personen kommuniziert und meist ausschließlich innerhalb der Linie.
Viele Kontakte sind der Netzwerkbildung und Mikropolitik gewidmet.
Es wird häufiger auf informelle, spekulative, gerüchteartige Informationen zurückgegriffen als auf offizielle oder schriftlich vorliegende.
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Klassifikation von Kommunikationsaktivitäten bei Führungskräften nach Luthans & Rosenkrantz (1995)
1. Routinekommunikation (z.B. Informationsaustausch, Schreibtischarbeit)
2. Traditionelle Managementfunktionen (z.B. Planung, Koordination, Entscheidung, Problemlösung, Kontrolle)
3. Beziehungspflege (z.B. Interaktion mit Externen, soziale Kontakte aufbauen, Mikropolitik)
4. Human Resource Management (z.B. Motivation, Disziplinierung, Anerkennung, Konfliktmanagement)
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Führungstypologie nach Mintzberg (1973)
• Mintzberg definiert 10 klassische Rollen, die alle Führungskräfte wahrzunehmen haben – allerdings in jeweils unterschiedlichem Ausmaß:
Interpersonelle Rollen– Repräsentant (Symbolisierung nach innen und außen)– Führer (Motivation und Anleitung von Unterstellten)– Koordinator( formeller und informeller Kontakt mit Internen und Externen)
Informations-Rollen– Informationssammler– Informationsverteiler– Sprecher
Entscheider-Rollen– Unternehmer– Krisenmanager– Ressourcenzuteiler– Verhandlungsführer
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Untersuchungen zu „Führungseigenschaften“
• Fragt man Laien, warum Henry Ford, Konrad Adenauer oder Otto Rehagelerfolgreich waren, erhält man in den meisten Fällen Antworten, die auf überdauernde Persönlichkeitsmerkmale hinweisen (z.B. Entscheidungsstärke, Überzeugungskraft, Zähigkeit etc.)
• Entsprechende monokausale Erklärungsansätze wurden in der Führungsforschung auf zweierlei Weise untersucht
– Man untersucht Inhaber von Führungspositionen und stellt fest, was sie von anderen Menschen (vor allem Geführten) unterscheidet
– Man prüft, ob und wie sich Inhaber von Führungspositionen untereinander unterscheiden (Unterschiede zwischen „guten“ und „schlechten“ Führern)
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Untersuchungen zu „Führungseigenschaften“
• Die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen kann in vielen Fällen nachgewiesen werden; allerdings ist die Varianzaufklärung eher gering und die Streuungen der Befunde sind erheblich
• Unstrittig ist vor allem der Zusammenhang zwischen Intelligenz und sozialer Kompetenz einerseits und Führungserfolg andererseits (ca. .30 -.40)
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Dimensionen des Führungsverhaltens
• Untersuchungen der Forschungsgruppe um Stogdill (1974): Hierbei wurde untersucht, wie Mitarbeiter ihre Vorgesetzten beurteilen.
• Die Beurteilungen erfolgten mit Hilfe umfangreicher Fragebögen (1800 Items) (Itembeispiel: „Mein Vorgesetzter akzeptiert Kritik.“)
• Faktorenanalytische Auswertungen ergaben, dass die Gesamtvarianz der Antworten auf zwei unterschiedlichen Dimensionen abgebildet werden kann:
– Initiating structure:Verhaltensweisen mit denen der Vorgesetzte Aufgaben und Rollen in der Gruppe spezifiziert und mit denen er versucht, zu organisieren und das Gruppenziel zu erreichen
– Consideration:Verhaltensweisen, die ein freundschaftliches und von gegenseitigem Vertrauen gekennzeichnetes Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ausdrücken
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Führungsdimensionen nach v. Rosenstiel (1994)
Mitarbeiter-orientierung (MAO)
Ausmaß, in dem eine Führungskraft auf ihre Mitarbeiter eingeht und deren Bedürfnisse über den unmittelbaren Kontext der Arbeit hinaus berück-sichtigt
Partizipations-orientierung (PO)
Ausmaß, in dem die Führungskraft ihre Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse mit einbezieht
Individueller Führungsstil
Aufgaben-orientierung (AO)
Ausmaß, in dem eine Führungskraft das Erreichen der betrieblichen Ziele verfolgt
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Führungsstiltypologie nach v. Rosenstiel (1994)
Führungsstil (FS)
Laissez faire FS
Kumpelhafter FS
Autoritärer FS
Patriarchalischer FS
Delegierender FS
Fördernder FS
(Über-)Fordernder FS
Kooperativer FS
Aufgaben-orientierung
(AO)
Mitarbeiter-orientierung
(MAO)
Partizipations-orientierung
(PO)
niedrig
niedrig
hoch
hoch
niedrig
niedrig
hoch
hoch
niedrig
hoch
niedrig
hoch
niedrig
hoch
niedrig
hoch
niedrig
niedrig
niedrig
niedrig
hoch
hoch
hoch
hoch
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Führungsstilfragebogen (FSF) von Schaper & Lieberei (2005)
Der FSF besteht aus 12 leistungskritischen Führungssituationen; zu jeder Führungs-situation stehen jeweils acht Verhaltensalternativen zur Auswahl
Situationsbeschreibung 8:Eine Mitarbeiterin fällt seit längerer Zeit durch schlechte Ergebnisse, mangelndes Engagement und Unzufriedenheit auf. Darauf haben Sie sie schon mehrere Male angesprochen. Sie liefert für eine anspruchsvolle Aufgabe ein Ergebnis ab. Vom Inhalt her ist es eine gute Leistung, aber die äußere Form entspricht nicht Ihren Ansprüchen.
• Ich diskutiere mit ihr die Ergebnisse. Ich hebe ihre Leistungs-verbesserung hervor und frage nach deren Ursachen. Ich versuche mit ihr Ziele zu vereinbaren, die sie motivieren.
• Ich bitte sie sich zu überlegen, ob sie noch eine geeignete äußere Form für Ihre Arbeit finden könnte.
• Ich nehme die Arbeit kommentarlos entgegen.
• Ich lobe sie für die inhaltlich gute Leistung, nehme selbst einige Verbesserungen vor und mache ihr Vorgaben, wie der Entwurf auch von der Form her zu gestalten ist.
Beispiel 12× Führungssituation
8× Verhaltens-alternativen
Einstufungs-skala (6stufig)
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Führungsstilfragebogen (FSF) von Schaper & Lieberei
Führungsstile (Fremd-/Selbstbild) Führungsstildimensionen
1,53
1,47
3,592,71
4,06
1,59
2,182,24
3,91
2,99
2,63
2,341,90
3,16
2,543,96
1
2
3
4
5
6
FS 1Laissez faire
FS 2Kumpelhafter
FS 3Autoritärer
FS 4Patriarchalischer
FS 5Delegierender
FS 6Fördernder
FS 7(Über-)Fordernder
FS 8Kooperativer
(Mittelwerte)Herr Schmidt(Selbstbild)
Mitarbeitereinschätzung(Fremdbild)
Herr Schmidt
Norm-Werte(z-transformierte Werte)
-0,97
-1
0
0,82
-0,22
2,68-3
-2
0
1
2
3AO
MAO
PO
EFF0
0
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Transaktionale und transformationale Führung (Bass & Avolio, 1990)
• Transaktionale Führung:Führung beruht hier auf dem Grundprinzip des Austauschs zwischen Vorgesetztem und Geführten: Lässt sich der Geführte für die Ziele des Führenden gewinnen, so sorgt dieser dafür, dass der Geführte auch seine Ziele erreicht. (Beispielitem „Meine Führungskraft weist mich darauf hin, was ich erhalten werde, wenn ich die Anforderungen erfülle.“)
• Transformationale Führung:mitreißendes und begeisterndes bzw. „verwandelndes“ Führungsverhalten
– Charisma: (Beispielitem: „Ich bin stolz darauf, mit ihm/ihr zusammenzuarbeiten.“)
– Inspirierende Motivierung:(Beispielitem: „Meine Führungskraft verwendet Symbole oder Bilder, um unsere Zielvorstellungen zu verdeutlichen“.)
– Intellektuelle Stimulierung:(Beispielitem: „Meine Führungskraft ermöglicht es mir, alle Probleme in einem neuen Licht zu sehen“.)
– Individuelle Wertschätzung:(Beispielitem: „Meine Führungskraft berät, fördert und unterstützt mich, wenn es notwendig ist“.)
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Rahmenmodell personaler Führung nach v. Rosenstiel (1995)
Person Führungs-verhalten
Führungs-erfolg
Situation
• Konkretes Führungsverhalten ist eine Funktion der Person und der Situation. Daraus folgt:– Eine Führungskraft kann in verschiedenen Situationen auch verschiedene
Verhaltensweisen zeigen.– Das gleiche Führungsverhalten führt in keineswegs allen Situationen zum
gleichen Erfolg bzw. Wirkungen
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Situationstheorien der Führung
• Kritik an der monokausalen Führungsforschung: ideale Führungseigenschaften oder ideales Führungsverhalten gibt es nicht
– Je nach Situation müssen die Anforderungen in jeweils anderer Weise präzisiert werden.
• Die psychologisch orientierte Führungsforschung der 60er und 70er Jahren konzentrierte sich darauf, heraus zu finden, welche Situationsparameter beim Führen wichtig sind
• Kontingenzansätze der Führungsforschung:
– Für bestimmte Situationen ist jeweils unterschiedliches Führungsverhalten erforderlich, damit jeweils spezifische Ziele erreicht werden
– Die relevanten Situationsparameter des Führungsverhaltens sind zu identifizieren und ihr Einfluss auf das Verhalten zu spezifizieren
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Situationstheorien der Führung
• Fiedlers (1967) Situationsparameter:
– Beziehungen zwischen Führer und Geführten
– Aufgabenstruktur
– Positionsmacht des Vorgesetzten
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Situationstheorie der Führung nach Hersey & Blanchard
• Hersey und Blanchard (1977) gehen von den beiden Führungsdimensionen der Ohio-Schule (Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung) aus, die situativ„relativiert“ werden
• Die beiden Autoren sehen im „Reifegrad“ der Mitarbeiter den für Führungssituationen relevanten Parameter
• Empfehlungen des Modells:– „unterweisen“: bei geringer Reife der Geführten wird eine hohe
Aufgabenorientierung und geringe Mitarbeiterorientierung vorgeschlagen
– „verkaufen“: bei geringer bis mäßiger Reife der Geführten wird eine hohe Aufgabenorientierung und hohe Mitarbeiterorientierung vorgeschlagen
– „partizipieren“: bei mäßiger bis hoher Reife der Geführten wird eine geringe Aufgabenorientierung und hohe Mitarbeiterorientierung vorgeschlagen
– „delegieren“: bei hoher Reife der Geführten wird eine geringe Aufgabenorientierung und geringe Mitarbeiterorientierung vorgeschlagen
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Konsequenzen der Führungsforschung für die Praxis
• Personalauswahl:sollte auf Untersuchungen zu Führungseigenschaften aufbauen und moderne eignungsdiagnostische Verfahren einsetzen (z.B. strukturierte Interviewtechniken, Assessment Center)
• Personalentwicklung:sollte auf systematischen Anforderungs- und Bedarfsanalysen aufbauen sowie wirkungsvolle und transferförderliche Trainingsansätze verwenden
• Situationsgestaltung:sollte auf erprobten Ansätzen der Team- und Organisationsentwicklung beruhen, um günstigere Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zu schaffen
• Präzisierung der Erfolgskriterien:sollte aus adäquaten Verfahren der Personal- und Aufwärtsbeurteilung abgeleitet werden, um mehr Transparenz und Zielorientierung in Bezug auf erwartetes Führungsverhalten zu unterstützen