entgrenzt ausgabe 5

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ein Projekt der Geowerkstatt Leipzig e.V. in Kooperation mit

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A map is a map is a map?!

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ISSN 2193-1224

Ausgabe Nr. 5, SoSe 2013

ein Projekt der

Geowerkstatt Leipzig e.V.

in Kooperation mit

Beiträge unter anderem:

Leitthema: A Map is a map, is a map, is a map!?

und viele mehr ...

Braune Zonen nur in Ostdeutschland?

Traue keiner Karte, die du nicht selbst gemachthast – Von kollektivem kritischen Kartieren

Welten Spielen Erzählen. Räume undComputerspiele – ein Überblick und eine Kritik.

Propaganda Maps – ein geographischer Workshop

Propaganda Maps

Kritisches Kartieren

Räume in Computerspielen

Braune Zone

orangotango

Forschendes Lernen

Auslandssemester

interkultureller Stadtplan

Verbesserung der Lehre

Augen

Sinn

Über den Wolken

2 entgrenzt 5/2013Gesamteditorial |

Hallo liebe Studierende! Willkommen zurfünften Ausgabe von entgrenzt mit demThema „A Mapis a map,is a map,is a map!?“

Unter anderemwird euch „Geo-graphisches“einen Artikel überkritische Karto-graphie bieten.Ein weiterer spannenderArtikel wird sich mit Räumenin Computerspielen beschäftigen.

Die GeoWerkstatt berichtet über einen Workshop, in demes um die Erstellung von Propaganda-Karten geht. Auchgibt es einen Bericht über das „Kollektiv Orangotango“.Was das ist? Lest mehr dazu in der Rubrik GeoWerkstatt!

Außerdem zeigt euch GeoPraktisch, wievielfältig die Einsatzmöglichkeiten alsGeographIn sein können!

Für das Weiterbestehen von entgrenzt suchen wir nun verstärkt Nachwuchs!

Die „Großen“ widmen sich neuen Aufgaben und nun brauchen wir Euch!Wenn ihr Interesse habt und ihr wissen möchtet wie das funktioniert, lesteuch gerne den UnterstützerInnenaufruf „entgrenzt machen, aber wie?“ unddie entsprechenden „Stellenanzeigen“ durch.

Bis zur 6. Ausgabe wünschen wir euch erst einmal Viel Spaß mit Ausgabe 5!

Wil lkommen!

Josephine Kellert

3entgrenzt 5/2013

GeographischesBenedikt Kopera: Braune Zonen nur in Ostdeutschland? Die Reproduktion derehemaligen innerdeutschen Grenze anhand thematischer Karten zumRechtsextremismus

Anne Grünewald & Andreas Womelsdorf: Welten Spielen Erzählen.Räume und Computerspiele – ein Überblick und eine Kritik

GeoWerkstattSilke Greth, Severin Halder, Matze Jung & Fabian Singelnstein für das kollektiv orangotango:Traue keiner Karte, die du nicht selbst gemacht hast –Von kollektivem kritischen Kartieren

Clarissa Graf & Tobias Michl: Propaganda Maps – ein geographischer Workshop

Jacqueline Passon & Klaus Braun: „Lernen durch Dialog“Denkanstöße zum Forschenden Lernen im Fach Geographie

Cosima Werner: Auslandssemester in den USAan der Minnesota State University Mankato

Christiane Lembert-Dobler: „In Augsburg ist die Welt zu Hause!“ –Projekt eines interkulturellen Stadtplans

Sprach(r)ohrHelge Piepenburg: Verbesserung der Lehre: Standortwechselals Lösung eines grundlegenden Problems?

Henrike Wilhelm: Aus den Augen, aus dem Sinn?

GeoPraktischInterview mit Stefan Finke: Über den Wolken? Von wegen …

GeoOrga

entgrenztmachen, aber wie?

Call for Papers – Ausgabe Nr. 7, SoSe 2014

Impressum

Gesamtinhalt

| Gesamtinhalt

S. 5

S. 14

S. 29

S. 35

S. 39

S. 44

S. 47

S. 55

S. 56

S. 59

S. 61

S. 62

S. 64

S. 66

4 entgrenzt 5/2013Geographisches |

GeographischesWarum denn ein Fragezeichen setzen und demTitel der 5. Ausgabe von entgrenzt nicht einAusrufungszeichen folgen lassen? Ist denn ei-ne Karte nicht immer nur einfach eine Karte?Im gleichnamigen Blog (amapisamapisa-map.wordpress.com) von Christian Bittnerwerden einige Beispiele aufgeführt, die dasFragezeichen durchaus berechtigen. Kartenwerden zunehmend von Nicht-KartographIn-nen gestaltet, wie zum Beispiel die crowdmapsder Internetplattform www.ushahidi.com oderjene Karten, wie sie im SPIEGEL oder auchwöchentlich im ZEIT Magazin zu sehen sind.Welche Gefahren verbergen sich aber dahin-ter, wenn die Karte als ein wichtiges Instru-ment des Wissenstransfers nicht mehr von derWissenschaft begleitet wird und u.a. sozialeKonstrukte mit der Karte „verräumlicht“ wer-den? Karten bilden häufig ein methodischesAlleinstellungsmerkmal der Geographie ge-genüber anderen Disziplinen. Der besondereVorteil einer Karte, nämlich Sachverhalte bild-lich darstellen und damit veranschaulichen zukönnen, beinhaltet nicht nur (didaktische)Möglichkeiten, sondern auch Risiken. Ange-fangen bei der Farbgebung über die Ziehungvon Grenzen bis hin zur politisch korrektenLänderbenennung – Karten sind kritisch zu be-trachten. Nicht nur das Endprodukt Karte,sondern auch ihre Interpretationsmöglichkei-ten, ihr Entstehungsprozess und ihre Kontex-

tualität geraten zunehmend in den Blick derKritischen Kartographie. Mit diesen Themensetzt sich der studentische Beitrag von Bene-dikt Kopera (Universität Erlangen) auseinan-der, der mit Counter-mapping gegen das invielen deutschen Medien unter Zuhilfenahmeentsprechender Karten verbreitete Bild einesrechten (braunen) Ostdeutschlands argumen-tiert. Er stellt dar, dass die Reproduktion derehemaligen innerdeutschen Grenze sich auf-löst, wenn man andere Kategorien als Grund-lage für solche Karten wählt. Mit der Produk-tion anderer Räume, die – wie auch Karten –ebenfalls häufig in ihrem Containerraum ver-harren, befassen sich Anne Grünewald (Uni-versität Münster) und Andreas Womelsdorf(Universität Heidelberg). Sie setzen sich abernicht mit Karten, sondern mit Computerspie-len und den darin impliziten Raumkonstruk-tionen auseinander. Sie befassen sich also miteinem sehr geographischen Thema, dass in derGeographie bisher wenig Beachtung gefundenhat. Die Redaktion von entgrenzt freut sich,dass sie Euch diese Beiträge zum Lesen anbie-ten kann und wünscht Euch viel Spaß. Viel-leicht findet sich in der nächsten Ausgabeauch ein Beitrag von Dir? Der entsprechendeCall for Papers befindet sich am Ende dieserAusgabe.

Redaktion Geographisches, Cosima Werner

A map is a map, is a map?!

5entgrenzt 5/2013

Der Artikel beleuchtet eine thematische Karte zu

Rechtsextremismus in Deutschland vor dem Hin-

tergrund der Kritischen Kartographie. Es wird ge-

zeigt, dass Karten kein objektives Abbild der

Wirklichkeit sind, sondern dass die Aussage einer

Karte von den Entscheidungen der Kartenerstelle-

rInnen abhängt. Durch die Mechanismen Indika-

torenauswahl, Skalierung/Farbgebung, Verräum-

lichung des Sozialen, Homogenisierung und Reifi-

kation wird die Botschaft einer Karte entschei-

dend geprägt. Dies wird durch die Anfertigung

eigener Karten zum selben Thema verdeutlicht.

1 Einleitung

Als die Behörden im November 2011 dieMordserie der Terrorzelle „Nationalsozialisti-scher Untergrund“ aufdeckten, sorgte dies fürgroßen Aufruhr in der Öffentlichkeit und inden Massenmedien. Nicht nur die Anschlägeselbst und der Skandal um verschiedene Ver-fassungsschutzbehörden wurden thematisiert,sondern es entbrannte zudem eine Diskussionüber rechtsradikale Tendenzen in breiterenSchichten der Gesellschaft. Eine Konstante bil-dete dabei in vielen Medien die Verortung desProblems Rechtsextremismus auf Ostdeutsch-land bzw. die ehemalige DDR. In diesem Auf-satz soll diese medial konstruierte Reduzie-rung des Problems auf die neuen Bundeslän-der anhand eines Beispiels widerlegt werden.Thematische Karten sind eine beliebte Formder Illustration entsprechender Berichte undtragen viel zur Verfestigung des Diskurses bei.Dass diese Karten nicht die Wirklichkeit abbil-den, sondern mit einer Intention und um eineThese zu untermauern, erstellt wurden, soll imFolgenden gezeigt werden. Die Internetplatt-form SPIEGEL ONLINE beispielsweise veröf-fentlichte den „Atlas des Rechtsextremismus“1

(Abb. 1 ), um aufzuzeigen, wie sich das Pro-

blem des Rechtsextremismus in Deutschlandniederschlägt und welche Ausmaße es hat.Neben Informationen aus den jeweiligen Be-richten der Landesämter für Verfassungsschutzüber Rechtsextremismus gibt der Atlas vor al-lem Auskunft über den Grad, zu welchem dieBundesländer jeweils von Rechtsextremismusbetroffen seien. Als Indikator dafür nutztSPIEGEL ONLINE das Wahlergebnis der Natio-naldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)bei der letzten Landtagswahl, und klassifiziertanhand dessen die Bundesländer in drei Kate-gorien. Daraus wird eine Karte erstellt, ebender „Atlas des Rechtsextremismus“, auf derLänder mit niedrigem NPD-Wahlergebnis(< 2  %) nur mit einem leichten Braunton ge-

Braune Zonen nur in Ostdeutschland?Benedikt Kopera (Uni Erlangen)

Die Reproduktion der ehemal igen innerdeutschen Grenzeanhand thematischer Karten zum Rechtsextremismus

Abb.1: Atlas des Rechtsextremismus. Quelle: SPIEGEL ONLINE 2011.

| Benedikt Kopera

1 : Die Begrifflichkeit ist bei SPIEGEL ONLINE nicht einheitlich. Manchmal wird er auch „Atlas des Rechtsradikalismus“genannt. Auch wenn es in der wissenschaftlichen Debatte durchaus Unterschiede zwischen den Begriffen„Rechtsradikalismus“ und „Rechtsextremismus“ gibt (Nandlinger 2008), werden sie in den Medien – wie auch in diesemBeispiel – zumeist synonym verwendet.

6 entgrenzt 5/2013Braune Zonen nur in Ostdeutschland? |

zeigt werden, während Länder, in denen dieNPD sogar im Landtag sitzt (> 5 %), dunkel-braun dargestellt sind. Das Ergebnis der Dar-stellung ist für die Leserinnen und Leser an-scheinend klar: Während in Westdeutschlandflächendeckend nur geringe Tendenzen zumRechtsextremismus auszumachen sind, bewegtsich der gesamte Osten, also die neuen Bun-desländer, in den beiden Kategorien mit stär-keren NPD-Wahlergebnissen. Als Botschaftwird vermittelt, dass das Rechtsextremismus-problem offenbar ausschließlich Ostdeutsch-land betrifft. Ein anderer Artikel in der Print-ausgabe des SPIEGEL (o.V. 2013: 16) sprichtgar von „Braunen Zonen in Ostdeutschland“.

Interessanterweise nutzte die Tageszeitungtaz (Sander 2011 ) in etwa zur selben Zeit eineähnliche Darstellungsform, um zu zeigen, dassdiese – auch schon früher und fest im öffentli-chen Diskurs verankerte – Darstellung desRechtsextremismus als ostdeutsche Besonder-heit nicht zutreffe. So wählte die taz eine ähn-liche Farbskala für ihre Karten. Als Parameterfür den Grad an Rechtsextremismus wird abernicht nur das NPD-Wahlergebnis genutzt, son-dern in einer anderen Karte auch die Anzahlder Todesfälle durch rechte Gewalt undrechtsextreme Gewalttaten. Damit ergibt sichein völlig anderes Bild, welches den Fokusbeispielsweise stark auf Nordrhein-Westfalenrichtet. Um es gleich vorwegzunehmen: dieDarstellungsform der taz verstößt dabei gegenmehrere kartographische Konventionen. Sienutzt absolute Zahlen und setzt sie nicht inRelation zu der Einwohnerzahl, wie es üblichist – so ist es nicht verwunderlich, dass das be-völkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen auch besonders viele rechtsextremeStraftaten vorweist. Doch allein die Tatsache,dass zwei solch unterschiedliche Botschaftentransportiert werden, obwohl beide Karten mitkorrekten Zahlen und Daten arbeiten, lässteinen aufhorchen. In diesem Artikel soll es amBeispiel der Darstellung von Rechtsextremis-mus in Deutschland darum gehen, wie thema-tische Karten aus der Perspektive einer Kriti-schen Kartographie analysiert werden können.Dabei soll gezeigt werden, dass all die Vor-schläge das Thema Rechtsextremismus karto-graphisch zu erfassen, lediglich Konstruktesind, die leicht dekonstruiert werden können.Der Konstruktionscharakter thematischer Kar-ten soll außerdem durch die Produktion eige-ner Karten zu Rechtsextremismus in Deutsch-land bekräftigt werden, die trotz Befolgung

herkömmlicher Standards und Nutzung seri-öser Quellen wiederum zu einem völlig neuenErgebnis kommen. Ein für die Gesellschaft sobedeutendes Thema wie Rechtsextremismusund der Umgang damit – insbesondere bezo-gen auf die neuen Bundesländer – soll zeigen,dass ein kritischer Umgang mit Karten vongrößter Relevanz ist.

2 Kritische Kartographie.Dekonstruktivismus und Karten als Diskurs

Das zentrale Argument dieses Aufsatzes ist,dass Karten eine besondere Authentizität in-nehaben. Ihre Botschaften werden vom Leseroder der Leserin eher unhinterfragt geglaubtund für wahr gehalten, als Texte gleichen In-halts. Zudem soll der große Einfluss des Kar-tenerstellers bzw. der Kartenerstellerin in denMittelpunkt gerückt werden, der/die, je nach-dem welche Entscheidungen getroffen werden,die Aussage der Karten stark lenken kann. Alstheoretische Grundlage für diese Arbeit dieneneinige Aspekte aus der Kritischen Kartogra-phie. Sowohl im öffentlichen Diskurs als auchin der Wissenschaft ist die Auffassung vonKartographie als „Lehre von der maßstabsge-recht verkleinerten Abbildung der Erdoberflä-che“ (Leser et al. 2005: 382) präsent. In die-sem Paradigma fällt der Kartographie als Wis-senschaft die Aufgabe zu, nach dem Erstellenvon Karten zu streben, welche die Realität soexakt wie möglich wiedergeben. Aus Sicht derKritischen Kartographie unterliegt dieses Pa-radigma jedoch einer großen Fehlannahme: esgeht nämlich davon aus, dass es eine Wahr-heit, eine einzige und objektiv nachvollzieh-bar richtige Auffassung der Wirklichkeit gebe.Vielmehr zeigen alle Karten immer nur einenabstrahierten Teilaspekt, der in einem be-stimmten Kontext besonders wichtig erscheint(Glasze 2009: 182f.). Um das Phänomen kon-zeptionell zu fassen, lohnt sich zunächst einBlick auf das eingangs erwähnte Paradigmavon Karten als Abbild der Wirklichkeit (ebd.),dem sich die Kritische Kartographie entgegen-setzt. „It is usually accepted that cartographyas a scientific endeavor and industry seeks torepresent as faithfully as possible the spatialarrangements of phenomena on the surface ofthe earth” (Dodge et al. 2009: 4). Die Errei-chung dieses Ziels ist einigen Kartographie-lehrbücher zufolge (Glasze 2009: 182) überdas sogenannte Karten-Kommunikationsmo-dell möglich, das den Kartographen bzw. die

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Kartographin in der Mittlerrolle zwischen derRealität und den Kartenleserinnen und -lesernsieht. Die Aufgabe sei es, die in der Weltwahrgenommenen Informationen zu codierenund in Karten für die Leserinnen und Leser be-reitzustellen. Diese wiederum müssen die In-formationen korrekt decodieren, um zu verste-hen, was der Kartograph bzw. die Kartogra-phin vermitteln wollte. Während dieses Pro-zesses der Ver- und Entschlüsselung kann eszu Problemen, fehlerhafter Informationswei-tergabe und Missverständnissen kommen. DieAufgabe der Kartographie sei es, diese Fehlerzu minimieren (Glasze 2009: 182 und Dodgeet al. 2009: 4ff.). Würde man die Annahmendes Karten-Kommunikations-Modells auf SPIE-GEL ONLINEs „Atlas des Rechtsextremismus“übertragen, dann müsste es das Ziel der Re-daktion sein, die Karte so zu gestalten, dassdie Leserinnen und Leser optimal verstehen,wie sich das Problem Rechtsextremismus inDeutschland darstellt, wo es besondersschwerwiegend ist. Gerade bei sozialen Pro-zessen wie Rechtsextremismus wird jedochklar, dass es sich immer um subjektive Ein-drücke, um die Deutungshoheit und die Prä-gung des Diskurses handelt. Der Kartographbzw. die Kartographin hat eine immens wich-tige Position, da die Entscheidung für eine be-stimmte Präsentationsform stark von der In-tention und der subjektiven Meinung des Pro-duzenten bzw. der Produzentin abhängt. (Har-ley 2004: 15). Karten können nach Pápay(2005: 86ff.) als „bildhafte Zeichensysteme“betrachtet werden. Das bedeutet, dass eineKarte als eine Kombination aus verschiedenenArten graphischer Zeichen funktioniert. Diesekönnen etwa differenziert werden in symboli-sche Denotationen, also willkürlich gewählteSymbole, und in bildhafte Symbole, die ir-gendeine Ähnlichkeit zu dem darzustellendenObjekt in der Wirklichkeit haben. Beispiele fürArten von Zeichen, die im „Atlas des Rechts-extremismus“ vorzufinden sind, wären etwa inunterschiedlichem Braunton gefärbte Polygo-ne für die einzelnen Bundesländer (bildhaftesSymbol). Ein Hauptelement der Kartenproduk-tion ist folglich die Auswahl bestimmter bild-hafter Zeichen durch den Kartographen/dieKartographin. Diese Auswahl basiert nach Grylet al. (2010) zum einen auf kreativen Gestal-tungsentscheidungen und der Weltanschauungdes Autors/der Autorin und zum anderen aufinstitutionalisierten kartographischen Konven-tionen. In den ersten beiden Komponenten ist

also viel Spielraum, der auch dafür genutztwerden kann, eine vom Kartographen bzw.der Kartographin gewünschte Botschaft zuvermitteln. Sachs-Hombach (2003: 203) sagtsogar, dass das „Verhältnis von Karte und kar-tographischen Gegenstand in der Regel erheb-lich strenger [sei] als bei darstellenden Bil-dern, denn es verdankt sich einem genau defi-nierten Projektionsverfahren.“ Besonderswichtig ist das Bewusstsein der „Konstruiert-heit“ von Karten deshalb, weil sie einer ande-ren Logik folgen und anders gelesen werdenals schriftliche Darstellungsformen. Währendbei Geschriebenem klar und eindeutig sichtbarist, dass der Text von einem Menschen ver-fasst, also konstruiert wurde, ist das bei Kartenweniger stark präsent. Was in Karten festge-halten wird, wird dagegen ohne Bedenken ge-glaubt und weniger hinterfragt. Dass dies beidem geschriebenen Wort nicht (mehr) so ist,hat viel damit zu tun, dass z.B. in der Schulegelehrt wird, Texte kritisch zu hinterfragen.Dass geschriebene Texte nicht die endgültigeWahrheit verkünden, ist spätestens seit derAufklärung im 18. Jahrhundert weitgehendanerkannt (Harley 2004: 11f.). Bei Karten hin-gegen wird der Konstruktionscharakter erstbei genauerer Analyse offensichtlich. DenisWood et al. (2010: 1 ) erklären es so: „Mapswork in at least two ways. First, they operateeffectively. They work; that is, they don’t fail.On the contrary, they succeed, they achieveeffects, they get things done. Hey! Theywork!” Wood et al. erklären die starke Über-zeugungskraft von Karten damit, dass die psy-chologische Wirkung eine ganz andere sei, dasie scheinbar nicht lügen könnten. Wenn mannicht glaube, was sie aussagen, dann müsseman nur an den jeweiligen Ort fahren undsich von der Richtigkeit der Aussage überzeu-gen. Die Karte zeige ja, wo es ist (Wood et al.2008: 191 ). Dass einerseits eine Reihe an Pro-zessen und Arbeitsschritten zwischen derWahrnehmung der Wirklichkeit und der Kar-tenproduktion steckt und andererseits dieWahrnehmung subjektiv geprägt ist und nieeindeutig sein kann, dieser Erkenntnis mussman sich erst bewusst werden (Glasze 2009:183; Harley 2004: 12). So schlussfolgert Har-ley (2004: 11 , zit. in McKenzie (1986: 35)):„Es wurde argumentiert, dass das, was einenText ausmacht, nicht die Anwesenheit linguis-tischer Elemente ist, sondern der Akt der Kon-struktion‘, so dass Karten, verstanden als Kon-struktionen, die konventionelle Zeichensyste-

| Benedikt Kopera

8 entgrenzt 5/2013

me anwenden, zu Texten werden. […] ‚Text‘ist mit Sicherheit die bessere Metapher fürKarten, als die des Spiegels der Natur. Kartensind kulturelle Texte.“ Bei thematischen Kar-ten zu sozialen Prozessen ist dieses Bewusst-sein der Konstruiertheit von Karten besonderswichtig, da sonst schwerwiegende Fehlschlüs-se gezogen werden können, denn thematischeKarten führen dazu, dass soziale Prozesseräumlich gedacht werden. Es ergibt sich alsodie Gefahr der Verräumlichung des Sozialen.Diese Tendenz zur Reifikation entsteht, dakartographische Darstellungen einer Contain-erraumlogik unterliegen. Eigenschaften wer-den bestimmten Bereichen zugewiesen, dieüber Farbgebung oder Schraffur klar vonein-ander getrennt sind, was kaum Raum fürZweifel oder unbestimmte Aussagen lässt. Soschreibt auch Belina (2009: 195): „Insbeson-dere bei der Kartierung sozialer Phänomenegeht mit der Herstellung und Verwendung vonKarten stets die Gefahr der Reifizierung ein-her, d.h. der Verdinglichung der kartiertenPhänomene durch die Ausblendung ihrer Pro-duziertheit.“ Dass diese Phänomene ihren Ur-sprung immer in der Gesellschaft und nicht imRaum haben, dass sie also auch nicht durchden Raum, in dem sie stattfinden, erklärt wer-den können, muss immer in den Vordergrundgerückt werden (Belina 2009: 195f. ; 2011 :116f.).

3 Dekonstruktion des „Atlas des Rechtsextremismus“

Im eingangs erwähnten „Atlas des Rechtsex-tremismus“ von SPIEGEL ONLINE gibt es eini-ge Mechanismen und Wirkungsweisen, die mitHarleys Metapher beschrieben werden kön-nen, wonach Dekonstruktion meint, „[…] denstattlichen Wandteppich umzudrehen, um inall seinem unglamourös zerzausten Durchein-ander die Fäden zu zeigen, aus denen das be-tuchte Bild, das er der Welt präsentiert, be-steht“ (Harley 2004: 12). Es soll nun aufge-zeigt werden, an welchen Stellen die Entschei-dung der Kartenproduzentinnen und -produ-zenten eine wesentliche Rolle gespielt haben.Im Folgenden sollen fünf Mechanismen aufge-deckt werden, die den „Atlas des Rechtsextre-mismus“ zu der Karte machen, die die Leserin-nen und Leser vermuten lassen, Rechtsextre-mismus sei ein hauptsächlich in Ostdeutsch-

land anzutreffendes Problem: die Auswahl desIndikators, Skalierung und Farbgebung, Ver-räumlichung des Sozialen, Homogenisierungund Reifikation. Der Kartenersteller bzw. dieKartenerstellerin hat einen großen Definitions-und Interpretationsspielraum, was genau unterdem Begriff „Rechtsextremismus“ zu verstehenist und wie dieser sich messen lässt. Die Re-daktion entschied sich dafür, das letzte Land-tagswahlergebnis der NPD in jedem Bundes-land als Indikator zu verwenden. Auch wenndie NPD als rechtsextreme Partei häufig in denMedien präsent ist, so ist sie nicht die einzigePartei im rechtsradikalen Spektrum. In Nord-rhein-Westfalen beispielsweise wird auch dieislamfeindliche Partei pro NRW vom Verfas-sungsschutz als rechtsextrem eingestuft (Mi-nisterium für Inneres und Kommunales desLandes NRW: 51ff.). Zählt man nun die Zweit-stimmenergebnisse der Landtagswahl 20102

der beiden rechtsradikalen Parteien NPD(0,7  %) und pro NRW (1 ,4 %) zusammen,dann würde sich für Nordrhein-Westfalen einerechtsradikale Wählerschaft von 2,1 % erge-ben (Die Landeswahlleiterin des Landes Nord-rhein-Westfalen 2010), womit das Land nichtmehr in der untersten – vermeintlich kaumgefährdeten Kategorie – sondern in der mittle-ren Kategorie der Skala einzustufen wäre.Auch die Fragen nach der Skalierung und derFarbgebung stellen sich. Die Schwelle vonüber 5 % für die oberste Kategorie ist ver-ständlich, da das Überschreiten dieser Hürdein allen Bundesländern den Einzug in denLandtag bedeutet und somit direkte Auswir-kungen hat. Die Wahl der 2 %-Grenze zwi-schen erster und zweiter Kategorie hingegenist nicht logisch nachvollziehbar wodurch sie– bewusst oder unbewusst – großen Einflussauf die Botschaft der Karte hat: Wäre die Ka-tegoriengrenze bei 1   % angesetzt worden, sowären nur noch Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in der un-tersten, während die meisten west- wie ost-deutschen Bundesländer in der mittleren Ka-tegorie vorzufinden wären. Die Grenze zwi-schen alten und neuen Bundesländern wärenicht mehr sichtbar (Abb. 2). Würde im Ge-genzug die Schwelle auf 3 % angehoben wer-den, dann böte sich wieder ein völlig anderesBild. Obwohl nur Brandenburg und Berlin ineine niedrigere Kategorie rutschen würden,

Braune Zonen nur in Ostdeutschland? |

2: Hier wurde bewusst das Ergebnis der Wahl 2010 verwendet, da auch der vor der Wahl 2012 veröffentlichte „Atlas desRechtsextremismus“ mit diesem arbeitet.

9entgrenzt 5/2013

wäre die vermeintlich vollständig und flächen-deckend vom Rechtsextremismus bedrohte Re-gion Ostdeutschland nicht mehr sichtbar. Esgäbe mit Mecklenburg-Vorpommern und denmitteldeutschen Ländern nur noch zwei regio-nale Schwerpunkte relativ geringer Ausdeh-nung (Abb. 3). Außerdem muss immer be-dacht werden, dass in jedem Bundesland dieüberwältigende Mehrheit nicht die NPD ge-wählt hat, somit könnte man argumentieren,dass alle Bundesländer in relativ schwachemBraunton gehalten werden müssten. Bei bei-den Varianten, mit 1   %- oder 3  %-Schwelle alsKategoriengrenze, ist der Kontrast zwischenalten und neuen Bundesländern nicht mehrgegeben. Zur besseren Vergleichbarkeit mitder SPIEGEL ONLINE Karte sind die Eigenent-würfe (Abb. 2 und 3) stilistisch an diese ange-lehnt, auch wenn dies die bewusste Nichtbe-folgung wissenschaftlicher Standards in derKartographie (bspw. das Fehlen des Maßstabs)zur Folge hat.

Ein weiterer Effekt, der bei der Darstellung

dieses Themas in Karten angesprochen werdenmuss, ist die Verräumlichung des Sozialen.Damit ist gemeint, dass ein sozialer Prozess –wie in diesem Fall das Problem des Rechtsex-tremismus – für die Darstellung in Karten zu-nächst im Raum verortet werden muss. Das istkeineswegs immer einfach. Wenn man einengeeigneten Indikator für Rechtsextremismus,wie etwa das Wählen der NPD bei Landtags-wahlen, ausgewählt hat, dann kann dieser zu-nächst nur mit Individuen bzw. der Gesell-schaft verknüpft werden und nicht mit demphysisch-materiellen Raum. Diese könnenzwar dadurch, dass sie in einem bestimmtenOrt gemeldet sind und deshalb auch dort ge-wählt haben, verortet werden. Es ist aberwichtig herauszuarbeiten, dass es sich um einsoziales Phänomen und nicht um ein räumli-ches handelt. Und so kann man nicht davonsprechen, dass einige Bundesländer besondersrechtsextrem seien, sondern immer nur einmehr oder weniger großer Anteil ihrer Be-wohnerinnen und Bewohner. In diesem Zu-

Abb.2: NPD-Wahlergebnisse der jeweils letzten Landtagswahl mitunterster Kategoriengrenze bei 1 % (Quelle: eigene Darstellungnach SPIEGEL ONLINE 2011)

Abb.3: NPD-Wahlergebnisse der jeweils letzten Landtagswahl mitunterster Kategoriengrenze bei 3 % (Quelle: eigene Darstellungnach SPIEGEL ONLINE 2011)

| Benedikt Kopera

10 entgrenzt 5/2013

sammenhang sollte außerdem nicht vergessenwerden, dass die Einteilung der Gesellschaftnach räumlichen Gesichtspunkten (z.B. nachBundesland) immer nur eine Möglichkeit vonsehr vielen ist. So könnte man entsprechendeGraphiken auch über die Verteilung desRechtsextremismus nach Geschlecht, nach Al-ter, Bildungsgrad oder Haarfarbe anfertigen.Zuletzt soll noch der Prozess der Homogeni-sierung sowie der der Reifikation angespro-chen werden. Unter Homogenisierung ist dieTatsache zu verstehen, dass die Karte durchdie uniforme Darstellung eines Bundeslandessuggeriert, dass alle BewohnerInnen diesesBundeslandes genau gleich seien, überspitztformuliert also alle zum selben Prozentsatzrechtsradikal. Menschen, die im selben Ort ge-meldet sind und im selben Wahllokal, aber fürunterschiedliche Parteien abstimmen, könnenin thematischen Karten kaum differenziertdargestellt werden. Es gibt innerhalb der Bun-desländer große regionale Unterschiede undjeweils sehr differenzierte Gesellschaftsschich-ten mit zum Teil gegensätzlichen Ansichten.Hier würde eine kleinteiligere Darstellungs-form helfen, etwa auf Wahlkreisebene (z.B.Schipper 2009). Ein weiterer Effekt entstehtdurch die flächentreue Darstellung der Bun-desländer. Das hat zur Folge, dass flächenmä-ßig große Bundesländer mit wenig Einwoh-nern wie beispielsweise Brandenburg (ca. 2,5Mio. ; Statistisches Bundesamt 2012) vielRaum einnehmen, während kleine Länder mitdeutlich mehr Einwohnern wie z.B. Berlin (ca.3,5 Mio. ; ebd.) kaum in Erscheinung treten.Jacques Lévy (2012) veröffentlichte in derfranzösischen Zeitung Le Monde eine Karte,die die Wahlergebnisse der rechtsextremenPartei Front National zeigt, wobei die Flächenso verzerrt sind, dass sie proportional zur Ein-wohnerzahl sind. Den gleichen Effekt dekon-struieren Wood et al. (2010: 39ff.) anhand ei-ner Karte zu den Ergebnissen der US-Präsi-dentschaftswahl 2004. Mit Reifikation ist ge-meint, dass Grenzen und amtliche Bezirkeverdinglicht werden. Dass man das Land auchganz anders gliedern könnte, wird übersehen.Durch die ständige Reproduktion der Grenzenbei der Verwendung amtlicher Statistiken ge-rät der Konstruktionscharakter dieser Räumeaus dem Bewusstsein. Als Zwischenfazit bleibtfestzuhalten, dass unter Verwendung dersel-ben Zahlen und Daten völlig unterschiedlicheGestaltungen von thematischen Karten mög-lich sind, die ganz andere Botschaften vermit-

teln. Dies sollte durch das Aufzeigen all dieserStellschrauben und Entscheidungsmöglichkei-ten, die die Erstellerinnen und Ersteller derKarte hatten, verdeutlicht werden. Dass dieKarte diese Botschaft vermittelt, liegt gewissauch an der Neigung von Massenmedien zuSimplifizierungen und Dramatisierungen. Eineeinfach gehaltene Grafik bzw. Karte kommtbei den Leserinnen und Lesern besser an alslange Texte. Und auch erklärende Begleittexte,die der „Atlas des Rechtsextremismus“ beimKlicken auf ein Bundesland bietet, werdengerne überlesen (vgl. Belina 2011 ).

4 Alternativvorschläge für die Kartierung desRechtsextremismus in Deutschland

Im vorhergehenden Teil wurde ausführlichaufgezeigt, inwiefern am „Atlas des Rechtsex-tremismus“ Kritik geübt werden muss undwelche Bestandteile genauso gut auch andersgemacht werden könnten. Zusätzlich zu dieserForm der Dekonstruktion soll nun auch nochder interessanten Frage nachgegangen wer-den, wie man Karten zum Rechtsextremismusnoch erstellen könnte.

Sicherlich kann man, wenn man bei demMedium der Karte bleiben möchte, nicht alleder angeführten Effekte beseitigen oder weni-ger stark ausgeprägt darstellen. Aus diesemGrund ist wichtig zu betonen: Es gibt nicht dierichtige Karte! Genau das ist die zentrale Bot-schaft der Kritischen Kartographie. Alle Kartensind zu einem beträchtlichen Teil von subjek-tiven Entscheidungen des Kartenerstellers oderder Kartenerstellerin dominiert, und auch mitdem Bewusstsein über ihren Konstruktions-charakters muss klar sein, dass die Entschei-dungen aus einer subjektiven Position herausgetroffen wurden. Objektiv richtige Kriterienfür die Kartenerstellung gibt es nicht. So ist esbeispielsweise nicht möglich, neutrale Skalen-grenzen für die Einteilung und Klassifizierungder unterschiedlichen Räume zu finden. Je-doch soll im Folgenden eine alternative Dar-stellungsform des Rechtsextremismus versuchtwerden, die auf einige angesprochene Kritikeneingeht. Das Ziel ist dabei nicht die Produkti-on einer besseren Karte, sondern das Aufzei-gen einer Alternative. Damit soll gezeigt wer-den, dass die Untermauerung und Verfesti-gung des Diskurses, Rechtsextremismus sei einrein ostdeutsches Phänomen, nicht auf die Da-ten und Fakten zurückzuführen ist, sondern

Braune Zonen nur in Ostdeutschland? |

11entgrenzt 5/2013

Bundesland

ehem. Berlin-West

ehem. Berlin-Ost

Thüringen

Bayern

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Hessen

Baden-Württemberg

Brandenburg

Schleswig-Holstein

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Saarland

Bremen

Mecklenburg-Vorpommern

Hamburg

Rheinland-Pfalz

Anzahl

Befragte

28

40

153

412

200

283

188

277

182

92

257

491

28

17

111

37

128

Zustimmung

zur Aussage

17,86  %

17,50  %

16,34  %

13,83  %

10,50  %

9,89  %

9,57  %

9,39  %

9,34  %

8,70  %

8,17  %

7,74  %

7,14  %

5,88  %

5,41   %

2,7  %

2,34  %

möglicherweise auf subjektive Positionen oderdie Unterstützung eines hegemonialen Diskur-ses. Der einzige Unterschied der nun folgen-den Karten zu der von SPIEGEL ONLINE istdie Auswahl des Indikators. Alle anderen Me-chanismen, die im Vorkapitel dekonstruiertwurden, bleiben gleich. Für die Anfertigungeigener Karten, wurden Daten aus der Allge-meinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwis-senschaften (ALLBUS 2008a) des GESIS Leib-niz-Instituts für Sozialwissenschaften verwen-det. Die Umfrage wird alle zwei Jahre mit ei-ner Stichprobe von etwa 2400 Personen inWest- und 1200 in Ostdeutschland erhoben,die Grundgesamtheit ist die Bevölkerung derBundesrepublik Deutschland. Die ausgewerte-ten Daten werden für wissenschaftliche Zwe-cke kostenfrei zur Verfügung gestellt (GESIS2008a). Der Datensatz eignet sich gut für dieErstellung einer Karte zum Thema Rechtsex-tremismus, da er unter anderem Zustim-mungswerte zu tendenziell rechtsextremenAussagen enthält. Zwei dieser Aussagen wur-den in einer jeweils eigenen Karte dargestellt.

Sie behandeln jeweils die Einschätzung zu Ju-den in Deutschland, gerade aufgrund derdeutschen Geschichte könnte man beide Aus-sagen als rechtsextrem einstufen oder eskönnte zumindest von vielen Menschen so be-wertet werden: „Die Juden haben einfach et-was Besonderes und Eigentümliches und pas-sen daher nicht so recht zu uns“ (GESIS2008b: 151 ) und „Auch heute noch ist derEinfluss von Juden zu groß“ (GESIS 2008b:150). Zu beachten ist die geringe Stichproben-größe für einige Bundesländer, die kaum re-präsentative Aussagen zulässt. Für den hiergewählten Zweck der Demonstration sind siejedoch ausreichend.

Wandelt man die ermittelten Werte nun inKarten um, so müssen im Grunde alle Ent-scheidungen gefällt werden, die auch unterKap. 3 dekonstruiert wurden. Der Einfachheitund Vergleichbarkeit wegen bleiben zwei we-sentliche Eigenschaften gleich, auch wenn da-mit einige Effekte, wie etwa die Reifikationfortbestehen:

Bundesland

ehem. Berlin-West

ehem. Berlin-Ost

Bayern

Hessen

Thüringen

Baden-Württemberg

Mecklenburg-Vorpommern

Schleswig-Holstein

Rheinland-Pfalz

Sachsen

Brandenburg

Sachsen-Anhalt

Hamburg

Saarland

Nordrhein-Westfalen

Bremen

Niedersachsen

Anzahl

Befragte

28

41

411

186

141

277

108

91

124

283

181

196

37

30

497

17

259

Zustimmung

zur Aussage

32,14  %

26,83  %

23,11   %

20,43  %

18,44  %

18,05  %

16,67  %

15,38  %

15,32  %

14,84  %

13,81   %

13,78  %

13,51   %

13,33  %

12,88  %

11 ,76  %

11 ,20 %

Tab. 1: Zustimmung („stimme eher zu“ und „stimme voll zu“)zur Aussage „Juden sind eigentümlich“. Quelle: GESIS 2008c.

Tab. 2: Zustimmung („stimme eher zu“ und „stimme voll zu“) zurAussage „Einfluss von Juden zu groß“. Quelle: GESIS 2008c.

| Benedikt Kopera

12 entgrenzt 5/2013

• Es wird nach Bundesländern differen-ziert. Eine kleinteiligere Aufschlüsselungist mit den vorhandenen Datensätzennicht möglich.

• Es sollen weiterhin drei Kategorien ge-bildet werden, die in drei unterschied-lich starken Brauntönen abgestuft sind.

Für die Ermittlung der Ober- und Untergren-zen der jeweiligen Kategorien wurde das In-tervall zwischen dem höchsten und dem nied-rigsten Wert durch drei geteilt, sodass die Ka-tegorien innerhalb des Spektrums jeweilsgleich groß sind. Für die erste Aussage, „Ju-den sind eigentümlich“, ergibt sich daraufhindie Karte in Abb. 4.In der Kategorie der größten Zustimmung zurrechtsextremen Aussage finden sich mit Bay-ern, Berlin und Thüringen drei Länder, vondenen eines ein altes Bundesland ist, eines inder ehemaligen DDR liegt und das dritte ge-teilt war. Die meisten Bundesländer, im Ostenwie im Westen befinden sich in der mittlerenKategorie, während die fünf Bundesländer inder untersten Kategorie ebenfalls in beiden

Regionen liegen. In dieser Karte ist die ehe-malige innerdeutsche Grenze also nirgends er-sichtlich. Wenn überhaupt würde man aus derKarte ein spezifisches Rechtsextremismus-Pro-blem im Südosten ausmachen. Hauptgrunddafür ist, dass das flächenmäßig größte Bun-desland und auch das benachbarte Thüringenin der dunkelsten Farbe dargestellt sind. Fürdie Aussage 2, „der Einfluss der Juden“ sei „zugroß“, ergibt sich die Karte in Abb. 5:

Es ist erstaunlich, dass in der höchsten Ka-tegorie mit Berlin nur ein einziges Bundeslandliegt, während die allermeisten Länder in derniedrigsten zu finden sind. Das lässt auf Hete-rogenität bzw. einen Ausreißer schließen. Dievier Länder der mittleren Kategorie, die ange-sichts des flächenmäßig kleinen und damitunauffälligen Landes Berlin, das Bild dominie-ren, sind vier benachbarte Länder im SüdenDeutschlands. Der Fokus hat sich für den Leserund die Leserin der Karte ganz klar vom Ostenzum Süden hin verlagert. Somit bleibt nachdiesem kleinen Experiment festzuhalten, dasssich ein ganz anderes Bild bietet, wenn manRechtsextremismus in Deutschland nicht an-

Abb. 4: Eigene Darstellung nach GESIS 2008c. Abb. 5: Eigene Darstellung nach GESIS 2008c.

Braune Zonen nur in Ostdeutschland? |

13entgrenzt 5/2013

hand des NPD-Wahlergebnisses kartiert. Ziehtman die relative Häufigkeit der Zustimmungzu einer als rechtsextrem aufgefassten Aussageheran, so bietet sich ein Bild, das die ehemali-ge innerdeutsche Grenze nicht manifestiert.

5 Fazit

Das Ziel dieses Aufsatzes ist es, anhand des fürdie Gesellschaft wichtigen Themas Rechtsex-tremismus aufzuzeigen, dass der kritische undreflektierte Umgang mit Karten von größterRelevanz für die Forschung und auch die Öf-fentlichkeit ist. Das soll nicht bedeuten, dassKarten ungeeignet sind, Sachverhalte komple-xitätsreduziert und vereinfacht darzustellen.Man sollte dabei jedoch immer bedenken, dassKarten konstruiert sind, und dass ein Sachver-halt auch ganz anders dargestellt werdenkann, selbst wenn dieselben Daten als Grund-lage verwendet werden. Deshalb müssen Kar-ten auch immer in ihrem Kontext betrachtetwerden und nicht losgelöst von beispielsweisedem Artikel, mit dem sie erscheinen und indem sie erklärt werden. Zuletzt sei noch aufeinen weiteren Versuch verwiesen, Rechtsex-tremismus in Deutschland auf Karten darzu-stellen. Im deutschen Nationalatlas stellte Se-bastian Schipper (2009) verschiedene Mög-lichkeiten der alternativen Darstellung desProblems in Form von Karten vor. Hier wirddeutlich, dass insbesondere ein informativerund ausführlicher Begleittext zu den Kartenvon Nöten ist, damit die Leserinnen und Lesersie richtig einordnen können.

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| Benedikt Kopera

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1 Einführung

Obschon es in den letzten Jahren von geogra-phischen Untersuchungen von Medien nur sozu wimmeln schien (Döring/Thielmann2009a), seien es nun soundscapes (Finn 2011 ;Werkmeister 2009), Geographien des Fernse-hens (Bollhöfer 2007) oder auch GIS (Cramp-ton 2009), haben Computerspiele bisher nurin wenigen Veröffentlichungen eine prominen-te Rolle gespielt (Lammes 2008; Brown 2008;Aitken/Craine 2009). Lediglich die geographi-sche Zeitschrift Aether: The Journal of MediaGeography veröffentlicht gelegentlich Artikel,die sich explizit der geographischen Untersu-chung von Computerspielen verschreiben(Lammes 2008; Schwartz 2008). Dass sichdennoch eine ganze Reihe wissenschaftlicherArbeiten zu Computerspielen finden lassenund immer weitere nachfolgen, ist vor allenDingen den dezidiert transdisziplinär orien-tierten Game Studies zu verdanken, in denensich Philosophen, Kultur- und Medienwissen-schaftler ebenso tummeln wie Informatikeroder Historiker (Beil 2012: 7–17; Backe 2008:31–36; Heinze 2012; Günzel 2012). Frasca be-tont, dass „[a] cademic video game studies ha-ve known an incredible development duringthe last couple of years. Slowly, the academicinterest shifted from the early do-games-indu-ce-violent-behaviors studies towards analysesthat acknowledge the relevance of this newmedium” (Frasca 2003: 221 ).

Auch wenn sich die Geographie selten ex-plizit Computerspielen widmete, hat sich dochin den Game Studies und der angrenzendensozial-, kultur- und medienwissenschaftlichenForschung ein reges Interesse an räumlichenFragestellungen abgezeichnet, was auch zu ei-ner entsprechenden Theorieproduktion führte,wobei es bisher an überblickshaften Darstel-lungen dieses Teilbereichs mangelt (Beil 2012:55–84). „Indeed, space is the one categorythat has come to be accepted as the central is-

sue of Game Studies, and the one in which allprevious categories are integrated – a situationthat supports the hypothesis that a paradigmchange is taking place“ (Günzel 2008a: 171 ).

Dieser Artikel verfolgt ein doppeltes Ziel:(1 ) möchte er einige der prominentestenraumwissenschaftlichen Positionen einem Pu-blikum darstellen, das nicht über spezifischesVorwissen aus den Game Studies verfügt, aberdennoch einen Überblick über einige Konzepteerhalten soll. (2) ist dieser Überblick auf dieFrage ausgerichtet, was die sehr unterschiedli-chen Konzepte von Räumlichkeit(en) im Com-puterspiel miteinander verbindet bzw. im Be-sonderen: welche Vorannahmen und damitauch welche evtl. blinden Flecken sie beinhal-ten. Dieses Unterfangen kann jedoch keinenAnspruch auf Vollständigkeit erheben undmöchte es auch nicht. Ganz im Gegenteil istdas Ziel weniger die Darlegung eines eigenen,vermeintlich besseren Ansatzes, sondern diePräsentation unterschiedlicher Theorien undKonzepte und die Verknüpfung einer Kritikmit einer Leerstelle … und an dieser Leerstellekann wenig anderes stehen, als eine Frage. Esgeht also nicht darum, Antworten zu finden,sondern Fragen zu provozieren.

Damit wird klar, dass dieser Text nicht diegeographische Perspektive bilden kann odergar fordern möchte. Vielmehr möchte er dazuanregen, sich mit diesem Thema umfassenderauseinanderzusetzen, als es zumindest nachdem Dafürhalten der Autoren bisher in derGeographie geschehen ist, um einen Beitrag zudiesem ausgesprochen heterogenen For-schungsfeld zu leisten.

Ironischerweise weisen bisher die Medien-wissenschaften, die kurz zuvor noch das Ver-schwinden des Raumes im digitalen Zeitalterpostulierten, unermüdlich auf die Räumlich-keit von Computerspielen hin. Henry Jenkinsschreibt etwa: „Game designers don’t simplytell stories; they design worlds and sculptspaces“ (Jenkins 2007: 56), und Espen Aarseth

Welten Spielen Erzählen

Anne Grünewald (Uni Münster) &

Räume und Computerspiele – ein Überbl ick und eine Kritik

Welten Spielen Erzählen. Räume und Computerspiele – ein Überblick und eine Kritik |

Andreas Womelsdorf (Uni Heidelberg)

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betont, dass „Räumlichkeit [. . . ] als definieren-des Merkmal von Computerspielen angesehenwerden [kann] “ (Aarseth 2001 : 303, nachThon 2007: 29).

2 Was ist ein Computerspiel?

Wie eine Reise zumeist mit der Wahl einesZiels beginnt, so beginnt eine wissenschaftli-che Untersuchung zumeist mit der Konstrukti-on eines sogenannten Gegenstandes (Schnellet al. 2008: 7–9). Die Untersuchung von Com-puterspielen bildet in diesem Zusammenhangkeine Ausnahme, eher eine Art Extremfall.Schließlich unternahmen eine ganze ReiheWissenschaftler große Anstrengungen, um denvermeintlichen Gegenstand, seine gewaltigeVielfalt und seine prinzipielle Unterschieden-heit z.B. gegenüber Filmen oder Photogra-phien herauszuarbeiten (Günzel 2008b: 7–8;Backe 2008: 31–94; Beil 2012: 7–21 ; Hanke2008). In einer Schlüsseldebatte konnten sichzwei (idealtypische) Perspektiven auf dasComputerspiel etablieren, die entweder eineFortsetzung des Textuellen oder eine Zuspit-zung des Interaktiven, des Spielerischen zumwesentlichen Charakteristikum des Computer-spiels erhoben (Günzel 2008a: 7; Mersch2008: 30–35). Beil stellt aber zu Recht fest,dass wohl nur selten tatsächlich solchermaßenradikale Positionen vertreten worden sind undes sich stattdessen eher um eine Projektion„[…] aus einer Außenperspektive heraus […][handele] “, die „[…] inzwischen zu einem fes-ten Bestandteil eines > Gründungsmythos<der Game Studies […] [geworden sei] “ (Beil2012: 39). Denn logisch lässt sich keine Ant-wort auf die Frage finden, ob das Computer-spiel Text oder Spiel sei, so es sich rein formaleinerseits aus Folgen von Algorithmen präsen-tiert, die jedoch andererseits zu jedem mögli-chen Zeitpunkt die Gleichungen, also letztlichdas visuell abgelegte und einigermaßen mani-pulierbare Bild als Ergebnis, neu berechnen(Mersch 2008: 32ff. ; Günzel et al. 2010:24–27). Im Zusammenhang mit dieser Debatteist verständlicherweise die Frage der Determi-nation spielerischen Handelns in den Vorder-grund getreten (Mersch 2008). Es sind hierzwei Wege ersichtlich geworden, Sozialität im

Computerspiel zu begreifen und in die beste-henden Modelle einfließen zu lassen: SowohlText als auch Spiel lassen sich mit gesell-schaftlichen Regelwerken – sicherlich mitSprache im weitesten Sinne – in Verbindungbringen. Fragen nach der Gestaltung vonComputerspielen sind in dieser Hinsicht auchzu Fragen nach dem Produktions- und Rezep-tionsprozess von Medien geworden (Brown2008; Longan 2008).

Letztlich hat die Diskussion über die Fragevon Text und Spiel vor dem Hintergrund einerAbgrenzung des Computerspiels von Literaturund Brettspielen, vor allem aber von Film undPhotographie stattgefunden. Dass das Compu-terspiel mit allen diesen Phänomenen Ge-meinsamkeiten teilt, hat u.a. auch dazu ge-führt, dass Bildern/Bildlichkeiten neben ande-ren Themen, wie Regelhaftigkeit (Bojahr2012; Mersch 2008) oder Steuerung (Schemer-Reinhard 2012; Neitzel 2007), eine besondereStellung zugekommen ist. Mittlerweile habensich in diesem Feld eine ganze Reihe von An-sätzen etablieren können (Beil 2012: 8ff. ;Neitzel 2007), die hier in ihrer Vielfalt undEigenständigkeit kaum gewürdigt werdenkönnen. Zu nennen wären jedoch zur Orien-tierung mindestens kunsthistorische (Hensel2012; Beil 2012: 8ff.) oder phänomenologi-sche Perspektiven (Günzel 2007, 2012; Beil2012: 8ff.). Dass jedoch Bildlichkeit(en) nichtabgeschlossen von Fragen der Steuerung oderRegelhaftigkeit des Computerspiels diskutiertwerden können, demonstriert u.a. BenjaminBeil in seiner Studie zu Funktionen und Bild-lichkeiten des Avatars1 (Beil 2012).

Grundsätzlich bescheinigen die meisten Au-toren dem Computerspiel eine derartig großeHeterogenität, dass sich die Suche nach ein-teiligen, umfassenden theoretischen Positio-nen zerschlägt und stattdessen kleinteiligeUntersuchungen unter verschiedensten Ge-sichtspunkten an diese Stelle treten und ge-wissermaßen wie die Bausteine eines Mosaiksdas Gesamtbild zu konstituieren vermögen(Beil 2012: 7–32, 84; Backe 2008: 31–36; Lie-be 2008: 76f. ; Hanke 2008: 7–13; Günzel2007: 1ff.).

1 : Als Avatar wird zumeist die Rolle/Spielfigur oder auch Funktion bezeichnet, die ein Spieler in einem Spiel zurVerfügung steht, wie z.B. den Hexer Gerald von Riva im Spiel The Witcher (Beil 2012: 9–11 ). Allerdings sind diePerspektiven und damit auch Definitionsversuche zu Avataren derart verschieden, dass kaum von einem einheitlichenZugang oder einer gewissen definitorischen Geschlossenheit ausgegangen werden kann (Beil 2012: 11–31).

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3 Raum 2.0 – Vom Game Space zum Game Place?

Häufig werden Räume in Computerspielen mitMetaphern wie virtuellen Räumen, virtuellenWelten, dem Cyberspace oder ganz allgemeinder virtuellen Realität in Verbindung ge-bracht. Greift man sich beispielsweise den Be-griff Cyberspace heraus, wird schnell klar,dass er im sozialwissenschaftlichen Sprachge-brauch eine Metapher für teils utopische Tech-nikphantasien geworden ist, ihm aber die dif-ferenzierende Qualität eines wissenschaftli-chen Begriffes fehlt (Thiedeke 2004: 18). Tat-sächlich wird er umgangssprachlich häufig alsSynonym für das Internet benutzt, währendandere Definitionsversuche sich meist aufdurch Computertechnik generierte, simulierteWelten/Wirklichkeiten beziehen. Es ist dahernicht explizit Raum gemeint, der mit Hilfe vonComputerspielen generiert wird. Um diesenRaum jedoch von bspw. augmented-reality-Konzepten2 oder anderen weitestgehendräumlichen Simulationen, die beispielsweisezu Planungszwecken entworfen werden, abzu-grenzen, soll im Folgenden von Game Spacegesprochen werden, da die deutsche VarianteSpielraum doppeldeutig ist (Günzel 2008b:7–8).

3.1 Containerraum

Eine recht prominente Position haben reduk-tionistische Ansätze, die Computerprogrammezur Erzeugung von virtuellen Räumen auf ih-ren Quellcode, also entweder auf das binäreSystem von Einsen und Nullen oder das Hexa-dezimalsystem, reduzieren. Sie gehen davonaus, dass dieser errechnete Raum, der als ma-thematischer Raum prinzipiell n-dimensionalsein kann3, von vorneherein durch die zugrun-de liegenden mathematischen Modellierungenvollständig determiniert ist (Maresch 1998:333).

Für die beiden Soziologinnen Funken/Löwhat dieser reduktionistische Ansatz eines ma-thematischen Raumes besondere Bedeutung:Ausgehend von Untersuchungen sogenannterEgo-Shooter4 begreifen sie Raum in Compu-terspielen explizit als Containerraum. DieserContainer ist durch die mathematischenGrundlagen der Computertechnik bestimmt,die durch ihre Algorithmen einesteils Perspek-tivität und Bewegung andernteils Regelhaftig-keit und Begrenzungen herstellen, die vonSpielern prinzipiell nicht umgangen werdenkönnen – ganz im Gegenteil werden die Spie-ler erst innerhalb des räumlich-mathemati-schen Containers in ihren jeweiligen Rollen,besser: Funktionen, geschaffen ohne daraufEinfluss außerhalb des determinierenden Re-gelwerks ausüben zu können. Es gibt also aus-gehend von dieser Betrachtungsweise nur be-dingt soziale Aushandlungsprozesse. Räum-lichkeit wird hier in erster Linie als eine de-terminierende, aber dezidiert relationaleTotalität begriffen, denn die Containerräumedes Computerspiels werden so mit einer Reihevon Elementen, Funktionen etc. gefüllt. Räu-me in Computerspielen werden in dieser Form„[…] als Container für das Spielgeschehen[…] “ betrachtet (Funken/Löw 2003: 74). Dar-über hinaus argumentieren Funken/Löw, dassdiese Containerräume in (Online-)Spielennicht nur durch ihre Gestaltung und innereStruktur differenziert werden müssen, sonderndarüber hinaus eine wesentliche Funktion er-füllen, nämlich die einer Absicherung undStabilisierung von körperlichen und räumli-chen Verunsicherungen, die mit dem Spielenselbst einhergehen. Beginnt der Spieler bspw.mit einer Partie Anno 1503 (2002), dann ist esnötig, den Bruch zwischen Realität auf dereinen und der Spielwelt Annos auf der ande-ren Seite zu schließen. Der geschlossene Cha-rakter des Spiels wirkt nach Funken/Löw sta-bilisierend auf eine Spaltung von spielerischer

2: Auch erweiterte Realität ist eine computergestützte Erweiterung der Wahrnehmung durch zusätzliche Informationen.Diese Einblendungen überlagern meist in grafischer oder textlicher Form die Wahrnehmung, die beim Blick z.B. durcheine spezielle Brille oder ein Smartphone entsteht.3: N-Dimensionale Räume finden sich, zumindest in diesem mathematischen Sinne, in Computerspielen nicht, da sieletztlich über den sogenannten Kartesischen Raum mit drei Dimensionen nicht hinausgehen (Beil 2012: 55–84).4: Die Wahrnehmung des Game Space wird durch die Wahl der Spielperspektive maßgeblich beeinflusst. Die Kategorieder Ego-Shooter zeichnet sich durch eine Ego-Perspektive aus, einem subjektiven Point of View (PoV), der die Position,von der aus der Schauplatz präsentiert wird, mit der räumlichen Position des Avatars vereint (Neitzel 2007: 8–13). DerEgo-Shooter ist damit wesentlich durch einen zentralperspektivischen Raum gekennzeichnet (Günzel 2009, 2008b,2008c). In Spielen mit semi-subjektiven PoV (Third-Person-Perspektive), verändert sich das Sichtfeld mit denBewegungen des Avatars, fällt aber nicht ganz mit seiner Position zusammen. Die virtuelle Kamera positioniert sich ineiniger Entfernung hinter dem Avatar. Der objektive PoV umfasst alle Perspektiven, die nicht an einen Avatar gebundensind. Hierzu zählt zum einen die Militär-Perspektive (eine isometrische Perspektive) oder die Vogelperspektive, auchtop-down-Perspektive genannt (Thon 2009: 24).

Welten Spielen Erzählen. Räume und Computerspiele – ein Überblick und eine Kritik |

17entgrenzt 5/2013

und nicht-spielerischer Realität, die durch diePraxis des Spielens selbst aufgeworfen wird(Funken/Löw 2003: 78–84).

Auch wenn Funken/Löw sich in erster Linieauf Spiele wie Quake III Arena (1999) oderCounter-Strike: Source (2004) beziehen, diedeutlich abgeschlossenen Maps (Level) – alsoSchauplätze, wie Burgen oder Verliese – auf-weisen, sind auch die sogenannten OpenWorld Games wie The Elder Scrolls V Skyrim(2011 ) genauso angewiesen auf die durch Al-gorithmen determinierten Grenzen. Zwar sindweite Bereiche dieser Spiele frei erkundbarund weniger durch Zäune, Wände oder sonsti-ge labyrinthartige Levelstrukturen begrenzt,doch auch hier scheint eine Überschreitungder im Vorfeld programmierten Möglichkeitengenauso wenig möglich zu sein (Mersch2008). Diese, letztlich von den Regeln desSpiels vorgegebenen Grenzen, werden spiel-mechanisch meist entsprechend strukturiertund inszeniert, sodass die Stabilität von soge-nannten Game Spaces nicht verloren geht: Sodroht beim Verlassen des Schlachtfeldes inBattlefield 1942 (2002) der Tod als Deserteuroder wird der Game Space z.B. als Insel, wiein GTA IV (2008), FarCry 3 (2012) oder als

von Weltraum umschlossener Raumstation,wie in Dead Space (2008), kurz: als Lebens-raum vs. Todeszone, plausibilisiert. Es gibt al-lerdings ähnlich viele Beispiele, in denen eineeigene Plausibilisierung der Umgrenzungenvon Game Spaces ausbleibt, wie z.B. Companyof Heroes (2006) oder natürlich auch im obenerwähnten Anno 1503. Das ändert jedoch zu-nächst nichts daran, dass es sich nach Fun-ken/Löw immer noch um Containerräumehandelt (Funken/Löw 2003).

Die Containerraum-Konzeption hat bei allervordergründigen Plausibilität mindestens dreiNachteile: (1 ) Auch wenn tatsächlich von Al-gorithmen die Struktur des Spiels vorgegebenerscheint und das Regelwerk unüberwindbar,lässt sich daraus keineswegs eine Determina-tion spielerischen Verhaltens ableiten.Schließlich weißt u.a. Backe darauf hin, dassSpiele umgehend diskursiv genutzt werden, imSinne einer (sozialen) Aushandlung, die Hori-zonte spielerischen Verhaltens öffnet (Backe2008: 281–290). Es kann z.B. zu „[…] anar-chischem Spielen […] “ (Backe 2008: 288)kommen, in dem die Grenzen des Regelwerksihrerseits ausgetestet und ggf. erweitert, bes-ser: angepasst werden, z.B. durch sogenanntes

Abb. 1: Werbung für die Piratenpartei in Counter-Strike Source (Quelle: Piratenpartei.de 2012 o. S.)

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cheating (Backe 2008: 288–290).5 Eine andereMöglichkeit besteht in der Verweigerung desSpiels, was oftmals vernachlässigt wird (Backe2008: 288). (2) Die Vorstellung des Raumcon-tainers mit determinierender Wirkung blendetim Wesentlichen Formen sozialer Aushand-lung aus – bspw. werden die konkreten Bedin-gungen der Produktion der Game Spaces, z.B.der Insel des FarCry 3 nicht in den Blick kom-men (Longan 2008; Brown 2008). Die Frage,wieso sich der Game Space genau auf dieseund keine andere Weise strukturiert, ließe sichabseits der Stabilisationshypothese kaum be-antworten (Brown 2008). (3) Ganz grundsätz-lich tendiert eine solche Perspektive dazu, dieinzwischen gängige Ontologisierung von Spielmit seinem charakteristischen Game Spaceund Nicht-Spiel zu stützen. Spielen erscheintals widersprüchliche Praxis, die irgendwo zwi-schen spielerischer und nicht-spielerischerRealität angesiedelt ist und einer permanentenStabilisierung bedarf. Es sind nun ausgerech-net die containerartigen, mathematisch-präzi-sen Konzeptionen des Computerspiels, diedurch ihre allenfalls technische Abgeschlos-senheit eine Art Beruhigung erzeugen und soden Widerspruch zwischen z.B. einer (außer-spielerischen) Realität, in der es nun einmalkeine Drachen zum Töten gibt, und einer spie-lerischen Realität mit Drachentötungsgebotnicht nur schließen, sondern gar schließenmüssen. Warum jedoch zwischen diesen Ebe-nen unbedingt ein ausgesprochener Wider-spruch auftaucht, der nach Schließung ver-langt, bleibt ungeklärt.

Mit Hilfe der Containerraum-Perspektiveließe sich in erster Linie argumentieren, dasseine Werbung der Piratenpartei gegen dasVerbot von Killerspielen, wie es in einer soge-nannten Textur, einer Art Graffiti, in Counter-Strike: Source, auftaucht (Abbildung 1) eineDisruption, eine Störung der Beziehung vonSpiel und Nicht-Spiel darstellt, insofern einvermeintlich dem Spiel äußeres Element ausder Realität in den Game Space hineingezogenwird und dort für entsprechende Irritationensorgt. Allerdings ist diese Perspektive immernoch keine Erklärung, denn warum sich dasGraffiti als konkretes Ereignis in Counter-Stri-ke: Source auffinden lässt, wird als Horizontgar nicht fragwürdig – vielmehr sollte es ei-

gentlich zwar nicht völlig unmöglich, so aberdoch zumindest einigermaßen unwichtig sein.Das Störungs-Argument ist eben nur aufgrundder Annahme möglich, dass die Trennung vonGame Space/Spiel und Nicht-Spiel als vorder-gründige Normalität gilt, und zwar apriori!Ganz im Gegenteil zu einer solchen Interpre-tation ließe sich aber vielleicht auch zeigen,dass der Game Space gerade auch durch seinemathematische Verfasstheit weder neutral istnoch objektiv im Sinne einer Abwesenheit so-zialer/politischer Aushandlungsprozesse, son-dern ganz im Gegenteil eingelassen ist in ge-sellschaftliche Netze, die einesteils reprodu-ziert, andernteils produziert werden (Foucault2009: 14–18; Füller/Marquardt 2009, 2010).Auch diese Lösung bliebe jedoch noch derAuffassung eines möglichen GameSpace/Spielplatzes verpflichtet, der jedochnun eher als analytische, bestenfalls heuristi-sche Kategorie erscheint und weniger als To-talität.

Darüber hinaus liegt dem Containerraumimplizit eine Kartesische Konzeption desRaumes als ausgedehntem Raum zugrunde,der sich durch „[…] die Ausdehnung in Länge,Breite und Tiefe […] “ (Descartes 2010: 48)kennzeichnet. Obschon diese Kartesische Kon-zeption als Grundbaustein von Computerspie-len betrachtet werden kann (Beil 2012:55–84), muss einschränkend bemerkt werden,dass die Vielfalt möglicher Perspektiven, wiez.B. des Ego-Shooters/der Zentralperspektive(Günzel 2008c), der Vogel- oder Militärper-spektive (Lammes 2008; Günzel 2008c) oderauch einer Verschneidung verschiedener Kon-struktionsweisen (Beil 2012: 59–84) deutlichdarauf verweist, dass zwar die Bedeutung von2-D- und 3-D-Konstruktionen groß, ihre Vari-anz jedoch ebenfalls gewaltig ist. Es drängtsich die Frage auf, wie und warum sich be-stimmte Konstruktionsmuster in bestimmtenSpielen durchgesetzt haben und welche Folgensie haben (Beil 2012; Brown 2008). Die Theseeiner Ablösung von 2-D- durch 3-D-Konstruk-tionen in Spielen, z.B. durch technische Er-weiterungen der Plattformen, lässt sich nichthalten, wie Beil (2012) zeigt: Das Spiel Plantsvs. Zombies aus dem Jahr 2009 ist bspw. völ-lig zweidimensional.6

5: Zum cheating bemerkt Carl Heinze allerdings: „Da man es hier aber mit Manipulationen zu tun hat, die dasSpielsystem verändern, führen Eingriffe dieser Art im Grunde zu neuen, in sich wieder ganz eindeutig definiertenSpielen […] “ (Heinze 2012: 66).6: Nichtsdestotrotz dominierten in den 1980er und 1990er Jahren vorwiegend zweidimensionale Darstellungsweisen inSpielen (Backe 2008: 55–79).

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3.2 Orte und Räume

Ian Bogost/Dan Klainbaum betonen, dass eineDiskussion um Räume und Räumlichkeiten inComputerspielen ganz fundamental übersehe,dass Computerspiele nicht nur von Räumengekennzeichnet seien, sondern insbesondereauch von Orten (Bogost/Klainbaum 2006:163). An die Vorarbeiten von Harrison/Dou-rish (1996)7 oder auch den Überlegungen Yi-Fu Tuans (2001) anknüpfend, die Orte gewis-sermaßen als Räume + X, als Räume mit Ge-schichte und Bedeutung auffassen, machenBogost/Klainbaum darauf aufmerksam, dassder Game Space spätestens hier, in seinen Or-ten mehr als ein nach außen begrenzter undinnen angefüllter Containerraum ist, da Spie-ler mit und innerhalb dieser Orte interagieren(Bogost/Klainbaum 2006: 163).

„Where space is abstract, place is concrete:space is a grid that can be overlaid on all pla-ces, like the city of New York. In videogameswe can perceive space as the abstract concep-tion of 3D space, and place as the specific ga-me world we experience such as Zelda’s Hyru-le or Grand Theft Auto III’s Liberty City.“(ebd.)

Bei aller vordergründigen Plausibilität,bleibt dennoch die Konzeption Ort/Bedeutungvs. Raum/Bedeutungslosigkeit unklar, denndie Formelhaftigkeit der Beziehung zwischenOrt und Raum lässt die Frage offen, wie einRaum ohne Bedeutung aussehen kann. Es istweniger ein Bedeutungsüberschuss, den diebeiden in Orten zu sehen glauben, als viel-mehr das Vorhandensein von Bedeutung über-haupt. In diesem Sinne ließe sich fragen, obeine Straße, die im Spiel Half Life 2 einen Hü-gel hinauf führt bereits ein Ort mit oder nochein Raum ohne Bedeutung sei, ob sie als „[…]abstract conception of 3D space […] “ oderschon als „the specific game world we experi-ence […] “ (Bogost/Klainbaum 2006: 163)verstanden werden kann? Der französischeAnthropologe Claude Lévi-Strauss bemerkt,dass „[d] ie Dinge […] nicht allmählich [ha-ben] beginnen können, etwas zu bedeuten“

(Lévi-Strauss 1978: 38), da Bedeutung nuneinmal wesentlich relational und damit diffe-rential gebildet werde (Lévi-Strauss 1978:37–41).8

Ein entscheidender Vorteil der Konzeptionvon Bogost/Klainbaum liegt darin, den inter-aktiven Charakter des Computerspiels hervor-zuheben, denn obschon um den Begriff der In-teraktion eine kontroverse Debatte geführtwird, gelten Computerspiele vorwiegend als„Medien der Manipulation“ (Beil 2012: 11–31 ;Schwartz 2008). Wenn bspw. im Spiel War-craft III (2002) Stadttore zerstört werden odergar in Minecraft (2009) eigenständig Struktu-ren errichtet werden können, dann wird of-fenbar, dass Computerspiele zu unterschiedli-chen Graden manipuliert werden können. Ortesind nicht nur Kulissen einer Handlung, diesich in vorgegebenen Regelwerken entspinnt.Dementsprechend sind Spiele nicht nur vonpassiver Rezeption gekennzeichnet, sondernvon aktiver Produktion (Longan 2008; Lam-mes 2008; Beil 2012: 11–31 ; Günzel 2008c),wenn bspw. die vermeintliche Wildnis koloni-siert wird (Lammes 2008), Städte und Infra-strukturen geplant (Werning 2007), außerirdi-sche Invasoren zurückgeschlagen, die Ur-sprünge mysteriöser Infektionen erhellt(Brown 2008) oder mit Hilfe des sogenanntenWorld Editors des bereits oben erwähntenWarcraft III ganze Welten erschaffen, d.h. ge-baut werden. Letztendlich zeigt dies, dass Ga-me Space somit ein durch und durch (sozial)produzierter und gleichzeitig, im Moment derProduktion auch konstruierter Raum (Mersch2008) sein kann – sei es durch den Spielent-wickler, der die Regeln des Spiels und damitsozusagen die Rahmenbedingungen vorgibt,oder den Spieler selbst, der sich während desSpielprozesses nicht nur diesen Regelwerkenzu einem gewissen Grade fügen muss, sondernz.B. auch den moralischen Vorstellungen derEntwickler (Nohr 2008: 92).9 So können Spie-le Rassismus und Ausgrenzung wie z.B. TheWitcher (2007/2010) oder Dragon Age: Orig-ins (2009) ebenso thematisieren wie ver-meintlich zukünftige Kriege zwischen den

7: „Our principle is: ‚Space is the opportunity; place is the understood reality′” (Harrison/Dourish 1996: 67; eigeneHervorhebung). D.h. , Raum wird hier als Potential verstanden, Orte hingegen als verstandene, also bedeutsame Realität.8: Eine Möglichkeit würde darin bestehen, die Überlegungen von Bogost/Klainbaum einer Perspektiveentgegenzustellen, die Ort und Raum nicht so sehr an Bedeutungen festzumachen und zu differenzieren versucht,sondern ganz im Gegenteil das Verhältnis auf grundlegende Weise in Frage stellt (vgl. Heidegger 2009).9: So beschwert sich bspw. Felix Schütz in seiner Rezension des Spiels FarCry 3 über „[…] das respektlose Tötenseltener Tierarten […] “ (Schütz 2012: 54), „[…] weil ich Felle und Häute brauche, um mir daraus Munitionsbeutel zunähen. Auf einer Insel, wo ich an jeder Straßenecke eine AK-47 kaufen kann!“ (Schütz 2012: 54).

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Vereinigten Staaten und der VolksrepublikChina, z.B. Command and Conquer: Generals(2003) oder Battlefield 2 (2005).

„Like traditional landscapes, video gamelandscapes incorporate the moral ideologies oftheir producers and therefore limit or directthe kinds of lessons about the real world thatplayers might learn. Video game landscapesmay therefore reinforce the dominant ideolo-gies that govern the production of real worldlandscapes as much as they challenge them“(Longan 2008: 23).

Wohingegen die Containerraum-Konzeptionvon Funken/Löw im Grunde letztlich Compu-terspielen als eine geradezu pathologischePraxis versteht, die einer durchgängigen Stabi-lisierung durch den Containerraum bedarf,deuten Bogost/Klainbaum bereits die Möglich-keiten sozialer Aushandlungsprozesse an. D.h.zwar nicht, dass die Trennung zwischen Spielund Nicht-Spiel aufgelöst wird, allerdingsrückt die Komplexität von Computerspielenzunehmend in den Vordergrund.

4 Die Trialektik des Raumes

In den vergangenen Jahren hat diese Komple-xität neben einer Reflexion von Raumkonzep-ten und -begriffen in den Game Studies auchdazu geführt, Mehr-Ebenen-Modelle zu entwi-ckeln. Es ist klar geworden, dass Computer-spiele nicht außerhalb sozialer Kommunikati-ons- und Aushandlungsprozesse verstandenwerden können, sie sich also einer vereinfa-chenden Containerraumdarstellung ebensoentziehen wie einer ungleich umfassenderenPerspektive auf Game Places.

Jan-Noël Thon unterscheidet beispielsweiseunter Berücksichtigung narrativer und ludi-scher/spielerischer Elemente von Computer-spielen drei Ebenen von Räumlichkeiten. Ne-ben dem simulierten Raum mit seinen Schau-plätzen und den narrativ vermittelten Räu-men, die durch entsprechende Elemente(Zwischensequenzen, Dialoge etc.) produziertwerden, existieren auch soziale bzw. kommu-nikative Räume, die durch Kommunikationund Interaktion verschiedener Spieler bspw.im Multiplayer-Gaming entstehen (Thon 2007:45). Ähnlich geht auch Nohr vor, wenn erzwischen den Ebenen der Medienräume, densozialen und den diskursiven Räume unter-scheidet (Nohr 2007: 61f.).

Die Unterscheidung von verschiedenenräumlichen Modalitäten deutet bereits an,

dass der Game Space auch mit Henri LefebvresKonzept des trialektischen Raumes in Zusam-menhang gebracht werden kann (Aarseth2007, Günzel 2008a, Stockburger 2009, Fuchs2010). Diese Verbindung wird der Tatsachegerecht, dass der Game Space in besondererWeiser von Menschen produziert und erfahrenwird. „It is this multidimensional aspect ofcomputer games as complex objects – beyondthe dialectics yet crisscrossed with fault lines –that leads us to the thinking of Henri Lefebvreand Edward Soja on space“ (Nicholls/Ryan2008: 170). Zentral für Lefebvres Raumkon-zept, ist die Vorstellung vom (sozialen) Raumals gesellschaftlichem Produkt und die Unter-scheidung von drei räumlichen Modalitäten(Schnur 2012: 459).

Die erste Kategorie, die Raumrepräsentatio-nen (konzipierter Raum), ist der „[…] Raumder Wissenschaftler, der Raumplaner, der Ur-banisten, der Technokraten, die ihn ‚zer-schneiden‘ und wieder ‚zusammensetzen‘ […] .Die Raumkonzeptionen tendieren offensicht-lich […] zu einem System verbaler, also ver-standsmäßig geformter Zeichen“ (Lefebvre2006: 336) und beruhen auf scheinbar objek-tiven und wissenschaftlichen Konzeptionen.Sie sind im weitesten Sinne auf „räumlicheImages“ und kognitive Prozesse ausgerichtetund werden in Form von Diskursen, alsodurch Sprache, Bilder, Zeichen, Karten etc.ausgedrückt (Schnur 2012: 463). Im Compu-terspiel kann ebenfalls ein „konzipierterRaum“ aufgefunden werden, der auf den nar-rativen und regelgeleiteten Strukturen desSpiels basiert (Fuchs 2010: 104). Die zweiteKategorie, die Repräsentationsräume (gelebterRaum), beschreibt Lefebvre als einen „[…]Raum der ‚Bewohner‘, der ‚Benutzer‘ […] “(Lefebvre 2006: 336), eine symbolbehafteteAlltagswelt, die zu „[…] mehr oder wenigerkohärenten nonverbalen Symbol- und Zei-chensystemen […] “ (Lefebvre 2006: 336) ten-diert. Auch Spiele besitzen diese non-verbaleDimension des Raumes, die durch Interaktionmit Räumen und mit anderen Spielern ent-steht, denn sie wollen gespielt und nicht nur,wie es die Vertreter der Textualität zunächstpostulierten, gelesen oder erzählt werden(Fuchs 2010: 102; Günzel 2008b: 10–13). Alsdrittes beschreibt Lefebvre die räumliche Pra-xis einer Gesellschaft. Diese produziert denwahrgenommenen Raum „[…] langsam abersicher, indem sie ihn beherrscht und ihn sichaneignet […] “ (Lefebvre 2006: 336). Es ist der

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Raum, in dem sich Handlungen von (kollekti-ven) Akteuren als dauerhafte Objekte undWirklichkeiten einschreiben. So gesehen proji-ziert die räumliche Praxis alle Elemente,Aspekte und Momente der sozialen Praxis aufdas physisch-materielle Terrain (Schmid 2010:210f.). 10 „It may well be claimed that compu-ter games are a spatial practice par excellence,since they operate through non-verbal sets ofspatial signs and symbols and address bodiesoperating in space(s)“ (Fuchs 2010: 102). Die-ser wahrgenommene Raum ergibt sich imSpiel durch die Bewegung des Avatars imzwei- oder dreidimensionalen Raum mit seiner(simulierten) Materialität. Der theoretischeVorschlag Lefebvres ist zugespitzt auf ein zir-kuläres, also mehr oder weniger reziprokesVerhältnis der drei Ebenen, die aufeinanderwechselseitig einwirken: Keine Ebene ließesich ohne die gleichzeitige Inblicknahme derbeiden anderen ausreichend verstehen (Lefeb-vre 2006: 337–338). Es ist daher in der Tatfragwürdig, ob es in dieser Konzeption eineexplizite oder implizite Hierarchie der dreiKategorien, also ob es bspw. eine Art Gesam-traum gibt (Günzel 2008b: 10).

Wie fruchtbar diese Überlegungen im Hin-blick auf das Verständnis von Computerspie-len sein können, demonstriert besonders Ste-phan Günzel, der sich stark auf Henri Lefeb-vres Theorie des trialektischen Raumes be-zieht. Für ihn entspricht die primäre Ansicht(im Ego-Shooter z.B. die First-Person-Perspek-tive) dem wahrgenommenen Raum. Im Ge-gensatz zu vielen Perspektivwechseln im Filmbleibt in einem Computerspiel die Kontinuitätder primären perspektivischen Bildansicht zu-nächst ungebrochen, wenn man von Unterbre-chungen durch Zwischensequenzen absieht(Günzel 2008b, 2008c). „Wie im echten Leben

könnte hinzugefügt werden; zumindest so, wiees sich mit Lefebvre beschreiben lässt: DerWahrnehmende bleibt in diesem Modus aufseine Wahrnehmungseinstellung festgelegt“(Günzel 2008b: 10). Nach Günzel entsprichtder Kartenmodus, den viele Computerspieleaufweisen dem konzipierten Raum. Auf derKarte zeigt sich unabhängig vom Standpunktdie räumliche Gesamtsituation. Im Gegensatzzu Karten im Film, die nur als Karte selbstthematisiert werden können, sind Karten imComputerspiel interaktiv (Günzel 2008b: 9ff. ,2008c: 124–128). Häufig ist es möglich inner-halb der Karte selbst zu navigieren, wie z.B. inTom Clancy’s Ghost Recon (2001), Battlefield1942 (2002), Anno 1503 (2002) oder GrandTheft Auto IV (2008) (Günzel 2008c: 126ff.).Zwischen beiden Ansichten – der perspektivi-schen Primäransicht und dem Kartenmodus –konstituiert sich der Gesamtraum des Spiels,der gelebte Raum (Günzel 2008b: 10). DieserDrittraum, „[…] der durch die Reziprozitätder beiden Bildansichten in einem Ego-Shoo-ter hervorgebracht wird, befindet sich jedochweder außerhalb des Spiels, noch ist er selbstals eine dritte Bildansicht vorhanden: Viel-mehr ist er für den Spieler nur in der Interak-tion und durch das Aufeinander-Beziehen derbeiden Bildansichten existent“ (Günzel 2009:345).11 Wenn man den Überlegungen Lefeb-vres einige Plausibilität zugesteht, dann, soargumentiert Günzel, ermöglichen Computer-spiele die Konstitution eines Raumes, der sei-ner Struktur nach als wirklich bezeichnet wer-den kann, obschon er nur im Medium exis-tiert. Diese Wirklichkeit leitet sich nicht ausder technischen Darstellung der Computerräu-me ab, obgleich fotorealistische Simulationeninzwischen beinahe möglich sind. Das wirk-lich-Werden erfolgt im Zusammenhang der

10: Dieser Aspekt wird von Gerhard Hard nachdrücklich und scharf kritisiert, da es sich, seiner Meinung nach, um denklassischen landschafts- und kulturgeographischen Raumbegriff handele, in dem Projektion und Materialisierunginnerhalb einer physisch-geographischen Landschaft den entsprechenden Hintergrund bilden: Räume wären in diesemSinne in der Tat gewissermaßen passive Plattformen, auf denen sich menschliches/soziales Handeln ereigne und sieentsprechend verforme, selbstverständlich eingeschlossen entsprechender Rückkopplungseffekte (Hard 2009: 294–305).Es könnte vielleicht sogar argumentiert werden, dass sich in der Raumkonzeption Lefebvres durchaus zwei Ebenenfinden lassen: Auf der ersten Ebene dominieren zwei Pole, nämlich auf der einen Seite der physisch-materielle (Erd-)Raum und auf der anderen menschliche/soziale Räume, deren Einwirkung aufeinander zu klären ist (Lefebvre 2006:330) – was teils wohl auch aus der marxistischen Grundkonzeption resultiert (Marx 1972: 85–87). Auf einer zweitenEbene werden die Einwirkungen des Menschen auf den physisch-materiellen Raum schließlich in die Trias ausräumlicher Praxis, Raumrepräsentationen und Repräsentationsräume aufgespalten (Lefebvre 2006: 332–334).11 : Günzel weist (1 ) darauf hin, dass dieser Gesamtraum der Kategorie der Repräsentationsräume entspricht, waszumindest zweifelhaft ist, wenn sich die Trialektik tatsächlich buchstäblich als synthetischer, prinzipiell egalitärerProzess von räumlicher Praxis, Raumrepräsentationen und Repräsentationsräumen entpuppen sollte. Darüber hinausargumentiert er (2), dass der Begriff der Repräsentationsräume mindestens missverständlich ist, da sich der Gesamtraumim Ego-Shooter als „affektiver Raum“ (Aitken/Craine 2009), also in actu durch die Bewegungen des Spielendenkonstitutiert und weniger durch die Perzeption symbolischer Repräsentationen (Günzel 2008b: 9ff.), „[…] weil die Weltgerade nicht in Symbolen aufgeht, sondern Symbole nur wieder Teil der Welt sind […] “ (Günzel 2008b: 9).

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Trialektik, die Räumlichkeit auf gesellschaftli-che Kontexte rückbezieht (Günzel 2008b:8–12).

Der entscheidende Vorteil einer trialekti-schen, multi-dimensionalen Perspektive liegtin der Miteinbeziehung sozialer Prozesse undRepräsentationen. Wie zahlreiche Untersu-chungen auch in der Geographie zeigen konn-ten, sind Spiele immer bedeutsam – auch imAkt des Spielens (Lammes 2008; Brown 2008;Günzel 2008b). M.a.W.: Spiele sind auch undgerade Kommunikation. Ganz gleich wiebspw. eine Stadt in Anno 1503 oder The Wit-cher angelegt ist, sie re-präsentiert, sie stellteine Stadt vor, wie sie vielleicht im 16. Jahr-hundert ausgesehen haben könnte (Heinze2012: 185–250). Diese Repräsentationen sindkeineswegs neutral, objektiv oder un-sozial,sondern basieren ganz im Gegenteil auf Kon-zepten darüber, wie bspw. Häuser im 16.Jahrhundert ausgesehen haben könnten, wel-che Infrastruktur eine Stadt dieser Zeit wohlaufweisen müsste, z.B. Marktplatz oderSchmiede etc. , und schließen damit ganz be-stimmte Aspekte aus (Heinze 2012; Bender2012; Assmann 2007). Gleichzeitig könnte mitdieser trialektische Konzeption aber auch einSchritt gelingen, den die geographische Film-forschung schon seit einiger Zeit gemacht hatund der im Wesentlichen darin besteht, diezumeist voneinander getrennten Bereiche vonProduktionsprozess (des Spiels/Films), Pro-dukt (Spiel/Film) und Rezeptionsprozess (desSpiels/Films) wieder zusammenzuführen(Escher 2006: 308–312; Zimmermann 2009;Lukinbeal/Zimmermann 2006; Aitken/Dixon2006; Bollhöfer 2007).

Dieser Hinweis deutet bereits einen wesent-lichen Nachteil dieser trialektischen Konzepti-on an: Sie ist immer noch stark von einer Di-chotomie von Spiel und Nicht-Spiel gekenn-zeichnet, auch wenn nun Wege eröffnet wer-den, Spiele als Bestandteil sozialer Aushand-lungsprozesse zu begreifen und zirkuläre Ver-hältnisse zwischen einer spielerischen Realitätund einer realen Realität anzunehmen. Die Di-chotomie allerdings entsteht mindestens in derPraxis der Auseinandersetzung mit Computer-spielen und wird weitgehend aufrechterhalten(Günzel 2008b, 2008c, 2007; Beil 2012; Backe2008). Mit der Trennung von Spiel und Reali-tät stellt sich eben auch konsequenterweisedie Frage, welcher ontologische Status dennnun dem Spiel zukommt: Ist es real? Und washeißt das? Beat Suter sieht einen Hauptunter-

schied zwischen Game Spaces und realen Räu-men darin, dass der Game Space nur dannexistiert, wenn jemand ein Spiel lädt, alsowenn das Spiel gespielt wird. Die Spielweltkreiert sich erst in Echtzeit mit den Bewegun-gen des Spielers (Suter 2003: 2; Günzel2008b). Daher, so argumentiert Neitzel, trennt„[…] jedes Computerspiel […] den tatsächli-chen Raum, in dem sich ein Spieler befindetvom Raum des fiktionalen Spielgeschehens,das audiovisuell dargestellt wird“ (Neitzel2007: 8). Einen ähnlichen Gedanken greift Je-sper Juul auf, wenn er Computerspiele als„half-real“ (Juul 2005) bezeichnet. Für ihnsind die Herausforderungen und Ziele desSpiels Teil der Realität, wohingegen die Spiel-welt selbst fiktional ist (Juul 2005: 121ff.).

Lev Manovich differenziert in The Languageof New Media (2001) Medien der Repräsenta-tion und Medien der Simulation anhand derspezifischen Räumlichkeiten, die sie produzie-ren. Während repräsentative Medien wie Fil-me, Fotographie oder Malerei darauf abzielensogenannte „diskrete Räume“ zu konstruieren,die deutlich von dem Raum des Betrachtersgetrennt sind, tendieren simulative Medienwie Fresken oder Mosaike, aber auch Compu-terspiele dazu, einen „kontinuierlichen Raum“zu schaffen, der eine „Extension des Betrach-terraums“ bildet (Kücklich 2003: o. S.). Hierwird der Game Space zur Erweiterung desrealen Raumes, eine These, die durch die so-ziale Dimension von Raum unterstützt wird,da diese den Übergang zwischen realem undvirtuellem Raum aufweicht. So treffen sichMenschen bspw. zu LAN-Partys, kommunizie-ren außerhalb des Spiels in Foren oder organi-sieren sich in Clans und Gilden. Außerdemwerden Objekte in der Spielwelt teilweise mitrealem Geld bezahlt und Empfindungen wieHöhenangst setzen sich im Game Space fort,auch wenn die Konsequenzen von Handlungenhier andere sind: Stürzt der Avatar eine drei-ßig Meter hohe Klippe hinunter, bedeutet diesseinen fiktiven Tod. Im Game Space sind da-her Probehandlungen – im positiven wie imnegativen Sinne – möglich, die in die realeWelt zum Beispiel für Trainingszwecke trans-feriert werden können. Denn „[w]er spielt, derhandelt, und wer handelt, der produziert Be-deutung über das Materielle und Symbolischedes Mediums hinaus. An Medien zu handelnheißt einerseits, symbolische Probehandlun-gen zu vollziehen, und andererseits, Erfahrun-gen zu machen“ (Nohr 2007: 69).

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5 Von Räumen zu Realitäten, zum Spiel…

a) Von „Raum“ zu Kommunikation

Wenn Taylor schreibt, „[t] o imagine we cansegregate these things – game and non-game,[…] virtual and real – not only misunder-stands our relationship with technology, butour relationship with culture“ (Taylor 2006:153), dann darf schon eine gewisse Verwun-derung einsetzen: Wie gelangt eine Auseinan-dersetzung mit Raumbegriffen in Computer-spielen fast zwangsläufig in eine Richtung, inder sich Fragen der Bestimmung von Realitätund des Verhältnisses zwischen Gesellschaftund Technik abzeichnen?

Gerhard Hard hat nachdrücklich darauf auf-merksam gemacht, dass es offenbar eine engesemantische Verknüpfung von Raumbegriffenzu Materialität und Realität gibt (Hard 2009:294–308). Wenn es in den Game Studies umRäume geht, dann scheint damit in der Tat dieFrage nahezuliegen, wie Computerspiele zuRealität(en) in Bezug gebracht werden können(siehe 4. ; Günzel 2008b: 8–9). Allerdings fin-det sich hier im Gegensatz zu den Theoriege-bäuden, die Gerhard Hard in seinem Aufsatzanalysiert, weniger die Leitdifferenz einesphysisch-materiellen Erdraums vs. sozial-kon-struiertem Raum, sondern stattdessen die Dif-ferenz von Spiel vs. Nicht-Spiel. Möchte Ste-phan Günzel bspw. die Frage beantworten, obsich „[…] die Grenze zwischen dem Virtuellenund dem Wirklichen auflöst […] “ (ebd. : 9),dann tragen die trialektischen räumlichen Mo-dalitäten, die sich sowohl im Spiel als auch imWirklichen finden lassen, dazu bei, dass voneinem realistischen Computerspiel gesprochenwerden kann. Wird Realismus dabei nicht nurauf die technische Weiterentwicklung einerimmer feineren Grafik reduziert, beginnt auchdie Grenze zwischen Spiel und Nicht-Spiel zuverschwimmen.

Für die Containerraum-Konzeption vonFunken/Löw ist gar die Bestimmung eines on-tologisch abgegrenzten Spielplatzes, eben ei-nes Game Space (Gadamer 2010: 112ff.) not-wendige Voraussetzung der Argumentation.Denn nur unter der Bedingung, dass sich dasSpiel von einem Nicht-Spiel ganz grundsätz-lich abhebt, erhält der mathematisch konstitu-ierte Containerraum des Computerspiels seineFunktion als Vermittler zwischen beiden Po-len.

Auch die Game Places als Erlebnis- und Erfah-rungshorizonte, die Bogost/Klainbaum anfüh-ren, lassen sich nur auf Grundlage einer Un-terscheidung von Spiel und Nicht-Spiel identi-fizieren. Die abstrakte Qualität des GameSpace als algebraischem 2D- und/oder 3D-Raum wird allerdings durch die Game Placesgewissermaßen gebrochen, die als bedeutsameund erlebbare Orte auch einen Richtungsvek-tor bekommen haben, der letztlich aus demSpiel herausragt und auf die Beziehung zwi-schen Spiel und Spieler bzw. zwischen Spielund Gesellschaft verweist.

Dass die Frage nach der Beziehung zwi-schen Spiel und Nicht-Spiel durchaus nichttrivial ist, veranschaulichen neben diesertheoretischen Infrastruktur nicht nur Online-Plattformen, wie z.B. Blizzards Battlenet. Die-se sind für die Lizensierung eines Produkts wieStarcraft 2 (2010) unbedingt erforderlich, ver-einen darüber hinaus aber auch die Funktio-nen der Distribution von Informationen (z.B.über kommende Turniere), Möglichkeiten desSingle- oder Multiplayer-Gaming – für dasebenfalls von Blizzard entwickelte Diablo 3(2012) ist gar eine dauerhafte Verbindungzum Battlenet erforderlich –, und werfen da-durch die Frage auf, wann das Spiel beginntund wann es endet. Wenn sich Peter Bathge,Redakteur der Spielzeitschrift PC Games, ineiner Vorbesprechung eines Computerspielsüber ein „[…] Finanzierungsmodell aus derHölle“ (Bathge 2013: 34) beschwert, das „[…]Feldherren-Fähigkeiten gegen Knete […] “(ebd.) verspricht, dann wird überdeutlich,dass die Differenz zwischen Spiel auf dereinen und Nicht-Spiel auf der anderen Seiteweder bedeutungslos noch ontologisch fixier-bar ist, dass aber darüber vor allen Dingenkommuniziert wird.

b) Semantiken von Raum und Spielals Untersuchungsfeld?

„[…] Raum als Bestandteil der Kommunikation

[…] “ (Hard 2009: 296; Hervorhebung im Ori-ginal) kann und muss nach Maßgabe GerhardHards in den Blick genommen werden, umseine Semantiken und Funktionsweisen zuenthüllen, „[…] nicht mehr (nur) zu räumeln,sondern das eigene und das fremde Räumelnzu beobachten, zu analysieren und es viel-leicht sogar durch eine Rhetorik des Räu-melns, d.h. eine Rhetorik der Raumkommuni-kation, zu verbessern“ (Hard 2009: 308). Auf

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diese Weise wird erkennbar, dass die Diskussi-on um Raumbegriffe in den Game Studiesletztlich in eine Diskussion um die Bezügezwischen Räumen im Computerspiel und Räu-men des Computerspiels mündet, die letztlichauf der Leitdifferenz von Spiel und Nicht-Spiel, Game Space und Realität aufbaut.

Was kann nun eine solche Diagnose für dieGame Studies bedeuten? Zum einen lassensich Rhetorik und Brüche von Raum- bzw.Spielsemantiken in den Blick nehmen, die be-wusst darauf verzichten, der Differenz vonSpiel und Nicht-Spiel apriorische Gültigkeitzuzusprechen. Wie und warum wird bspw. aufdas Spiel Bezug genommen, wenn Peter Bath-ge sich über die marktwirtschaftlichen Prakti-ken des Publishers Electronic Arts beklagt (Ba-thge 2013: 34)?

Zum anderen werden mit diesem Schrittauch etwaige metaphysische Prämissen offen-bar (Heidegger 1977; Foucault 2008). Die Fra-ge nach den Bedingungen, unter denen Räum-lichkeit in Computerspielen überhaupt zumProblem, wie und warum sie auf bestimmteWeise beantwortet wird, ließe eine ganze Rei-he von neuralgischen Punkten aufscheinen,die im Vorfeld durch die Prämissen aus demBlickfeld verschwunden waren: So versperrtsich bspw. die Beziehung zwischen Computer-spiel und Spieler bisher scheinbar hartnäckigeiner adäquaten Theoretisierung, was u.a. inder Debatte um die Funktionen von Avatarenoder der Hybridität des Computerspiels zutagetritt (Beil 2012: 7–32). Dass dabei jedoch ins-besondere metaphysische Probleme auftau-chen, wie sie z.B. Bruno Latour mit Hinweisauf die Problematik der Subjekt-Objekt-Bezie-hung bzw. der Beziehung zwischen Menschund Maschine beschrieben und auch durch ei-gene Überlegungen zu umgehen versucht hat(Latour 2010, 2008, 2006), ist bisher kaumbeachtet worden (Schemer-Reinhard 2012:38–43; Brown 2008).

6 Nachweise

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| Anne Grünewald & Andreas Womelsdorf

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6.2 GameographieAnno 1503(Max Design/Sunflowers, 2002)Battlefield 1942(DICE Schweden/Electronic Arts, 2002)Battlefield 2(DICE/Electronic Arts, 2005)Command and Conquer: Generals(EA Pacific/Electronic Arts, 2003)Company of Heroes(Relic Entertainment/THQ, 2006)Counter-Strike: Source(Valve/ValveSierra, 2004)Diablo 3(Blizzard Entertainment/Activision Blizzard, 2012)Dragon Age: Origins(Bioware/Electronic Arts, 2009)FarCry 3(Ubisoft Montreal/Ubisoft, 2012)Grand Theft Auto IV (Rockstar North/Rockstar Games,2008)Half Life 2(Valve/ValveSierra, 2004)Minecraft(Mojang/Mojang, 2009)Plants vs. Zombies(PopCab Games/PopCab Games, 2009)Quake III Arena(id Software/Activision, 1999)SimCity(Maxis/Electronic Arts, 1997)Starcraft 2(Blizzard Entertainment/Activision Blizzard, 2010)The Elder Scrolls V Skyrim(Bethesda/Bethesda Softworks, 2011 )The Witcher – Enhanced Edition(CD Project/Atari, 2007/2010)Tom Clancy’s Ghost Recon(Red Storm Entertainment/Ubisoft, 2001)Warcraft III(Blizzard Entertainment/Activision Blizzard, 2002)

Welten Spielen Erzählen. Räume und Computerspiele – ein Überblick und eine Kritik |

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Die Rubrik Geowerkstatt und entgrenzt – nunsind fünf Ausgaben geschafft! Auch dieses Malpräsentieren wir euch eine vielfältige Mi-schung praktischen Geographie-Machens, dieu.a. an das Titelthema der vorliegenden Aus-gabe anknüpft. Denn: Karten sind nicht nurGegenstand wissenschaftlicher Auseinander-setzungen, wie es die Beiträge in der RubrikGeographisches vielleicht gezeigt haben. Kar-ten werden auch im Alltäglichen produziert,rezipiert und insbesondere manipuliert. Getreudem Motto „Traue keiner Karte, die du nichtselbst gemacht hast“ zeigen uns die AutorIn-nen vom kollektiv orangotango mit dem Ver-weis auf ihr neues Handbuch, wie kollektiveskritisches Kartieren funktioniert. Wie mandarüber hinaus noch einen Workshop zumThema „Propaganda Maps“ organisiert, erklä-ren Euch Clarissa Graf und Tobias Michl imAnschluss.

Ein Beitrag von Seiten der Lehrenden darfauch in dieser Ausgabe nicht fehlen. Jacqueli-

ne Passon und Klaus Braun, beide PhysischeGeographen an der Universität Freiburg, be-richten Euch von ihrem Lehr- und Lernprojektzum Thema „Lernen durch Dialog“ bzw. zurFrage, wie man als Studierender abseits vonHörsälen durch eigenes Forschen lernen kann.Besonders spannend an diesem Projekt, so fin-den wir, ist der Bezug zu Libyen. Wie es sichjedoch in den USA – genauer gesagt in Man-kato, Minnesota – studieren lässt und welchespannenden Einblicke dabei die Motor CityDetroit offeriert, erzählt uns Cosima Werner.Zum Abschluss stellt uns die Ethnologin Chris-tiane Dobler-Lembert das Projekt eines inter-kulturellen Stadtplans mit dem Titel „In Augs-burg ist die Welt zuhause!“ vor.

Wir hoffen, Ihr habt ebenso viel Vergnügenam Lesen der Beiträge!

Franziska Bader & Jan Winkler

GeoWerkstattSilke Greth, Severin Halder, Matze Jung & Fabian Singelnstein für das kollektiv orangotango:Traue keiner Karte, die du nicht selbst gemacht hast –Von kollektivem kritischen Kartieren

Clarissa Graf & Tobias Michl: Propaganda Maps – ein geographischer Workshop

Jacqueline Passon & Klaus Braun: „Lernen durch Dialog“Denkanstöße zum Forschenden Lernen im Fach Geographie

Cosima Werner: Auslandssemester in den USAan der Minnesota State University Mankato

Christiane Lembert-Dobler: „In Augsburg ist die Welt zu Hause!“ –Projekt eines interkulturellen Stadtplans

GeoWerkstatt |

Die Rubrik GeoWerkstatt ist der Werkzeugkasten, aus dem man sich bedienenund inspirieren lassen kann. In diesem Teil werden Ereignis- und Erlebnisberichteüber besonders informative oder unkonventionelle Exkursionen, Sommerakademi-en, Workshops, Arbeitsgemeinschaften, Lehrveranstaltungen und studentische Pro-jekte veröffentlicht. Artikel zu diesen Themen bis maximal zwei Seiten nehmen wirgerne jederzeit von Einzelpersonen oder Autorenkollektiven entgegen und publizie-ren sie nach redaktioneller Prüfung in der nächsten Ausgabe von entgrenzt.

Editorial

S. 29

S. 35

S. 39

S. 44

S. 47

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Traue keiner Karte, die du nicht selbstgemacht hast – Von kollektivemkritischen Kartieren

Silke Greth, Severin Halder, Matze Jung& Fabian Singelnstein für das kollektiv orangotango

Das kollektiv orangotango entstand im freund-schaftlichen Umfeld kritischer GeographInnen,die sich am Ende ihres Studiums mit der Fragekonfrontiert sahen: Wie können wir basierendauf unseren vielfältigen Interessen und Netz-werken weiterhin gemeinsam kritische Bil-dungsarbeit und kreative Protestformen mit-einander verknüpfen?

In diesem Kontext entstand die Idee einerTagung mit dem Titel „Solidarische Räumeund kooperative Perspektiven – Theorie undPraxis in Lateinamerika und vor der Haustür“.Die Ausrichtung der Tagung im November2009 in Tübingen (Jung 2011) hatte vor allemzwei Absichten: einerseits sollten Bezüge zwi-schen kreativem politischem Aktivismus undder akademischen Welt hergestellt werden,andererseits sollten auch Verbindungen zwi-schen befreundeten AktivistInnen und Wissen-schaftlerInnen in Lateinamerika und Europa

gepflegt und geknüpft werden. Der Rahmenund die Inhalte der Tagung sowie ein daraufaufbauender Sammelband (kollektiv orangotan-go 2010, siehe Abb. 1 ) mit insgesamt über 50Beiträgen von AktivistInnen und Wissen-schaftlerInnen, orientierten sich an unseremselbst gesteckten Ziel: „Das kollektiv orango-

tango versteht sich als offene, bunte und freiePlattform für AktivistInnen, Wissenschaftle-rInnen und KünstlerInnen. Wir streben einenkreativen Austausch von Widerstands- undAusdrucksformen an. Wir erklären uns solida-risch mit allen Formen der Organisation vonunten, die Grenzen abbauen und Auswege ausden ausbeuterischen und unterdrückendenMechanismen des Kapitalismus und Neolibe-ralismus suchen“ (zitiert aus dem Selbstver-ständnis des kollektiv orangotango,http://orangotango.info/test-page/).

Inzwischen hat sich für uns im Bereich derKritischen Kartographie ein vielversprechen-der Anknüpfungspunkt für gesellschaftlicheVeränderungen und kritische Reflexion eröff-net. Neben einer kritisch-theoretischen Be-trachtung auf das Machen und die Macht vonKarten, hat vor allem die kritisch-praktischeAuseinandersetzung mit dem partizipativenProzess des Karten-Machens unsere Aufmerk-

| GeoWerkstatt

Abb. 1: Cover des Sammelbandes „Solidarische Räume & kooperati-ve Perspektiven – Praxis und Theorie in Lateinamerika und Europa“

Abb. 2: Cover des Handbuches „Kollektives Kritisches Kartieren“

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samkeit auf sich gezogen. Inspiriert wurdenwir dabei insbesondere durch die Arbeiten derIconoclasistas aus Buenos Aires und der NovaCartografia Social aus Amazonien und derenVerständnis Kartierungen als Werkzeug fürkollektive Reflexion und soziale Transformati-on zu begreifen. Ab 2011 realisierten wir ersteWorkshops kollektiver Kartierungen u.a. mitGemeinschaftsgärten in Berlin und veröffent-lichten, basierend auf dem Handbuch „MapeoColectivo“ der Iconoclasistas, das Handbuch„Kollektives Kritisches Kartieren“ (freier Down-load des Handbuchs unter www.orangotango.info,siehe Abb. 2).1 Der nachfolgende Text skiz-ziert an Hand ausgewählter und überarbeite-ter Ausschnitte des Handbuchs2 einige Grund-gedanken zu Karten und kollektivem kriti-schen Kartieren.

Wozu können Karten dienen?

„Macht wird auf die Kartographie ausgeübt.[…] Doch Macht wird auch mit der Kartogra-phie ausgeübt“ (Harley [1989] 2004: 16).

Seit ihrer Entstehung sind Karten mitMachtverhältnissen verknüpft und dientenlange Zeit vor allem den Herrschenden alswertvolles und exklusives Werkzeug zur Kon-trolle und Ausweitung ihrer Einflusssphären.So wurden beispielsweise mittels der Karto-graphie in Europa überseeische Territorialan-sprüche geltend gemacht und gewaltvolle Er-oberungszüge legitimiert. Inzwischen sindKarten in vielfältiger Form und teilweise kos-tenlos im Internet großen Teilen der Bevölke-rung zugänglich. Ob als Wandkarten mit Län-dergrenzen in der Schule, ob als öffentlicheStadtpläne zur Orientierung oder auch alsApp, um Bushaltestellen, Schwimmbäder oderRestaurants zu finden. In jedem Fall bleibensie nur ein Abbild einer einzigen und ganz be-stimmten Sichtweise auf einen Raum. Dochdie Komplexität eines Raumes lässt sich nichtdurch eine einzige Perspektive erfassen, dennRäume sind keine eindimensionalen, naturge-gebenen und starren Gebilde, sondern werdenim alltäglichen Zusammenleben konstruiert,sind dynamisch und mehrdimensional. Dem-nach sind Karten kein Abbild „der“ Wirklich-keit, sondern eine subjektive Realität.

Die soziale Konstruktion von Realität undderen Abbild ist keine zufällige, sondern un-terliegt den diskursiven Normen und Regelneiner Gesellschaft. Hegemoniale oder domi-nante Diskurse sind interessen- und machtge-steuert und produzieren sowohl gesellschaftli-che als auch räumliche Hierarchien. Kartensind oftmals deren Abbild. Besonders deutlichwird dies, wenn wir uns europäische Kartenaus der Kolonialzeit ansehen, die stark mitdem Streben Europas nach territorialer Ex-pansion und dem Abstecken eigener Gebieteauf der „ganzen Welt“ verbunden sind. DieKarte aus „Das neue Volksbuch der Kolonien“zeigt beispielsweise die politische AufteilungAfrikas im Jahre 1914 und die „endgültige Er-werbung“ afrikanischer Gebiete durch die eu-ropäischen Kolonialmächte. Was sie nichtzeigt, ist die gewaltvolle Realität, die mit denGrenzziehungen einherging. Die Karte ver-schweigt damit nicht nur Genozide, Sklavereiund die Zerstörung bestehender Wirtschafts-systeme, sondern auch die zahlreichen Wider-stände der lokalen Bevölkerungen gegen diekoloniale Vorherrschaft.

Kritische Karten entspringen einer Kritik an„herkömmlichen“ Karten und repräsentierengesellschaftskritische Perspektiven. Dabeikönnen sie sowohl visuelles Medium für poli-tische Aussagen sein, als auch ein Werkzeugfür politische und soziale Praxis. In jedem Fallsind sie aber ein Kommunikationsmittel undkartographische Erzählungen über gesell-schaftliche Verhältnisse. So können mit Hilfevon Karten soziale Ungleichheiten benanntund analysiert werden, um benachteiligte odermarginalisierte Perspektiven zu unterstützen.Die geopolitische Karte von indymedia estre-

cho, hackitectura. net, casa de iniciativas 1 . 5 und

indymedia canarias zur Situation nördlich undsüdlich der Meerenge von Gibraltar visuali-siert und verknüpft beispielsweise Themenwie Militarisierung, Migration, Kapitalströme,Kommunikation und soziale Bewegungen. DerKartierungsprozess fand im Rahmen eines derÖffentlichkeit zugänglichen Wikis statt. Nebeneiner inhaltlichen Kritik am Kapitalismus unddem Imperium Europa wird durch die(geo)graphische „Umkehrung“ des Nord-Süd-Verhältnisses machtkritisch auf die Geschichte

1 : Der Einleitungstext wurde leicht abgeändert unter dem Titel „Die Kunst des kriti-schen Kartierens“ in der Dezemberausgabe 2012 der blz (Berliner Mitgliederzeitschriftder Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft – GEW) abgedruckt.2: Das Handbuch und somit auch der hieraus abgedruckte Text, stehen unter der Crea-tive Commons-Lizenz.

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der Kartographie und die hegemoniale Per-spektive auf die Welt geantwortet. Gleichzeitigstellt die Karte den dominanten DiskursenRäume des Widerstands und der Organisationgegenüber und leistet damit auch einen Bei-trag zur Vernetzung und Organisation sozialerBewegungen.

Die Aktionskarte „Castor 2011 – Atomstaatstilllegen!“ wiederum erfüllt einen sehr an-wendungsorientierten praktischen Zweck, in-dem sie einen Orientierungsrahmen für die di-rekte Selbstorganisation zur Blockade des Cas-tortransports bietet (siehe Abb. 3).

Was ist kollektives kritisches Kartieren?

Seit den 1970er Jahren lassen sich besondersin Lateinamerika vielfältige Ansätze kollekti-ver kritischer Kartographien beobachten. Vorallem im Kontext neuer sozialer Bewegungenwird gemeinsam an und mit „kritischen Kar-ten“ gearbeitet. Derzeit wird „kollektives kriti-sches Kartieren“ beispielsweise vom argentini-schen KunstaktivistInnen-Kollektiv Iconoclasi-stas unter dem Namen „mapeo colectivo“

praktiziert (siehe Abb. 4). In Brasilien erlebtdie „cartografia social“ ausgehend von derAmazonasregion große Aufmerksamkeit, in-dem sie lokale Gruppen dazu bemächtigt ihreLebensräume eigenständig kartographisch zuerfassen. Die „cartografia social“ versteht sichexplizit als Werkzeug zur Stärkung lokaler so-zialer Bewegungen. Dabei ist deren spezifischeBeziehung zum Raum zentral, da sie das Fun-dament kollektiver Identität bildet (siehehttp://www.novacartografiasocial.com/).

Kollektive kritische Kartierungsprozessekönnen aber auch für die hiesige politisch-kulturelle Arbeit einen wichtigen Beitrag leis-ten, um gesellschaftliche Disparitäten zu ana-lysieren, kollektives Wissen zu produzierenund widerständige Akteure zu unterstützen.U.a. realisierte das kollektiv orangotango vonNovember 2011 bis Februar 2013 eine kollek-tive kritische Kartierung mit dem Allmende-Kontor Gemeinschaftsgarten auf dem Tempel-hofer Feld in Berlin. Ausgangspunkt dessenwar ein Treffen zur partizipativen Auswertungdes Gartenjahres 2011 mit über 50 Allmende-Kontor-GemeinschaftsgärtnerInnen. In der als

Abb. 3: Aktionskarte „Atomstaat stil l legen!“ (Quelle: www.castor2011.org, 2011)

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„Weltcafé“ konzipierten Veranstaltung, warorangotango mit einem Kartierungstisch inte-graler Bestandteil. Die zeichnerisch undschriftlich festgehaltenen Ergebnisse des ge-samten „Weltcafés“ wurden danach sukzessivein eine Karte verwandelt, wobei durch dasständige Rückspiegeln des Entstehungsprozes-ses das Ergebnis durch die Akteure mehrmalsverändert wurde. Abschließend wurde die ent-standene Karte (siehe Abb. 5) zum einen groß-formatig im Garten aufgehängt und zum ande-ren in einem handlicheren Format an dieGärtnerInnen verteilt.

Eine weitere kollektive kritische Kartierungverwirklichten wir im Rahmen des Festivalbil-

dungsprogramms „Oase“ im Juli 2012 auf derFusion in Lärz (siehe Abb. 6). Aufbauend aufeinem Workshop zu kritischen Kartographienbegannen wir, gemeinsam mit den Teilneh-menden eine selbsterklärende Dauerkartierungvor Ort zu entwerfen und umzusetzen. DerFokus lag dabei auf der Erfassung solidari-scher und emanzipatorischer Gruppen, Struk-turen und Prozesse, denen die Festivalteilneh-merInnen angehören.

Das Handbuch „Kollektives Kritisches Kar-tieren“ soll nicht nur als reines Analysewerk-zeug verstanden werden, sondern dient vor al-lem auch als Hilfsmittel, um in politische Pra-xis einzutauchen und bestehende Realitäten zuverändern. Denn durch das Kartieren eigeneralltäglicher Erfahrungen und Kenntnisse kön-nen hegemoniale oder dominante Sichtweisenauf Raum infrage gestellt, kritische Sichtwei-sen kommuniziert und transformative Prakti-ken für ein selbstbestimmtes, widerständigesund subkulturelles Leben aufgebaut werden.Dabei lernen wir gesellschaftliche Dynamikenund ihre Widersprüche leichter zu verstehen,denn gerade der Austausch über subjektiveSichtweisen und das Empfinden von Räumeneröffnet uns einen erweiterten Blick auf einenscheinbar für Alle gleichen Raum, der dies je-doch niemals sein kann. Räume, und damitauch die gelebten Realitäten, produzieren undreproduzieren sich in Wechselwirkung mit dergeschichtlichen Entwicklung, aber auch mitden Erfahrungen einer jeden einzelnen Person.Kollektive kritische Kartierungen beschäftigensich daher bewusst mit unseren alltäglichenLebens- und Aktionsräumen. Sie können in ei-nem gemeinschaftlichen Sensibilisierungspro-zess eine tiefer gehende Reflexion und einenErfahrungs- und Meinungsaustausch für sozial-räumliche Zusammenhänge des Lebensumfelds

Abb. 4: Mapeo Colectivo, „Für kein Gold der Welt! Mega-Bergbau inden Anden“ (Quelle: www.iconoclasistas.com.ar, 2009)

Abb. 5: Ausschnitt aus der Karte des Allmende-Kontor-Gemeinschaftsgarten (Quelle: Halder et al. 2012)

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anregen (siehe Abb. 7). Ein gemeinsamer kar-tographischer Gestaltungs- und Lernprozesskann außerdem dabei helfen sich zu organisie-ren oder emanzipatorische Strategien zu ent-wickeln.

Letztlich sind kollektive kritische Kartierun-gen ein nützliches und schönes Werkzeug, dasuns hilft, ein kollektives Verständnis übereinen bestimmten Raum zu erlangen. Diese In-formationen bekommen wir in einem Prozesshorizontalen Austauschs, der darauf ausge-richtet ist, Wissen auszuarbeiten und mit ei-nem gemeinsamen Hilfsmittel festzuhalten:der Karte. Sie soll ein partizipatives Mittelsein, das eine Wissensplattform für verschie-dene Realitäten auf der Basis unserer alltägli-chen Wahrnehmungen schafft. Und dabei sindalle ExpertInnen.

Besonders gut funktioniert kollektives kriti-sches Kartieren, wenn es in einen bereits be-stehenden Gruppenprozess eingebunden wer-den kann. Der Aufwand für die Planung,Durchführung und vor allem Nachbereitungder Kartierung kann stark variieren. Geradeweil beim kollektiven Karten-Machen der ge-meinschaftliche Reflexionsprozess von zentra-ler Bedeutung ist, sollte die Karte als unmittel-bares Ergebnis nicht überschätzt werden.

Wer kann kartieren und wie kann ein Workshoporganisiert werden?

Jede/r kann eigene Karten erstellen, denn un-sere tagtäglichen Erfahrungen machen uns zuExpertInnen unserer Umwelt. Das Karten-Ma-chen kann dabei ganz unterschiedliche Berei-che erfassen: Euer Viertel, Euer Dorf, Euer so-ziales Netz, Eure Ängste und Visionen, das,was Ihr Euch wünscht oder das, was Euchfehlt für ein gutes Leben. Die Möglichkeitensind nahezu grenzenlos.

Das Handbuch „Kollektives kritisches Kar-tieren“ zeigt eine Reihe von möglichen Schrit-ten auf, die helfen können, einen Kartierungs-prozess in Gang zu bringen und diesen zustrukturieren. Eine Kartierung kann an einemTag, eine Woche oder mehrere Monate langstattfinden. Der Rahmen hängt generell davonab, was kartiert werden soll, mit wem und wieviel Zeit dafür zur Verfügung steht. Handelt essich um eine inhaltlich klar strukturierte, kon-krete und überschaubare Fragestellung einerschon länger bestehenden Gruppe, so kann eineintägiger Workshop ausreichen. Andernfallssollten eher größere Zeitfenster eingeplantwerden, die sich auch gerne mal bis zu einemJahr hinziehen können. Dies kann z.B. der Fallsein, wenn es darum geht, einen laufendenProzess kartographisch zu begleiten, um fest-zuhalten was sich in einem konkreten Raumverändert oder auch wie sich die Wahrneh-mung der Teilnehmenden über diesen Raum

Abb. 6: Dauerkartierung „Fusion zuhause! Wo seid ihr wie aktiv?“(Quelle: Baumgarten 2012)

Abb. 7: Kollektive kritische Kartierung zum Thema „ÖffentlicherRaum: Wer nutzt ihn und wie?“ am Hauptbahnhof in Graz im Rah-men einer Workshopreihe der Iconoclasistas in Kooperation mitESC und orangotango (Quelle: Halder 2012)

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verändert.Bei der Fülle an Möglichkeiten und Arbeits-

feldern kollektiver kritischer Kartographienkann das Handbuch lediglich ein Orientie-rungsrahmen sein. Die konkreten Arbeits-schritte sollten unbedingt kontextspezifischden jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden– je nachdem ob es um Veränderungen in ei-nem Stadtviertel, um zu befreiende Gen-techfelder oder um die Vernetzung solidaröko-nomischer Strukturen in der Region geht . . .

LiteraturHalder, S. ; Jung, M.; Singelnstein, F. – kollektiv orango-tango (2012): Participatory Map of the Allmende-KontorCommunity Garden. IN: Jensen, Darin; Roy, Molly[Hrsg.] : Food: An Atlas. Guerrilla Cartography. Oakland.S. 159.Harley, B. ([1989] 2004): Das Dekonstruieren der Karte.IN: AnArchitektur 11(5), S. 4–19.Jung, M. – kollektiv orangotango (2011 ): Tagungsberichtund Kollektivvorstellung: „Solidarische Räume und ko-operative Perspektiven. Theorie und Praxis in Lateiname-rika und vor der Haustür“. IN: entgrenzt 1 , S. 41–42.kollektiv orangotango [Hrsg.] (2010): Solidarische Räume& Kooperative Perspektiven – Praxis und Theorie in La-teinamerika und Europa. Ag Spak, Neu-Ulm.Möhle, H. [Hrsg.] (2011 ): Branntwein, Bibeln und Bana-nen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika – Eine Spuren-suche. Assoziation A, Berlin/Hamburg.

Abb. 8: „Glaube keiner Karte, die du nicht selbst gemacht hast“ - Beitrag von Matze Jung/orangotango zur Ausstellung "demo graz ya!"im Rahmen einer Workshopreihe mit den Iconoclasistas in Graz (Quelle: Halder 2012)

Das kollektiv orangotango ist offen für Zu-sammenarbeit und stellt seine Kräfte in denDienst verwandter Gedanken. Wer Interesse anunseren Veröffentlichungen, Karten, Icons und

Aktivitäten oder Lust auf Kooperation hat,kann uns auf www.orangotango.info besuchenoder uns über [email protected] an-schreiben.

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Propaganda Maps –ein geographischer Workshop

Clarissa Graf (Universität Wien) &Tobias Michl (Universität Augsburg)

Im September 2012 fand in Leuven (Belgien) der

24. Annual Congress der European Geography

Association for students and young geographers

(EGEA) statt. Im Zeichen des 500. Geburtstages

von Gerhard Mercator, der in Leuven studierte,

lehrte und arbeitete, war das Thema des Kongres-

ses “Maps – meanings and purposes”. Die Auto-

ren leiteten dabei einen Workshop zum Thema

“Propaganda maps – political use and abuse“.

Dieser Artikel befasst sich sowohl mit den Inhal-

ten, als auch den Methoden und Ergebnissen des

Workshops.

1 Vorbereitung des Workshops

Etwa ein halbes Jahr vor dem Kongress wur-den wir, Geographiestudierende aus Wien undAugsburg, von einem Verantwortlichen derEGEA gebeten, einen zum Hauptthema pas-

senden Workshop zu entwerfen. Entsprechendden Themengebieten, mit denen wir uns imRahmen unseres Studiums beschäftigt hatten,fiel die Wahl auf die Schnittstelle zwischenGeopolitik/Politischer Geographie und Karto-graphie.

Die Abstimmungen mit dem wissenschaftli-chen Koordinator des Kongresses beschränktensich, dank einer großen Freiheit bei der Um-setzung des Themas, auf wenige organisatori-sche Emails. Die Koordination der Work-shopleiter hingegen stellte sich aufgrund derräumlichen Distanz zwischen Wien und Augs-burg als schwieriger heraus. Mittels verschie-dener moderner Methoden elektronischerKommunikation konnten die Herausforderun-gen jedoch gemeistert und die Distanz mehroder weniger überbrückt werden. Der Aus-tausch von Daten und Dokumenten verliefüber die Dienste dropbox und Google Drive,die Treffen fanden im Videochat der PlattformSkype statt.

So konnte rasch ein Grobkonzept des Work-shops entwickelt werden, dass bei der weite-ren Planung und vor allem auch bei der Um-setzung den roten Faden bildete. Diese Grund-überlegungen waren deshalb wichtig, umwährend der Ausarbeitung der Details und der

Abb. 1: Ergebnis Workshop „Global warming is good for Europe“ (Quelle: Graf 2012)

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Zeitplanung eine Basisstrategie zu haben, inderen Kontext sich die Inhalte und Methodeneinpassten.

Das Ziel des Workshops war nicht schwerzu definieren: Die Teilnehmer sollen sich po-tenzieller Manipulationsmöglichkeiten in derKartographie bewusst werden, sowohl als Kar-tenproduzent wie auch als Kartenkonsument,um eigene wie fremde Karten zukünftig kriti-scher zu betrachten.

Dies alles in einem Zeitrahmen von ledig-lich neun Stunden erschöpfend zu behandeln,ist natürlich nur schwer möglich, so dass einegewisse Prioritätensetzung erforderlich war.Insofern war der rote Faden ein einfachesKommunikationsmodell mit Sender, Nachrichtund Empfänger, anhand dessen die Inhaltevermittelt werden sollten. Während des Work-shops sollten die Teilnehmer beide Perspekti-ven, also die des Kartenmachers wie des Kar-tenlesers einnehmen, um die gesamte Wir-kungsweise der Kartenmanipulation zu verste-hen.

2 Die Rezipientenperspektive

Bereits im Vorfeld bekamen alle Teilnehmerdie Hausaufgabe, Beispiele für Propaganda-karten zu suchen und an die Workshopleiterzu schicken. Dies konnten sowohl „typische“Propagandakarten, z.B. aus der Zeit des Natio-nalsozialismus sein, wie auch Karten, die einebestimmte Nachricht vermitteln oder gewisseSachverhalte herausstellen oder überbetonenwollen. An dieser Stelle kommen wir bereitszum ersten Problem des Workshops, denn:Was ist überhaupt eine Propagandakarte?

Jede Karte ist lediglich ein vereinfachtesAbbild der Realität und aus dem Blickwinkeldes jeweiligen Kartographen erstellt. In unse-rem Workshop definierten wir Propaganda-karten als solche, bei denen es nahe lag, dassder Kartograph den Leser bewusst täuschenoder beeinflussen will. Dies konnte auch beiden meisten mitgebrachten Karten der Teil-nehmer festgestellt werden. Da alle Teilneh-mer sowohl den Hintergrund unterschiedlichergeographischer Teildisziplinen als auch unter-schiedlicher Herkunftsländer hatten, warenauch die präsentierten und gemeinsam disku-

Abb. 2: Ergebnis Workshop „Global warming is a catastrophe: sea level rising“ (Quelle: Graf 2012)

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tierten Karten sehr verschieden. Historischewie aktuelle politische Karten, touristischeKarten, mindmaps (the world as seen by …)1

und sogar die Karte des Disneyland-Fahrge-schäfts “It’s a small world”2 waren dabei Ge-genstände der Diskussionen. Besonders inte-ressant und kontrovers waren die Karten einerTeilnehmerin aus Israel, die verschiedeneAspekte und Perspektiven des Nahostkonfliktsthematisierten.

Um die Teilnehmer während der zwar anre-genden, aber dennoch aufgrund der Dauer er-müdenden Debatten zu motivieren, wurdenach höchstens 90 Minuten eine Pause mit“Energizer”-Spielen (sowohl drinnen als auchdraußen im Regen) eingelegt. Diese sind eben-so für die Entwicklung der Gruppendynamiksehr wichtig – wenn die Teilnehmer sich bes-ser kennenlernen, fallen auch die fachlichenGespräche leichter. Neben einer lockeren Dis-kussionsatmosphäre sind aber auch klare Re-geln, wie z.B. “Nur eine Person spricht” oder“Keine persönlichen, sondern nur sachlicheKommentare/Kritik” nötig, die bereits zu An-fang klargestellt und mithilfe eines sog. Mode-rationsballs (hier: AngryBird-Stofftier) umge-setzt wurden.

3 Der Theorieinput

Nach dieser ersten Phase aus der Perspektiveeines Kartenrezipienten folgte ein ca. 45-mi-nütiger Theorieblock durch die Leiter, der dietechnischen Grundlagen der Kartenmanipula-tion einerseits und die Beweggründe für dieManipulation politischer Karten andererseitsdarlegte.

Es gibt fast unendlich viele Möglichkeiten,Karten gezielt zu verändern. Einen schönenÜberblick gibt das Buch “How to lie withmaps” von Mark Monmonier (1996). Nachihm (ebd. : 5) lassen sich Manipulationen indrei Kategorien einteilen: Maßstab, Karten-projektion und Symbologie. Ein oft zitiertesBeispiel für die Auswahl von Kartenprojektio-nen ist wohl die bevorzugte Verwendung derMercator-Projektion durch die USA währenddes Kalten Krieges. Da hier die Polregionenbesonders groß dargestellt werden, erschiendie Bedrohung durch die unverhältnismäßiggrößere UdSSR noch massiver (ebd. : 96). Hin-sichtlich der Symbologie sind die Verwendungvon Daten und das graphische Design oft engmiteinander verwoben. Die einfachste Form istdas simple Weglassen oder das nicht korrekte

Abb. 3: Ergebnis Workshop „Europe is the center of knowledge“ (Quelle: Graf 2012)

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1 : Schöne Beispiele hat hier Yanko Tsvekov veröffentlicht: http://alphadesigner.com/mapping-stereotypes/2: Erläutert unter: http://bigthink.com/strange-maps/578-its-a-small-and-cartographically-incorrect-world-after-all

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Klassifizieren von essenziellen Daten zur Ver-änderung der Aussage. Aber auch durch dieVerwendung bestimmter Signalfarben, Farb-verläufe sowie Symbolgrößen verschiebt sichder Fokus des Lesers.

Geopolitische Konzepte bieten oft die Grün-de für die Manipulation von Karten. Die Geo-politik selbst ist einer der ältesten Teilbereicheder Geographie und wird meist auf denschwedischen Politikwissenschaftler RudolfKjellén (1864-1922) und den deutschen Geo-graphen Friedrich Ratzel (1844-1904) zurück-geführt (Reuber 2009: 445; Sharp 2009: 358).Aber was ist eigentlich Geopolitik? “This phe-nomenon is neither harmless nor innocent. Itis highly politically relevant. Wars are led inthe name of geopolitics. People are driven outand murdered to serve geopolitics. It is a clearproof for how discursive constructions turn in-to social practice, how representations andimaginations grounded in discourse turn intopowerful instruments of political actions (Reu-ber 2009: 441).” Die geopolitischen Ansätzesind vielfältig, wobei jedoch immer der Natio-nalstaat bzw. eine bestimmte Ideologie alsAusgangsperspektive für räumlich-politischeWeltordnungen und Konflikte dient. Dies lässtsich von frühen Ideen, wie Halford Mackin-ders Heartland-Theorie (1904) oder der Blutund Boden Ideologie des Nationalsozialismus

über die Dominotheorie Eisenhowers aus demJahr 1954 (Reuber 2009: 447) bis zu Hunting-tons Clash of Civilizations (1996) nachvollzie-hen.

Um die kartographischen Aspekte geopoli-tischer Konzepte zu erörtern, wurde auf “ThePentagon’s New Map: War and Peace in theTwenty-first Century” von Thomas P.M. Bar-nett (2005) zurückgegriffen. Die critical geo-politics lieferten dabei das nötige methodischeHandwerkszeug. Ziel dabei war es, die in sichoft schlüssigen Argumentationen der Kartenund ihrer Begleittexte auf deren Rahmenbe-dingungen und Prämissen, unter gleichzeitigerEinbeziehung des (politischen) Hintergrundsdes Verfassers, hin zu untersuchen. Damitkönnen Weltbilder dekonstruiert werden, wo-bei insbesondere die Dekonstruktion der kar-tographischen Darstellungen einen essenziel-len Aspekt darstellte. Am genannten Beispielwurde zuerst festgestellt, dass der Autor so-wohl im amerikanischen Verteidigungsminis-terium als auch im U.S. Naval War College be-schäftigt war, als er seine Theorie entwickelte.Dabei zeigt die Karte eine simple Zweiteilungder Welt in den “functioning core” und den“non-integrated gap”, die durch eine dicke Li-nie mit nicht immer nachvollziehbarem Ver-lauf getrennt werden. Neben dieser Grenzesind lediglich die Militäroperationen der USA

Abb. 4: Ergebnis Workshop „Our home is sinking“ (Quelle: Graf 2012)

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1990–2003 eingetragen, welche die Argumen-tation unterstreichen sollen, dass von diesemunsicheren und politisch instabilen Raum eineGefahr für den Rest der Welt ausgeht. Sowohldie Karte als auch die verbalen AusführungBarnetts zeigen zwei der zentralen Elementegeopolitischer Konzepte: Vereinfachen undWeglassen.

4 Die Kartographenperspektive

Anschließend war es an der Zeit, die Perspek-tive des Manipulierenden einzunehmen undselbst Karten zu erstellen. Vorgegeben warenlediglich die Themen der vier Arbeitsgruppen(à 3–4 Personen), von denen jeweils zweiGruppen das gleiche Thema aus gegensätzli-chen Blickwinkeln betrachten und kartogra-phisch argumentieren sollten: “global war-ming is good for you” vs. “global warming is acatastrophe” und “Europe is the winner of glo-balization” vs. “globalization will destroy Eu-rope”. Die Themen wurden absichtlich sehrbreit und plakativ gewählt, um den Teilneh-mern die Argumentation zu erleichtern. Dereinzige weitere Hinweis war: “be creative!”,denn es sollten sowohl zuvor vorgestellte An-sätze zum Einsatz kommen als auch eigeneKonzepte entwickelt werden. Zur Erstellungder Karten in Größe eines Flipchart-Papiersstanden verschiedenste Materialien wie Bunt-papier, Stifte, Klebeband etc. zur Verfügung.Zusätzlich konnten Laptops mit Internetzu-gang für die Datenrecherche genutzt werden.Während der Produktionsphase wurden dieeinzelnen Gruppen von den Workshopleiternimmer wieder auf den aktuellen Stand ange-sprochen und bekamen Tipps und Hinweise,die aber an den grundlegenden Ideen nichtsändern sollten. Die Umsetzungen unterschie-den sich teilweise stark voneinander. So arbei-teten zwei Gruppen eher qualitativ, die ande-ren beiden eher quantitativ. Daher setzten dieeinen auf die Wirkung von Bildern und Sym-bolen, die anderen auf die Überzeugungskraftvon Zahlen und Fakten. Die Ergebnisse sind inden Abbildungen 1–4 zu sehen.

5 Die Präsentation und der Output

Die erstellten Karten wurden zweimal präsen-tiert: zum einen innerhalb des Workshops alsArgumentationshilfe der eigenen Fragestellungund zum anderen für die Dekonstruktion der„gegnerischen“ Gruppe aus kartographischer

Hinsicht.Die zweite Phase der Präsentation erläuter-

te den Output (und die dahinterstehendentheoretischen Basics) den anderen Teilneh-mern des Kongresses. Im Rahmen einer Aus-stellung der Karten konnten sich alle jungenGeographen über die Arbeit der jeweils ande-ren Workshops informieren sowie mit derenTeilnehmern und Leitern ins Gespräch kom-men.

Wichtig war ganz zum Schluss auch dieFeedbackrunde, da nur hier der Erfolg desWorkshops festgestellt werden konnte. Beson-ders positiv hervorgehoben wurden dabei dieKombination aus eigenständiger Gruppenar-beit, theoretischem Input und Diskussionsrun-den. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dassfür den Erfolg eines Workshops eine angeneh-me Arbeitsatmosphäre sehr förderlich seinkann, z.B. durch (Kaffee-)Pausen, oder auchleiser Hintergrundmusik während der Grup-penarbeit. Die Teilnehmer sollten dabei immerdas Gefühl haben, gut betreut, aber nicht be-vormundet zu werden. Viele Aspekte eines ge-lungenen Workshops lassen sich auch aus ein-schlägiger Literatur erfahren, aber insbeson-dere die persönliche Erfahrung und Situa-tionseinschätzung seitens der Leiter sind fürein Gelingen sehr wichtig.

QuellenverzeichnisBarnett, T.P.M. (2005): The Pentagon’s New Map. Warand Peace in the Twenty-first Century. New York.Huntington, S. (1996): The Clash of Civilizations and theRemaking of World Order. New York.Mackinder, H. (1904): The geographical pivot of history.IN: Geographical Journal 23 (4), S. 421–437.Monmonier, M. (1996): How to lie with maps. Chicago.Reuber, P. (2009): Geopolitics. IN: Kitchin, R. ; Thrift, N.[Hrsg.] : International Encyclopedia of Human Geography.Elsevier Science. S. 441–452.Sharp, J.P. (2009): Critical Geopolitics. IN: Kitchin, R. ;Thrift, N. [Hrsg.] : International Encyclopedia of HumanGeography. Elsevier Science. S. 358–362.

„Lernen durch Dialog“Denkanstöße zum Forschenden Lernen im Fach Geographie

Jacqueline Passon & Klaus Braun(Physische Geographie, Universität Freiburg)

Forschendes Lernen – keine terra incognita

Obschon hochschulpolitisch in den letztenJahren besonders gefordert, ist ForschendesLernen keineswegs ein neues Postulat. An-

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knüpfend an die Bundesassistentenkonferenzim Jahr 1970, die unter dem Motto „Forschen-des Lernen – Wissenschaftliches Prüfen“ statt-fand, entwickelte sich das Konzept des For-schenden Lernens und wird seither in derHochschuldidaktik diskutiert und auch hoch-schulpolitisch wiederholt thematisiert (nachBAK 1970 und Huber 1970, beide zit. in Fich-ten 2010: 127). Die Idee lässt sich zeitlichaber noch weiter zurückverfolgen. Anfang des19. Jahrhunderts postulierte Humboldt Fol-gendes: „Es ist ferner eine Eigenthümlichkeitder höheren wissenschaftlichen Anstalten[heute: Universitäten Anm. d. Aut.] , dass siedie Wissenschaft immer als ein noch nichtganz aufgelöstes Problem behandeln und da-her immer im Forschen bleiben, da die Schulees nur mit fertigen und abgemachten Kennt-nissen zu thun hat und lernt. Das Verhältnisszwischen Lehrer und Schüler wird daherdurchaus ein anderes als vorher. […] Sobaldman aufhört, eigentlich Wissenschaft zu su-chen, oder sich einbildet, sie brauche nichtaus der Tiefe des Geistes heraus geschaffen,sondern könne durch Sammeln extensiv anein-andergereiht werden, so ist Alles unwieder-bringlich und auf ewig verloren; […] Dennnur die Wissenschaft, die aus dem Innernstammt und in‘s Innere gepflanzt werdenkann, bildet auch den Charakter um, und demStaat ist es ebenso wenig als der Menschheitum Wissen und Reden, sondern um Charakterund Handeln zu thun (Humboldt 1809/10:230–232).“

Humboldt spricht sich hierbei nicht nur fürein forschungsgeleitetes Lernen aus, er thema-tisiert außerdem einen für das Lernen zentra-len Faktor, nämlich die Beziehung zwischenLehrendem und Lernendem (siehe Hattie2008; Hattie/Anderman 2013), ein Aspekt,dem gerade auch in der Erwachsenenbildungoft zu wenig Beachtung geschenkt wird (Wolf2006: 27ff. ; Arnold 2004: 76ff.).

Im Lehralltag wird häufig die extrinsischeMotivation der Studierenden in den Vorder-grund gestellt. Zentrale Prüfungen und Stan-dards, die natürlich unabdingbar sind, redu-zieren die Möglichkeit autonomen Lernens er-heblich. Vor diesem Hintergrund wird Wissen,wie Euler (2005: 257) treffend herausstellt,von den Studierenden hingenommen, wenigerjedoch auf seine Entstehung, Wertprämissenoder Konsequenzen hinterfragt. Nicht dasdurch Neugier angetriebene Erschließen vonErkenntnissen, sondern das Abarbeiten von

Skripten steht im Vordergrund (ebd.). Einweiteres Defizit universitärer Lehre stellt dieoft fehlende Anbindung des Lernens an einepraxisbezogene und für die Lernenden heraus-fordernde Problemstellung dar (ebd. : 264).Auf der Basis dieser Erkenntnisse erschien esin der Vorbereitung des Lehr-/Lernprojekts„Lernen durch Dialog“, das im Rahmen einesDAAD Sonderprogramms entwickelt und ge-plant wurde, wichtig, darüber nachzudenken,wie Studierende zur aktiven Teilnahme undselbstgesteuerten Auseinandersetzung mit demLernstoff des Faches Geographie motiviertwerden können. Der folgende Beitrag gibt an-hand dieses erprobten Lehrkonzeptes Denkan-stöße, wie geographische Hochschullehre For-schendes Lernen konstruktiv umsetzen kann.

„Lernen durch Dialog“ – ein binationales forschungsorien-tiertes Lehr-/Lernprojekt

Zum Hintergrund

Um den interkulturellen Dialog mit islamischgeprägten Ländern anzuregen und zu unter-stützen, fördert der Deutsche AkademischeAustauschdienst (DAAD) im Auftrag des Aus-wärtigen Amtes seit dem Jahr 2006 verschie-dene Partnerschaften zwischen deutschen undarabischen bzw. iranischen Hochschulen. ImRahmen dieser Initiative etablierte die Geo-graphie der Universität Freiburg gemeinsammit Kollegen des Center for National Archivesand Historical Studies eine Dialogpartner-schaft. Entsprechend der Prämisse, dass ge-meinsames Lernen und Forschen gegenseitigesVerständnis und Toleranz fördert, wurde vonden Autoren dieses Beitrags ein Konzept ent-wickelt, das auf einem vom DAAD sowie demLibyan Studies Center finanzierten Austauschzwischen beiden Ländern aufbaut. Auf der Ba-sis intensiver gegenseitiger Begegnungen wur-den nicht nur Fragen der Regionalen Geogra-phie des arabischen Raumes behandelt, son-dern auch die Ausbildung interkulturellerKompetenzen anvisiert.

Lernen im Rahmen der Kompetenzorientierung

Wie lässt sich Eigenaktivität bzw. Selbststän-digkeit der Studierenden fördern? Lernen istunter der Prämisse des Forschenden Lernenskein rezeptiver Vorgang, bei dem dargeboteneInhalte lediglich aufgenommen, gespeichert

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und bei Bedarf wiedergegeben werden, son-dern ein aktiver Prozess (Euler 2005: 11f. ; Hu-ber 2004: 32). Ein solcher Prozess setzt – wiebei jedem Lernangebot – als ersten Schritt vor-aus, dass die von den Studierenden zu erwer-benden bzw. zu vertiefenden Kompetenzendefiniert werden. Dazu ist es notwendig, ange-messene und klare Lernziele zu formulieren.In einem weiteren Schritt müssen die Veran-staltungen konsequent auf das Erreichen die-ser Lernziele ausgerichtet werden. Bei derÜberlegung, welche Kompetenzen im for-schungsorientierten Lehr-/Lernprojekt „Lernendurch Dialog“ vermittelt werden sollten, wur-den folgende Kategorien von Kompetenzenformuliert (zur inhaltlichen Ausgestaltung sie-he Abbildung 1):

• Fachkompetenz• Methodenkompetenz• Deutungs-, Reflexions- und Handlungs-

kompetenz sowie• Selbst- und Sozialkompetenz.

Ein zentrales Anliegen des Projekts bestanddarüber hinaus darin, es für die Studierendenin seinen kulturellen und gesellschaftlichenAusmaßen erfahrbar werden zu lassen – sowie es beispielsweise für das Forschende Ler-nen bei Huber (1998: 1–10; 2003: 15–36) ge-fordert wird. Darüber hinaus sollte es die ko-gnitive, emotionale und soziale Dimensionendes Lernens ansprechen (ebd.). Wichtig waraußerdem, inhaltliche Freiräume zur Schwer-punktsetzung für die Studierenden zu schaf-fen. Das Lehr-/Lernprojekt sollte letztendlichso gestaltet sein, dass die Studierenden aktivgefordert waren. Sie sollten darin unterstütztwerden, selbst denkend, planend, recherchie-rend, lernend, forschend und kommunizierendsowohl mit den Dozenten bzw. den Gastwis-senschaftlern aus Libyen und sonstigen Exper-ten aus Deutschland und Libyen als auch mitanderen Studierenden in Beziehung zu treten.

Aufbau und Inhalte des Lehr-/Lernprojekts„Lernen durch Dialog“

Konkret erstreckte sich das Projekt „Lernendurch Dialog“ über mehrere Semester und waraus verschiedenen Bausteinen aufgebaut. Dar-über hinaus wurde darauf geachtet, das Vor-haben so in den Studienablauf zu integrieren,dass es möglich ist, die von den Beteiligten er-brachten Seminar- und Projektarbeiten als stu-

dienrelevante Leistungen anzuerkennen. DieBasis bildete zunächst ein projektorientiertesSeminar Nordafrika/Vorderer Orient, das indie Regionale Geographie der arabischen Welteinführte. Das Seminar ermöglichte überdiesBegegnungen mit arabischen Studierenden derUniversität Freiburg sowie mit Studierendenund Wissenschaftlern aus Libyen. Daranschloss sich die Möglichkeit an, bei Aufenthal-ten in Libyen, die vom DAAD sowie dem Cen-ter for National Archives and Historical Stu-dies finanziert wurden, sowohl an der Daten-erhebung für einen „Atlas of Caravan Tracksand Trade“ teilzunehmen als auch eigene klei-ne „Forschungs- bzw. Dialogfragen“ zu bear-beiten. Dem Aufenthalt in Libyen wurde einBewerbungsprozess vorgeschaltet. Dieser ver-folgte einerseits das Ziel, die Studierenden zuanimieren, Ideen zu entwickeln, wie sie sichkonkret im Projekt engagieren möchten. An-derseits sollten sie begründet darlegen, welcheder im Vorfeld der Reise zu erledigenden Auf-gaben sie übernehmen möchten. Nach Ab-schluss dieser Phase bearbeiteten die Studie-renden unter Anleitung ihre Aufgabe, die u.a.die Aufbereitung von Fernerkundungsaufnah-men, die Erschließung von Quellenmaterialiendes 18. und 19. Jahrhunderts oder die Erstel-lung eines Posters vorsah. Daneben nahmensie an einem interkulturellen Training teil.Zur Förderung selbstgesteuerten Lernens hat-ten die Studierenden während des Aufenthaltsin Libyen die Aufgabe, selbst gewählte „For-schungs- bzw. Dialogfragen“ zu bearbeiten.Hierzu waren sie aufgefordert, das Archiv desCenter for National Archives and HistoricalStudies zu nutzen sowie mit den libyschenStudierenden und Kollegen zusammenzuarbei-ten. Auf diese Art und Weise entstanden ei-nerseits eigenverantwortliche Arbeiten, dieneue und interessante Erkenntnisse lieferten,wie z.B. eine Kartierung eines Teilbereichs desSuqs von Tripolis, eine Arbeit über die Pflan-zen der Sahara oder ein Film, in dem die in-terkulturelle Begegnung kreativ umgesetztwurde. Mit dem letztgenannten Beitrag ge-wannen drei Studierende den DAAD-YouthAward. Zugleich wurden sie von den libyschenKollegen ein zweites Mal nach Libyen eingela-den, um dieses Filmprojekt auch in Tripolisöffentlich vorzustellen. Andererseits bot dieAuseinandersetzung mit den libyschen Studie-renden und Partnern die Möglichkeit, sichselbst besser kennen und verstehen zu lernen,was bekanntlich ein wichtiges Element der

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Persönlichkeitsentwicklung ist. Daneben nah-men die Studierenden an internationalen Sym-posien, Treffen mit dem deutschen Botschafterin Tripolis oder verschiedenen Presseaktivitä-ten teil. Darüber hinaus hatten sie die Mög-lichkeit, als studentische Hilfskraft im Projekttätig zu werden und das Gelernte insbesondereim Bereich Fernerkundung, GIS und Kartogra-phie weiterhin anzuwenden bzw. zu vertiefen.

Der Aufbau und die Umsetzung der ver-schiedenen Lehrveranstaltungen (vgl. Abbil-dung 1) macht deutlich, dass der Erwerb unddie Vertiefung von Fachwissen verbunden mitstudentischer Aktivität und dem Erlernen vonMethoden durch ihre Anwendung zentraleAspekte des Lehr-/Lernprojekts waren. Ge-steuerte und eigenverantwortliche Lernphasenwechselten sich immer wieder ab, wobei sichdie Rolle der Lehrenden stets zwischen Wis-sensvermittlern und Unterstützern bzw. Bera-tern wandelte.

Eine Bilanz

Die gemeinsame Arbeit in einem praxisnahenProjekt, das die Untersuchung der Karawanen-wege durch die Sahara und die Erstellung ei-nes „Atlas of Caravan Tracks and Trade“ zumZiel hatte, ermöglichte es den Studierenden,

europäische und arabische Geschichte ge-meinsam aufzuarbeiten und einer breiterenÖffentlichkeit in beiden Ländern zugänglichzu machen. Darüber hinaus erlangten die Stu-dierenden Einblicke in Gesellschaftsstruktu-ren, Geschichte, Kultur und Religion der Part-nerländer sowie in deren historisch gewachse-ne Beziehungen. Als Multiplikatoren helfen siein ihren jeweiligen Ländern überdies, den In-formationsaustausch zu vertiefen und gegen-seitige Vorurteile abzubauen.

Neben der wissenschaftlichen Zielsetzunghob dieses Projekt besonders darauf ab, Ver-ständnis und Toleranz zwischen den beidenKulturen zu fördern. Dabei wurde den Studie-renden die Möglichkeit gegeben, selbstständigProblemlösungen in einem deutsch-arabischenTeam zu erarbeiten. Zentrales Anliegen desProjekts war somit der europäisch-islamischeKulturdialog. Insbesondere durch die interkul-turellen Begegnungen (u.a. gemeinsame Frei-zeitaktivitäten, Exkursionen) und die Teamar-beit wurde die Ausbildung von Selbst- und So-zialkompetenzen der Studierenden unterstützt.Viele der Studierenden sind bereits erfolgreichin das Berufsleben eingetreten, die persönli-chen Beziehungen untereinander als auchnach Libyen leben indes fort.

Zweifellos ist Libyen in der Vergangenheit

Abb. 1: Konzeption und Ziele des forschungsorientierten Lehr-/Lernprojekts „Lernen durch Dialog“ (Quelle: nach Passon/Braun 2010)

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kein einfacher Partner gewesen, bedingt vorallem durch die sich häufig wandelnden poli-tischen Paradigmen während der Zeit desGaddafi-Regimes. Deshalb soll an dieser Stelleauch der Mut der libyschen Projektpartner be-tont werden, die sich auf neue Wege eingelas-sen haben.

Insgesamt dürfte deutlich geworden sein,dass Forschendes Lernen eine Bereicherung fürden Lehralltag darstellt, wobei nicht nur dieStudierenden von diesem Konzept profitieren.Auch als Lehrender kann man sowohl fachlichals auch menschlich viel gewinnen. Beim Ein-satz dieser Methode ist jedoch unbedingt zubeachten, dass diese einen enormen Zeit-, Pla-nungs- und Organisationsaufwand bedeutet.Wer diesen Aufwand nicht leisten kann, sollteeine andere Methode wählen.

Das mit dem DAAD-Youth Award und alsFinalist im Rahmen des Hochschuldidaktikta-ges 2010 an der Universität Duisburg-Essenausgezeichnete Projekt wird mit dem Erschei-nen des „Atlas of Caravan Tracks and Trade“Ende des Jahres 2013 auslaufen. Eine Fortset-zung wünschen sich beide Seiten.

LiteraturArnold, R. (2004): Die emotionale Konstruktion derWirklichkeit – Anmerkungen zur notwendigenErweiterung des Deutungsmusteransatzes in derErwachsenenbildung. IN: Bender, W./Groß, M./Heglmeier, H. [Hrsg.] : Lernen und Handeln. EineGrundfrage der Erwachsenenbildung. Schwalbach,S.   76–84.Euler, D. (2005): Forschendes Lernen. IN: Wunderlich,W./Spoun, S. [Hrsg.] : Universität undPersönlichkeitsentwicklung. Frankfurt, S. 253–272.Fichten, W. (2010): Forschendes Lernen in der

Lehrerbildung. IN: Eberhardt, U. [Hrsg.] : Neue Impulseder Hochschuldidaktik: Sprach- undLiteraturwissenschaften. Wiesbaden, S. 127–182.Hattie, J./Anderman, E. [Hrsg.] (2013): InternationalGuide to Student Achievement. New York.Hattie, J. (2008): Visible Learning. A synthesis of over800 meta-analyses relating to achievement.London/New York.Huber, L. (1998): Forschendes Lehren und Lernen – eineaktuelle Notwendigkeit. IN: Das Hochschulwesen 46,S.   1–10.Huber, L. (2003): Forschendes Lernen in DeutschenHochschulen. Zum Stand der Diskussion. IN: Obolenski,A./Meyer, H. [Hrsg.] : Forschendes Lernen. Theorie undPraxis einer professionellen LehrerInnenausbildung. BadHeilbrunn, S. 15–36.Huber, L. (2004): Forschendes Lernen. 10 Thesen zumVerhältnis von Forschung und Lehre aus der Perspektivedes Studiums. IN: die hochschule 2/2004, S. 29–49.Humboldt, W. v. (1809/10): Über die innere und äußereOrganisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten inBerlin. Berlin, wiederabgedruckt IN: Präsident derHumboldt-Universität zu Berlin [Hrsg.] (2010):Gründungstexte. Berlin, S. 229–241 .URL: http://edoc.hu-berlin.de/miscellanies/g-texte-30372/all/hu_g-texte.pdf (Zugriff: 21 .02.2013).Passon, J./Braun, K. (2010): Lernen durch Dialog –Binationales forschungsorientiertes Lehr-/Lernprojekt.Best-Practice Projekt. Zentrum für Qualitätsentwicklung,Universität Duisburg-Essen.URL: http://www.uni-due.de/zfh/innovationspreis_2010.php#b (Zugriff: 21 .02.2013).Wolf, G. (2006): Der Beziehungsaspekt in der Dozent-Teilnehmer-Beziehung als Ressource und Determinantelebenslangen Lernens. IN: REPORT – Literatur- undForschungsreport Weiterbildung, 01/2006, S. 27–37.URL: http://www.die-bonn.de/doks/wolf0602.pdf(Zugriff: 21 .02.2013).

Danksagung

Wir danken dem Auswärtigen Amt, dem DAAD

sowie dem Center for National Archives and His-

torical Studies in Tripolis für die ideelle als auch

finanzielle Förderung des hier vorgestellten Lehr-

projekts.

Abb. 2 und 3: Gemeinsame Interpretation einer Fernerkundungsaufnahme bei Geländearbeiten in Murzuq (links) . Interkulturelle Begeg-nung mit Studierenden an der Universität von Tripolis (rechts) . Die Begegnung junger Frauen wurde von beiden Seiten explizit gefördert(Quelle: Foto links, Mohamed al Turk 2006; Foto rechts, Jacqueline Passon 2008)

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Auslandssemester in den USA an derMinnesota State University Mankato

Cosima Werner (Erlangen)

Mein Auslandssemester im Jahr 2012 habe ichin einer kleinen Stadt mit 39.000 Einwohner-Innen, von denen 50 % unter 25 Jahren sind,im angeblich kältesten Bundesstaat der USAverbracht – in Mankato, Minnesota.

Mit meinem Studienaufenthalt in Mankatohabe ich nicht nur eine Vertiefung meines Stu-diums der Kulturgeographie forciert, sondernwollte auch einen Einblick in die US-amerika-nische Geographie werfen sowie erste Datenfür meine Masterarbeit in Detroit erheben. Da-bei hat Detroit für mich persönlich die meistenFragen aufgeworfen. Die Stadt übt mit ihrerGeschichte und heutigen Präsenz wohl diegrößte Kritik an der amerikanischen Gesell-schaft und Politik aus.

Detroit ist flächenmäßig vergleichbar mit NewYork, Boston und San Francisco zusammen,doch sind von der einst 1 ,8-Millionen-Stadt(1950) nur noch knapp über 713.000 (2011 )Menschen anwesend (City of Detroit 2012: 3).Der mit dem Untergang der Automobilindus-trie verbundene Abwärtstrend wird von politi-schen und wirtschaftlichen Akteuren häufigals ein „natürlicher“ Prozess der Entwicklungverstanden. Infolge dessen bleiben zum einendie Investitionen aus. Zum anderem werdenvon Seiten der (nationalen) Politik wenigeGelder für einen positiven Strukturwandel zur

Verfügung gestellt, wodurch eine Veränderungder Situation schwer fällt. Gleichzeitig bietetdiese fast schon anarchische Atmosphäre inder Stadt neue Möglichkeiten. Hunderte vonFarmen und Gemeinschaftsgärten belagern dievielen freien Flächen. In vielen Straßen sindkeine oder nur noch sehr wenige Häuser be-wohnt und die Natur holt sich ihren Raum zu-rück. Vielleicht kann man Detroit als eine„(Anti)-Stadt“ bezeichnen, die spannendegrass rooted Wege geht, um nicht komplett zusterben, wie neben den Gärten auch das Hei-delberg-Project, das Hostel Detroit oder dieAvalon-Bakery zeigen. Diese Wege verlaufennach anderen Logiken, wie sie z.B. in Mankatoverfolgt werden.

Von Mankato aus sind die nächstgrößerenStädte, die sogenannten „Twin-Cities“ St. Paulund Minneapolis, 1 ½ Stunden Richtung Nor-den entfernt. Sie sind bekannt für die Mall ofAmerica, dem größten überdachten Shopping-komplex des Landes, und ihre State Fair, dieweniger den Handel als den Gaumen anregt.Wer wissen möchte, was tatsächlich amerika-nisches Essen ist, der wird hier fündig und„pfundig“: Bacon-Eis, Pfannkuchen, Schoko-riegel oder auch Essiggurken – alles aus derFritteuse.

Die Staatsflagge weist aber darauf hin, wo-für Minnesota wirklich bekannt ist: die tau-senden Seen. Vielleicht sind es bald auch dieendlosen Maisfelder. Im Süden des Staates be-finden sich die größten amerikanischen Raffi-nieren für Bioethanol. Und irgendwo dazwi-schen wurde einst Mankato als Universitäts-standort auserkoren und entwickelt – natür-lich auf der grünen Wiese, die dem sagenhaftgroßen Parkplatz, dem Campus, den Wohn-heimen und Essensangeboten sämtlicher Fast-Food-Ketten weichen musste.

Fern ab vom „Schuss“ werden Studierendeu.a. in Geographie ausgebildet. Hinsichtlichder derzeitigen Debatte zwischen RegionalerGeographie, ihrer Vertretbarkeit und der Be-deutung von Area Studies, erscheint eine dortangebotene Veranstaltung mit dem Titel„World Regional Geography“ auf den erstenBlick einen Beitrag zu dieser Diskussion zuleisten. Mit dem Anspruch, vor allem diesesKonzept verteidigt oder kritisch reflektiert zusehen, setzte ich mich in dieses Seminar. Eswar entgegen aller meiner Erwartungen! End-lose Tabellen, in die die Inhalte aus anderenTabellen übertragen werden sollten, bestimm-ten die wöchentlichen Hausaufgaben. Daten

Abb.1: Verlassen und doch noch da (Brush Park Detroit; Quelle:Werner 2012)

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zu Demographie und Fläche, Lebenserwar-tung, Bruttoinlandsprodukt pro Kopf musstenebenso zusammengetragen werden, wie dieamtlichen Sprachen, potenziellen Naturgefah-ren und die Hauptstädte. Schleichend über-kam mich der kritische Gedanke, wie sinnvolleine solche didaktische Vorgehensweise ist,wenn die Daten a) ja nach Quelle und b) nachZeitverlauf variabel sind. Gekrönt wurde dieseAufgabe durch das händische Eintragen vonGewässern, Hauptstädten, Ländernamen undanderen wichtigen Punkten (! ) auf blanke Re-gionsumrisse mit lediglich der Landesgrenzeund grobem Gradnetz. Untergliedert wurdedie Welt in zwölf Regionen, welche sich gut ineinem Semester behandeln lassen. Die Regi-onsbegrenzung beschränkte sich auf Konstruk-tionen, die kritisch zu betrachten sind. Wasverbindet die Region Nordafrika bis hin zuden STAN-Staaten mit den arabischen Län-dern? Einen Beitrag zu der aktuellen fachin-ternen Debatte fehlte leider komplett.

Doch woher soll die Tiefe auch kommen?Die Kritik, die in Deutschland am neuen Ba-chelor-Master-System gegenüber den altenStudiengängen besteht, nämlich, dass in denneuen Studiengängen die Tiefe nicht mehr er-reicht wird, reflexives Denken und eigenstän-diges Arbeiten im verschulten System verküm-mern, kann in Extremen auf die USA projiziertwerden.

Ich startete ursprünglich mein Semester mitfünf Veranstaltungen und einer Exkursion indie Black Hills in South Dakota. Das Anferti-

gen von Prüfungsleistungen prägte das stu-dentische Leben. Aufgrund der ständigen Prü-fungen des Gelernten der Seminar- und Vorle-sungsinhalte alle vier Wochen in Form vonMid- und Final-Exams, verbringt man sehr vielZeit in der Bibliothek oder am Schreibtisch.

Diese Exams bestanden aus zwei Präsenta-tionen, neun Multiple-Choice-Quizzen, sechsEssays von jeweils fünf bis sechs Seiten unddrei weiteren Hausarbeiten von jeweils 12–15Seiten, die Auflistung von 100 Quellen zu ei-nem bestimmten Thema nach bestimmten Kri-terien, drei Klausuren und den wöchentlichenHausaufgaben u.a. für „Stadt-Land-Fluss“. Vordem Protokoll für die Exkursion habe ich mich

Abb. 2: Michigan Avenue nach Downtown am Montagmorgen –Leere statt Verkehrsstau (Quelle: Werner 2012)

Abb. 3: Minnesota State Fair 2012, Minneapolis (Quelle: Werner 2012)

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gedrückt, indem ich dieses Fach gestrichen ha-be. Ziel ist es, die Punkte (ca. 400 pro Semi-nar) am Ende des Semesters zusammenzube-kommen. Daraus ergibt sich dann die Note.Der Erwerb von Zusatzpunkten konnte manch-mal durch die, eigentlich selbstverständliche,Anwesenheit erworben werden. Es folgtenpersönliche und generalisierende Zweifel undKritiken am gesamten amerikanischen Ausbil-dungssystem.

Da meine amerikanischen KommilitonInnenwegen der hohen Studienbeiträge von mindes-tens 5000 $ pro Semester, des nicht subven-tionierten studentischen Wohnens und Ver-pflegens und der exorbitant teuren Pflichtlek-türen, noch mehr als in Deutschland, gezwun-gen sind, zu jobben, fehlt ihnen einfach dieZeit, die gewünschte Tiefe zu erreichen. Stu-dieren in den USA ist also kein Zuckerschle-cken, was aber nicht an der Qualität der An-forderungen, sondern nur an der Quantitätund der finanziellen Belastung liegt. Eine bes-sere Universität ist mit höheren Kosten ver-bunden und somit eine wachsende Hürde. Be-kommt man keines der Stipendien, bleiben alsFinanzierungsquellen, neben den Eltern, nochdie Kredite, um dann am Ende des Studiumsvor einem großen Schuldenberg zu stehen.

Aber mit diesem Geld können die Universi-

täten auch einen Service leisten, den man sichan deutschen Universitäten nur wünschenkann. Statt studentischen Aushilfskräften sit-zen in der Bibliothek ausgelernte Fachkräfte,die sich auch schon mal eine Stunde Zeit neh-men, die richtige Literatur zu einer Hausarbeitzu finden. Ein kostenfreies und vielfältigesSportangebot von Schwimmen über Kletternbis hin zu den klassischen amerikanischenBallsportarten helfen, die (finanziellen) Sorgenzu vergessen. Als internationaler Studierenderwird man sofort an die Hand genommen undnicht mehr aus den Augen gelassen, was aller-dings auch als bevormundend empfundenwerden kann. Als internationale Studentin warich aber auch von den Studienbeiträgen be-freit.

Die Gemeinsamkeiten von Mankato undDetroit sind aber, dass beide Orte mit ihrenMenschen und Strukturen „eine“ USA wider-spiegeln, wie es eben „auch“ sein kann. Wennich wahrscheinlich nicht mehr nach Mankatozurückkehren werde, so konnte ich noch eini-ges von dort mitnehmen, wie durch das Semi-nar „Urban Sociology“ mit dem Fokus aufamerikanische Städte, wo ich einige Antwor-ten bekommen habe und Zusammenhänge, dierelevant für Detroit sind, besser begreifenkonnte. Dort wurde skizziert, welche Mecha-

Abb. 4: Die Badlands der Black Hills natürlich mit dem Automobil erleben (Quelle: Werner 2012)

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nismen die Suburbanisierung in den 1950erJahren angeregt haben und welche Rassismendarin inkludiert waren, z.B. das Nicht-Weißekeine Eigenheimkredite bekamen und Detroitfast ausschließlich von African Americans be-wohnt wurde (was noch immer der Fall ist).Auch die Riots von 1967, die es nicht nur inDetroit gab, aber u.a. bis heute das Stadtimageprägen – wie auch immer wieder in Interviewsfür die Masterarbeit deutlich wurde –, wurdennicht außer Acht gelassen. Der Untergang derAutomobilindustrie in den 1980er Jahren istnicht der einzige Grund, weshalb Detroit heu-te so ist, wie es ist, und das wurde vor allemim Seminar verdeutlicht. Sechs Tage in Detroitfür die Masterarbeit reichen natürlich bei wei-tem nicht aus und ein weiterer Aufenthaltmuss folgen, denn auch der Ruhm der Stadt,wofür Detroit berühmt war, wie z.B. die Mu-sik, die u.a. unter dem Label Motown über dieRadios der Welt Menschen zum Tanzen an-heizten, sollte in einer Erfassung der Komple-xität dieser Stadt, nicht vergessen werden.

Eine Frage ist aber noch nicht geklärt:Und warum das Ganze?

Meines Erachtens sind AuslandserfahrungenGold wert und das nicht, weil sie ein wichtigerBestandteil heutiger Stellenausschreibungensind, sondern weil sie einem selber vieleAspekte der eigenen Sozialisierung und diedes „Anderen“ hinterfragen lassen. Auch wennman dies nicht abschließend klären kann oderdas Verständnis zunächst verborgen bleibt,lernt man doch aus den Erfahrungen abroadmehr als aus jedem Buch oder Seminar durchdiese „Independent Studies“, wie es ein jungerMann in San Francisco formulierte. Allerdingsist auch zu betonen, dass ein Semester nichtausreicht, um ein Land und seine Gesellschaftin seiner Komplexität zu begreifen. Schließlichspeisen sich „meine“ Erfahrungen hauptsäch-lich aus einer kurzen Zeitspanne von geradeeinmal sechs Monaten in den USA, die ichzum größten Teil aus der Zeit im überschau-baren Mankato beziehe.

LiteraturCity of Detroit (2012): Financial Advisory BoardDiscussion Document. City of Detroit. URL:http://www.detroitmi.gov/Portals/0/docs/mayor/FAB_Meetings/FAB%20meeting%20discussion%20document%20%282012-06-15%29%20vfin.pdf(Zugriff: 14.3.2013).

„In Augsburg ist die Welt zu Hause!“ –Projekt eines interkulturellen Stadtplans

Christiane Lembert-Dobler, Ethnologin M.A.

Im Jahr 2003 erschien unter dem Titel „In Augs-

burg ist die Welt zu Hause“ ein Interkultureller

Stadtplan für die Stadt Augsburg. In dem Koope-

rationsprojekt mit dem Auftraggeber Stadtjugend-

ring Augsburg und der Universität Augsburg

(Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskun-

de) entstanden, mit Blick auf die stadträumlichen

Effekte von Zuwanderung, ein Stadtplan und ein

dazugehöriges Begleitheft. Der „Interkulturelle

Stadtplan Augsburg“ wurde sowohl in Augsburg

als auch überregional mit großem Interesse auf-

genommen. Der Stadtjugendring Augsburg hat

damit ein Projekt realisiert, das bis dato in dieser

Form noch nicht existierte.

Hintergrund

Die Stadt Augsburg, gut 60 km westlich vonMünchen gelegen, kann auf eine über 2000-jährige Migrationsgeschichte zurückblicken.Bezogen auf das 20. Jahrhundert haben sichim Stadtgebiet die grenzüberschreitenden Mi-grationsbewegungen der Nachkriegszeit ver-ortet: u.a. jüdische Displaced Persons oderHeimatlose Ausländer_innen, die als Zwangs-arbeiter_innen nach Augsburg verschlepptworden waren und nicht mehr in ihre Heimatzurückkehren konnten, 30.000 vertriebeneDeutsche (Deutschstämmige) aus Osteuropa,die Stationierung amerikanischer Truppen,Anwerbung und Zuzug von Arbeitsmigrant_in-nen (sog. Gastarbeiter_innen), Zuzug vonSpätaussiedler_innen nach 1989 und auch dieverstärkte Aufnahme von Asylbewerber_innen.

Augsburg hat im Vergleich zu Berlin(14,1   %) oder Hamburg (13,8  %) einen höhe-ren Ausländeranteil (16,6  %). Der Anteil derMenschen mit Migrationsgeschichte oder -hin-

Abb. 1: Interkultureller Stadtplan Augsburg: Logo (Quelle:http://www.interkultureller-stadtplan.de, Zugriff: 12.4.2013).

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tergrund liegt bei über 41   %.1 Sie alle prägendas Augsburger Stadtbild vielfach mit, eignensich bestimmte städtische Räume an und sindin anderen wiederum nicht sichtbar. Die un-terschiedlichen Migrationsprozesse gehen mitstädtebaulichen Dynamiken einher: So ent-stand z.B. in den 1950er Jahren auf Initiativedes belgischen Paters und späteren Nobel-preisträgers Pire im Stadtteil Hochzoll das ausMehrfamilienhäusern bestehende Europadorffür Displaced Persons. In dem in den 1970erJahren neu gebauten Universitätsviertel ließensich vorwiegend Migrant_innen aus der ehe-maligen Sowjetunion nieder. Die Arbeitsmi-grant_innen aus Südeuropa bewohnten aufGrund der günstigen Mieten vor allem die al-ten Arbeiterviertel Lechhausen oder Oberhau-sen.

Was die Auseinandersetzung und das Mit-einander von unterschiedlichen Religionen,Glaubensrichtungen oder Weltanschauungenangeht, ist die Stadt Augsburg eine Besonder-heit. 1530 wurden hier mit der Confessio Au-gustana (Augsburger Bekenntnis) die bis heuteverbindlichen Grundsätze der evangelischenLehre formuliert. Das Augsburger Hohe Frie-densfest am 8. August ist ein staatlich aner-kannter, auf die Stadtgrenzen Augsburgs be-grenzter und somit weltweit einzigartiger Fei-ertag. Seinen Ursprung hat er im Jahr 1650,als die Protestanten Augsburgs erstmals ihreim Augsburger Religionsfrieden (1555) formu-lierte und im Westfälischen Frieden (1648)schließlich errungene Gleichberechtigung mitder Römisch-Katholischen Kirche feierten. DieHerausforderungen, die sich damals mit derfriedlichen Koexistenz der beiden christlichenKonfessionen verbanden, liegen für die StadtAugsburg heute in der Auseinandersetzungmit gesellschaftlicher Vielfalt und ihren kultu-rellen sowie religiösen Prozessen und Dynami-ken.

Die Idee eines Interkulturellen Stadtplans für Augsburg

Vor diesem Hintergrund stellte sich 2001 derStadtjugendring Augsburg die Frage, wie dieethnische, nationale und religiöse Vielfalt inder Stadtgesellschaft sichtbar und erfahrbargemacht werden kann. Wie konnte aufgezeigt

werden, dass Zuwanderung eine Selbstver-ständlichkeit und längst und permanent in derStadtgesellschaft angekommen und angenom-men ist? Das damalige politische und gesell-schaftliche Klima in Bezug auf das Thema Mi-gration wurde dominiert von der Leitkultur-debatte2 und konsequenter Verneinung einerdeutschen Zuwanderungsgesellschaft. Ich er-innere an dieser Stelle an die (noch immergängigen) Metaphern vom „vollen Boot“, der„Überlastung der Sozialsysteme“ oder der„Angst vor Überfremdung“, die sich vor allemauf den Zuzug von Asylsuchenden, aber auchauf Migrant_innen insgesamt und insbesonderenach dem 11 . September 2001 verstärkt aufdie muslimischen Mitbürger_innen bezogen.Das Schlagwort vom „Kampf der Kulturen“,ausgelöst durch das gleichnamige Buch vonSamuel P. Huntington (1996), traf den Nervbreiter Bevölkerungsschichten und zementier-te einen statischen Kulturbegriff, der bei derFrage der Integration nur ein entweder/oder,in seiner extremen Form ein Anpassen oderGehen, suggerierte. Aus Huntingtons (1996)Einteilung der Welt in (religiöse) Kulturräumeund der daraus abgeleiteten Unvereinbarkeitkultureller Orientierungen und Wertevorstel-lungen speisen sich bis heute politische Dis-kurse. Nicht zu vergessen sind die Gewalttatenmit rechtsextremistisch motiviertem Hinter-grund, die seit den 1990er Jahren die Öffent-lichkeit erschütterten, aber insgesamt eher alsmarginale Einzeltaten verharmlost wurden.Jahrzehntelang blieben Fragen der Zuwande-rung und Integration unbeantwortet, fehlte esan einer gestaltenden und fördernden Integra-tionspolitik.

Im Alltagsleben und somit auch im Bild derStädte hatte die Zuwanderung aber längst ih-ren Niederschlag gefunden. Genau hier wollteder Interkulturelle Stadtplan ansetzen. DieIdee des Projektes war es, mittels eines Stadt-plans „der Tatsache der ethnischen (und reli-giösen) Vielfalt Rechnung zu tragen und diemultiethnische Bevölkerung in Augsburg aufeine anschauliche Art und Weise sichtbar underlebbar zu machen. Diese multiethnische Be-völkerungsstruktur prägt das Erscheinungsbildund das kulturelle Leben der Stadt. Trotzdemist das für den Einzelnen je nach seinem

1 : Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2011 . Menschen mit Migrationshintergrund sind entweder selbst eingewandertoder haben mindestens einen Elternteil, welcher (nach 1955/erstes Anwerbeabkommen mit Italien) eingewandert ist(http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Vier-von-zehn-Augsburgern-haben-einen-Migrationshintergrund-id24065211 .html, Zugriff: 18.2.2013).2: Im Jahr 2000 vor allem angestoßen durch den damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU, Friedrich Merz

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Wohnort, seinem Arbeitsplatz und seinem per-sönlichen Umfeld so gar nicht ohne Weiteresoffensichtlich, wahrnehmbar und durchschau-bar. Hierzu will dieser interkulturelle Stadt-plan seinen Beitrag leisten (…)“ (Lembert2003: Vorwort).

Die Erstellung des Stadtplans3

Im Wintersemester 2002/2003 begann imRahmen einer Übung die Recherche für einen

Interkulturellen Stadtplan für die Stadt Augs-burg. Das Konzept sah vor, nach den Her-kunftsländern der Betreiber/Gründer/Inhabergeordnet, verschiedenste Orte aufzusuchenund zu beschreiben. Die Orte gliederten sichin Vereine, religiöse Stätten, Restaurants,Kneipen, Cafés, Discos, Geschäfte und Dienst-leistungen, Bildung und muttersprachlicherUnterricht und Interkulturelle Institutionen.Zwischen den einzelnen Beschreibungen soll-ten auch Biographien von Personen mit einge-

3: Text angelehnt an: In Augsburg ist die Welt zu Hause. Interkultureller Stadtplan Augsburg. Ein Projekt desStadtjugendrings Augsburg in Zusammenarbeit mit der Europäischen Ethnologie/Volkskunde,http://www.philhist.uniaugsburg.de/lehrstuehle/volkskunde/projekte/interkultureller_stadtplan/ (Zugriff: 28.2.2013)

Abb. 2: Beispiel für die Informationen zu den einzelnen „interkulturellen Orten“(Quelle: http://www.interkultureller-stadtplan.de/stadtteile/content_kriegshaber.php?inh=1, Zugriff: 12.4.2013).

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flochten werden, die mit diesen Orten in un-terschiedlicher Art und Weise verbunden sind.

Sowohl der zeitliche Rahmen als auch dieinhaltliche Vorgehensweise erwiesen sichschnell als illusorisch bzw. ungeeignet. DieBiographien allein waren wenig aussagekräftigund ließen sich nur marginal mit den Orten inBeziehung setzen. Die Vielzahl und Vielfältig-keit der Orte machten es unmöglich, in derangedachten Zeit (Wintersemester) fertig zuwerden, so dass sich das Projekt bis in denSpätsommer 2003 hinzog und die Gruppe aufwenige Personen zusammenschmolz. Eine ein-fache Beschreibung, z.B. eines Lokals mitAdresse, Telefonnummer und Speisekarte, er-schien zudem langweilig und hatte den Cha-rakter eines Branchenbuchs. Warum also nichtdie ursprünglich geplante biographische Kom-ponente auf die Repräsentanten der Orte di-rekt übertragen und ihre Lebensgeschichte inKurzform präsentieren? Das erforderte zwarwesentlich mehr Aufwand, ermöglichte jedocheine authentische Beziehung zwischen den In-formationen über eine Örtlichkeit, über dieLebenssituation von Migrant_innen und überdas jeweilige Herkunftsland. Durch diese Vor-gehensweise entstand zu dem Stadtplan miteingezeichneten Ortsmarkierungen ein um-fangreiches Begleitheft, das nicht nur derräumlichen Orientierung dient, sondern auchals eigenständiges Buch über Augsburger Mi-grant_innen zu lesen ist.

Abbildung 2 zeigt einen Teil der Strukturder Internetpräsenz. Der Screenshot verdeut-licht beispielhaft die Informationen zum Ara-bischen Kulturverein im Augsburger Stadtteil„Kriegshaber“. Nach den Vereinsinformatio-nen folgen stets auch einige biographische No-tizen bezüglich der Betreiber. Die Leiste rechtszeigt weitere „interkulturelle Orte“ im Augs-burger Stadtteil „Kriegshaber“ an (für alle an-deren Augsburger Stadtteile ebenso aufruf-bar). Auf der Seite ist es möglich, entwedernach Stadtteilen oder nach der Art des Ortes(Einzelhandel, Kulturverein etc.) sortiert zusuchen.

Das Projekt bot den Studierenden die Mög-lichkeit, Migrationsforschung nicht nur theo-retisch zu behandeln, sondern auch in die Pra-xis zu transferieren. Sie lernten, biographischeInterviews zu führen und individuelle Lebens-geschichten zu betrachten. Dieser Fokus aufdie Heterogenität individueller Biographienwar wichtig, weil durch die Ausrichtung desStadtplans nach geographischen Gesichts-

punkten, also nach Herkunftsländern, die Ge-fahr der Kulturalisierung und pauschalen „Ver-anderung“ („Othering“) einer ethnischen, na-tionalen oder religiösen Gruppe groß war. An-ders ausgedrückt: Sicher gab es herkunfts-spezifische Gemeinsamkeiten unterschiedli-cher Art (z.B. viele Läden, in denen ein ähnli-ches herkunftsspezifisches Sortiment an Le-bensmitteln verkauft wird), dies bedeutet je-doch nicht, dass einzelne ethnisch-nationaleoder religiöse Gruppen als eigene, homogeneKulturen zu denken sind. Die einzelnen Be-treiber der untersuchten Orte unterscheidensich vielfach in ihren Lebensentwürfen und inden Strategien im Umgang mit ihrer persönli-chen Migrationserfahrung. Hierbei ist auchanzumerken, dass allein durch die Herausstel-lung kulturell differenzierter „Orte“ (bzw. de-ren Repräsentanten) kulturelle Differenzenimmer auch auf eine bestimmte Art und Weisereproduziert und zementiert werden. Insofernist die Akzentuierung individueller Geschich-ten besonders wichtig, zeigt sich dann doch,dass z.B. ethnische Differenz im Sinne einesgemeinsamen Herkunftskontextes für einzelnePerson sehr unterschiedliche Bedeutungen ha-ben kann und auch unterschiedlich wich-tig/unwichtig ist.

In der Praxis bedeutete dies für die Studie-renden auch, Orte und Menschen aufzusu-chen, mit denen sie sonst nicht in Berührungkommen, Hemmungen und eigene Vorurteilezu überwinden, mit Sprachbarrieren umzuge-hen, oder vor verschlossenen Türen zu stehen– z.B. weil der Verein längst in andere Räum-lichkeiten umgezogen war. Einige Studierendeknüpften freundschaftliche Beziehungen, wur-den zum Essen oder zu Veranstaltungen ein-geladen oder gar zu einem Besuch im Her-kunftsland. Insgesamt bekamen die Studieren-den mit diesem Projekt eine lebendige Vor-stellung vom vielkulturellen Augsburg undkonnten auf diese Weise und je nach persönli-chem Engagement ihr theoretisches Wissenüber Migrationsforschung durch eigene Erfah-rungen erweitern. Die Arbeit am Stadtplan er-forderte ein Einlassen auf die multiethnischeurbane Realität. Der persönliche Kontakt mitVereinsvorsitzenden, Kneipen- oder Geschäfts-betreibern eröffnete zudem Einblicke in dasumfangreiche Beziehungsgeflecht innerhalbder einzelnen Migranten-Communities inAugsburg.

Das Projekt wurde auch von kritischenStimmen und Auseinandersetzungen begleitet.

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Da wir angesichts der Fülle der Orte nur ex-emplarisch vorgehen konnten, wählten wirnach dem Zufalls- oder Schneeballsystem aus.Wir wollten zwar die Vereine (Migranten-selbstorganisationen) und religiösen Stättenvollständig aufführen, aber auch hier erreich-ten uns manche Informationen zu spät. In denVereinen entzündete sich die Diskussion, obwir als extremistisch eingestufte oder im Ver-fassungsschutz aufgeführte Organisationenaufnehmen sollten oder nicht. Das mit demStadtjugendring abgesprochene Vorgehen,auch diese Realität widerzuspiegeln und keineZensur vorzunehmen, fand nicht bei allen Be-teiligten und später in der Rezeption Zustim-mung.

Der Interkulturelle Stadtplan heute

Damals waren fast alle Gesprächspartner_in-nen von der Idee des Stadtplans begeistert undzeigten sich zur Mitarbeit bereit. AnfänglichesMisstrauen war primär den Vorstellungen ge-schuldet, dass sich hinter dem Stadtplan einGeschäftsinteresse verberge, für das im Sinneeines Branchenbuchs bezahlt werden müsse.Viele empfanden es als außergewöhnlich underlebten zum ersten Mal, dass sich offizielleVertreter_innen der Stadt – und als solchewurden wir wahrgenommen – für ihre Situati-on, ihre Lebenswege und Lebensleistungen in-teressierten, ohne kommerzielle Interessenoder sozialpädagogische Angebote zu vertre-ten. Was nicht ausschloss, dass wir manchmalgebeten wurden, Briefe von Behörden zu le-sen, auf ausländerrechtliche Fragen zu ant-worten oder in sozialen Belangen wie demSchulbesuch der Kinder zu beraten. Alle Betei-

ligten begrüßten die Möglichkeit, kostenlosauf ihren Ort und ihr Angebot bzw. auf ihreCommunity oder die Situation im Herkunfts-land und auf ihre individuellen Erfahrungenaufmerksam machen zu können. Die Inter-viewten bestimmten selbst, welche Informa-tionen veröffentlicht wurden, d.h. die Ortsbe-schreibungen und Fotos wurden möglichstnach persönlicher Rücksprache autorisiert.Das erklärt die Unterschiedlichkeit in den Be-schreibungen bezüglich Inhalt und Länge.

Seit dem Erscheinen des Stadtplans 2003sind zehn Jahre vergangen. Mittlerweile füh-len sich alle politischen Parteien den Themengesellschaftliche Diversität und Integrationverpflichtet und haben es in ihre Programmeaufgenommen. Deutschland ist offiziell zumZuwanderungsland geworden, interkulturelleÖffnung und Diversity Management Program-me gelten als professionelle Strategien. Inter-kulturelle Kompetenz gehört zu einer Schlüs-selkompetenz im öffentlichen und beruflichenLeben. Mittlerweile stehen Willkommens- undAnerkennungskultur im Mittelpunkt, da Zu-wanderung angesichts von identifizierterÜberalterung der Gesellschaft in Deutschlandund einem Mangel an Fachkräften als zwin-gend erachtet wird. Inwieweit dieser Paradig-menwechsel in der Bevölkerung Deutschlandsangekommen ist und angenommen wird,bleibt zu fragen.

Was damals mit dem Stadtplan als Sicht-barmachen intendiert war, könnte jedoch teilsauch als Kulturalisierung wahrgenommenwerden. Vor allem junge Menschen empfindenzu Recht die Reduzierung auf den Migrations-hintergrund vielfach als stigmatisierend undausgrenzend. Ein aktueller Interkultureller

Abb. 3: Fotobeispiele, wie man sie auf der Internetseite für die meisten der verzeichneten „interkulturellen Orte“ vorfindet:„Cagri Moschee“ und „Hüdaverdi Supermarkt“ (Quelle: http://www.interkultureller-stadtplan.de, Zugriff: 12.4.2013).

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Stadtplan würde sich sicher eher am geogra-phischen Raum orientieren und z.B. die Eth-nographie einzelner Straßenzüge oder Viertelbeschreiben – ungeachtet der Herkunft der Be-wohner_innen bzw. diese nicht als Ausgangs-punkt nehmen.

Als Folge- bzw. Anknüpfungsprojekt an denStadtplan ist die Zusammenarbeit mit dem Bü-ro für Friedens- und Interkultur, dem Dachver-band der Türkischen Vereine Augsburg (DTA)und dem Lehrstuhl für Ethnologie der UniAugsburg zur Erstellung einer Topographieder religiösen Stätten in Augsburg im Jahr2010/2011 zu sehen. Hier war nicht die Frageethnischer oder nationaler Wurzeln relevant,sondern die zu untersuchenden Ausprägungenvon Religion, Glaube oder Spiritualität. Wasist überhaupt ein religiöser Ort und wer hatdarüber die Definitionsmacht? Dazu entwi-ckelte ich angelehnt an das Münchner Projekt„Fit für Vielfalt“ ebenfalls mit Studierendeneine „Interreligiöse Stadtrallye“. Ziel dieserRallye ist „nicht die Wissensabfrage bzw. Wis-sensvermittlung [. . . ] , sondern vielmehr dasWahrnehmen und Finden von Religion im All-tag, der Reflexion über die eigene Haltungund die eigenen Bezüge zu Religion und religi-öser Vielfalt im Kontext von Stadtgesellschaftund Alltagsleben“ (http://www.via-bay-ern.de/FfV/veranstaltungen.html, Zugriff:28.2.2013).

Vielen Augsburgern wurde mit dem Inter-kulturellen Stadtplan zum ersten Mal die Viel-falt der Stadt bewusst und selbiger zeigte ih-nen die Normalität der Zuwanderung auf. DieVolkshochschule bietet seit Jahren interkultu-relle Führungen auf der Basis des Stadtplansan. Ich habe anfangs die Führungen konzipiertund durchgeführt und konnte erleben, welcheHemmschwellen bestehen, von Migrant_innenetablierte „Orte“ zu betreten. Es schien, als seiein imaginäres Verbotsschild über der Tür an-gebracht. Gleichzeitig war es interessant zusehen, wie Vorurteile und Ängste durch dasKennenlernen abgebaut oder zumindest inFrage gestellt wurden. Aber auch diese Stadt-führungen haben sich im Laufe der Zeit imSinn der oben beschriebenen Vorbehalte ge-wandelt und beziehen sich nun verstärkt aufViertel und ihre Bewohner_innen, unabhängigvon ihrer Herkunft. Nachdem die Printversionsehr schnell vergriffen war, ging der Stadtplanim Jahr 2005 ans Netz und wird auch im Rah-men der begrenzten finanziellen und personel-len Möglichkeiten sporadisch aktualisiert.

Biographische Notiz:

Christiane Lembert, Ethnologin M.A., ist seit2001 als Lehrbeauftragte an der UniversitätAugsburg am Lehrstuhl Europäische Ethnolo-gie/Volkskunde tätig und unterrichtet dortden Schwerpunkt Migrationsforschung. Sie istzudem Interkulturelle Trainerin (LIDIA) undDiversity Managerin (Uni.) und arbeitethauptberuflich beim Verband für Interkultu-relle Arbeit, Bayern (VIA Bayern e.V.) als Bil-dungsreferentin in der Fachstelle DiversityManagement im bundesweiten Netzwerk „In-tegration durch Qualifizierung“. Der Interkul-turelle Stadtplan Augsburg war ein Auftrags-projekt des Stadtjugendrings Augsburg, dasFrau Lembert mit Studierenden der Ethnologieim Rahmen einer Übung realisierte.

LiteraturLembert, Christiane (2003): Vorwort. In: StadtjugendringAugsburg [Hrsg.] : In Augsburg ist die Welt zuhause. Inter-kultureller Stadtplan Augsburg.

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Sprach(r)ohrHelge Piepenburg: Verbesserung der Lehre: Standortwechselals Lösung eines grundlegenden Problems?

Henrike Wilhelm: Aus den Augen, aus dem Sinn?

Die Rubrik Sprach(r)ohr versteht sich als Ort des Debattierens und des Meinungs-austausches. Das Sprach(r)ohr wurde erdacht, um als Forum kontroverser Diskus-sionen geographischer Fragestellungen und studentischer Belange zu dienen. Hierwerden Fragen aufgeworfen, Ideen sowie Kritik geäußert und natürlich diskutiert.Das Sprach(r)ohr soll die Meinungen Studierender im deutschsprachigen Raum hör-bar machen und dadurch vernetzend wirken. Fühl dich frei, dich einzubringen undnutze das Sprach(r)ohr, um Belange verschiedenster Art überregional zu diskutieren.

Sprach(r)ohr |

Und habt ihr an eurem Institut auch schon da-von gehört oder gibt es eine derartige Veran-staltung bei euch nicht? Henrike Wilhelm vonder Leibniz Universität Hannover macht mitihrem Artikel „Aus den Augen, aus dem Sinn“darauf aufmerksam, dass einer der wichtigstenTage im Leben eines Geographiestudierenden:der Tag des Studienabschlusses, von Instituts-seite oftmals nicht so gewürdigt wird, wie dieStudierenden sich das erhoffen und sicherlichauch verdienen. Lest selbst und organisierteuch eine fulminante Abschlussparty!

Und da wir gerade beim selbstbestimmtenbzw. -organisierten Leben sind, berichtet Hel-ge Piepenburg von der Albert-Ludwigs-Univer-

sität Freiburg über die Arbeit des Arbeitskrei-ses „Verbesserung der Lehre, Lehramt undselbstbestimmtes Lernen“ von der Bundes-fachschaftentagung im November 2012 inBerlin.

Also viel Spaß beim Lesen und nutzt dasSprach(r)ohr und meldet euch zu Wort!

Anne Patzig (Redaktion)

Editorial

Geographiestudierende/r X: „Hast du schon Karten?"Geographiestudierende/r Y: „Thematische?“Geographiestudierende/r X: „Nee! Für den GeoBall?“Geographiestudierende/r Y: „Hä? Wie? GeoBall?“Geographiestudierende/r X: „Na, der GeoBall! ! ! Die Abschlussfeier für die Absolventen

des Geographiestudiums in diesem Jahr! Klingelt‘ s?“

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Verbesserung der Lehre: Standort-wechsel als Lösung eines grundlegendenProblems?

Helge Piepenburg, Freiburg

Als auf der Bundesfachschaftentagung im No-vember in Berlin der Arbeitskreis (AK) „Ver-besserung der Lehre, Lehramt und selbstbe-stimmtes Lernen“ gegründet wurde, mussteich zuerst einmal schlucken. Jedes einzelneThema hätte ja bereits genügend Inhalt gebo-ten, um einen eigenen AK damit zu füllen.Nach einer Vorstellungsrunde mit Bestands-aufnahme zu diesen Themen an den einzelnenStandorten wurde dann aber doch schnelldeutlich, dass es ein konkretes Ziel in unseremAK geben sollte. Egal ob im Lehramts- oderBachelorstudium – wir finden es immenswichtig, das selbstbestimmte Lernen und dieEigenständigkeit der Studierenden zu fördern.Grundlage dieser Zielsetzung war das stand-ortübergreifende Problem, dass Studienanfän-ger aus undurchsichtigen, blauäugigen Grün-den ihren Studienort wählen. Zumindest sindinhaltliche Studienargumente eher selten dieBasis für die Standortwahl. Infolgedessen gibtes eine hohe Anzahl an Studierenden, die mitder Ausrichtung der Geographie an ihremStandort unzufrieden sind. Allerdings ist esdann nicht einfach sich umzuorientieren, dajede Universität ihre eigenen Ansprüche an dieStudierenden stellt und sich zumeist lediglichder/die StudiengangskoordinatorIn mit demStandortwechsler auseinandersetzt. Dies kanneinerseits von Vorteil sein, ist aber auch häu-fig Kritikpunkt, da die Studiengangskoordina-tion nicht immer qualifiziert besetzt ist.

Mögliche Strategie: einheitliches Grundstudium

Als Grundlage für einen erleichterten Stand-ortwechsel fordern wir daher eine länderweiteKoordination des Grundstudiums, damit we-nigstens ein bundeslandinterner Wechselmachbarer wird. Hierzu sollte auf der BuFaTaein Positionspapier entwickelt werden, mitdem die Vertretungen der einzelnen Bundes-länder argumentieren können. Ein weiteresFernziel des AK ist es, auf kommenden Bun-desfachschaftentagungen an einer Musterstu-dienordnung/Rahmenprüfungsordnung zu ar-beiten, in der wir uns positionieren und dar-stellen wollen, welche Inhalte wir für unab-

dingbar im Grundstudium der Geographieerachten. Damit soll nicht etwa die Speziali-sierung der einzelnen Standorte kritisiert wer-den, es soll lediglich eine einheitliche Organi-sation des Grundstudiums geben, das an vielenStandorten sowieso inhaltlich deckungsgleichist, aber von den Studienkoordinationen oftnicht immer als kongruent anerkannt wird.Durch die offizielle Angleichung der Moduleerhoffen wir uns innerhalb der ersten drei Se-mester des Studiums ein problemloses, barrie-refreies Wechseln des Studienstandortes, umsich schon frühzeitig in eine Fachrichtung, dieden eigenen Vorstellungen entspricht, entwi-ckeln zu können. Hierzu werden die Akkredi-tierungsgrundlagen überprüft werden müssen,sodass durch das schrittweise Akkreditierender Studiengänge eine Verbesserung der Si-tuation erreicht wird. Ebenfalls möchte sichder AK zu gewünschten Wahlbereichen, einemübergreifenden Exkursionsangebot von Stu-dienstandorten im deutschsprachigen Raumund der Entwicklung von sinnvollen Leis-tungsüberprüfungen in Form von Portfolios,die auch unbenotete Anteile enthalten, einset-zen. Wir sehen dies als notwendige Schrittean, um die immer jünger werdenden Studien-anfänger weiterhin als hervorragend qualifi-zierte Geographen auszubilden. Uns ist be-wusst, dass die Gestaltung einer Rahmenprü-fungsordnung für den deutschsprachigenRaum ein ambitioniertes und langfristiges Zielist und wir erhoffen uns die Unterstützung al-ler Geographiestudierenden, die sich für dieoben genannten Ziele einsetzen möchten.Sprecht bei euch vor Ort mit den Fachschaf-ten,organisiert eure Anreise zur nächsten Bu-FaTa in Freiburg vom 17. bis 20. Mai 2013und verfolgt die Arbeit des AK aufwww.geodach.org. Mit diesem Maßnahmen-paket helft ihr, die Studiensituation eures ei-genen Standortes und auch die aller anderenStandorte im deutschsprachigen Raum zu ver-bessern, denn ihr müsst nicht alles schlucken!

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Aus den Augen, aus dem Sinn?

Henrike Wilhelm, Leibniz Universität Hannover

Durch Erfahrungen aus der Schulzeit oderähnlichen Situationen könnte man als Studie-render eigentlich davon ausgehen, dass es zumAbschluss des Studiums eine offizielle Zeug-nisvergabe oder wenigstens einen freundli-chen Händedrück von Seiten der Institute ge-ben sollte. Leider wird das nicht an allen geo-graphischen Instituten so gehandhabt. Freinach dem Motto aus den Augen, aus dem Sinnwerden die Absolventen oftmals ohne vielAufsehen in die Arbeitswelt entlassen.

Bei uns in Hannover findet die Zeugnis-übergabe relativ unspektakulär mit den Da-men und Herren vom Prüfungsamt statt. Waswirklich sehr schade ist, denn auf den Studi-enabschluss folgt ja in der Regel ein Schritt inneue Lebensabschnitte. Um den geographi-schen Absolventen einen schöneren Abschlussdes Studiums zu ermöglichen, veranstaltet derFachrat Geographie in diesem Jahr mal wiedereinen GeoBall, zu dem alle Absolventen, Mit-arbeiter und Studierenden eingeladen werden.Unser Ball wird mit einem offiziellen Teil mitBuffet, Reden etc. beginnen und dann in eineParty übergehen, bei der dann alle Studieren-den für einen kleinen Eintrittspreis mitfeiernkönnen. Auf diese Weise erhoffen wir unseinen feierlichen sowie unterhaltsamen Abendmit vielen Gästen. Da so eine Veranstaltungmit einem großen organisatorischen und fi-nanziellen Aufwand einhergeht, vergingen seitdem letzten GeoBall leider vier Jahre. Umsoschöner, dass es in diesem Jahr wieder klappt!Nach vielen Stunden der Vorbereitung, Pla-nung und bangen Stunden, ob sich genügendGäste anmelden würden, steht uns der GeoBallnun bevor und das Feedback der Kommilito-nen und Absolventen ist durchweg positiv.Dieser Tatbestand zeigt uns, dass durchaus ei-ne Nachfrage seitens der Absolventen besteht,in einem feierlichen Rahmen den Studienab-schluss – egal ob Bachelor, Master oder Di-plom – zu feiern.

Aber warum ermöglichen die einzelnen In-stitute ihren Absolventen nicht eine derartigeAbschlussfeier? Sollten auch hier wieder ein-mal die fehlenden finanziellen Mittel oderPersonalmangel Grund dafür sein? Sicherlichist es so, dass die Veranstalter investierenmüssen, aber mit einer guten Kalkulation undeinem engagierten Organisationsteam ist mei-

nes Erachtens alles möglich! Wenn nun aucham Abend des Balls alles reibungslos abläuft,könnte der Standort Hannover mit einem gu-ten Beispiel vorangehen. Vielleicht hat euerStandort ja bereits eine gute Lösung für dasProblem gefunden, oder möchte nun auchselbst die Organisation eines Absolventenballsanregen. Wendet euch an eure Fachschaft, si-cher findet ihr dort offene Ohren und Organi-sationstalente, damit ihr als Absolventen nichtauch sofort in Vergessenheit geratet!

Sprach(r)ohr |

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GeoPraktischInterview mit Stefan Finke: Über den Wolken? Von wegen …

GeoOrga

die wohl populärste, aber damit auch berüch-tigste Frage an GeographInnen und solche, diesich dazu ausbilden lassen, dreht sich darum,„was man denn mit Geographie dann somacht?“

Während manche resignierend aufgeben,und sich andere Standardfloskeln zurechtle-gen, liefern wir euch in GeoPraktisch handfes-te Beispiele aus der Praxis. Dieses Mal kommtdieses Beispiel von einem Geographen, der imFlugbetrieb seine Berufung gefunden hat.

Garniert wird dies wie immer von beson-ders wichtigen Terminen, die Ihr nicht verpas-sen solltet!

Viel Spaß bei der Lektüre

Frank Meyer und Carl Cengiz Rakip

GeoPraktisch ist eine Rubrik, die sich auf die Praxis bezieht. Hier werdenHinweise zum Studienalltag und wissenschaftlichen Arbeiten gegeben, Inter-views mit Praktikern aus geographischen Berufsfeldern vorgestellt, und Termi-ne zu interessanten, geographischen Veranstaltungen gelistet. Damit erhaltendie LeserInnen neue Anregungen und einen Überblick über ihre eigenen Fach-grenzen hinaus.

GeoPraktisch |

Liebe GeographInnen, liebe PraktikerInnen,

S. 59

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Über den Wolken? Von wegen …

GeoPraktisch-Interview mit dem Referenten für

Innovation bei airberlin, Diplom-Geograph Stefan

Finke (27)

entgrenzt: Herr Finke, bitte stellen Sie sich un-serer Leserschaft vor.

Mein Name ist Stefan Finke und ich habezwischen 2005 und 2011 den Studiengang Di-plomgeographie am Institut für Geographieder Universität Leipzig absolviert. Seit Novem-ber 2011 arbeite ich bei airberlin in Berlin.entgrenzt: Was sind Ihre Aufgaben?

Im letzten Monat habe ich die Abteilung ge-wechselt und arbeite nun in einem Bereich,der meinem Ausbildungsprofil sehr nahkommt. In der neuen Abteilung bin ich verant-wortlich für die Einführung neuer Programmebei airberlin. Aktuell arbeiten wir daran einneues CRM (= Customer Relation Manage-ment System) für den Vertrieb zu implemen-tieren. Nach erfolgreicher Implementierunggeht es darum, die nächsten Phasen vorzube-reiten und mit weiteren Fachbereichen bei air-berlin abzustimmen. Parallel werde ich für dieAdministration des neuen Programms verant-wortlich sein.entgrenzt: Welche Projekte beschäftigen Siederzeit besonders?

Aktuell geht es bei der Implementierung desCRM um die Vorbereitung der Gap-Analyse.Bei der Gap-Analyse geht es um den Vergleichzwischen den Anforderungen von airberlinund dem aktuell entwickelten Programmdurch unseren Implementierungspartner. Soll-ten hier wichtige Felder fehlen oder fehlerhaftsein, haben wir nun die Chance auf diese hin-zuweisen und durch unseren Partner einarbei-ten bzw. diese ändern zu lassen. Parallel sindwir dabei die Schulung für das Programm imSalesbereich vorzubereiten.entgrenzt: Wie verlief Ihre Laufbahn bis zu Ih-rer derzeitigen Beschäftigung?

Ich habe meine berufliche Laufbahn bei air-berlin im November 2011 begonnen. Die An-fangsstation war das Revenue Management fürden Bereich Süditalien. – Das Revenue Mana-gement ist für die Erlösoptimeriung verant-wortlich und kann als Einnahmeseite gesehenwerden. Ziemlich schnell habe ich jedoch fest-gestellt, dass das Revenue Management nichtmeiner Interessenslage entspricht, da ichschon während des Studiums stark im Projekt-

bereich eingebunden war. Dies habe ich nunin meiner neuen Abteilung, Commercial Infor-mation Systems, gefunden. Diese Abteilung istdafür verantwortlich neue Programme bei air-berlin zu implementieren. Neben der Einfüh-rung des CRM, werden Programme im BereichFlightplanning und Revenue Mangement ein-geführt.entgrenzt: Wie wirkten sich die Vertiefungenwährend Ihres Studiums auf Ihre Bewerbungaus?

Durch die frühzeitige Fokussierung auf denLuftverkehr und der damit eingeschlagenenSpezialisierung im Bereich Verkehrs- undWirtschaftsgeographie war es mir möglich eingenerelles Grundverständnis dieses Wirt-schafts- und Verkehrsbereiches zu erlangen.Weiterhin war die Tutorentätigkeit im BereichGeoinformatik und vor allem Geostatistik sehrförderlich. Auch die Projektarbeiten in Semi-naren z.B. zur 3D-Modellierung der histori-schen Universität Leipzig im 19. Jahrhundertwaren für den späteren Bewerbungsprozesssehr hilfreich. Flankiert wurde dies durchmeine Praktika bei der Lufthansa in Berlinund Dubai sowie auf dem Flughafen Leip-zig/Halle. Eine abschließende Expertise konn-te ich durch meine Diplomarbeit geben, daauch hier der Luftverkehr im Mittelpunktstand.entgrenzt: Welche Rolle haben Praktika undEhrenämter bei der Jobsuche gespielt?

Wie bereits bei der vorhergehenden Frageausgeführt, haben Praktika und Projektarbei-ten am Institut einen nicht unerheblichen Ein-fluss auf meinen beruflichen Werdegang ge-habt. Vor allem geknüpfte Kontakte währendder Praktika erwiesen sich im Nachgang alssehr hilfreich. Auch die Nebentätigkeit bei ei-nem Reiseveranstalter verhalf zu einem positi-ven Beitrag im Bewerbungsprozess.entgrenzt: Welche persönlichen Kompetenzensollte ein/e BewerberIn mitbringen?

In meiner aktuellen Anstellung geht es dar-um, Arbeiten zu priorisieren und mit hoherQualität zeitnah zu erledigen. Dadurch, dassdie aktuelle Tätigkeit sehr projektgetrieben ist,muss man vor allem belastbar und gewilltsein, mehr als 100 % zu geben. Ansonstensollte man die Eigenschaft haben selbstständigzu arbeiten und sich neue - auch komplexe -Felder zu erschließen. Ein überzeugendes Auf-treten in Meetings und bei Präsentationen istweiterhin sehr wichtig. In der vorhergehendenTätigkeit war es primär wichtig Statistiken zu

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interpretieren und daraufhin korrekte Ent-scheidungen zu treffen. Auch musste man die-se Entscheidungen vor Vorgesetzten überzeu-gend präsentieren können.entgrenzt: Welche Perspektiven haben Berufs-anfängerInnen in Ihrem Job?

In meiner aktuellen Tätigkeit kann ich diesschwer einschätzen, da ich zu kurz im Teambin. In der vorhergehenden Abteilung sind dieChancen für Einsteiger sehr gut, da das Hand-werk schnell erlernt wird und sich ein guterRevenue Manager durch Erfahrung auszeich-net.entgrenzt: Welche Vertiefungen können bei ei-ner Karriere hilfreich sein?

Auch wenn das Wissen des MS Office Pake-tes vorausgesetzt wird, ist dies nach wie vorein Bereich, mit dem man sich hervorhebenkann. Auch das Wissen wie man eine Präsen-tation hält oder bei einer Rede souverän auf-tritt ist sehr wichtig und kann den entschei-denden Pluspunkt geben. Somit würde icheher für die Softskills plädieren. Allerdings er-gibt sich diese Fokussierung meinerseits auchdurch die gewünschte Tätigkeit und den damitverbundenen Unternehmensbereich, der gera-de dies fordert. Sollte man eine andere Lauf-bahn einschlagen, ist sicherlich das Faktenwis-sen mehr gefordert. Soll heißen, man sollteden Fokus passend zum Karriereziel setzen.entgrenzt: Auf welche Aspekte ist bei einer Be-werbung besonders zu achten?

Meiner Meinung nach, zeichnet sich einegute Bewerbung durch einen schlüssigen undkompakten Lebenslauf aus. Es sollten keineLücken vorhanden sein und es sollte ersicht-lich sein, was man in seinem Leben vorhat. ImCover Letter sollte man sehr stark hervorstrei-chen, warum man der oder die Richtige fürden Job im Vergleich zu den restlichen Bewer-bern ist. Am aller wichtigsten ist für mich je-doch das Bewerbungsgespräch. Hier habe ichselber viel lernen müssen, da ich mich bei-spielsweise nicht ausreichend mit dem Unter-nehmen beschäftigt hatte. In Erinnerung istmir dabei vor allem eine Bewerbung bei einergroßen arabischen Airline geblieben, die als 5-Sterne-Airline gilt und eine dementsprechendeKlientel hat. Leider hatte ich hier versäumt ei-ne Krawatte anzulegen. Aus diesem Grundhatte ich bereits keine Chance mehr, da einMitarbeiter immer das Unternehmen repräsen-tiert und in die Öffentlichkeit reflektiert. Beivorrangigen Kunden aus dem Businessbereichist es somit ein Muss, dass auch die eigenen

Mitarbeiter eine Krawatte tragen. Eine ober-flächliche Entscheidung auf den ersten Blick,die für meine weiteren Bewerbungen jedochenorm hilfreich war und auf den zweiten Blickverständlich und logisch erschien.entgrenzt: Herr Finke, wir danken für das Ge-spräch!

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GeoOrga

„AK Stadtzukünfte 34. Sitzung“ in Jenawww.stadtzukuenfte.de

Bundesfachschaftentagung (BuFaTa) 2013 in Freiburgwww.bufata-freiburg.bplaced.net

AK Freizeit- und Tourismusgeographie Jahrestagung 2013„Tourismus und Grenzen“ in Konstanzwww.freizeit-tourismus-geographie.de/jt-2013-konstanz.html

Studentische Initiative Sub-Sahara Afrika (SISA) 1 . Treffen in Bayreuthwww.univie.ac.at/aksa

Regional Conference of the International Geographical Union in Kyotowww.igu-kyoto2013.org

Internationale Sommerschule 2013 (Schwarzmeerküste des nordwestlichenKaukasus): „Ökologisches Management im System 'Mensch – Umwelt'“www.riic.utmn.ru/riic/archives/679

Summerschool der Geowerkstatt Leipzig:„Tatort Leipzig – Der Reurbanisierung auf der Spur“www.geowerkstatt.com

Eugeo2013 Kongress in Rom„Europe, what’s next? Changing geographies and geographies of change“www.eugeo2013.com

Humangeographische Sommerschule (Frankfurt/Main):„Geographische Stadtforschung – Neoliberalisierung.Exklusionen.Widerstände“www.humangeographische-sommerschulen.de/

Geographentag „VerANTWORTen –Herausforderungen für die Geographie“ in Passauwww.geographentag.uni-passau.de

3.–4.5.2013

17.–20.5.2013

30.5.–1 .6.2013

9.6.2013

4.–9.8.2013

16.–29.8.2013

1 .–7.9.2013

5.–7.9.2013

23.–27.9.2013

2.–8.10.2013

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Die MitarbeiterInnen von entgrenzt

entgrenzt ist ein offenes Medium und lebt vomMitmachen. So konnte die dritte Ausgabe vonentgrenzt nur durch viele HelferInnen und Mit-arbeiterInnen entstehen. Was anfangs durchsieben StudentInnen der Leipziger Geographieangestoßen wurde, wird mittlerweile durchviele ständige MitarbeiterInnen geleistet. DieMitarbeiterInnen arbeiten u.a. aus Leipzig, Er-langen, Kiel, München und Frankfurt an ent-

grenzt mit. Danke an alle HelferInnen der fünf-ten Ausgabe von entgrenzt:

Kristine Arndt (Leipzig), Franziska Bader(Leipzig), Carl Cengiz Rakip (Frankfurt amMain), Frank Feuerbach (Leipzig), KevinGebhardt (Leipzig), Ingo Haltermann(Essen/Münster), Marco Holzheu (Leipzig),Thomas Kandler (Leipzig), Josephine Kellert(Leipzig), Jörg Kosinski (Leipzig), Robert Kul(Leipzig), Frank Meyer (Leipzig), Anne Patzig(München), Helge Piepenburg (Freiburg),Florian Steiner (Frankfurt am Main), SandraTaudt (Kiel), Cosima Werner (Uni Erlangen),Henrike Wilhelm (Hannover), Jan Winkler(Erlangen), Annika Zeddel (Erlangen)

Die Mitarbeit bei entgrenzt

Auch eine Onlinezeitschrift entsteht nicht vonallein. Im Hintergrund arbeiten bei entgrenztviele pfiffige Köpfe und fleißige Hände, damitdie Website, das Layout und natürlich die In-halte entstehen und in die richtige Form ge-bracht werden können. Wir sind ein fröhlichesTeam aus GeographInnen, SoziologInnen, Kul-turwissenschaftlerInnen und Technikfreaks, indem neue HelferInnen, egal aus welcher Fach-richtung, jederzeit herzlich aufgenommenwerden. Wenn du dich also ausprobierenwillst, bieten dir unsere Redaktionsbereiche,die PR und Technik viele Möglichkeiten dazu.

Wir arbeiten weitestgehend dezentral, umdem Ziel der Vernetzung von Studierendeneinen Schritt näher zu kommen. Der Umgangmit unserem entgrenzt-Wiki, E-Mail und Skypeist daher zentral in unserer Arbeitsweise. Soll-test du also nicht an unserem Stammsitz inLeipzig sein, lass dich nicht entmutigen. Unse-re HelferInnen sitzen auch an anderen Stu-dienorten. Die Aufgaben reichen von kleinenHilfsleistungen, Tipps und Recherchen, zu

möglichen Beiträgen, bishin zu umfangreiche-ren Arbeiten wie dem aktiven stetigen Mitwir-ken innerhalb eines Verantwortungsbereichs.Wieviel Zeit du bei uns einbringst, entschei-dest du allein. Außerdem ist Motivation undAbstimmung im Team wichtig, der Rest istLearning by Doing. Es gibt keine Mindest-Se-mesterzahl und die Arbeit ist ehrenamtlich.Hast du Interesse an der Mitarbeit bei ent-grenzt? Dann schreib uns eine E-Mail [email protected]. Oder besuche unsere Web-site www.entgrenzt.de für aktuelle Mitarbeits-gesuche.

UnterstützerInnen

entgrenzt hätte nicht ohne unsere Unterstütze-rInnen entstehen können. Wir bedanken unsbei der GeoWerkstatt Leipzig e.V. für die Un-terstützung und den Rahmen, der entgrenzt

damit ein zu Hause gibt. Ein herzlicher Dankgeht an das Kuratorium, das uns bei der Dis-kussion des Konzeptes und dessen Weiterent-wicklung mit viel Erfahrung zur Seite standund bei Fragen zur Erstellung einer Zeitschrifthalf: Dr. Ute Wardenga (Leibniz-Institut fürLänderkunde), Prof. Dr. Otti Margraf (Leibniz-Institut für Länderkunde und GeographischeGesellschaft zu Leipzig), Prof. Dr. Vera Denzer(Institut für Geographie, Universität Leipzig),Dr. Annett Krüger (GeoWerkstatt Leipzig e.V.und Institut für Geographie, UniversitätLeipzig), Prof. Dr. Dieter Rink (Helmholtzzen-trum für Umweltforschung, Leipzig) und Ni-colas Caspari (GeoDACH-Entsandter, Mar-burg). Der wissenschaftliche Beirat hat dieBeiträge für die Rubrik Geographisches gewis-senhaft und aus professioneller Perspektiveunter die Lupe genommen und die AutorInnenim Review-Prozess begleitet: Damit haben wirBeiträge mit Qualität gewonnen und unsereAutorInnen durften sich auf die Probe stellen.Wir danken dem wissenschaftlichen Beirat da-für. Danke auch an die AutorInnen der ver-schiedenen Rubriken. Ihr habt euch getrautund diese Zeitschrift mit lesenswerten Inhaltengefüllt! Ganz besonderer Dank gilt GeoDACH,der Vertretung deutschsprachiger Geographie-Studierender. GeoDACH versteht sich als Or-gan zur Vernetzung sowie als Diskussions-plattform. Die Kooperation von entgrenzt undGeoDACH ist uns besonders wichtig, weil zur

entgrenzt machen, aber wie?

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Diskussion und Vernetzung ein Medium benö-tigt wird, das frei mitgestaltet werden kannund die Diskussion befördert. Durch die Zu-sammenarbeit mit GeoDACH werden diskuta-ble Inhalte aus den Arbeitskreisen für Studie-rende sichtbar.

Nachwuchs für diekommenden Ausgaben!?entgrenzt – die studentische geographische On-line-Zeitschrift von Studierenden für Studie-rende sucht Nachwuchs. Altgediente Mitarbei-terInnen entwachsen dem studentischen Da-sein und widmen sich neuen Aufgaben. Die al-ten Aufgaben hingegen bleiben, und hierkommt ihr ins Spiel! Habt ihr Lust am Um-gang mit Sprache, am Layouten, Tüfteln, Netz-werken oder Promoten? Wolltet ihr schon im-mer etwas gestalten, euch einbringen odereinfach mal was ausprobieren? Bei entgrenztseid ihr mit euren Fähigkeiten, eurer Kreativi-tät und eurem Enthusiasmus herzlich willkom-men, denn wir suchen Nachwuchs in allen Ru-briken und Sparten, von der Redaktion, derPR, dem Layout bis hin zu technischen Fragen.Ob GeoWerkstatt, Sprach(r)ohr, GeoPraktischoder Geographisches, wir freuen uns überneue MitarbeiterInnen.

Die redaktionellen Aufgaben in den vierentgrenzt Rubriken Geographisches, GeoWerk-statt, Sprach(r)ohr und GeoPraktisch ähnelnsich stark. Dazu gehören:

• Formulierung von Calls und Editorials• Verhandlung der eingereichten Abstracts• Kontakt zu AutorInnen• Ideen für Gastbeiträge und deren

Einwerbung• Lektorieren der Beiträge• Lauscher für potenzielle Beiträge

aufstellen

In der Rubrik Geographisches, in der Studie-rende eigene wissenschaftliche Arbeiten veröf-fentlichen können, kommt zudem noch derKontakt zu potenziellen GutachterInnen sowiedie Vermittlung zwischen AutorInnen undGutachterInnen hinzu.

Beiträge aus der GeoWerkstatt widmen sichTagungen, Exkursionen und anderen Veran-staltungen, die meist außerhalb des muffigen

Seminarraums stattfinden und über den Lehr-buch-Tellerrand hinausgehen. RedaktionelleMitarbeiterInnen, die sich in der "Geographie-Landschaft" besonders gut auskennen, könnenuns besonders unterstützen.

Die Rubrik Sprach(r)ohr ist der Ort des De-battierens in entgrenzt. Hier wird unter ande-rem aus den Fachschaften, von der Bundes-fachschaftentagung und anderen studenti-schen Initiativen berichtet. Der stetige Kontaktzu dem Verein Geo-D.A.Ch. und der Besuchder BuFaTa gehören zu den weiteren Aufga-ben der Sprach(r)ohr-Redaktion. Wer sich hiereinbringen möchte, lernt die vielen Initiativenkennen, die Studierende auf freiwilliger Basisveranstalten.

Bei GeoPraktisch steht hingegen die wohlam häufigsten an GeographInnen gerichteteFrage im Mittelpunkt: "Was macht man mitdiesem Studium?" Hier berichten Berufstätigevon ihren Jobs, ihren Werdegängen und Auf-gaben. Folglich suchen wir für dieses Ressortnach Personen, die Lust haben, neben grund-sätzlichen redaktionellen Aufgaben z.B. auchdas Führen von Interviews zu übernehmen.

Da entgrenzt dezentral arbeitet, d.h. alleGeographiestudierenden im ganzen deutsch-sprachigen Raum sich angesprochen fühlendürfen, ist eigenständiges Arbeiten und E-Mail-Kommunikation bei uns unumgänglich.

Dafür bieten wir Euch die Möglichkeit sichmit neuen und eigenen Ideen bei entgrenzteinzubringen um die Dynamik beizubehalten.Ihr werdet dabei die Geographie von einer an-deren Seite erleben.

Und wenn Ihr immer noch unschlüssig seid,dann weisen wir schon einmal auf das nächsteGesamttreffen im September hin, zu dem alleInteressierten herzlich eingeladen sind (weite-re Informationen per E-Mail).

Fragen? Interesse?

Dann meldet Euch unter [email protected] freuen uns auch euch. Euer entgrenzt-Te-am

Für Technik, PR und Layout

Entsprechende Calls findet Ihr in Kürze aufunserer Facebook-Seite unter

www.facebook.com/entgrenzt

Euer entgrenzt-Team

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Cal l for Papers – Ausgabe Nr. 7, Sommersemester 2014

Du denkst, es steht schon alles überall ge-schrieben? Die Forschungsfelder der Geogra-phie sind alle längst hinreichend beackert?Studierende hätten nichts zu wissenschaftli-chen Debatten beizutragen? Weit gefehlt! Woist euer Selbstbewusstsein?

Wissenschaft ist ein Prozess. Jeden Tagwerden neue Erkenntnisse gewonnen, Ideengeboren und Forschungsarbeiten vorangetrie-ben. Und das nicht nur von ProfessorInnenund DoktorandInnen, sondern auch von Stu-dierenden. Kleine empirische Arbeiten entste-hen bereits im Rahmen von Haus- und Ab-schlussarbeiten. Mit Hilfe von Experteninter-views, eigenen Messungen oder Beobachtun-gen werden Überlegungen weiterentwickeltund verworfen. Wissenschaftliches Wissen ent-steht – auch durch euch – täglich neu. Wennihr dieses Material nicht in virtuellen Ordnernund in den Schubladen der DozentInnen ver-stauben lassen wollt, ist entgrenzt der richtigeOrt, bereits getane Arbeit weiterzuentwickeln.

Ihr könnt kurze Fachartikel verfassen(„Geographisches“), über Erlebnisse und Er-fahrungen berichten („Geowerkstatt“), eureMeinung im „Sprach(r)ohr“ zur Diskussionstellen oder uns mit praktischen Tipps undVeranstaltungshinweisen versorgen („Geo-Praktisch“). Wir sind offen für neue Einblicke,verrückte Ideen, solide Ausarbeitungen undprovozierende Thesen. entgrenzt soll kein sta-tisches Konstrukt sein, sondern ein Medium,was von einem dynamischen Austausch lebt.Wir wollen dem wissenschaftlichen Nach-wuchs eine Stimme geben – eure Stimme. Alsosendet eure Beitragsideen zu folgenden Rubri-ken an [email protected].

Info zur Beitragseinreichung: Für jede Ru-brik laufen gesonderte Calls – Aufrufe zur Ein-reichung von Beiträgen. Innerhalb eines Zeit-raums von zwei Monaten können StudierendeAufsätze zum Leitthema in der Rubrik „Geo-graphisches“ einreichen. Die Beiträge werdenbezüglich ihrer wissenschaftlichen Qualitätvon fachlich versierten MentorInnen begut-achtet. Artikel für die anderen Rubriken sindjederzeit willkommen.

GeographischesEtwa 24.000 Geographie-Studierende gibt esalleine in Deutschland. Wenn wir annehmen,dass jeder/jede von ihnen pro Semester vierwissenschaftliche Arbeiten schreibt, dannkommen wir auf 192.000 studentische geo-graphische Arbeiten im Jahr. Alle Seiten an-einander gelegt, ergibt das eine Strecke vonHamburg bis nach München. Was passiert mitall dieser Denkarbeit? Ihr wisst es selber: inder Regel – nichts! Was für eine unglaublicheVerschwendung. Denn auch wenn nicht jedestudentische Arbeit ein Juwel der wissen-schaftlichen Schreibkunst ist, so sind dochviele von ihnen wert gelesen zu werden – undzwar von mehr als nur einer Lehrkraft für be-sondere Aufgaben. Was also tun mit dernächsten Arbeit? Ab in die Kiste zu den 273anderen oder doch lieber raus an die(Fach)Öffentlickeit? Unser Rat: Bastelt darauseinen Artikel und schickt ihn uns! Ob Physi-sche oder Humangeographie, zu Theorien,Methoden oder Kontroversen, wir freuen unsüber Artikelangebote zu allem, was Euer For-scherInnengeist hervorbringt. Wenn ihr alsoLust habt einen Beitrag (max. 32.000 Zeichen)für die siebte Ausgabe von entgrenzt im Som-mersemester 2014 zu schreiben, dann sendetbis zum 30.6.2013 einen einseitigen Abstractan [email protected], in dem das Thema,die Argumentation, der methodische Zugangund das Fazit des geplanten Artikels deutlichwerden. Wir sind gespannt auf Eure Beiträge!

Euer entgrenzt Team

Call for Papers SS14 |

65entgrenzt 5/2013

permanente Cal ls

GeoWerkstattIn der Rubrik Geowerkstatt suchen wir Men-schen und Konzepte, die sich auf eine inspirie-rende, ausgefallene oder unkonventionelleWeise der Vermittlung von Inhalten widmen.Wenn du beispielsweise in den Genuss einesneuartigen Seminarkonzeptes gekommen bistoder ein solches entwickelt hast, schreib unseinige Zeilen darüber. Wenn du auf Work-shops aufmerksam geworden bist, die didakti-sches Neuland vermitteln, teile diese Informa-tionen mit uns. Oder hast du vielleicht eineeinzigartige Veranstaltung erlebt, dann berich-te uns und unseren Lesern darüber. Texte zudiesen Themen bis maximal zwei Seiten neh-men wir jederzeit entgegen und publizierensie nach redaktioneller Prüfung in der nächs-ten Ausgabe von entgrenzt. Wir freuen uns aufdeine Beiträge an [email protected]!

Sprach(r)ohrIn der Rubrik Sprach(r)ohr suchen wir Men-schen, die ihre Meinungen in Aussagen formu-lieren wollen! Ihr habt Anregungen, Kritikoder möchtet euch generell zur akademischenGeographie äußern? Sei es zur Qualität desStudiums, der Lehre, oder zur Situation derStudierenden. Sei es zu ethischen, organisato-rischen oder politischen Fragen eures Studi-ums; oder zu inhaltlichen Ausrichtungen.Schreibt offen oder anonym! Wir wollen euchhören und zuhören! Fragt euch: Was interes-siert nicht nur mich, sondern auch meineKommilitonInnen weit entfernt an anderengeographischen Instituten? Bildet Autorenkol-lektive und organisiert eure Meinungen. Nutztentgrenzt als Medium des Redens und Zuhö-rens. Tretet miteinander in Austausch; lasstdie Beiträge nicht im Vakuum der Teilnahms-losigkeit verhallen. Das Sprach(r)ohr ist dieEssenz von entgrenzt: Ein Ort, an dem ihr zu-sammenfindet und euren Positionen Gehörverschafft.

Es werden kurze Beiträge von maximal4.000 Zeichen inkl. Leerzeichen gesucht. Wirfreuen uns über eure Beiträge an [email protected]!

GeoPraktischIhr seid TutorInnen und verfasst regelmäßigAnleitungen zum wissenschaftlichen Arbeitenfür andere Studierende? Ihr habt Hinweise zuzukünftigen, interessanten Veranstaltungen(Kolloquien, Tagungen, Seminare, Sommer-schulen, etc.) an euren oder anderen Institu-ten? Ihr wollt uns von eurem spannendenPraktikum berichten? Ihr verfügt über Erfah-rungen mit einem noch unbekannten Arbeits-bereich in der Geographie? Ihr habt weitereTipps rund ums Geographiestudium? Dannteilt eure Eindrücke, Hinweise und Anregun-gen mit uns in der Rubrik GeoPraktisch! Ein-reichungen von max. zwei Seiten nehmen wirjederzeit entgegen und publizieren sie nachredaktioneller Prüfung in der nächsten Ausga-be von entgrenzt. Wir freuen uns auf eurenBeitrag an [email protected]!

| Call for Papers SS14

Name: entgrenzt – studentische Zeitschrift für Geographisches | Verein: GeoWerkstatt Leipzig e.V. | InhaltlichVerantwortlicher gemäß § 6 MDStV/TDG: Johann Simowitsch, Karl­Heine­Straße 21, 04229 LeipzigEmail: [email protected]

Anschrift: GeoWerkstatt Leipzig e.V., c/o Institut für Geographie, Johannisallee 19a, 04103 Leipzig | Vorsitzender:Frank Feuerbach | Tel.: 0341/97 38 616 (Redaktion) | Fax.: 0341/97 32 799 | Email: [email protected]: VR 3619 (Amtsgericht Leipzig)

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entgrenzt bedankt sich für die rechtliche Beratung durch Dextra­Rechtsanwälte.

Das entgrenzt­Layout wurde erstmalig durch Marco Holzheu entworfen. Das Layout der fünften Ausgabe von entgrenzthat Florian Steiner gestaltet. Die Schriftart Yanone Kaffeesatz wurde von www.yanone.de erstellt und von entgrenztunter CC BY 2.0 Lizenz verwendet. Die Schriftart Charis SIL wurde unter der SIL Open Font License (OFL), Version 1.1veröffentlicht. Die zur Gestaltung des Layouts verwendete Software Scribus ist ein freies Desktop­Publishing­Programmund unter der GNU General Public License lizenziert.

ISSN: 2193­1224

Die nächste Ausgabe von entgrenzt wird am1 .   November 2013 erscheinen. Das Leitthemader sechsten Ausgabe von entgrenzt in der Ru-brik Geographisches lautet:

Hausarbeiten, Bachelor-arbeiten, Masterarbeiten –Studierende ARBEITENLehrende haben oftmals wenig Zeit, die WerkeStudierender – basierend auf Recherchen,Analysen und auch Erhebungen, vor allemaber Ambitionen – in aller Tiefe zu lesen.Nicht alle sind Kinder des Enthusiasmus', aberaus eigener Erfahrung wissen wir: Es gibt sie –die studentischen Arbeiten – und nicht wenige

sind es wert, gelesen zu werden. Insbesondereerlauben studentische Arbeiten meist hierar-chiefreie Forschung abseits von forschungs-pragmatischem Opportunismus, oftmals zuThemen, die die Studierenden personlich in-teressieren und/oder betreffen. Wir interessie-ren uns dafur und mochten diesen Arbeiteneinen Raum zur betreuten und begutachtetenFachveroffentlichung bieten.

entgrenzt ist ein Projekt der GeoWerkstatt Leipzig e.V. in Kooperation mit GeoDACH.

Vorschau entgrenzt Ausgabe Nr. 6, WiSe 2013/14

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