einfluss von glaskeramiken auf die knochenneubildung in calvariadefekten; the influence of glass...

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S522 Verschiedene alloplastische Materiali- en sind für den Verschluss knöcherner Defekte der Calvaria eingesetzt wor- den. Neben nicht resorbierbaren Mate- rialien wie Titan [1], Methylmetacrylat [4, 10] und Zementen [11], die auch lange postoperativ noch Fremdkörper- reaktionen unterhalten können [8] oder mit der funktionellen Belastung des Knochens interferieren, haben zuneh- mend resorbierbare Materialien an Be- deutung gewonnen [3, 5, 6, 7, 12]. In einem Vorversuch waren verschiedene bioresorbierbare Keramiken und Kom- posite aus Keramik und Polylaktid in Calvariadefekten getestet worden. Glaskeramiken hatten sich dabei be- züglich der Osteokonduktion und der Resorption gegenüber α-TCP und den Kompositen als überlegen erwiesen [9]. Eine Untersuchung verschiedener chemischer Zusammensetzungen der Glaskeramik erschien daher wün- schenswert, um das Verhalten in Cal- variadefekten zu optimieren. Material und Methode Bei 75 adulten Sprague-Dawley-Ratten wurden in Vollnarkose die Knochen des Schädeldachs durch eine V-förmige Inzision freigelegt. Perfo- rierende Calvariadefekte mit einem Durchmes- ser von 8,1 mm wurden mit einem Trepanboh- rer erzeugt, ohne die Dura mater zu verletzen. In die Defekte wurden vorgeformte Glaskeramik- plättchen von 8 mm Durchmesser in Presspas- sung eingesetzt. Bei 15 Tieren der Kontroll- gruppe wurde kein Fremdmaterial eingebracht. Vor dem Weichteilverschluss wurde das Periost sorgfältig exzidiert, um eine periostale Kno- chenbildung auszuschließen. Die Keramiken wiesen eine offene Porosität von 50% mit Makroporen von 200–500 µm auf. Es wurden 4 verschiedene Materialien in jeweils 15 Tieren getestet (Tabelle 1). Postoperativ wurden nacheinander Farb- markierungen mit den Fluorochromen Tetrazy- klin, Calceinblau, Alizarinrot und Calceingrün durchgeführt. Bei Tieren mit einer Standzeit von 6 Wochen wurden diese Farbstoffe nach 1, 2, 4 bzw. 5 Wochen, bei Tieren mit einer Standzeit von 13 Wochen nach 2, 4, 8 bzw. 12 Wochen und bei Tieren der letzten Gruppe nach 4, 8, 16 bzw. 24 Wochen appliziert. Nach 6, 13 und 26 Wochen wurden aus je- der Gruppe 5 Implantate mit dem umgebenden Knochen entnommen, fixiert, in Methylmet- acrylat eingebettet und gesägt. Es folgte eine lichtmikroskopische qualitative Evaluation nach Färbung mit Methylenblau und Alizarin- rot. Zur Quantifizierung des Knocheneinwuch- ses wurde fluoreszenzmikroskopisch an 10 ver- schiedenen Punkten der Abstand der durch die Fluorochrome hervorgerufenen Markierungsli- nie vom Defektrand gemessen. Der Mittelwert dieser Werte bei der Farbmarkierung mit Cal- ceingrün wurde als Parameter für den Einwuchs mineralisierten Gewebes in den Defekt heran- gezogen. Ergebnisse Durch postoperative Infektion gingen 5 Tiere verloren, bei allen anderen 70 Versuchstieren zeigte sich eine norma- le Wundheilung. Bei der Entnahme wiesen alle Implantate klinisch einen festen Verbund mit dem ortsständigen Knochen ohne makroskopische Zei- chen von entzündlicher Reaktion auf. Bei der Kontrollgruppe fand sich nach Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 [Suppl 2]: S522–S526 © Springer-Verlag 2000 Einfluss von Glaskeramiken auf die Knochenneubildung in Calvariadefekten Experimentelle Untersuchung Axel Berens, Henning Schliephake, Sava Dilmaghani, Alessa Schuster Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, MHH Hannover Dr. Dr. A. Berens, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, MHH, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover Tel.: 0511-5324886, Fax: 0511-5324740 Zusammenfassung Fragestellung: Ziel der vorliegen- den Arbeit war die Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher An- teile von Silizium, Alkali, Erdalkali und Phosphaten auf das Verhalten von resorbierbarer poröser Glaske- ramik in Calvariadefekten. Material und Methoden: In der Calvaria von 75 adulten Sprague-Dawley-Ratten wurden bikortikale Defekte von 8,1 mm Durchmesser erzeugt. 60 Defekte wurden durch kreisrunde poröse Glaskeramikimplantate un- ter Presspassung verschlossen. Da- bei wurden 4 unterschiedliche Mate- rialien bei je 15 Tieren eingesetzt: 1. silikathaltige Glaskeramik mit ei- nem hohen Kalzium-Phosphat-Ver- hältnis, 2. silikatfreie Glaskeramik mit einem hohen Kalzium-Phosphat- Verhältnis, 3. silikatfreie Glaskera- mik mit einem niedrigen Kalzium- Phosphat-Verhältnis, 4. silikathalti- ge Glaskeramik mit einem niedrigen Kalzium-Phosphat-Verhältnis. Nach 6, 13 und 26 Wochen wurden je 5 Im- plantate aus jeder Gruppe lichtmi- kroskopisch und fluoreszenzmikro- skopisch untersucht. Ergebnisse: Die Glaskeramiken mit einem hohen Kalzium-Phosphat-Verhältnis zeig- ten 6 Wochen postoperativ eine vom Rand her einsetzende Knochenneu- bildung mit Ablagerung von Kno- chen an der inneren Implantatober- fläche. Bis zur 26. Woche wurde bei einigen Tieren bereits das De- fektzentrum erreicht. In den übrigen Glaskeramiken war eine deutliche Bildung von unmineralisiertem Oste- oid nachweisbar, das ebenfalls in zentripetaler Weise abgelagert wur- de. Eine Mineralisation des Osteo- ids fand in diesen Gruppen bis zur 26. Woche nicht statt. Ein Unter- schied zwischen silikathaltigen und silikatfreien Glaskeramiken ließ sich nicht nachweisen. Schlussfolgerun- gen: Resorbierbare Glaskeramiken können bei der Behandlung knö- cherner Defekte ohne funktionelle Belastung von Nutzen sein. Schlüsselwörter Bioresorbierbare Glaskeramik · Re- konstruktion · Calvariadefekte · Kno- chenersatzmaterialien ORIGINALIEN

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Page 1: Einfluss von Glaskeramiken auf die Knochenneubildung in Calvariadefekten; The influence of glass ceramics on new bone formation in calvarial defects;

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Verschiedene alloplastische Materiali-en sind für den Verschluss knöchernerDefekte der Calvaria eingesetzt wor-den. Neben nicht resorbierbaren Mate-rialien wie Titan [1], Methylmetacrylat[4, 10] und Zementen [11], die auchlange postoperativ noch Fremdkörper-reaktionen unterhalten können [8] odermit der funktionellen Belastung desKnochens interferieren, haben zuneh-mend resorbierbare Materialien an Be-deutung gewonnen [3, 5, 6, 7, 12]. Ineinem Vorversuch waren verschiedenebioresorbierbare Keramiken und Kom-posite aus Keramik und Polylaktid inCalvariadefekten getestet worden.Glaskeramiken hatten sich dabei be-züglich der Osteokonduktion und derResorption gegenüber α-TCP und denKompositen als überlegen erwiesen[9]. Eine Untersuchung verschiedenerchemischer Zusammensetzungen derGlaskeramik erschien daher wün-schenswert, um das Verhalten in Cal-variadefekten zu optimieren.

Material und Methode

Bei 75 adulten Sprague-Dawley-Ratten wurdenin Vollnarkose die Knochen des Schädeldachsdurch eine V-förmige Inzision freigelegt. Perfo-rierende Calvariadefekte mit einem Durchmes-ser von 8,1 mm wurden mit einem Trepanboh-rer erzeugt, ohne die Dura mater zu verletzen. Indie Defekte wurden vorgeformte Glaskeramik-plättchen von 8 mm Durchmesser in Presspas-sung eingesetzt. Bei 15 Tieren der Kontroll-

gruppe wurde kein Fremdmaterial eingebracht.Vor dem Weichteilverschluss wurde das Periostsorgfältig exzidiert, um eine periostale Kno-chenbildung auszuschließen.

Die Keramiken wiesen eine offene Porositätvon 50% mit Makroporen von 200–500 µm auf.Es wurden 4 verschiedene Materialien in jeweils15 Tieren getestet (Tabelle 1).

Postoperativ wurden nacheinander Farb-markierungen mit den Fluorochromen Tetrazy-klin, Calceinblau, Alizarinrot und Calceingründurchgeführt. Bei Tieren mit einer Standzeit von6 Wochen wurden diese Farbstoffe nach 1, 2, 4bzw. 5 Wochen, bei Tieren mit einer Standzeitvon 13 Wochen nach 2, 4, 8 bzw. 12 Wochen undbei Tieren der letzten Gruppe nach 4, 8, 16 bzw.24 Wochen appliziert.

Nach 6, 13 und 26 Wochen wurden aus je-der Gruppe 5 Implantate mit dem umgebendenKnochen entnommen, fixiert, in Methylmet-acrylat eingebettet und gesägt. Es folgte einelichtmikroskopische qualitative Evaluationnach Färbung mit Methylenblau und Alizarin-rot. Zur Quantifizierung des Knocheneinwuch-ses wurde fluoreszenzmikroskopisch an 10 ver-schiedenen Punkten der Abstand der durch dieFluorochrome hervorgerufenen Markierungsli-nie vom Defektrand gemessen. Der Mittelwertdieser Werte bei der Farbmarkierung mit Cal-ceingrün wurde als Parameter für den Einwuchsmineralisierten Gewebes in den Defekt heran-gezogen.

Ergebnisse

Durch postoperative Infektion gingen5 Tiere verloren, bei allen anderen 70Versuchstieren zeigte sich eine norma-le Wundheilung. Bei der Entnahmewiesen alle Implantate klinisch einenfesten Verbund mit dem ortsständigenKnochen ohne makroskopische Zei-chen von entzündlicher Reaktion auf.Bei der Kontrollgruppe fand sich nach

Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 [Suppl 2]:S522–S526 © Springer-Verlag 2000

Einfluss von Glaskeramiken auf die Knochenneubildung in CalvariadefektenExperimentelle Untersuchung

Axel Berens, Henning Schliephake, Sava Dilmaghani, Alessa SchusterKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, MHH Hannover

Dr. Dr. A. Berens, Klinik und Poliklinik fürMund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, MHH,Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover Tel.: 0511-5324886, Fax: 0511-5324740

Zusammenfassung

Fragestellung: Ziel der vorliegen-den Arbeit war die Untersuchungdes Einflusses unterschiedlicher An-teile von Silizium, Alkali, Erdalkaliund Phosphaten auf das Verhaltenvon resorbierbarer poröser Glaske-ramik in Calvariadefekten. Materialund Methoden: In der Calvaria von75 adulten Sprague-Dawley-Rattenwurden bikortikale Defekte von 8,1 mm Durchmesser erzeugt. 60Defekte wurden durch kreisrundeporöse Glaskeramikimplantate un-ter Presspassung verschlossen. Da-bei wurden 4 unterschiedliche Mate-rialien bei je 15 Tieren eingesetzt: 1.silikathaltige Glaskeramik mit ei-nem hohen Kalzium-Phosphat-Ver-hältnis, 2. silikatfreie Glaskeramikmit einem hohen Kalzium-Phosphat-Verhältnis, 3. silikatfreie Glaskera-mik mit einem niedrigen Kalzium-Phosphat-Verhältnis, 4. silikathalti-ge Glaskeramik mit einem niedrigenKalzium-Phosphat-Verhältnis. Nach6, 13 und 26 Wochen wurden je 5 Im-plantate aus jeder Gruppe lichtmi-kroskopisch und fluoreszenzmikro-skopisch untersucht. Ergebnisse:Die Glaskeramiken mit einem hohenKalzium-Phosphat-Verhältnis zeig-ten 6 Wochen postoperativ eine vomRand her einsetzende Knochenneu-bildung mit Ablagerung von Kno-chen an der inneren Implantatober-fläche. Bis zur 26. Woche wurde beieinigen Tieren bereits das De-fektzentrum erreicht. In den übrigenGlaskeramiken war eine deutlicheBildung von unmineralisiertem Oste-oid nachweisbar, das ebenfalls inzentripetaler Weise abgelagert wur-de. Eine Mineralisation des Osteo-ids fand in diesen Gruppen bis zur26. Woche nicht statt. Ein Unter-schied zwischen silikathaltigen undsilikatfreien Glaskeramiken ließ sichnicht nachweisen. Schlussfolgerun-gen: Resorbierbare Glaskeramikenkönnen bei der Behandlung knö-cherner Defekte ohne funktionelleBelastung von Nutzen sein.

Schlüsselwörter

Bioresorbierbare Glaskeramik · Re-konstruktion · Calvariadefekte · Kno-chenersatzmaterialien

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Page 2: Einfluss von Glaskeramiken auf die Knochenneubildung in Calvariadefekten; The influence of glass ceramics on new bone formation in calvarial defects;

6 Wochen nur eine geringe marginaleKnochenneubildung, die 26 Wochenpostoperativ nur wenig weiter fortge-schritten war, ohne die Defektmitte zu

erreichen. Histologisch zeigte sich beiallen Keramikimplantaten ein schnel-ler Einwuchs von Bindegewebe mit ei-ner raschen Gefäßerschließung.

1. Silikathaltige Glaskeramik mit ei-nem hohen Kalzium-Phosphat-Ver-hältnis

Material Nr. 1 mit einem hohenKalzium-Phosphat-Verhältnis zeigte 6Wochen und 13 Wochen postoperativzunächst nur eine geringe Resorptionmit ausgedehntem Knocheneinwuchsvon den Defekträndern her. 26 Wochenpostoperativ war es jedoch teilweise zueiner Überbrückung der Defekte mitneugebildetem Knochen bei starkerResorption des Materials gekommen.

2. Silikatfreie Glaskeramik mit einemhohen Kalzium-Phosphat-Verhältnis

Material Nr. 2 zeigte ebenfallszunächst nur eine geringe marginaleKnochenneubildung bei geringer Ma-terialresorption (Abb. 1), in der 26.postoperativen Woche jedoch bei ei-nigen Tieren eine komplette Über-brückung des Calvariadefekts durchneu entstandenen Knochen (Abb.2).

3. Silikatfreie Glaskeramik mit einemniedrigen Kalzium-Phosphat-Verhält-nis

Die Tiere, bei denen Material Nr. 3mit einem höheren Anteil an Phosphatimplantiert worden war, zeigten nach 6und 13, aber auch nach 26 Wochen nureine mäßige Resorption der implan-tierten Keramik. Zu allen untersuchtenZeitpunkten war die Resorption in die-ser Gruppe geringer als bei den Mate-rialien mit einem geringeren Phosphat-anteil. Im Bereich der Defektränderfand sich 6 Wochen postoperativ einegeringe Bildung von nicht minerali-siertem Osteoid (Abb.3). Im weiterenVerlauf schritt die Bildung von nichtmineralisiertem Osteoid in zentripeta-ler Richtung fort (Abb.4).

4. Silikathaltige Glaskeramik mit ei-nem niedrigen Kalzium-Phosphat-Ver-hältnis

Material Nr. 4 erlaubte ebenfalls nureine langsamere Resorption als die Ma-terialien mit einem geringeren Phos-phatanteil. Das hier gebildete Osteoidzeigte eine vernachlässigbar geringeMineralisation bis in die 26. postope-rative Woche.

Die Quantifizierung des Knochenein-wuchses vom Defektrand her zeigtebei den Materialien Nr. 1 und 2 mit ei-nem hohen Kalzium-Phosphat-Ver-hältnis ein Vordringen von minerali-

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Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 [Suppl 2]:S522–S526 © Springer-Verlag 2000

The influence of glass ceramics on new bone formation in calvarial defects

A. Berens, H. Schliephake, S. Dilmaghani, A. Schuster

Abstract

Introduction: The purpose of thisstudy was to investigate the influ-ence of different compositions of re-sorbable porous glass ceramics ontheir performance in calvarial de-fects. Material and Methods: Full-thickness defects (8.1 mm diameter)were made in the calvaria of 75 adultSprague-Dawley rats. Pellets ofporous glass ceramics were insertedpress-fit into 60 defects. Four differ-ent materials were implanted intoeach of 15 animals: (1) glass ceram-ic with a high relation of calcium tophosphate containing silicate; (2)glass ceramic with a high relation ofcalcium to phosphate without sili-cate; (3) glass ceramic with a low re-lation of calcium to phosphate with-out silicate; and (4) glass ceramicwith a low relation of calcium tophosphate containing silicate. Fiveimplants of each group were evalu-ated by fluorescence microscopy and

light microscopy after 6, 13, and 26weeks. Results: Those glass ceram-ics with a high relation of calcium tophosphate showed formation of newbone entering the defect from themargins as soon as 6 weeks postop-eratively. After 26 weeks, the forma-tion of new bone reached the centerof the defect. In the other glass ce-ramics, the formation of unmineral-ized osteoid was visible entering thedefect from the margins. No miner-alization was seen 26 weeks postop-eratively. There was no significantdifference between glass ceramicscontaining silicate and those free ofsilicate. Conclusions: Bioresorbableglass ceramics may be of benefit inthe treatment of osseous defectswithout functional loading.

Key words

Bioresorbable glass ceramics · Re-construction · Calvarial defects ·Bone substitute

Tabelle 1Zusammensetzung der verschiedenen implantierten Glaskeramiken

Material

Zusammensetzung Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4(Gewichtsprozent)

P2O5 43,2 43,2 56,5 57,1CaO 35,9 35,9 19,6 19,3Na2O 7,5 7,5 17,4 17,2K2O 10,7 10,7 – –MgO 1,1 1,1 4,1 3,9Al2O3 – 1,3 2,1 –SiO2 1,1 – – 2

Page 3: Einfluss von Glaskeramiken auf die Knochenneubildung in Calvariadefekten; The influence of glass ceramics on new bone formation in calvarial defects;

siertem Gewebe von bis zu 3 mm nach6, 13 und 26 Wochen, wogegen die Bil-dung von mineralisiertem Gewebe inden Materialgruppen 3 und 4 äußerstgering war (Abb.5). Die Mineralisie-rung drang bei den Gruppen 1 und 2

tiefer in den Defekt ein als in der Kon-trollgruppe. Zwischen den MaterialienNr. 1 und Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Nr. 4, diesich jeweils im Gehalt an Silikat undAluminiumoxid unterschieden, zeigtesich keine signifikante Differenz.

Diskussion

Aus den vorliegenden Ergebnissen istersichtlich, dass die getesteten Glaske-ramiken in vivo resorbierbar warenund gut vertragen wurden. Bei der

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Abb.1a, b. Silikatfreie Glaske-ramik mit einem hohen Kalzium-oxid-Phosphat-Verhältnis 6 Wochen postoperativ, a Über-sicht, b Detailansicht, marginaleKnochenbildung bei geringer Re-sorption

Abb.2a, b. Silikatfreie Glaske-ramik mit einem hohen Kalzium-oxid-Phosphat-Verhältnis 26 Wochen postoperativ, a Über-sicht, b Detailansicht, fast kom-plette Defektüberbrückung durchKnochenneubildung

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Page 4: Einfluss von Glaskeramiken auf die Knochenneubildung in Calvariadefekten; The influence of glass ceramics on new bone formation in calvarial defects;

Kontrollgruppe kam es zu keiner voll-ständigen knöchernen Ausheilung desDefekts, das Modell erfüllt somit dieVoraussetzungen für einen Critical sizedefect [2].

Die Bildung von Knochen odernicht mineralisiertem Osteoid reichte,

wenn eine resorbierbare Glaskeramikeingebracht worden war, tiefer in denDefekt als bei der Kontrollgruppe.Dies ist Ausdruck der osteokondukti-ven Potenz der porösen Glaskeramik,die durch interkonnektierende Poreneinen Gefäßerschluss und Knochen-

apposition von der Peripherie her er-laubt [12]. Fehlt der interkonnektieren-de Aufbau der inneren Oberfläche desimplantierten Materials oder findensich Poren <100 µm Durchmesser, isteine geringere Knochenneubildung zuerwarten [3]. Andere Materialien, wie

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Abb.3a, b. Silikatfreie Glaskera-mik mit einem niedrigen Kalzium-oxid-Phosphat-Verhältnis 6 Wochen postoperativ, a Über-sicht, b Detailansicht, vorwiegendmarginale Bildung von unminera-lisiertem Osteoid

Abb.4a, b. Silikatfreie Glaskera-mik mit einem niedrigen Kalzium-oxid-Phosphat-Verhältnis 26 Wochen postoperativ, a Über-sicht, b Detailansicht, fast kom-plette Defektüberbrückung durchunmineralisiertes Osteoid

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z.B. Bioglas zeigten nur in der initia-len Phase nach der Implantation einenstärkeren Einbau von Knochen als dieKontrollgruppe [12], wogegen die hierverwendeten Materialien einen dauer-haften Vorteil erwarten lassen.

Höhere Anteile von Kalzium- undKaliumoxid in den getesteten Glaske-ramiken erlaubten eine schnellere Mi-neralisierung des neugebildeten Kno-chens im Defekt. Höhere Anteile vonPhosphat, Natriumoxid und Magne-siumoxid führten zu einem weitgehen-den Ausbleiben der Mineralisierung derMatrix bis zur 26. postoperativen Wo-che. Unklar ist, ob die Mineralisationder Matrix auf Dauer ausbleibt oder zueinem späteren Zeitpunkt noch einset-zen wird. Das Vorhandensein von Sili-kat oder Aluminiumoxid in den getes-teten Konzentrationen zeigte keinenEinfluss auf die Resorption oder dieMineralisierung der Knochengrund-

substanz. Dies ist in sofern überra-schend, als Silikat eine wichtige Rollebei der Apposition neuer Kristalle aufder Implantatoberfläche zugeschriebenwird [12] und es sich bei Aluminium-oxid um ein bioinertes Material han-delt [7].

Schlussfolgerung

Resorbierbare poröse Glaskeramikenerlauben eine rasche Gefäßerschlie-ßung und die Synthese von Knochen-grundsubstanz und können in der Be-handlung knöcherner Defekte ohnefunktionelle Belastung von Nutzensein. Die chemische Zusammenset-zung beeinflusst das Ausmaß und dieGeschwindigkeit von Resorption undKnochenneubildung.

Danksagung Wir danken der Fa. BIOVISION,Illmenau, für die freundliche Unterstützung derStudie sowie für die Bereitstellung der Materia-lien.

Literatur

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12. Wheeler DL, Stokes KE, Park HM,Hollinger JO (1997) Evaluation of particu-late bioglass in a rabbit radius ostectomymodel. J Biomed Mater Res 35:249–25

Abb. 5. Knocheneinwuchs in Glaskeramikkörper vom Defektrand in mm. Quantifizierung der Mineralisation mittels fluoreszenzmikroskopischer Vermessung der Einlagerung von Calceingrün